„Gamiani oder Zwei tolle Nächte“ (1833) zählt zu den berüchtigtsten Romanen der erotischen Literatur (erstes Erscheinungsverbot: Lille 1868; zweites Verbot: Paris 1889.) Dies ist die Geschichte der liebestollen Gräfin Gamiani, die die „Wonne der Männerliebe“ verschmäht und in einer „von heißester Leidenschaft durchpulsten Sprache“ ihre orgiastischen Abenteuer in einer Klostergemeinschaft erzählt, die sie dazu gebracht haben, nur noch an den tollsten Exzessen ihre Befriedigung zu suchen und zu finden. (Verlagsinfo) Hauptfigur und Erzähler ist indes der Kavalier Alcide, der sich mit der 15-jährigen Fanni verbündet, um die Gräfin zu befriedigen und zu beobachten. Er ist auch der einzige Überlebende…
Der Autor
Alfred de Musset (* 11. Dezember 1810 in Paris; † 2. Mai 1857 ebenda) war ein französischer Schriftsteller. Er gilt als einer der Großen unter den französischen Romantikern. Sein Werk „La Coupe et les lèvres“ (1831) war die literarische Vorlage für „Edgar“, Giacomo Puccinis zweiter Oper.
1833 lernte er die sechs Jahre ältere Romanautorin George Sand kennen und begann mit ihr ein romantisch-leidenschaftliches Liebesverhältnis. Dieses endete jedoch schon bald auf einer gemeinsamen Italienreise (Winter 1833/34), als er in Venedig erkrankte und sie ihn mit dem Arzt betrog. Die tiefe Krise, die dies bei Musset auslöste, inspirierte ihn zu Gedichten voller Weltschmerz (gesammelt publiziert als Nuits, dt. „Nächte“, 1835 u. 1837), aber auch zu dem autobiografischen Roman „Confession d’un enfant du siècle“ (dt. „Bekenntnis eines jungen Zeitgenossen“, 1836), dessen Protagonist Octave einer jener typisch romantischen, d. h. desillusionierten, sich selbst und ihrer Umwelt problematischen Helden ist. 1833 soll auch „Gamiani“ veröffentlicht worden sein.
Werke
1824 A ma mère
1826 A Mademoiselle Zoé la Douairière
1828 Un rêve, L’Anglais mangeur d’opium
1829 Erste Gedichte
1830 Contes d’Espagne et d’Italie, La Quittance du diable
1831 La Coupe et les lèvres, Namouna
1832 Spectacles dans un fauteuil, A quoi rêvent les jeunes filles
1834 Lorenzaccio, Les Caprices de Marianne, Rolla, André del Sarto
1834 Fantasio, On ne badine pas avec l’amour, Une nuit vénitienne, Perdican, Camille et Perdican
1835 La Quenouille de Barberine, La Nuit de mai, La Nuit de décembre, Le Chandelier
1836 Il ne faut jurer de rien, Lettre à M. de Lamartine, Faire sans dire, La nuit d’août, La Confession d’un enfant du siècle
1837 Un Caprice, La Nuit d’octobre, À la Malibran, Emmeline, Les deux maîtresses, Lettres à Dupuis et Cotonet
1838 Le Fils du Titien, Frédéric et Bernerette, L’Espoir en Dieu, Dupont et Durand, Margot
1839 Croisilles
1840 Les deux maîtresses, Tristesse, Une soirée perdue
1841 Souvenir, Nouvelles (enthält Emmeline, Le Fils du Titien, Croisilles und Margot)
1842 Le Voyage où il vous plaira, Sur la paresse, Histoire d’un merle blanc, Après une lecture (mit Illustrationen von Tony Johannot, erschien 1843 als Fortsetzungsroman „Ein Reisemärchen“ übersetzt von Oskar Ludwig Bernhard Wolff in der Illustrierten Zeitung und 1846 als Buchausgabe mit dem Titel „Die Reise ins Blaue“ im Verlag von Carl. B. Lorck)
1844 Pierre et Camille, Le Secret de Javotte, Les Frères Van Bruck
1845 Il faut qu’une porte soit ouverte ou fermée, Mademoiselle Mimi Pinson
1848 Nouvelles (enthält Pierre et Camille und Le Secret de Javotte)
1849 Louison, L’Habit vert, On ne saurait penser à tout
1850 Poésies nouvelles, Carmosine
1851 Bettine, Faustine
1852 Veröffentlichung der Gedichtbände „Premières Poésies“ (1829–1835) und „Poésies Nouvelles“ (1836–1852)
1853 La mouche
1854 Contes
Wie man sieht, wird „Gamiani“ an keiner Stelle erwähnt.
Handlung
Unser Chronist Alcide besucht einen Ball der jungen, vermögenden, aber zur Verwunderung aller noch ledigen Gräfin Gamiani. Ist sie wirklich eine Lesbierin, die sich ihre Opfer auf solchen Soireen sucht? Alcide versteckt sich in ihrem Schlafzimmer und harrt der Dinge, die da kommen sollen. Tatsächlich hat sie in der 15-jährigen Fanni eine neue Geliebte gefunden, die sie auf der Stelle im Schlafzimmer verführt. Das Mädchen soll bei ihr nicht nur übernachten.
Das lesbische Liebesspiel macht Alcide so heiß, dass er sich unvermittelt aus seinem Versteck wagt und über Fanni herfällt, während sich die Gamiani vom ersten Rausch erholt. Er kommt auch ungehindert an sein Ziel, doch dann stürzt sich die Gräfin von hinten mit Bissen und Kratzen auf ihn. Sogleich übernimmt er das Kommando über diese bizarre Veranstaltung und verkuppelt die beiden Damen derart, dass ihm beide dienen können. Nach diesem zweiten Akt erholen sich alle, während die Gräfin erzählt, wie sie zu der nimmersatten Megäre gemacht wurde, die sich nun immer neue Opfer sucht.
Gamianis Jugend
Durch den frühen Tod ihrer Eltern zur Waise geworden, wächst Gamiani bei ihrer sittenstrengen Tante auf, die an nichts anderes als an die Sündigkeit des weiblichen Körpers denken kann. Schon bald infiziert sie das Mädchen mit ihrer Furcht vor der Sünde, bis eines Tages drastischere Maßnahmen angesagt zu sein scheinen. Gamiani, kaum 15 geworden, wird von ihrer Tante in ein Kloster der Franziskaner gebracht. Hier müssten sich beide der „heiligen Marter“ unterwerfen, um Erlösung zu erlangen, behauptet die Tante. Der Folterknecht peitscht die beiden Frauen bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus aus. Die Tante genießt diese Behandlung offenbar. Aber das ist nicht der einzige Zweck des Besuchs: Zwanzig Mönche vergewaltigen die junge „Büßerin“ nacheinander, bis sie das Bewusstsein verliert. Danach schwört sie allen Männern ab.
Fannis Erwachen
Mit 15 Jahren ist Fanni die reine Unschuld, doch eines Tages erwachen ihre Hormone, und Wollust erfüllt ihren energievollen Leib, der weibliche Formen hervorgebracht hat. Der einzige Weg, ihrer Sinnenlust Befriedigung zu verschaffen, sind zwei Kissen, mit deren Hilfe sie ihren ersten Höhepunkt erlebt. Doch die wahre Liebeslehre bekommt sie in Gamianis und Alcides Armen beigebracht.
Alcides Vision
Schon mit 13 Jahren erwachen Alcides Hormone, doch nach strengen Ermahnungen gibt er ihrem Drängen nach Befriedigung nicht nach, sondern unterwirft sich gegen die Sünden des Fleisches der Kasteiung und dem Fasten. Diese Anspannung führt über kurz oder lang zu einer Überspanntheit seiner Phantasie. Sein Geist dringt in eine schwarze Sphäre der Imagination vor, die sich als die Hölle erweist. Es ist die reinste Walpurgisnacht, die der Junge erlebt. Glücklicherweise hat ein Mediziner ein Einsehen mit ihm und führt ihm drei junge Damen zu, die ihn ganz real von seinen Sinnesqualen erlösen. Dabei führt Alcide, wie es seine Vorliebe ist, erstmals Regie, um erregende Position zu arrangieren.
Der zweite Grad
Fanni und Alcide entdecken, dass die Gamiani ins Nachbarzimmer geeilt ist, um sich dem nächsten Grad der Wollust hinzugeben. Hier schläft Julie, ihre Zofe, aber auch Medor, ihr großer Hund. Nachdem sie sich von diesem die Vulva hat lecken lassen, appliziert Julie einen großen, mit Milch gefüllten Dildo in Gamianis Geschlecht. Auf dem Höhepunkt entlädt Julie die heiße Milch, was bei der Gräfin einen noch heftigeren Orgasmus auslöst.
Erwachen
Am Morgen des zweiten Tages erwachen Alcide und Fanni im gleichen Bett. Doch sie schämen sich einander nicht wie weiland Adam und Eva, denn Alcide bewundert die Schönheit des Mädchens viel zu sehr. Dafür betrachtet er jedoch die schlafende Gamiani mit größtem Bedauern als ein beschmutztes Weib, das direkt aus dem Sündenpfuhl zu kommen scheint.
Die zweite Nacht
Nach einigen Tagen der Enthaltsamkeit erhält Fanni in ihren eigenen Gemächern Besuch von der „verabscheuungswürdigen“ Gräfin. Diese hat alle Hindernisse beiseite geräumt, dabei aber übersehen, dass in Fannis Boudoir ein einsamer Späher alle Geschehnisse verfolgt: Alcide. Er wird durchs Schlüsselloch eines Schrankes Zeuge, wie sich Fanni erneut von der Gräfin verführen und zur Liebesraserei treiben lässt.
Gamiani im Kloster
Während sich die beiden Tribaden entspannen, erzählt Gamiani auf Fannis Wunsch hin ihre weiteren Abenteuer. Wie kam es, dass sie sich ganz von den Männern abwandte? Nun, die Auspeitschung und Massenvergewaltigung durch die Franziskaner waren der Anlass, sich von der Tante zu trennen und, versehen mit Vermögensbescheinigungen, in das nahe Nonnenkloster „Zum Herz Jesu“ zu gehen. Sie bat die Oberin, ihre Schutz zu gewähren und diese nahm sie sogar in ihren eigenen Alkoven auf.
Die körperliche Nähe veranlasst die Oberin Santa, die Wärme von Gamianis Körper zu suchen. Aus dem Nebeneinander wird rasch ein Mit- und Durcheinander, als es zu einem amourösen Gerangel kommt, wer in dieser neuen Beziehung das Sagen hat. Der Liebeskampf bleibt Unentschieden, und nun erzählt die Oberin Santa, auf welch kuriose Weise sie entjungfert wurde: Sie trieb es mit einem Orang-Utan. Leider wurde sie in flagrante delicto von ihrer Mutter ertappt und ins Kloster gesteckt.
Nun ist Gamiani in den Augen der Oberin bereit, an den Orgien der übrigen Nonnen teilzunehmen. Sie finden in einem speziell präparierten Saal statt, der mit pornografischen Gemälden geschmückt sowie mit Spiegeln versehen ist, welche die Lustbarkeiten der Bewohnerinnen reflektieren.
In Ermangelung von feurigen Männern haben die Nonnen nicht nur Aphrodisiaka eingeworfen, sondern sich auch allerlei Hilfsmittel einfallen lassen. Davon sind Dildos noch das harmloseste. Den Höhepunkt der Luperkalien und Saturnalien (der Autor konnte sich offenbar nicht entscheiden) bildet die Nutzung der Dienste eines Esels. Die Gamiani gewinnt den Wettstreit, welche der Mänaden das große Glied des Tieres am weitesten in sich aufnehmen kann.
Als ein echter Mann in den Konvent eindringt, ist er schnell Objekt der Begierde der Tribaden. Doch als er zu nichts mehr nutze ist, will die Oberin den lästigen Zeugen durch Erhängen entsorgen. Dieses Vorhaben geht auf spektakuläre Weise schief, so dass die Gamiani das Weite sucht. In Florenz ist ihr Fleisch zwar tot, dafür erblüht ihre Seele: Sie verliebt sich in den jungen Engländer Edward, der hier das Geld seiner Eltern verjubelt. Als er jedoch seinen Priapus nicht mehr im Zaume halten kann, erlebt er zwar mit ihr eine tolle Liebesnacht – aber leider auch die letzte, denn die gewöhnlichen Genüsse des Fleisches langweilen seine Geliebte. Mit den Galanen der Stadt erklimmt sie einen weiteren, letzten Gipfel des sinnlichen Genusses, bevor sie in die Heimat zurückkehrt.
Schwanengesang
Der Beobachter in Fannis Schlafzimmer traut seinen Augen nicht, als die Gamiani ihre Geliebte veranlasst, ein Gift zu trinken, von dem sie behauptet, es enthalte „Lebenselixier“ (Sperma). Schon nach wenigen Momenten windet sich das Mädchen in entsetzlichen Krämpfen. Die Gräfin bekennt, sie habe selbst bereits das Gift genommen, um so zu erleben, wie sich die Todesqual auf die Qualität der Wollust auswirkt. Alcide muss fassungslos das Ende seiner beiden Geliebten erleben…
Mein Eindruck
Der erste Teil erscheint dem Leser wie ein Theaterstück. Die deklamierten Sätze stehen jeweils unter dem Namen des Sprechers bzw. der Sprecherin. Die Handlung ist daher nicht nur sehr flott und dramatisch, sondern auch vielschichtig. Dem flotten Dreier folgen drei recht unterschiedliche Bekenntnisse. Dabei bilden die Bekenntnisse der Gamiani und Alcides einen derartigen Affront gegen die katholische Kirche, dass das Buch alsbald verboten wurde (siehe oben).
Die Marterszene im Franziskanerkloster, in der Gamiani defloriert, ausgepeitscht und vergewaltigt wird, erinnerte mich an Matthew Lewis‘ (1775-1818) Klosterroman „The Monk“ (1796), indem ein Mönch dem Höllenfürsten verfällt, was sich für seine Liebesaffären als verhängnisvoll erweist. Das Buch wurde seinerzeit ein Bestseller. Der Teufel trifft denn auch folgerichtig in Alcides Beschreibung einer Höllenvision auf, die es in sich hat.
Dass auch Nonnen dem Teufel verfallen können, belegt die Klosterorgie im zweiten Teil. Sie werden als Kannibalinnen und Mänaden (Jüngerinnen des Gottes Bacchus) beschrieben. Dass hin und wieder auch Tiere Liebesdienste leisten, vervollständigt das Bild eines Sodom und Gomorrha. Denn es war von Anfang die Absicht des Autors/der Autoren, so viel Obszönität zu erzeugen, wie es ging, ohne jedoch auch nur ein einziges obszönes Wort zu verwenden. Das war die literarische Wette, die der Herausgeber in seiner bibliografischen Notiz (s.u.) erwähnt. Der Zweck wurde voll und ganz erreicht: Das Buch wurde alsbald verboten, nachdem der ursprüngliche Privatdruck 1868 in einer weiteren Auflage erschienen war.
Erothanatos
„Ich bin die Liebe, die der Tod ist!“ (S. 81) sagt die Gamiani selbst. Da sie selbst kein Maß mehr für die Sinnenlust der „Liebe“ mehr kennt, duldet sie Maßhalten auch bei anderen nicht. Fanni macht sie erst zu ihrem Verführungsopfer, dann zu ihrer Komplizin, schließlich zu ihrem Werkzeug. Aus einer partnerschaftlichen Beziehung macht die Gier und Maßlosigkeit ihrer Sucht nach Wollust, nach dem „kick“, aus jedem beliebigen Menschen ein Mittel zum Zweck und somit ein Ding. Dass Fanni dabei ins Gras beißt, juckt die Gräfin nicht: Sie bezahlt ja selbst mit ihrem Leben.
Die altrömischen und altgriechischen Kulte für diverse Fruchtbarkeitsgottheiten (siehe unten) wie Pan, Kybele und Priapos vereinten stets die Feier des Lebens und die Reinigung von vergangenen Sünden mit der Beschwörung der Furchtbarkeit und Erneuerung. Dabei lagen naturgemäß Liebe und Tod eng beieinander, Eros und Thanatos. So erfüllt die Figur der Gamiani ein uraltes Vorbild und Drehbuch: Liebe, die den Tod bringt. Im zweiten Teil wird der Beobachter Alcide vor diesem Schicksal bewahrt, sonst könnten wir uns nicht seines Berichts erfreuen. Aber ein wenig merkwürdig ist es schon, dass er nicht wie im ersten Teil sein Versteck lässt und die Regie übernimmt.
Die Übersetzung
Der sprachliche Ausdruck entspricht dem des frühen 20 Jahrhunderts, wirkt also entsprechend antiquiert. Als weitere Hürde kommen zahlreiche Verweise auf mythische und literarische gestalten hinzu. Wohl dem, der sich ein wenig mit der griechisch-römischen Antike auskennt.
S. 58: „Ossianische Jungfrauen“: tragische Figuren, die ein fiktiver Autor namens Ossian erfunden haben soll. Ossian war aber nur der Schwindel eines gewissen Macpherson. Immerhin fiel auch Goethe darauf herein.
S. 60: „erotosatanische Kraft“: Ein Oberteufel verspritzt in der Walpurgisnacht-Szene Sperma nach allen Seiten auf die Sünder. Diese fassen die Segnung als heiliges Sakrament auf. Weitere missbrauchte religiöse Symbole der katholischen Kirche sind Hostien und Weihwedel, eine Mitra und ein Bischofsstab. Das kam beim Klerus gar nicht gut an.
„Luperkalien“: Fruchtbarkeits- und Reinigungsfest zu Ehren des Lupercus, dem römischen Gegenstück zum griechischen Gott Pan, abgehalten am 15. Februar.
„Saturnalien“: Fest zu Ehren des Aussaatgottes Saturn, abgehalten im Dezember, begleitet von ausgelassenen Ausschweifungen. Saturn verkörperte auch Wohlstand und Wohlleben.
Priapus: kultisch verehrter Fruchtbarkeitsgott, Symbol und Verkörperung ist der erigierte Phallus
S. 107: Korybanten: tanzende Priester der Naturgöttin Kybele (in Kleinasien)
S. 107: Thyiade: Nymphe
Anhang und Ausstattung
Das Vorwort des deutschen Herausgebers von anno 1905 begründet die Zuschreibung dieses Romans hinsichtlich Alfred de Musset (1810-1857). Das Nachwort alias „Bibliographische Notiz“ beschreibt den genaueren Hintergrund der Entstehung des Textes. Er entstand demnach aufgrund einer Wette unter jungen Literaten, zu deren Kreis der 22 oder 23 Jahre alte Musset gehörte. Weil sich der zweite Teil deutlich vom ersten unterscheidet, vermuten manche Fans, dass er von Mussets Freundin George Sand (1804-1876) stammt. Zum Schluss belegt der Herausgeber die Herkunft der farbigen Illustrationen, die sich in dieser Ausgabe wiederfinden.
Unterm Strich
Dieser erotische „Roman“ ist auf keiner Seite langweilig, was ihn zu einer spannenden, wenn auch provozierenden Lektüre macht. Die Kritik an Praktiken und Symbolen der katholischen Kirche, das Loblied auf die lesbische Liebe und schließlich der Einsatz von Tieren im Dienst der Sinnenlust fordern den Leser heraus. Gleichgültig, ob nur Musset oder zusätzlich auch seine Freundin George Sand der „Autor“ war, so wissen doch beide Teile auf jeweils eigene Weise zu unterhalten.
Die Wirkung des Romans, sobald der Privatdruck von 1833 irgendwie an die Öffentlichkeit gedrungen war, hielt bis 1880 an, als Guy de Maupassant das Buch in seinem erotischen Roman „Die Nichten der Frau Oberst“ erwähnte. Nur neun Jahre später wurde „Gamiani“ erneut verboten. Bei Maupassant wird die junge Heldin Julia, ein der beiden titelgebenden Nichten, von den Illustrationen im Buch erschreckt. Diese sind auch heute noch angetan. Aufmerksamkeit zu erregen, nicht zuletzt durch die Kompliziertheit der abgebildeten Stellungen.
Der antiquierte Stil der Übersetzung könnte sich als Hürde erweisen, dabei sind doch die meisten Sätze sehr kurz. Eine zweite Hürde sind der Bildungsballast aus der klassischen Bildung. Immerhin hilft der Übersetzung dem Leser mit erklärenden Fußnoten zu Stellen, die schon ca. 80 bis 90 Jahre nach 1833 nicht mehr geläufig waren. Ein Begriff wie „Ossianische Jungfrauen“ wird dennoch nicht erklärt (s.o.). Dieses Buch eignet sich also vor allem für Sammler.
Taschenbuch: 133 Seiten
Originaltitel: Gamiani, ou deux nuits d’excès, 1833
Aus dem Französischen von Heinrich Conrad.
ISBN-13: 9783442060023
www.randomhouse.de
Der Autor vergibt: