F. Paul Wilson – Das Kastell

Wilson Kastell Cover Festa 2006 kleinDas geschieht:

Im April des Jahres 1941 steht Nazi-Deutschland scheinbar vor dem „Endsieg“. In einer alten Bergfestung in den rumänischen Karpaten hat eine kleine Abteilung der Wehrmacht einen strategisch eher unwichtigen Kontrollposten eingerichtet. Major Klaus Wörmann, der Kommandant, wurde hierher strafversetzt, weil er, ein Soldat der alten Schule, sich nicht nur geweigert hatte, der SS beizutreten, sondern sogar Manns genug gewesen war, deren Gräueltaten in den besetzten Ostgebieten anzuprangern.

Zwei Soldaten auf heimlicher Schatzsuche wecken versehentlich ein unheimliches Wesen, das nun des Nachts die deutschen Besatzer abzuschlachten beginnt. In seiner Not ruft Wörmann Hilfe. Man schickt ihm SS-Mann Erich Kämpffer, den er nur zu gut kennt und verachtet; zu Recht, denn der ebenso ehrgeizige wie skrupellose Sturmbannführer beginnt sogleich die Einheimischen zu terrorisieren, die er für die Morde verantwortlich macht. Wörmann sucht und findet einen Mann, der mehr über die Festung weiß. Professor Theodor Cuza ist ein todkranker Mann – und er ist Jude, was ihn und seine Tochter Magda der Willkür Kämpffers aussetzt, der beide in die Karpaten verschleppen lässt.

Ein gefährliches Doppelspiel beginnt, denn Cuza verbirgt sein Wissen, das ihn und Magda am Leben erhält, vor den Deutschen. Gleichzeitig nimmt er Kontakt mit dem Geist der Festung auf – dem uralten Dämonen Rasalom, der vor einem halben Jahrtausend angeblich an der Seite des Fürsten Vlad Tepes, genannt Dracula, für die Walachei kämpfte, bis er besiegt und in der Festung gebannt wurde. Rasalom gaukelt Cuza vor, Tod und Verderben über die Nazis bringen zu wollen, um mit des Professors Hilfe den Bann zu brechen, der ihn in der Festung hält. Aber auch sein Bezwinger, der Magier und Krieger Glaeken, hat die Jahrhunderte überdauert. Aus der Ferne hielt er Wache. Rasaloms Rückkehr konnte Glaeken nicht verhindern, doch er macht sich sogleich auf den Weg nach Rumänien. In der alten Festung treffen sie alle aufeinander, und es entbrennt ein mörderischer Kampf zwischen den Mächten des Guten und des Bösen …

Politische Klippen korrekter Unterhaltung

„Das Kastell“ ist das erfolgreiche Hauptwerk des US-amerikanischen Unterhaltungs-Profis Francis Paul Wilson. Es ist zumindest im angelsächsischen Sprachraum sogar noch bekannter als Wilsons politisch unkorrekten, ungemein lesbaren Romane um den unkonventionellen Schutzengel „Handyman Jack“, was etwas heißen will – dies inzwischen auch hierzulande, wo Wilson lange als Geheimtipp gehandelt wurde.

Dem „Kastell“ dürfte in Deutschland das heikle Thema lange den Weg zum Erfolg verstellt haben. Der Band wurde lange nicht mehr aufgelegt, obwohl wir hier einen modernen Gruselroman lesen dürfen, der in dieser Güteklasse nicht gerade häufig zu finden ist. Doch dem steht Wilsons schräger Einfall gegenüber, den Kampf gegen den dämonischen Rasalom vor der Kulisse des Nazi-Terrors spielen zu lassen. Zumindest bei selbst ernannten Weltverbesserern schließt sich da im Hohlkopf sogleich ein Stromkreis, der sie in lautes Wutgeheul über den gar leichtfertigen Umgang mit einem ernsten Thema ausbrechen lässt, über das sie allein das Monopol zu besitzen glauben. Hier wollen nüchtern betrachten, womit wir es hier wirklich zu tun haben.

Wieso sollte es verboten sein, Nazis in einem Gruselroman auftreten zu lassen? Diese Kombination liegt sogar recht nahe, muss es doch für einen Schriftsteller verlockend sein, das fiktive mit dem realen und ultimativen Bösen in Beziehung zu setzen. Wilson hat sich zudem viel Mühe gegeben, seine deutschen Anti-Helden nicht zu sehr in Richtung Hollywood-Karikatur abrutschen zu lassen. Sicherlich ist SS-Recke Kämpffer ein grell überzeichneter Lumpenhund, aber Wilson lässt wenigstens ansatzweise durchblicken, was den wahren NS-Horror ausmachte: die wahnhafte aber nüchterne, geradezu geschäftsmäßig und in nie gekannter Dimension betriebene Ausrottung angeblicher „Untermenschen“.

Blasser Dämon vor braunem Hintergrund

Dagegen bleibt der untote Rasalom ziemlich blass in seiner theatralischen Behauptung angeblicher Bösartigkeit, die ihn im Vergleich mit dem Nazi-Terror wie einen Anfänger dastehen lässt. Diese Diskrepanz kann Wilson nie ausgleichen. Er scheint dies schließlich selbst erkannt zu haben, denn es fällt auf, dass er Kämpffer und Wörmann, die doch die Handlung als echte Hauptpersonen getragen haben, vor dem großen Finale recht abrupt aus dem Verkehr zieht, sodass Rasalom und Glaeken routiniert ihre seit der Urzeit tobende Schlacht zu Ende bringen können.

Wörmann und Kämpffer symbolisieren zugleich die grundsätzliche Schwäche dieses Romans. Wo das alte mit dem jungen Bösen gegen das Gute antritt, ist ein ‚guter‘ Nazi schlicht überflüssig. In diesem Punkt verließ Wilson der Mut. Einen durch und durch bösen deutschen Anti-Helden in einer Hauptrolle glaubte er seinem Publikum nicht zumuten zu dürfen. Lieber verwässert er das Konzept, indem er die Nazi-Rolle splittet und dabei arg plump vorgeht.

Die Mär vom ehrenhaften Wehrmacht-Soldaten, der im „Dritten Reich“ nur seine Pflicht tat, von einer kleinen Clique ‚echter‘ Nazis missbraucht wurde und daher beinahe selbst als deren Opfer zu betrachten ist, finden wir in vielen US-amerikanischen und englischen Romanen bzw. Filmen vor allem der 1960er und 70er Jahre. Man mag dies als Versuch deuten, dem einstigen Gegner Deutschland, der zum wertvollen Verbündeten im Kalten Krieg geworden war, zu signalisieren, dass man gewillt war, gewisse historische Realitäten neu und neutraler zu bewerten. (Wer meint, dass dieser Rezensent Unsinn schreibt, der stelle sich die Frage, wieso im Kinofilm „The Keep“ – dazu unten mehr – nur der ‚gute‘ Deutsche tatsächlich von einem Deutschen gespielt wurde, während für den schuftigen Nazi ein Amerikaner einspringen musste.)

Aus dem Drama wird ein Spektakel

Ungeachtet dessen überwiegt das Positive. Wilson ist ein alter Hase, der sein Handwerk versteht. Geschickt baut er die Kulissen auf und bevölkert sie mit überzeugenden Figuren. Ökonomisch gestaltet er die Handlung, die ihm nur im Finale leicht aus den Händen gleitet; wenn Rasalom prahlt, wie er nach Berlin ziehen und Hitler den Kopf abreißen wird, kann sich der Leser nur mühsam das Grinsen verbeißen. Dass ein Mann wie Professor Cuza ihm auf den Leim geht, mag man trotz Krankheit und Verzweiflung ebenfalls nicht recht glauben.

Die Schlacht zwischen Gut und Böse – die „Andersheit“ wird sie der Verfasser später nennen – tobte auch nach 1941 übrigens weiter: F. Paul Wilson ist geradezu besessen davon, seinen sämtlichen Romanen einen gemeinsamen Kosmos zu Grunde zu legen. „The Grand Unification“ nennt er ihn; es gibt sogar ein Schaubild, mit dem der Verfasser das Wilsonversum übersichtlich ordnet.

„Das Kastell“: der Film

Als „The Keep“ wurde „Das Kastell“ 1983 unter der Regie von Michael Mann („Roter Drache“, „Heat“, „Miami Vice“) aufwändig verfilmt. Auch die Besetzung lässt aufhorchen, spielen doch u. a. Jürgen Prochnow als Klaus Wörmann, Gabriel Byrne als SS-Mann Kämpffer oder Ian „Gandalf“ McKellen als Professor Cuza. Heraus kam allerdings ein formal wie inhaltlich missglückter Streifen, der zu den großen Flops der Filmgeschichte zählt – ein Debakel, das von der Kritik in seltener Einmütigkeit verrissen und vom Publikum tunlichst gemieden wurde.

Die Zeit hat dem Film, der manchmal im Fernsehen läuft, indes gut getan. Heute fallen die positiven Seiten des durchaus ambitionierten Streifens auf, der unter einem Regisseur gedreht wurde, der nicht grundlos als Großer seines Metiers gilt.

Autor

Francis Paul Wilson wurde am 17. Mai 1946 im US-Staat New Jersey geboren. Ab 1968 studierte er Medizin an der Georgetown University in Washington D. C. Dieses Studium schloss er 1973 ab und begann als Spezialist für Knochenkrankheiten zu praktizieren. Schon im zweiten Studienjahr begann Wilson zu schreiben. Er verkaufte Kurzgeschichten sowie Scripts für (Grusel-) Comics. Auch für Theater, Fernsehen und andere Medien arbeitete er. Ein erster Ausflug in die Kinowelt („The Keep“) endete 1983 als Desaster undscheiterte sowohl bei der Kritik als auch an den Kassen.

Mit „Healer“ hatte Wilson 1976 als Romanautor debütiert. Inzwischen veröffentlichte er mehr als 30 Werke aus den Genres Science Fiction, Horror und Thriller. Viele Romane lassen sich Serien wie dem „LaNague-Federation“-, dem „Adversary“- oder dem „Handyman-Jack“-Zyklus zuordnen. Die nicht seriengebundenen Romane Wilsons sind oft Kooperationen mit anderen Autoren und spielen im Milieu medizinischer Forschungseinrichtungen, die zu Schauplätzen von Intrigen und genetischer Missbräuche werden.

Mit Ehefrau Mary und Familie lebt F. Paul Wilson an der Atlantikküste New Jerseys. Über sein umfangreiches Werk informiert er auf dieser Website.

Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: The Keep (New York : Morror and Company 1981)
Übersetzung: Alexander Amberg
Titelbild: Dave Kendall
http://www.festa-verlag.de

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