Wolfgang Hohlbein – Der Hexer von Salem

Wolfgang Hohlbein – einer der bekanntesten und preisgekrönten Autoren phantastischer Literatur – hat sich in seiner Serie „Der Hexer von Salem“ H.P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos angenommen und diesen wieder zu neuem Leben erweckt.

„Das Böse war stark in jenen Tagen;
allzuschnell erlag der Mensch seinen Lockungen.
Doch wisse – ein Mann stellte sich gegen die Dämonen;
ein Mann, der ein schreckliches Erbe in sich trug.
Er machte sich eine uralte, sagenumwobene Macht zum
Feind und wurde gnadenlos von ihren Todesboten gejagt.
Doch er war nicht wehrlos.
Wissen war seine Macht, Magie seine Waffe.
Die Menschen mieden ihn ob seiner unheimlichen Kräfte.
Und man nannte ihn den HEXER.“
(aus dem Heft-Roman „DER HEXER 1: Das Erbe der Dämonen“)

Wir schreiben das Jahr 1883. In den Slums von New York schlägt sich der 23-jährige Robert Craven mit Diebstählen und Raubüberfällen durchs Leben. Wie durch höhere Fügung entgeht er dabei immer wieder der Justiz, doch er soll erst später erkennen, dass dies ein Teil seines Erbes ist – eines magischen und düsteren Erbes. Eines Abends trifft er auf den geheimnisvollen Randolph Montague. Eigentlich will er ihn seiner Brieftasche berauben, doch dieses Vorhaben stellt sich als undurchführbar heraus. Anstatt ihn der Polizei zu übergeben, meldet sich Mr. Montague einige Monate später wieder bei Robert, mit dem Anliegen, dass dieser ihn auf seiner Reise nach England als Leibwächter begleiten möge. Robert nimmt dieses Angebot an, da er an seinem bisherigen Lebenswandel nicht viel Gefallen findet und ihn auch nichts an New York bindet.

Die Überfahrt endet in einem Fiasko. Der Viermaster, auf dem die beiden reisen, die LADY OF THE MIST, wird von einem dämonischen Meeresungeheuer angegriffen. Nach einem aussichtslosen Kampf, bei dem sich Randolph Montague als kein Geringerer denn Roderick Andara, der Hexer, zu erkennen gibt, nimmt das Schiff Fahrt auf und rast auf die schottische Küste zu, wo es an einem Riff zerschellt. Die wenigen Überlebenden – unter ihnen auch Robert Craven und Roderick Andara – retten sich an Land. Im Sterben liegend, offenbart sich der Mann, der einzig und allein die Schuld an dem Unglück trägt, seinem Protege und bittet ihn, um dessen Leben besorgt, nach London zu reisen und dort Howard aufzusuchen. Bevor Andara noch weiteres Licht in die Geschehnisse bringen kann, stirbt er.

Auf Umwegen und bereits in das nächste phantastische Abenteuer verstrickt, erreicht Robert London und findet dort den nicht minder geheimnisvollen und skurrilen Sonderling Howard und dessen Diener Rowlf. Howard weiht ihn behutsam, Stück für Stück in die Geheimnisse ein, die Robert und seine Familie umwittern. Im Zuge immer neuer unglaublicher Abenteuer setzt sich das Puzzle langsam aber sicher zusammen und offenbart ein Bild schrecklicher Nachtmahre, in denen sich Dämonen und Magier um den Fortbestand der Welt streiten.

Meines Erachtens ist dieses Buch mitsamt seinen Nachfolgern eines der gelungensten Werke, die der Vielschreiber Wolfgang Hohlbein je zu Papier gebracht hat. Sicherlich ist es kein literarisches Meisterwerk, doch Hohlbein versteht es, die düstere Stimmung des Cthulhu-Mythos gepaart mit Spannung und Action – die manchmal vielleicht ein wenig überladen wirkt – in Szene zu setzen. Das Einzige, was den Lesefluss an einigen Stellen hemmt, sind die Wiederholungen von Textpassagen und die Rückblicke auf erst vor kurzem gelesene Geschehnisse, die jedoch darin begründet liegen, dass die Geschichte des HEXERS – ursprünglich als Heft-Roman-Reihe konzipiert – erst im Nachhinein ungekürzt in Buchform veröffentlicht wurde.

So enthält der erste Band, „Der Hexer von Salem“, die ersten acht HEXER-Heft-Romane, die 1984 und ´85 in der Reihe „Gespenster-Krimi“ erschienen sind. Für die folgenden drei Bände („Neues vom Hexer von Salem“, „Der Dagon-Zyklus“ und „Die sieben Siegel der Macht“) hat sich Wolfgang Hohlbein jedoch die Mühe gemacht, die Geschichten, die von 1985 bis ´87 eine eigene Reihe bekamen, umzuschreiben und zu kürzen. Die chronologisch am Anfang stehende Erzählung über Roderick Andara („Auf der Spur des Hexers – wie der Horror begann“), wie auch der Roman „Der Sohn des Hexers“ – welcher später in der Reihe „Dämonenland“ als „Die Rückkehr des Hexers“ in überarbeiteter Form erschienen ist – wurden als Bücher geschrieben und veröffentlicht. Der vorerst letzte Band der Hexer-Saga, „Das Labyrinth unter London“, verarbeitet die beiden letzten HEXER-Heft-Romane aus „Dämonenland“, doch die Geschichte Robert Cravens ist bis heute nicht gänzlich zu einem Ende geführt. Wie die meisten anderen Hexer-Begeisterten hoffe ich, dass die beiden versprochenen, jedoch noch nicht veröffentlichten Hexer-Bände alsbald ihren Weg in die Regale der Buchläden finden.

Howard Phillips Lovecraft (* 20. August 1890, + 15. März 1937) schrieb seine erste weird-tale „The Noble Eavesdropper“ wahrscheinlich bereits im Alter von sechs Jahren. 1905 schrieb er „The Beast in the Cave“ und „The Alchemist“. 1906 erschien erstmals ein Text von Lovecraft (ein Brief über ein astronomisches Problem) in einer Zeitung, worauf weitere Veröffentlichungen in diversen Zeitungen folgten. Nach seinen frühesten Geschichten waren bis 1919 Essays und Gedichte seine bevorzugten literarischen Gattungen, auch wenn er im Jahre 1917 kurz hintereinander „The Tomb“ und „Dagon“ schrieb.
Mit der Zeit kristallisierte sich aus den Geschichten eine eigene Welt hinter der uns vertrauten Realität heraus, die sich durch die meisten seiner Erzählungen und Kurzgeschichten zieht – der Cthulhu-Mythos. Heute haben die düsteren Geschichten um |Cthulhu| und sein Geschlecht, die |Großen Alten|, längst Kultstatus und zählen zum Weltliteratur-Erbe.

|“Die Welt war jung, und das Licht der Sonne hatte noch kein Leben geboren, als sie von den Sternen kamen. Sie waren Götter, gewaltige Wesen, unbeschreiblich böse und bar jeder Empfindung, die nicht Haß oder Tod war.
Sie kamen auf den Wegen, die durch die Schatten führen, und setzten ihren Fuß auf eine Erde, die kahl und tot war. Und sie nahmen sie in Besitz, wie sie zuvor schon Tausende von Welten in Besitz genommen hatten, manchmal für kurze Zeit, manchmal für Ewigkeiten, ehe sie wieder gingen und in ihr kaltes Reich zwischen den Sternen zurückkehrten, um Ausschau nach neuen Welten zu halten, über die sie ihre scheußlichen Häupter erheben konnten.
Sie – das waren die, DEREN NAMEN MAN NICHT AUSSPRECHEN SOLL, will man nicht Gefahr laufen, sie zu rufen und den Preis für ihr Kommen zu zahlen, der schrecklich ist.“|
(http://www.hohlbein.de/autor/hefte/hexer/cthulhu.html )

Sie lebten in Metropolen wie der sagenumwobenen Stadt R’lyeh, deren zyklopische Architektur für das menschliche Auge nicht erfassbar ist, und führten eine Herrschaft des Schreckens. Doch auch sie waren nicht allmächtig und als sie die ungeschriebenen Gesetze des Universums überschritten, wurden sie von den |Älteren Göttern| in eine andere Dimension gebannt, in der sie schlafend warten, bis jemand sie befreit und sie erneut ihre Schreckensherrschaft antreten können.

|“Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass der Tod die Zeit besiegt.“| ist die Kernaussage aus Lovecrafts „Call of Cthulhu“ und war seine Bitte an die Nachwelt, seine Kreaturen nicht sterben zu lassen. Wie zuvor auch Clarke Ashton Smith oder Brian Lumley nahm sich Wolfgang Hohlbein dieser Bitte an und erschuf 1983, inspiriert durch ein [Gemälde]http://www.hohlbein.de/autor/hefte/hexer/urh.jpg des englischen Künstlers Les Edwards, den „Hexer von Salem“.

Nicht nur die Kreaturen erwachen in der Hexer-Saga zu neuem Leben, auch die düstere Stimmung, die verrufenen Häuser voller Geheimnisse und dämonischer Wesen, die gefährlichen Erbschaften und diverse feindselige Dorfbewohner aus zu Recht vergessenen Brutstätten des Bösen finden sich in Wolfgang Hohlbeins Saga zu neuem Leben erweckt. Nur die universitären Bibliotheken und die Stadtarchive sind zu Privatsammlungen verkommen, welche eher selten in Augenschein genommen werden.

Eines mag anfänglich ein wenig befremdlich wirken: die Person Howard, die Robert Craven zu einem loyalen Freund und Begleiter wird, ist Howard Phillips Lovecraft selbst – und das bereits in fortgeschrittenem Alter. Nun war H.P. Lovecraft 1883 aber noch nicht einmal geboren. Was Erklärungsansätze zu diesem Sachverhalt betrifft, so muss ich den geneigten Leser auf die späteren Romane vertrösten, in denen Wolfgang Hohlbein Einiges dazu zu erzählen weiß. In den späteren Romanen tauchen auch immer mal wieder einige literarische Figuren aus anderen Zeitepochen oder Kulturkreisen auf. Auch dieses mag manchmal ein wenig befremdlich wirken, doch wenn man die Saga im Ganzen betrachtet, so sind diese Freiheiten des Autors der Geschichte eher zuträglich.

Leider muss ich sagen, dass die neue Auflage der Bücher gegenüber den älteren ein gewisses Manko aufzuweisen hat. In ihr fehlen leider die wunderschönen Bilder, die in der Art alter Buchdrucke einige Seiten zierten. Wer die Muße hat, kann ja versuchen die älteren Bücher aufzutreiben. Ansonsten verweise ich auf die offizielle Wolfgang-Hohlbein-[Homepage]http://www.hohlbein.de. In der Rubrik „Andara-House“ findet ihr alle Zeichnungen aus den Büchern und darüber hinaus noch ein paar mehr.

Zu guter Letzt möchte ich noch darauf hinweisen, dass die chronologische Reihenfolge der Geschehnisse nicht unbedingt der zu empfehlenden Lesereihenfolge entspricht. Im Falle von „Auf der Spur des Hexers – wie der Horror begann“ – in der neuen Auflage zusammen mit „Das Labyrinth unter London“ als Band Sechs der Hexer-Saga erschienen – bietet es sich an, diesen Roman erst nach „Neues vom Hexer von Salem“ zu lesen, da er sonst einige Geheimnisse vorweg nimmt, die den ersten beiden Büchern ihren Charme verleihen.

Hier also die von mir empfohlene Lesereihenfolge:

Der Hexer von Salem
(Gespenster-Krimi Nr. 567, 571, 575, 579, 583, 587, 589 und 595)

Neues vom Hexer von Salem
(überarbeitete Fassung von DER HEXER Nr. 1-11)

Auf der Spur des Hexers – wie der Horror begann
(Roman)

Der Dagon-Zyklus
(überarbeitete Fassung von DER HEXER Nr. 13-21)

Die sieben Siegel der Macht
(überarbeitete Fassung von DER HEXER Nr. 28-30, 37-39, 48 und 49)

Der Sohn des Hexers
(Roman)

Das Labyrinth unter London
(überarbeitete Fassung von Dämonenland Nr. 107 und 114)

Taschenbuch: 906 Seiten
4. Auflage, 2003
www.luebbe.de