Voenix / Vömel, Thomas – Fahrten des Thor, Die

_Handlung_

Ein fahrender Skalde taucht in einem Dorf auf und bittet in einer Herberge um eine Mahlzeit. Nachdem er sein karges Mahl verzehrt hat, beginnt er als Gegenleistung Geschichten zu erzählen, in denen der germanische Donnergott Thor (Donar) immer mehr oder weniger die Hauptrolle spielt.

|Der verspätete Brautlauf|

Freyr, der Liebes- und Frühlingsgott, erblickt die wunderschöne Riesin Gerda und verliebt sich sofort unsterblich in sie. Als Brautpreis fordert deren habgieriger Vater, der Bergriese Gymir, Freyrs selbst kämpfendes Schwert. Allerdings hat der Brautvater nicht vor, sich an die Hochzeitsvereinbarung zu halten: Er will zwar das Schwert bekommen, nicht aber seine hübsche Tochter hergeben. So schickt er Freyr den Frostriesen Fyhrnir entgegen, der den Frühlingsgott in einen Eisblock verwandelt und die magische Waffe raubt. Schon bald bekommt der listenreiche Loki von den Vorgängen Wind und macht sich zusammen mit Thor auf den Weg, ihren Mitgott aus dessen misslicher Lage zu befreien. Doch das erweist sich schwieriger als zu Beginn gedacht …

|Die Insel der Berserkerweiber|

Thor und die beiden ihm überlassenen Kinder Thjalfi und Röskwa machen sich auf den Weg über das Meer. Doch mit ihrem kleinen Ruderboot treffen sie auf drei Meereshexen, gegen die der Donnergott fast machtlos ist. Sie stranden schließlich auf einer scheinbar verlassenen Insel, die allerdings von einem Stamm männermordender Riesinnen bewohnt wird. Eigentlich kein Problem für einen Riesentöter, sollte man meinen, doch hat Thor leider seinen treuen Streithammer Mjöllnir nicht dabei …

|Schweinekram|

Der hungrige Donnergott kommt nach einigen Tagen entbehrungsreicher Wanderschaft an einen Bauernhof und hofft dort Unterschlupf und vor allem etwas zu Essen zu bekommen. Doch zu früh gefreut: Leider hat eine Horde von Riesen die gesamten Schweine des Bauern gestohlen. Zwar wird Thors Hunger mit einer deftigen Zwiebelsuppe kurzfristig gelindert, doch verspricht er dem Bauern – auch aus Wut darüber, um das vermeindliche Festmahl geprellt worden zu sein -, die Riesen zu stellen und die Schweine zurückzubringen. Also nimmt er am nächsten Morgen die Spuren der Unholde auf und wird schon bald in einen wahrhaft schweinischen Wettkampf verwickelt …

|Thors Fahrt ins Totenreich|

Die Riesin Modgud, Tochter einer Baumhexe, hat die Gabe, das Totenreich zu betreten. Zudem ist sie in den stattlichen Donnergott verliebt, ohne diesen jemals vorher zu Gesicht bekommen zu haben. Also ersinnt sie einen Plan, um ihren Geliebten zu sich zu locken: Sie raubt Thors Tochter Thrud und will so den Gott ins Totenreich locken, wo dessen Kräfte nicht wirken, und die beiden austauschen. So begibt sich Thor also zum Gjöllstrom, der Midgard von Hels Schattenreich trennt, um so ins Totenreich zu gelangen. Unterstützt wird der tapfere Recken von göttlicher Magie, und auch das Schicksal hat ein Wörtchen mitzureden …

|Riesenlust|

Nachdem der listige Loki Thors Eheweib Sif das Kopfhaar raubte, ist der Ofen aus im Ehebett der beiden Götter. Sehr zur Unzufriedenheit des Donnergottes, dem die lange Enthaltsamkeit langsam aufs Gemüt schlägt. Als er sich in seiner Wut Loki schnappt, bietet dieser Thor eine Wiedergutmachung an: Er bietet dem Erzürnten an, ein Schäferstündchen mit einer wunderschönen Riesin zu organisieren. Doch selbstverständlich hat der Listereiche nicht Gutes im Sinne, denn er will dem Donnergott eine Lektion erteilen.

_Der Autor_

Voenix alias Thomas Vömel ist Autor und Maler und arbeitet als freischaffender Künstler. Neben seinem großen Interesse an germanischer Mythologie beschäftigt er sich seit Jahren mit Themen des Okkulten. Sein Tätigkeitsfeld reicht von der Buch- und Kartenillustration über Comics, Poster und Plattencover bis hin zu großformatigen Wandgemälden. Geschrieben hat er bisher unter anderem „Auf Wotans Pfaden“, „Der germanische Götterhimmel“, „Im Liebeshain der Freyja“ und „In Lokis Feuerschmiede“.

_Mein Eindruck_

Ich würde „Die Fahrten des Thor“ am ehesten als ein Buch germanischer Märchen bezeichnen. Allerdings muss hier erwähnt werden, dass die enthaltenen Geschichten nur teilweise Bezug zur „Edda“ aufweisen. Doch befassen sich die fünf Stücke natürlich alle mit der germanischen Mythologie im Allgemeinen und mit dem Donnergott Thor im Speziellen, auch wenn sie sich sprachlich in lesefreundlicheren Gefilden bewegen als die altisländische Spruchsammlung. Im Gegensatz zu „Auf Wotans Pfaden“ ist der namengebende Gott auch tatsächlich die Hauptperson. So nimmt Voenix den Leser auf eine unterhaltsame und vergnügliche Reise durch die Stärken und Schwächen des Donnergottes mit, die in den Geschichten ausführlich beleuchtet werden.

Der recht einfache, teilweise derbe Schreibstil erzeugt ein Gefühl der Nähe zur damaligen Zeit und zu Thor im Speziellen. Doch dürfte das beileibe nicht jedermanns Sache sein: „Die Fahrten des Thor“ ist keine religionswissenschaftliche Abhandlung, sondern einfach ein nettes Lesevergnügen für zwischendurch, das es allerdings famos vermag, das Wesen des Donnergottes plastisch darzustellen. Dass die Thor zugeordneten Aspekte nicht nur durchgehend positiv sind, macht die Sache erst richtig interessant, denn einerseits glänzt er mit außerordentlicher Stärke und Mut, andererseits mit ziemlicher Einfältigkeit und Naivität. Desweiteren ist die Fleischeslust bei einem Gott, der für Fruchtbarkeit steht, auch nicht wegzudenken, was durch einen Schuss roher Erotik dokumentiert wird. So sind die Handlungen des Donnergottes natürlich relativ leicht vorherzusehen. Das heißt aber nicht, dass das Lesen dadurch langweilig werden würde, denn durch so manch witzige Stelle wird das Ganze gehörig aufgelockert. Dazu tragen natürlich auch Thors listigere Götterkollegen Odin und Loki bei. Vor allem in „Der verspätete Brautlauf“ glänzen Thor und Loki als „Duo Infernale“; der Autor zeigt somit besonders gut den einfältigen Charme des Kraftmeiers auf.

Da die Geschichten teilweise wie klassische Märchen angelegt sind, halten sie dem Leser durchaus auch in übertriebener Weise den Spiegel vor und stimmen nachdenklich. Auch ist so manch philosophischer Grundsatz enthalten. Besonders interessant fand ich, dass der Riese in der ersten Geschichte fast eins-zu-eins Machiavelli zitiert … Ein wichtiger Bestandteil von Voenix‘ Büchern sind immer auch die tollen Illustrationen. Man merkt stets deutlich, dass Autor und Illustrator die gleiche Person sind, denn die Bilder passen perfekt zum Charme der Geschichten und umgekehrt. Ob dies so reibungslos möglich wäre, wenn zwei verschiedene Personen am Werke wären, wage ich zu bezweifeln. Die Illustrationen sind daher durchgehend passend und stimmungsvoll.

Fazit: Wer die germanischen Götter in einem märchenhaften Kontext kennen lernen will und vor derbem Witz und einer Prise Erotik nicht zurückschreckt, sollte sich „Die Fahrten des Thors“ auf jeden Fall anschaffen. Das Buch setzt nur relativ geringes Vorwissen des germanischen Götterglaubens voraus und ist so besonders auch für „Einsteiger“ zu empfehlen.

http://www.arun-verlag.de

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