William Peter Blatty – Der Exorzist (Lesung)

Die junge Tochter einer erfolgreichen Schauspielerin wird zunehmend von einem Dämon in Besitz genommen. Die moderne Wissenschaft versagt bei der Diagnose und Heilung. Der verzweifelten Mutter bleibt nur die Zuflucht zu einem professionellen Teufelsaustreiber. Pater Merrin weiß, gegen wen er kämpft… (Verlagsinfo)


Der Autor

W.P. Blatty ist leider nur vor allem für diesen Roman bekannt: In der Verfilmung durch William Friedkin wurde der „Exorzist“ zu einem der ersten Blockbuster der Siebziger. Kein Wunder, denn verschlüsselt beschreibt er das Phänomen einer „entarteten“ Jugend, der sich eine hilflose Elterngeneration gegenübersieht. Ohne je diese Tiefe zu erreichen, entstanden in der Folge dieses Megaerfolges solche Horrorfilme wie „Das Omen“, „Damien“ und „The Changeling“.

Der Sprecher

Joachim Kerzel ist deutsche Stimme von Dustin Hoffman, Jack Nicholson und fast allen Stephen-King-Hörbüchern. Seine Stimme ist hier durch zahlreiche Filter gejagt, um die zahlreichen Stimmen, in denen der Dämon zu uns spricht, darstellen zu können – ein wahres Stimmenkonzert, dazu geeignet, nicht nur Ehrfurcht und Verwunderung, sondern auch tiefe Angst auszulösen. Die Warnung des Verlags kann ich daher nur eindringlich unterstreichen: Dieses Hörbuch ist nur ab 16 Jahren zu empfehlen! Am besten hört man sich die Lügen und Obszönitäten des Dämons nur in Begleitung an.

Handlung

Das Hörbuch lässt den gesamten Vorspann weg, der im Irak spielt, und steigt gleich mit den ersten Szenen ein, die sich im Haus der Schauspielerin Chris abspielen, im noblen Washingtoner Vorort Georgetown, wo es auch eine katholische Universität gibt. Gegenüber liegt das Jesuitenkolleg. Chris ist geschieden, steht auf eigenen Beinen und ist erfolgreich. Sie dreht einen Film mit einem Regisseur namens Burke Dennings an der Uni.

Regan, die 12-jährige Tochter der Schauspielerin, beginnt sich negativ zu verändern. Der Dämon Pazuzu hat sich im Haus eingenistet und verursacht zunächst nur Klopfgeräusche auf dem Dachboden. Regan nennt ihn Captain Howdy und spielt mit ihm. Sie wird unzufrieden und vergesslich.

Wenige Tage später bekommt Regan bereits zahlreiche Medikamente, die dazu dienen sollen, Schizophrenie, Hysterie und andere Syndrome zu bekämpfen. Sie redet in unbekannten Sprachen und ist gewalttätig. Eines Tages liegt Burke Dennings tot am Fuße der Treppe neben dem Haus. Er hat ein gebrochenes Genick, sein Hals ist nach hinten gedreht. Wurde er ermordet, aus dem Haus gestoßen?

Die Polizei nimmt die Ermittlungen in Gestalt eines William Kinderman auf, der sich als Vorläufer von Inspektor Columbo entpuppt: ebenso hinterlistig zerstreut, aber dennoch äußerst kompetent. Kinderman konzentriert sich auf den zwielichtigen Schweizer Diener namens Angstrom und stößt auf ein Geheimnis.

Als Kirchenschändungen in Georgetown entdeckt werden, untersucht auch Kinderman dies und begegnet dabei Pater Damien Karras, einem Psychiater unter den Jesuiten, der an der Uni Vorlesungen hält. Wochen später, nachdem alle Mittel der Wissenschaft an Regan versagt haben, gerät Chris über Kindermans indirekte Vermittlung an Karras. Sie bittet ihn um eine Teufelsaustreibung, einen Exorzismus.

Karras, der zunächst an hysterische Autosuggestion bei Regan glaubt, wird vom Dämon Pazuzu eines Besseren belehrt. Er kommt sogar dem fremdartigen Gestammel des Dämons auf die Spur, als er sein Tonband rückwärts ablaufen lässt. Er beantragt einen Exorzismus und erhält die Genehmigung der Kirche, das Römische Ritual mit der Hilfe eines erfahrenen Exorzisten namens Lancaster Merrin durchzuführen. Merrin kennt den Dämon Pazuzu bereits aus dem Irak.

Der Rest ist sozusagen Geschichte. Am Ende müssen zwei Patres ihr Leben lassen, um das des Mädchens zu retten.

Mein Eindruck

Ich habe das Buch bereits an anderer Stelle rezensiert und möchte nicht viel Weiteres hinzufügen. Es gibt sicherlich Stellen, die man hätte kürzen können, denn der Autor geht stark auf die vorhandene Fachliteratur ein. Das ganze Hinundher mit Wissenschaft, Psychologie, Psychotherapie und so weiter scheint nur aufzuhalten, dient aber letzten Endes dazu klarzumachen, wie verzweifelt ein Mittel wie der Exorzismus sein muss – sozusagen der letzte Strohhalm, den Chris ergreift.

Der Exorzismus selbst ist keineswegs Show, sondern ein vorgeschriebenes Ritual, das Jahrhunderte alt ist. Die konkrete Teufelsaustreibung an Regan ist eine schmerzvolle, oftmals ekelerregende Prozedur, die den Glauben der beiden Patres auf die härteste Probe stellt. Karras, dem eine Mitschuld am Tod seiner kürzlich verstorbenen Mutter gegeben wird, ist einigermaßen geschwächt durch Selbstzweifel. Und so sieht er für sich und die Situation nur einen Ausweg: Selbstopferung.

Wie ich schon des öfteren geschrieben habe, gehört für mich Joachim Kerzel zur ersten Garde der deutschen (Synchron-) Sprecher. Auch seine Kooperation etwa mit Franziska Pigulla klappt hervorragend (kürzlich bei Folletts „Leopardin“). Doch beim „Exorzisten“ hat er sich selbst übertroffen.
Seine Fähigkeit, seine Stimme jeder Situation, Figur und Emotion anzupassen, ist schon erstaunlich genug. Doch diesmal erhält er Unterstützung von der Technik. Die Klangeffekte und digitalen Sprachfilter, durch die wir seine Stimme hören, sind von verblüffender Vielfalt und Effektivität. Dadurch wird seine Vortrag zu wesentlich mehr: zu einem Einmann-Hörspiel.

Telefonstimmen sind ja noch das Einfachste. Doch Halleffekte und Dubbings kommen hinzu. Insgesamt hat man sich bei der Soundregie offenbar am Vorbild des Friedkin-Films orientiert. Verzerrte Atemgeräusche des Dämons, tiefes Knurren, Spritz- und Kratzgeräusche, Poltern, Scheppern und Krachen gehören dazu. Am beunruhigendsten für den Zuhörer ist nicht diese Geräuschkulisse der Gewalt. Es ist vielmehr der subtil schleichende Eindruck, den sehr tiefe Töne erzeugen: der Eindruck von etwas äußerst Bedrohlichem.

Es ist unmöglich, sich dieser beängstigenden Wirkung, die unterschwellig wirkt, willentlich zu entziehen, und das macht das Anhören des Hörbuchs, besonders ab CD 5, so potenziell gefährlich. Man möchte nicht gerade bei solchen Szenen riskante Überholmanöver auf der Autobahn versuchen.

Ist der Horror- und Kriminalroman an sich bereits ein spanenndes und beklemmendes Erlebnis, so wird diese Wirkung noch vielfach potenziert durch die Mittel, die bei diesem Hörbuch – um nicht zu sagen: Hörspiel – eingesetzt werden. Das Anhören ist ein unvergessliches Erlebnis, und für so manche schlaflose Nacht ist gesorgt.

_Michael Matzer_ (c) 2003ff
(lektoriell editiert)