Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Avonlea. Folge 7: Eine weitere verwandte Seele

_Turbulent: Scharlachnasen und Lavendeldamen_

Kanada Ende des 19. Jahrhunderts. (Fortsetzung von „Anne auf Green Gables“.) Anne genießt ihre letzten Ferientage auf Green Gables. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird sie die Lehrerstelle an der Dorfschule von Avonlea übernehmen. Für den kleinen Ort haben Anne und ihre Freunde ehrgeizige Pläne. Flugs wird ein Dorf-Verschönerungs-Verein gegründet. Überschattet werden die Spendensammel-Aktionen durch Probleme mit der Kuh Dolly und einem sehr wütenden neuen Nachbarn …

Folge 6: Anne Shirley wird von den meisten Schülern an der Dorfschule angehimmelt. Aber keineswegs alle mögen die neue junge Lehrerin. Der flegelhafte Anthony Pye hat es regelrecht auf Anne abgesehen. An einem kalten Wintermorgen kommt es zu einer sehr hässlichen Szene in der Schule, die keines der Schulkinder von Avonlea je vergessen wird …

Folge 7: Anne und ihre Busenfreundin Diana Barry verirren sich auf dem Weg zu einer Teegesellschaft. Plötzlich stehen sie vor dem kleinen idyllischen Steinhaus von Miss Lavendar Lewis mitten im Wald. Manches haben die Mädchen über diese scheue Einsiedlerin bereits gehört, was insbesondere Anne neugierig macht, der Dame einen Besuch abzustatten…

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum gibt es die Abenteuer des sympathischen Waisenmädchens Anne Shirley als Hörspiel-Serie, geeignet für die ganze Familie, gesprochen von den deutschen Stimmen vieler Hollywood-Stars.

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die erste Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die zweite Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: Eine weitere verwandte Seele
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die dritte Staffel: Anne in Kingsport

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

_Die Inszenierung:_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin (Bühnenschauspielerin, Hörspiel-Regisseurin für |Europa|, Stammsprecherin für |Titania Medien|)
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Whoopi Goldberg, Kathy Bates, Diane Keaton)
Diana Barry: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Jane Andrews: Cathlen Gawlich (Jaime King, Amy ‚Fred‘ Acker)
James A. Harrison: Heinz Ostermann (Kammerschauspieler)
Priscilla Grant: Tanja Geke (Judy Greer, Tara Wilson)
Lavender Lewis: Monica Bielenstein (Emma Thompson)
Charlotta die Vierte: Charlotte Mertens
Und viele weitere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Aufnahme leiteten Martin Wittstock und |Kazuya|. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Endlich sind wieder Sommerferien, und weitere Aufregungen warten auf Anne Shirley und ihre Lieben. Sie freut sich auf den Besuch der bewunderten Romanschriftstellerin Charlotte Morgan, der Tante von Priscilla Grant, auf Green Gables. Doch als alles bereit ist und auf den hohen Besuch warten, trifft dieser nicht ein. Dafür macht sich der Tunichtgut Davy Keith negativ bemerkbar. Erst zerstört er aus Versehen die Törtchen, die in der Küche bereitgestellt waren, dann, wieder aus Versehen, die kostbare Servierplatte, die Anne von Mrs Barry ausgeliehen hatte. Dringend muss Ersatz her. Zum Glück wurde eine passende Servierplatte bei den Schwestern Copp gesichtet.

|Malheur im Entenstall|

Als Anne mit ihrer Busenfreundin Diana Barry dorthin fährt, ist jedoch niemand daheim. Doch wo sie schon mal da sind, können sie ja wenigstens prüfen, ob es die Servierplatte tatsächlich gibt. Gesagt, getan. Anne klettert mit einer Leiter auf das Dach des Entenstalls und von dort späht sie in das Fenster des Dachbodens. Die Platte existiert wirklich, welch eine Erleichterung. Die gefährliche Kletterei war also nicht umsonst. Doch auf dem Rückweg brechen die morschen Dachbalken des Stalls, und auf einmal steckt Anne fest. Just in diesem Moment fängt es an zu regnen. Der Sonnenschirm hält zwar einiges Wasser ab, aber die missliche Lage, in der Anne steckt, bis die Copp-Schwestern zurückkehren, wird Anne noch lange in Erinnerung bleiben. Natürlich bekommt sie die Servierplatte.

|Scharlachrot|

Die letzte Woche der Sommerferien ist angebrochen, und bald wird der Unterricht wieder losgehen. Davor wird Anne noch einmal ihren Haushalt auf Vordermann bringen, während Marilla mit den Zwillingen einkaufen geht. Sie zieht ein altes Kleid an und bindet sich das rote Haar hoch, dann streicht sie Tinktur auf ihre Nase, damit die Sommersprossen verschwinden. Sie ist fast fertig mit dem Umfüllen von Daunenfedern in ihrem Bettzeug, als es an der Tür klopft.

Vor Schreck kippt sie fast aus den Pantinen. Es ist die berühmte Schriftstellerin Charlotte Morgan mit ihrer Nichte Priscilla Grant. Unangemeldet! Beide starren Anne an, die noch diverse Federn im Haar hat. Was soll sie nur servieren?! Anne gerät völlig aus dem Häuschen und überhört gewisse dezente Hinweise auf ihr Aussehen. Sie eilt zu Diana Barry, um was zu essen zu holen, doch Diana darf es sich erlauben, Anne auf ihre Nase hinzuweisen: Sie sei scharlachrot! Au weia, Anne muss die Fläschchen verwechselt haben. Statt Antisommersprossentinktur hat sie Haarfärbemittel erwischt. Wenigstens geht das Zeug leicht ab, und so wird es noch ein schöner Nachmittag mit der Autorin, die Anne vergöttert.

|Das Geheimnis im Wald|

Um einen Weg abzukürzen, gehen Anne und Diana durch den Wald, doch sie nehmen die falsche Abzweigung und verirren sich. Dabei stoßen sie auf ein einsam gelegenes Häuschen, in dem eine ältere Dame und ein junges Mädchen leben. Anne gefällt dieser „verwunschene“ Ort sofort und sie hat keine Angst vor der Dame, die sich als Lavender Lewis vorstellt. Das Mädchen sei ihr Hausmädchen, Charlotta die Vierte.

Anne fällt sofort die Geschichte ein, die sie von Paul und Gilbert über die zwei Verlobten gehört hat, die sich vor rund 25 Jahren im Streit trennten. Was für ein Jammer, denkt sie, aber Lavender mag zwar weiße Haare haben, verhält sie allerdings, als wäre sie immer noch siebzehn – genauso alt wie Anne. Die beiden werden sofort Freunde, und wieder entdeckt Anne eine „verwandte Seele“. Sie fragt, ob sie wohl Paul Irving mitbringen darf, und Lavender sagt ja. Etwas Gutes könnte jetzt beginnen, hofft Anne.

_Mein Eindruck_

Dies ist eine der wichtigsten Folgen der gesamten zweiten Staffel. Nach einem recht komischen Auftakt um die Zerstörung und Wiederbeschaffung einer Servierplatte – teure und daher seltene Keramik in der damaligen Zeit – und um die Beweihräucherung einer bewunderten Schriftstellerin lernt Anne in Lavender Lewis eine weitere „verwandte Seele“ kennen. Sofort tritt ihr Rettungsprogramm in Kraft. Ihre romantischen christlichen Prinzipien sind bereits durch das traurige Schicksal Heather Grays strapaziert worden, nun muss sie einen Ausgleich schaffen, um dem Guten (und somit Gottes Geboten) wieder zum Sieg zu verhelfen.

Aber will Lavender Lewis überhaupt gerettet werden? Sie scheint rundum zufrieden zu sein, obwohl sie zusammen mit ihrem Hausmädchen Charlotta alleine im Wald lebt. Sie hat eine tolle Aussicht, ein tolles Echo und sieht außerdem toll aus – als würde sie in einer Zeitkapsel leben. Wie könnte es Anne da wagen, von Not zu sprechen? Sie hat zunächst Zweifel, ob Rettung angebracht ist, und erzählt erst einmal ganz dezent Paul und dadurch seinem Vater, was mit Stephen Irvings Exverlobter los ist. Das Rettungsprogramm kann schon mal im Hintergrund anlaufen.

Außerdem hat Anne selbst einen Erkenntnisprozess zu durchlaufen. Im Herbst geht sie wieder mal mit Diana, Fred und Gilbert in den Wald, um eine kleine Grillparty zu veranstalten. Dabei rückt ihr Diana den Kopf und Blick zurecht: Gilbert sei gar kein Junge mehr, wie Anne glaube, sondern ein junger Mann. Und Diana verlobt sich demnächst mit Fred, selbst schon eine junge Lady, wie alt muss dann erst Anne sein! Gilbert tituliert Anne dennoch zunächst als eine Dryade, eine Baumnymphe aus der Antike – ein Bildungstrümmerstück zum Renommieren.

Doch schon bald werden die beiden ernster. Sie bittet ihn, ihr seine Freundschaft nicht zu entziehen. Natürlich verspricht er es ihr, denn er insgeheim liebt er sie schon seit Schultagen. Sie muss sich erst noch an den Gedanken gewöhnen, dass Liebe auch ganz einfach wachsen könne und nicht wie ein Donnerschlag auf einen Blick über die Menschen hereinbreche – so beschreiben es nämlich die romantischen Schmonzetten, die sie ständig liest. Wer weiß, was Anne in ihrem Kämmerlein für Geschichten schreibt.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher:|

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die siebzehnjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Sehr gut gefiel mir auch Heinz Ostermann, der Sprecher des Mr. Hamilton. Er legt ihm ein ganzes Spektrum von Grantigkeit, Freundlichkeit und schließlich sogar Zärtlichkeit in den Mund, dass man fast einen gerundeten Charakter vor sich hat.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus. Dagmar von Kurmin muss wie Heinz Ostermann sowohl Strenge als auch Freundlichkeit verkörpern. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Außerdem scheint ihre Rachel Lynde Vorsitzende des Dorfverschönerungsvereins zu sein und hat entsprechend viele Sorgen um die Ohren. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in Folge acht in ihr Haus aufnimmt.

Lavender Lewis, gesprochen von Monica Bielenstein, der deutschen Stimme Emma Thompsons, klingt teils romantisch-verträumt, teils ein wenig traurig, aber stets freundlich und zuvorkommend. Man merkt, dass sie zwar glaubt, mit ihrem Leben zufieden sein zu können, dass ihr aber doch etwas Entscheidendes fehlt. Was könnte es nur sein?

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1879, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander.

Auffällig häufig ist jedoch die Kombination aus Brandung und Vogelgezwitscher zu hören. Das ist eine Besonderheit der meerumtosten Inselumgebung. Selbstredend erklingen zahlreiche Vogelstimmen, wenn Anne mit ihren Freunden durch den Wald spaziert. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist natürlich kein einziges Auto zu hören, sondern nur diverse Kutschen und Karren.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer. Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Ebenso wie mit den Geräuschen darf man es nicht übertreiben.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Große Veränderungen kündigen sich an. Die Zwillinge bleiben nur fest auf Green Gables, und der Besuch der bewunderten Schriftstellerin wird zu einer mittleren Katastrophe – der besonders heiteren Sorte. Nach Annes abenteuerlicher Kletterpartie auf einem Stalldach wendet sich das Geschehen wieder ernsteren Dingen zu, darunter die Begegnung mit Lavender Lewis, deren Leben einen offensichtlichen Mangel aufweist, den man aber nicht offen aussprechen darf. Doch insgeheim startet Anne bereits ihr Rettungsprogramm für diese „verwandte Seele“. Dass sie selbst ebenfalls einer liebenden Person bedarf, realisiert sie erst ziemlich spät. Sie hat nämlich die falsche Vorstellung von Liebe. Aber das lässt sich ja korrigieren.

Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht, schmollt, flüstert und quasselt, dass man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den Spider-Man-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

|67 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3635-7|

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