Wellington, David – Krieg der Vampire

Laura Caxton will nie wieder Vampire jagen. Die in [„Der letzte Vampir“ 4613 beschriebene Jagd auf Justinia Malvern und Lauras Zeit als unfreiwillige Vampirjäger-Azubine in den Diensten von Special Deputy Arkeley haben sie gezeichnet. Sie will nur noch gute alte – und vor allem normale – Polizeiarbeit leisten. Doch natürlich wird dieser Wunsch jäh vereitelt, als Arkeley wieder in ihr Leben tritt. Gesundheitlich ist er ruiniert, sein Kampf gegen Malvern hat ihn zum Krüppel gemacht. Und so hat er zwar die Vermutung, dass eine neue Vampirattacke kurz bevorsteht, doch wirklich tun kann er dagegen nichts mehr. Also tut er das einzig Logische und zitiert Laura heran, die davon naturgemäß alles andere als begeistert ist.

Und so findet sich Caxton bald in einer unterirdischen Höhle in Gettysburg wieder, in der sich 99 Särge mit 99 Vampirskeletten befinden. Allen fehlt das Herz, und so muss Laura herausfinden, was mit den Herzen passiert ist. Denn nur, wenn die Herzen zerstört werden, ist auch der Vampir unschädlich gemacht. Natürlich stellt sich auch die Frage, wie die Särge eigentlich dorthin gekommen sind. Die Höhle befindet sich unter einer Ausgrabungsstelle in Gettysburg und war ursprünglich ein Pulvermagazin während des Bürgerkriegs. Könnte es also sein, dass die Vampire irgendwie in den amerikanischen Bürgerkrieg verwickelt gewesen sein könnten?

Natürlich wird es nicht bei 99 Vampirskeletten bleiben. Wie Laura schon zu Beginn befürchtet, sieht sie sich bald einer ganzen Armee von wiederauferstandenen Vampir gegenüber, die nach über einhundert Jahren unter der Erde definitiv durstig sind und drohen, Gettysburg buchstäblich wieder in ein Schlachtfeld zu verwandelt.

David Wellington hat mit „Krieg der Vampire“ eine mehr als würdige Fortsetzung des 2007 auf Deutsch erschienenen Romans „Der letzte Vampir“ geschrieben. Er ist seinem Stil treu geblieben und liefert auch diesmal wieder brachiale Hardcore-Action mit Horrorelementen, die nichts für zarte Gemüter ist. Doch gleichzeitig hat er sich als Schriftsteller weiterentwickelt und versucht, neue Ideen in seine Handlung einzuarbeiten.

So ist Arkeley, der mehr als gewöhnungsbedürftige Protagonist des ersten Teils, hier hauptsächlich ein Stichwortgeber. Seine angeschlagene Gesundheit erlaubt es ihm nicht mehr, aktiv auf Vampirjagd zu gehen – eine Tatsache, die ihn naturgemäß wurmt. Er ist gezwungen, Lauras Hilfe zu erbitten. Die beiden sind keine Partner mehr; ganz klar ist Laura die handelnde Hauptfigur, auch wenn sie sich in ihrer Rolle als tonangebende Vampirjägerin unwohl fühlt und mehr als einmal versucht, Entscheidungen nach dem Motto „Was würde Arkeley tun?“ zu fällen. Die Dynamik zwischen den beiden hat sich also stark verändert. Zwar war sie schon in „Der letzte Vampir“ der Sympathieträger, der Charakter, mit dem der Leser sich am besten identifizieren konnte, doch in „Krieg der Vampire“ ist sie nun auch endlich die tatsächliche Hauptfigur und beginnt langsam, aus dem Schatten Arkeleys herauszutreten.

Auch seinen Vampirmythos hat Wellington leicht modifiziert. In „Der letzte Vampir“ waren die Untoten noch hirnlose Killermaschinen, deren einziger Gedanke bei der nächsten Blutmahlzeit lag. Sie waren brutal und vollkommen unmenschlich. In „Krieg der Vampire“ haben sie immer noch all diese Eigenschaften, immer noch sind sie gefährlich und kaum zu besiegen. Nun jedoch gibt ihnen Wellington eine Stimme. Plötzlich sind sie in der Lage zu planen oder sich in Gegenwart eines Menschen zu beherrschen. Ja, man kann unter Umständen sogar Konversation mit ihnen betreiben (bevor sie einen in Stücke reißen, selbstverständlich). Seine Vampire sind also nicht mehr komplett triebgesteuert und sind mittlerweile fähig, ihre eigene Existenz zu reflektieren. Diese Version 2.0 macht Wellingtons Vampire zu tragfähigeren Gegenspielern, als ihre tumben Vorgänger aus dem ersten Teil es hätten sein können.

Die wichtigste Neuerung ist wohl Wellingtons Versuch, diesmal zwei Handlungsstränge gleichzeitig ablaufen zu lassen. Denn natürlich ist es relevant, dass die Vampirsärge unter dem Schlachtfeld von Gettysburg gefunden wurden. Und um zu erklären, wie und warum Vampire in Gettysburg mitgemischt haben, unterbricht er regelmäßig Caxtons Erzählsstrang, um Briefe von amerikanischen Soldaten aus dem Bürgerkrieg einzustreuen, welche die Geschichte langsam aufklären und entwirren.

Dabei gelingt es ihm in beiden Erzählsträngen, eine glaubwürdige Atmosphäre aufzubauen: In den Briefen ist es der Wahnsinn des Krieges und im heutigen Gettysburg die Faszination der Nachgeborenen für diesen geschichtsträchtigen Ort. Gerade diese Stimmung versteht er einzufangen – die Neugierde, die sich immer auch mit Unverständnis paart, die Stadt, die gänzlich vom Mythos der Schlacht von Gettysburg lebt. Da ist es nur natürlich, dass es ein wissensdurstiger Historiker ist, der die Katastrophe ins Rollen bringt, weil er sich auf die Vampire einlässt, in der Hoffnung, endlich aus erster Hand mehr über den amerikanischen Bürgerkrieg zu erfahren. Und da ist es auch nur natürlich, dass der Bürgermeister von Gettysburg sich mit allen Kräften dagegen wehrt, seine Stadt zu evakuieren – und das, obwohl die blutrünstigen Vampire sich schon praktisch die Mäuler lecken. Zu groß ist seine Angst, diese Aktion könnte dem Tourismus – der wichtigsten Einnahmequelle der Stadt – nachhaltig schaden.

Letztendlich wird der Leser auch Justinia Malvern wiedertreffen. Und Arkeley wird zu drastischen Mitteln greifen, um die Vampirbedrohung zu beenden. Wellington lässt sich mit seinem Ende genügend Spielraum für eine weitere Fortsetzung (nämlich „Vampirfeuer“), in der Laura dann wohl ihrem bisher gefährlichsten Feind gegenübersteht.

|Originaltitel: 99 Coffins
Aus dem Amerikanischen von Andreas Decker
362 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-492-26645-1|
http://www.brokentype.com/davidwellington/
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