Andreas Eschbach – Quest (Lesung)

Eschbachs ‚Moby Dick‘: Pilgerfahrt zu Gottes Wohnsitz

Das Reich Gheera steht vor dem Untergang. Die Verteidigungskräfte haben keine Chance gegen die übermächtigen Legionen des sagenhaften Sternenkaisers, dessen Machtgier keine grenzen kennt. Der endgültige Fall ist nur noch eine Frage der Zeit. In dieser Situation begibt sich der Kommandant Eftalan Quest, ein ehrgeiziger Mann, der sein Schiff mit harter Hand führt, auf eine schier aussichtslose Expedition: Er will den sagenhaften Planeten des Ursprungs finden – die Welt, von der angeblich alles Leben im Universum stammt. Doch es gibt noch andere Legenden um diese Welt … (Verlagsinfo)

Der Autor

Andreas Eschbach, geboren 1959, studierte Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Er lebt als freier Schriftsteller mit seiner Frau an der französischen Atlantikküste. (Verlagsinfo)

Der Sprecher

Sascha Rotermund, geboren 1974 in Arnsberg/Westfalen, studierte an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover Schauspiel. Er trat auf den Bühnen in Bremen, Magdeburg, Lübeck und Hannover auf und hat sich auch als Synchronsprecher leiht er seine Stimme u. a. Jesse Spencer in „Dr House“ und Lee Pace in „Pushing Daisies“. (Verlagsinfo)

Regie führte Manuel Mendes Teixera im Studio XBerg. Die Musik stammt von Andy Matern.

Handlung

Mehrere zehntausend Jahre in der Zukunft spielt dieses Abenteuer, und es dürfte sich um die gleiche Gegend handeln, wie wir sie auch in Eschbachs „Die Haarteppichknüpfer“ angetroffen haben, allerdings liegt die Ära der dort angebrochenen Republik bereits Jahrhunderte zurück, abgelöst von der Monarchie des Pantapen. Von „Haarteppichknüpfern“ ist hier auch keine Rede mehr und nur an einer einzigen Stelle wird so ein Haarteppich bewundert.

Um den Hauptplaneten Gheer hat sich eine Konföderation gebildet, deren politisches Zentrum zwar der sogenannte „Pantap“ als oberster Herrscher bildet, deren geistig-kultureller Mittelpunkt jedoch das riesige Archiv des Pashkanariums darstellt. Dort, auf der Welt Pashkan, wird das Wissen des (bekannten) Universums von einem streng geführten Mönchsorden gehütet, und der Junge Bailan ist ein Novize des Ordens. Wir folgen Bailans Abenteuern, und somit ist diese Space Opera durchaus als Jugendbuch anzusehen.

Eines Tages sieht sich Bailan einer Invasion gegenüber, die tatsächlich dem Zweck dient, das riesige Archiv auszurauben, besonders das Allerheiligste: Zwei Forscher suchen angeblich nach Hinweisen auf den „Planeten des Ursprungs“. Bailan darf sich den Räubern als Hüter dieser Schätze anschließen, wobei er hofft, um so wenigstens einige der Schätze vor Missbrauch oder gar Zerstörung bewahren zu können. Diese Banausen brauchen dringend einen Übersetzer. Außerdem: Wenn er bliebe, würden ihm die Ordensoberen eine Strafe für seine Nachlässigkeit aufbrummen, die ihm nicht gefallen würde.

Die Räuber gehören zum Fernerkundungsraumschiff MEGATAO (so wird es durchgehend geschrieben), das unter dem Befehl von Kommandant Eftalan Quest steht. Angeblich handelt dieser hochdekorierte Kriegsheld auf Befehl des Pantaps, doch wie sich später zum Entsetzen der Offiziere herausstellt, unternimmt er all dies und noch viel mehr auf eigene Rechnung. Sein geheimes Ziel: Gott in den Hintern zu treten – das sagt er natürlich keinem.

Außerdem scheint er vor der Invasion der Flotte des Sternenkaisers zu fliehen, die seine Heimatwelt Toyokan zerstört hat, deren Patriarch er war – um vielleicht eine Superwaffe zur Verteidigung zu finden? Keiner weiß Genaues. Quest, ein Renaissancemensch wie Orson Welles, spielt die Rolle des Käptn Ahab: Er kennt nur ein Ziel, koste es, was es wolle. Dumm nur, dass er unter einer tödlichen Krankheit leidet, deren Schmerzen nur seine Erste Heilerin Vileena zu lindern vermag. In den Korridoren des Riesenschiffs dichtet man den beiden eine Liebesaffäre an.

Auf der Schnitzeljagd nach dem „Planeten des Ursprungs“ erhalten Quest und seine Offiziere, die „Edlen“, aus den geraubten Dokumenten Hinweise auf Superwesen, den Yorsen. Unterwegs zur nächsten Welt sammelt die MEGATAO ein gestrandetes Kleinraumschiff auf, das neun Tote und nur einen Lebenden enthält: Smeeth. Er ist so eine Art geheimnisvoller Übermensch. Von den auf Standesunterschiede bedachten Edlen wird Smeeth aufgrund seiner republikanischen Ansichten schief angesehen, doch er hat ein paar gute Hinweise für Quest.

Nachdem er durch seine eigene Affäre mit Quests Heilerin Vileena an Bord Eifersüchteleien provoziert hat, kommen die Edlen Smeeth auf die Schliche: Er ist womöglich nicht nur ein neunfacher Mörder, sondern obendrein einer von den zwölf Unsterblichen der Legende. Was Bailan da erzählt und Smeeth umstandslos bestätigt, verursacht etlichen Leuten Bauchschmerzen, nicht zuletzt Vileena, schließlich ist sie wohl nicht seine erste Geliebte, sondern nur Nummer 301…

Bailan hat unterdessen seine eigene Liebesaffäre, und zwar mit einer sogenannten „Niederen“. Die Tigaanerin mit der interessanten Haut arbeitet als unfreie Putzfrau und hat nicht einmal einen offiziellen Namen, sondern nur eine Nummer: Tausendvier. So lernt Bailan quasi die Unterseite des Schiffes kennen, das eine Welt für sich bildet und ein Abbild seiner Gesellschaft en miniature ist. Leider geht es mit seiner Entzifferung der Archive über den Planeten des Ursprungs kaum voran, ja, er produziert sogar einen kapitalen Fehler. Nur Smeeths rechtzeitige Korrektur bewahrt die Expedition zur Welt der Yorsen vor einer Katastrophe.

Da hilft es, einen weiteren Yorsa zu treffen, der ihnen von einem Volk erzählt, das noch älter ist als die Yorsen: Auf dem Planeten der Mem’taihi soll der Mittelpunkt des Universums liegen, doch erst gilt es, eine Barriere zu überwinden …

Mein Eindruck

Jedes Jugendbuch sollte seine Helden und Heldinnen mit Wunderdingen konfrontieren, auf dass sie ihre Erfahrungen und Kenntnisse bereichern. Diese Funktion erfüllt „Quest“ geradezu vorbildlich: Bailans Weltbild wird geradezu auf den Kopf gestellt. Und hinter jeder neuen Erkenntnis tauchen natürlich weitere Fragen auf, denn nichts ist gewöhnlich, so wie es scheint – beispielsweise gestrandete Unsterbliche.

Allerdings packt der Autor über diese an Jugendliche gerichtete Handlung noch zwei weitere, die sicher mehr für Erwachsene interessant sind: die Suche nach dem „Planeten des Ursprungs“, sprich: Gott; und schließlich die dramatischen Ereignisse, die zu erheblichen Umwälzungen in der Kommandostruktur an Bord führen. Diese haben weder etwas mit der Suche noch mit Bailan zu tun, sondern mit Quest, Smeeth und Vileena. Jüngere Leser werden mit diesen Passagen wenig anzufangen wissen, ältere – sagen wir ab 25 – dafür umso mehr.

Schwächen

Diese Vermischung der Handlungsebenen führt nicht nur zu partiellem Desinteresse: Was interessiert einen Erwachsenen, was Bailan unter Deck an sexuellen Erfahrungen macht – was interessiert einen 12-Jährigen, welche philosophischen Probleme Quest wälzt? Das eine kann einen Fan von „Star Trek“ interessieren, das andere einen Freund von „Per Anhalter durch die Galaxis“, nur nicht so witzig. Einmal kommt es auch zu „Star-Wars“-ähnlichen Raumgefechten und einem Ausflug auf die Oberfläche eines Planeten mit sonderbarer Fauna.

Nein, das führt auch zu einer Vermischung von Tonlagen. In Bailans Augen erscheinen manche Verhaltensweisen der Erwachsenen, besonders der Offiziere, in ironischem Licht, nämlich irgendwie übertrieben und unangebracht. Humor ist ja willkommen, nur eben auf eine konsistente Weise. Denn schon wenig später erscheinen dem Autor die Probleme der Erwachsenen, insbesondere alles, was Smeeth betrifft, als furchtbar ernst und wichtig. Und so geht es weiter auf und ab. Wir sind schon froh über jede Gelegenheit, zu der wir auch über Bailans Abenteuer schmunzeln dürfen.

Der Sprecher

Dem Sprecher gelingt es, einzelne Figuren zu charakterisieren. Er benutzt dazu die grundlegenden Mittel wie Lautstärke, Tonhöhe und Ausdrucksstärke. So sind viele Autoritätsfiguren an Bord der „Megatao“ mit tiefen, strengen Stimmen ausgestattet. Zum Glück gehören weder Smeeth noch Bailan dazu, so dass sie uns gleich sympathisch werden. Auch der junge Mönch Sten ist durch seine leichtfüßige, stets heitere Art keineswegs ein Schurkentyp.

Es sind vielmehr die ehrgeizigen Figuren wie etwa der Erste Verweser (= Wesir, Kanzler) und der Erste Pilot, die durch Gier, Neid und moralische Zweitklassigkeit negativ auffallen. Ironischerweise sollen wir Quest zuerst mit Ehrfurcht begegnen, doch im letzten Viertel verkehrt sich diese Haltung in ihr Gegenteil.

Vileena und Nr. 1004 sprechen stets sanft, hoch und wirken sehr weiblich. Dominas sucht man hier vergebens. Interessanter sind da schon die Aliens, allen voran die Yorsen. Allerdings haben diese Überwesen, die ganze Sonnensysteme versetzen können, selbst eine etwas autoritäre Haltung und wirken keineswegs vertrauenswürdig.

Musik

Das Intro besteht aus der typischen vom Synthi erzeugten Sphärenmusik, die man landläufig mit dem Weltraum assoziiert. Ein leiser Beat, ein dezenter Chor – fertig ist Andy Materns Beitrag. Das Intro läuft als Hintergrundmusik noch etwa 90 Sekunden weiter und erklingt am Ende jeder CD erneut im Hintergrund.

Unterm Strich

Eine Space Opera mit nur einem Thema: die Suche nach dem Planeten des Ursprungs, nach dem Schöpfergott des Universums, nach dem Sinn des Lebens. Man sieht: Das sind reichliche hohe und viele Themen für einen Abenteuerroman, der mit seiner besessenen Zentralfigur Eftalan Quest und der aussichtslosen Suche nach einem Phantom ein wenig an Herman Melvilles mystischen Waljagdklassiker „Moby Dick“ (1850) erinnert. Eschbach dürfte wohl auch eigene Erfahrungen aus seiner Zeit im indischen Poona haben einfließen lassen, und was er beim Tod seiner ersten Frau fühlte und erlebte. Nur so konnten ihm beispielsweise die bewegenden Trauerszenen so überzeugend gelingen.

Qualitäten

Und so verwundert es nicht, dass sich der Anteil an Abenteuern stark in Grenzen hält. Für Actionfreunde bietet die Handlung vor allem zu Beginn, als die Mega-Bibliothek des Pashkanariums überfallen und ausgeraubt wird, dramatische Szenen, danach fällt dieser Pegel schwer ab. Aber dafür hat der Roman andere Qualitäten vorzuweisen, beispielsweise glaubwürdige Figuren und zwei gute Liebesgeschichten. Freunde von Charakterentwicklung, dem Lüften von Geheimnissen und von seltsamen Fremdwesen kommen hier voll auf ihre Kosten.

Konglomerat

Wer über ausreichend Geduld verfügt, dürfte dem wendungsreichen Verlauf von „Quest“ also mit Vergnügen folgen. Doch anders als „Das Jesus Video“ wird man es wohl nicht so bald verfilmen. Dafür hat das Werk einfach zu wenig Pfiff. Doch wenn es stimmt, dass ein Roman aus mehreren unterschiedlichen Bauteilen zusammengefügt wird, dann liegt mit „Quest“ ein solcher Roman vor: Science-Fiction, Space Opera, Liebesgeschichte(n), Sinnsuche, es steckt alles drin.

Der Name der Rose

Ein wenig erinnert mich dies an den jungen Adson in „Der Name der Rose“: eine Ermittlung dient als Vorwand dazu, eine ganze mittelalterliche Epoche darzustellen und diese Darstellung einer dramatischen Krise zuzuführen. Diese Krise wird hier durch ein Dénouement ersetzt, das aber auch seine Berechtigung hat: Dort, wo Gott leibhaftig erwartet wird, findet der Mensch nur die Leere.

Die Ringwelt

Das ist sowohl absurd als auch tröstlich. Denn ein Universum mit einem lebenden Gott wie in „Der Gottkaiser des Wüstenplaneten“ wäre zu Stillstand und dem Tod jeder Hoffnung verdammt. Das Inbild für diesen Zustand stellt die Ringwelt dar, die Quest und Co. wie die Civitas Die, die Stadt Gottes, erscheint, so prachtvoll und erhaben wirkt sie. Doch es braucht nur einen allzu kräftigen Druck auf einen Türschalter – und schon beginnt sich der Zerfall unaufhaltsam auszubreiten, bis am Schluss nur noch ein Berg von Staub übrig bleibt.

Die Szene ist einerseits überwältigend, aber auch komisch und von ungeheurer Ironie. Sie ist eine radikale Absage an Larry Nivens Traum von der Ringwelt, einem sinnentleerten Monument an die Ingenieurskunst, wie sie die frühe Science-Fiction à la Isaac Asimov und Robert Heinlein liebte. Wer Gott in Maschinen steckt, wird darin umkommen.

Schlupfloch

Die Tatsache, dass sich der junge Bailan am Schluss mit dem unsterblichen Smeeth auf eine Odyssee begibt, lässt dem Autor ein Schlupfloch für eine Fortsetzung offen. Ein Widersehen mit dem jungen Gelehrten ist also nicht ausgeschlossen.

Das Hörbuch

Sascha Rotermund gelingt es, wie schon in „Solarstation“, die Handlung sowohl spannend als auch nachdenklich, einfühlsam und romantisch zu gestalten. Die Space Opera ist ein Jugendabenteuer, wenn wir Bailans Blickwinkel einnehmen, und eine politisch-philosophische Sinnsuche, wenn wir Quests Standpunkt einnehmen. Beides ist notwendig, um alle Nuancen der Geschichte auszuschöpfen, und das macht auch den Vortrag Rotermunds so abwechslungsreich.

Anders als in der ungekürzten Audible-Version ergeht sich der Text nicht in endlosen Spekulationen oder Beschreibungen, sondern folgt einem Roten Faden. Und diese Kürzung verdankt das Hörbuch der Redakteurin Kati Schaefer, die bei Lübbe Audio schon vielfach als Regisseurin aufgetreten ist.

CD: 6 Audio-CDs mit 442 Minuten Spieldauer
ISBN: 978-3-7857-4663-9

http://www.luebbe.de/luebbe-audio

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Andreas Eschbach beim |Buchwurm|:

[Ein König für Deutschland
[Der Nobelpreis
[Ausgebrannt
[Ausgebrannt – Hörbuch
[Quest
[Die Haarteppichknüpfer
[Das Jesus-Video – Hörbuch
[Der letzte seiner Art
[Der letzte seiner Art – Hörbuch
[Eine Billion Dollar
[Exponentialdrift
[Das Marsprojekt – Das ferne Leuchten (Bd. 1)
[Das Marsprojekt – Die blauen Türme (Bd. 2)
[Das Marsprojekt – Die gläsernen Höhlen (Bd. 3)
[Das Marsprojekt – Die steinernen Schatten (Bd. 4)
[Das Marsprojekt – Die schlafenden Hüter (Bd. 5)
[Die seltene Gabe
[Perfect Copy