Ann Granger – Ein schöner Ort zum Sterben (Mitchell & Markby 6)

Nahe des kleinen Landstädtchens Bamford wird die Leiche eines vierzehnjährigen Mädchens gefunden. Chefinspektor Allan Markby übernimmt den Fall. Deutliche Spuren führen hinauf nach Park House und deren noch immer einflussreichen Herrin Markbys Kopfschmerzen nehmen zu, als seine heimliche Liebe Meredith Mitchell sich privatdetektivisch ins Geschehen mischt, das bald in einem neuen Mord gipfelt. – Moderner Landhauskrimi nach bekanntem Muster; klassische Vorbilder werden maßvoll mit aktuellen Elementen (Promiskuität und Drogen) sowie Seifenoper (Markby balzt und Mitchell ziert sich) gemischt, um das in fünf früheren Thrillern gewonnene Stammpublikum wiederzufinden.

Das geschieht:

In Bamford, dem kleinen, idyllischen Landstädtchen leben zwar weiterhin reizend kauzige Gestalten mit „Erst-einmal-eine-gute-Tasse-Tee“-Habitus, doch Verbrechen bedeutet auch hier nicht mehr den im Pfarrgarten gewilderten Hasen, sondern schließt kaltherzigen Mord ein: In einem Waldstück wurde die Leiche der vierzehnjährigen Lynne Wills gefunden. Man hat ihr den Schädel eingeschlagen. Chief Inspector Alan Markby vom Bamford Criminal Investigations Department der örtlichen Polizei ermittelt, dass die Verstorbene Mitglied eines Zirkels minderjähriger Hobby-Prostituierten gewesen ist, die sich nach der Schule das Taschengeld aufbessern.

So etwas lieben die Medien, aber nicht Markbys neuer Chef und die besorgte Öffentlichkeit, die den Inspektor tüchtig bedrängen. Man teilt ihm sogar eine neue Assistentin zu. Auch privat gibt es Schwierigkeiten, denn Markbys Angebetete, die Diplomatin Meredith Mitchell, will seinem Werben weiterhin nicht nachgeben, obwohl sie inzwischen sogar nach Bamford gezogen ist. Stattdessen wird sie – nur halbwegs wider Willen – in die aktuellen Ermittlungen hineingezogen.

Kate, die einzige Tochter der einst mächtigen, aber dekadenten Devaux-Familie bittet sie um Hilfe. Mutter Adeline gleitet in den Wahnsinn ab, Park House, die alte Residenz der Devaux’, zerfällt, Matthew Conway, Adelines Gatte, ist hilflos und womöglich ein Ehebrecher. Meredith Mitchell lehnt ab und macht sich ernste Vorwürfe, als Kate einem Mord zum Opfer fällt. Wurden beide Taten von nur einem Täter begangen? Markby plagen Zweifel, aber ihm bleibt wenig Zeit für gewissenhafte Ermittlungen, da sich die Situation um das düstere Devaux-Mausoleum dramatisch zuzuspitzen beginnt …

Der Kamillentee-Krimi leistet hartnäckigen Widerstand

In Bamford nichts Neues, könnte man sagen. Halt, etwas gilt es auf jeden Fall festzuhalten: Nach dem schrecklichen fünften Band der Markby-&-Mitchell-Serie („Where Old Bones Lie“, dt. „Wer andern eine Grube gräbt“), einer endlos ausgewalzten, dramaturgisch ins absolut Leere laufenden Zumutung, bietet diese Episode zumindest als Krimi bessere Unterhaltung. Der Plot ist einfach, aber er funktioniert.

Vor allem halten sich die Seifenoper-Elemente ein wenig weiter im Hintergrund. Weiterhin bebalzen Markby und Mitchell sinnlos und langweilig einander, aber sie tun es immerhin diskret und belästigen ihr Leserpublikum nicht damit. Wie lange Ann Granger diesen längst überdehnten Handlungsstrang noch quälen will, bleibt offen; auch dieses Mal kommt das Duo jedenfalls nicht weiter.

Ansonsten fällt der Spagat zwischen klassischem Landhaus- und modernem Gesellschaftskrimi leidlich gelungen aus. Granger experimentiert damit, beide Genres zu mischen. Der Grundgedanke dürfte sein, dass es im 21. Jahrhundert zunehmend absurder wird, uralte „Cozy“-Stories à la Agatha Christie zu kopieren, selbst wenn es dafür ein Publikum zu geben scheint. Andererseits widersetzt sich kaum ein Genre so nachhaltig einer Runderneuerung wie der Landhaus-Krimi mit seinen recht engen Grenzen, deren Befolgung vor allem eines garantieren soll: Unterhaltung in der Variation des Bekannten, d. h. ohne nervenstrapazierende Überraschungen.

Lesen oder Einlullen?

Deshalb dürfen wir in Bamford einerseits einen modernen Mädchenmörder bei seiner traurigen Arbeit erleben, während uns andererseits zerstreute anglikanische Geistliche oder verschroben altjüngferliche Hauswirtinnen und ihre hagestolzen Verehrer irritieren. Das eine passt nur bedingt zum anderen – oder es bedarf einer fähigeren Autorin als Ann Granger, um die Verbindung zu schaffen. Die Entscheidung bleibt den Lesern überlassen.

Beruhigt dürfen sich jedenfalls jene Leser/innen fühlen, die ihre Hauptfiguren faktisch ohne Entwicklung erleben wollen, was wiederum cozytypisch ist. Alan Markby geht also wie gehabt in seiner Arbeit auf, die ihm dieses Mal nicht einmal Zeit für die geliebte Gärtnerarbeit lässt. Meredith Mitchell saniert tüchtig an ihrem kuscheligen Bamford-Häuschen herum und dringt dabei dramaturgisch recht gewagt in diverse Ortsgeheimnisse vor.

Neu im Geschehen ist Helen Turner. Soll sie die Frauenquote der „Markby-&-Mitchell“-Serie steigern? Hier bleibt sie ziemlich blass, auch wenn Granger ihr Übereifer und Ortsfremde andichtet und sie dadurch interessanter zu gestalten versucht.

Ansonsten werden wir wie schon erwähnt (oder gewarnt) mit der üblichen Galerie skurriler Zeitgenossen konfrontiert, die traditionsgemäß englische Kleinstädte bevölkern. Auch hier unterlaufen Granger Brüche, denn die Bewohner von Park House sind deutlich realistischer gestaltet. Die beabsichtigte Tragik kommt freilich nicht mit der humoristischen Überzeichnung der Bamford-Kulisse in Einklang.

Inwieweit sich die Leserschaft von der Existenz einer Gruppe pubertierender Mädchen überzeugen lässt, deren Revolte gegen die spießige Welt der Erwachsenen darin besteht, sich als Gelegenheitsnutten in einem staubigen Mausoleum zu betätigen, sei an dieser Stelle dahingestellt. Schenkt man der Boulevardpresse Glauben, ist so etwas schon vorgekommen. In diesem Fall liegt es deshalb wohl an Ann Granger, dass dieser Aspekt der Handlung hakt und die jugendlichen Protagonistinnen nicht besonders glaubhaft wirken.

Verfasserin

Patricia Ann Granger wurde 1939 in Portsmouth in England geboren. Sie studierte moderne Sprachen in London (Royal Holloway College), wurde Lehrerin und ging für ein Jahr nach Frankreich, wo sie ihre Muttersprache verbreitete. Da sie das nicht recht ausfüllte, arbeitete sie dann – Meredith Mitchell ward geboren! – für britische Konsulate in damals noch existierenden Ländern wie Jugoslawien, der Tschecholowakei sowie in Österreich.

Granger heiratete einen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und begleitete ihn u. a. ins afrikanische Sambia und nach Deutschland. Nach England zurückgekehrt (und inzwischen Mutter zweier Kinder) begann sie zu schreiben. Ann Granger begann nicht als Krimi-Autorin, sondern (unter dem Namen Ann Hulme) mit historisierenden Schmalzromanen, von denen die deutsche Leserschaft bisher gottlob verschont blieb, bis Granger im Jahre 1991 mit den „Mitchell-&-Markby“-Romanen der Durchbruch gelang.

Irgendwann fiel auch Ann Granger auf, dass sich diese nicht endlos strecken lässt. Deshalb begann sie 1997 eine neue Serie um die erfolglose Gelegenheits-Schauspielerin und Muss-Geld-verdienen-Amateurdetektivin Fran Varady, deren Originalität sich jedoch ebenfalls in Grenzen hält. Mitchell & Markby fanden endlich in Band 15 ehelich zueinander und die Serie 2004 ein Ende, Fran Varady verstummte nach Band 7 drei Jahre später. Mitchell ersetzte sie durch das Detektivpaar „Ben & Lizzie“ (Plätscher-Krimi und Liebe im viktorianischen Zeitalter) bzw. die in den gegenwärtigen Cotswolds ermittelnden Inspector Jess Campbell und Superintendent Ian Carter.

Mitchell-&-Markby-Serie

(1991) Mord ist aller Laster Anfang (Say It with Poison) – TB Nr. 12966
(1991) Fuchs, du hast die Gans gestohlen (A Season for Murder) – TB Nr. 14321
(1992) Warte, bald ruhest du auch (Cold in the Earth) – TB Nr. 14375
(1992) Messer, Gabel, Schere, Mord (Murder Among Us) – TB Nr. 14479
(1993) Wer andern eine Grube gräbt (Where Old Bones Lie) – TB Nr. 14566
(1995) Ein schöner Platz zum Sterben (A Fine Place for Death) – TB Nr. 14696
(1994) Blumen für sein Grab (Flowers for His Funeral) – TB Nr. 14787
(1995) Kerzenlicht für eine Leiche (Candle for a Corpse) – TB Nr. 14865
(1996) Ein Hauch von Sterblichkeit (A Touch of Mortality) – TB Nr. 14970
(1998) Ihr Wille geschehe (A Word After Dying) – TB Nr. 15119
(1998) Tote kehren nicht zurück (Call the Dead Again) – TB Nr. 15201
(1999) In dunkler Tiefe sollst du ruhn (Beneath These Stones) – TB Nr. 15292
(2000) Mord wirft lange Schatten (Shades of Murder) – TB Nr. 15383
(2002) Der Fluch der bösen Tat (A Restless Evil) – TB Nr. 15470
(2004) Und sei getreu bis in den Tod (That Way Murder Lies) TB Nr. 15569

Die Serie erscheint im Bastei-Lübbe-Verlag.

Taschenbuch: 397 Seiten
Originaltitel: A Fine Place for Death (London : Headline 1994)
Übersetzung: Axel Merz
www.anngranger.net
www.luebbe.de

E-Book: 4153 KB
ISBN-13: 978-3-8387-0695-5
http://www.luebbe.de

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