Brown, Dan – Illuminati

_Sakrale Schnitzeljagd_

Ein Teilchenphysiker wird in seinem Schweizer Labor ermordet aufgefunden. In seine Brust eingebrannt entdeckt man merkwürdige Symbole. Symbole, die nur der Harvardprofessor Robert Langdon zu entziffern vermag.

Was er dabei entdeckt, erschreckt ihn zutiefst, denn es scheint, als sei die Geheimgesellschaft der Illuminati, alte Feinde der römisch-katholischen Kirche, zurückgekehrt. Und sie haben im Labor etwas mitgehen lassen: einen Behälter mit Antimaterie, der, wenn er nicht an eine Stromquelle angeschlossen wird, binnen 24 Stunden mit der Wirkung einer großen Wasserstoffbombe explodieren wird. Welcher teuflische Plan steckt dahinter?

|Der Autor|

Dan Brown war genau wie Stephen King zuerst Englischlehrer, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. „Als Sohn eines mehrfach ausgezeichneten Mathematikprofessors und einer bekannten Kirchenmusikerin wuchs er in einem Umfeld auf, in dem Wissenschaft und Religion keine Gegensätze darstellen“, meint die Verlagsinformation. „Diese Kombination ist es auch, die den weltweiten Erfolg des Autors begründet. ‚Illuminati‘, der erste in Deutschland veröffentlichte Roman von Brown, gelangte innerhalb kürzester Zeit auf Platz 2 der Bestsellerliste.“ Auf welche, wird nicht verraten. Vielleicht weiß Ford Prefect mehr *g*. „Brown ist verheiratet und lebt mit seiner Frau, einer Kunsthistorikerin, in Neuengland.“ Na, das klingt doch direkt nach einer Ko-|Autorin|!

|Der Sprecher|

Wolfgang Pampel ist die deutsche Synchronstimme von Harrison Ford. Das ist sehr passend, denn Robert Langdon erwähnt einen Zeitungsartikel, in dem er selbst als „Harrison Ford in Harris-Tweed“ bezeichnet wird. Ironisch wird’s, weil Langdon diese sensationsheischende Titulierung völlig ablehnt.

Pampel hat an der Theaterhochschule in Leipzig studiert und machte sich anschließend an den verschiedensten Bühnen von Leipzig, Düsseldorf, Berlin und Wien einen guten Namen.

_Handlung_

Zunächst hat es Harvardprofessor Robert Langdon, 45, Experte für religiöse Symbolologie mit einer sportlichen Figur, überhaupt nicht eilig, dem Ruf eines Schweizer Physikers zu folgen. Da schickt dieser ihm ein Fax mit einem Foto darauf: ein toter Mann, auf dessen Brust das Wort „Illuminati“ eingebrannt wurde. Die Illuminaten, die „Erleuchteten“, weiß Langdon, waren zunächst ein Zirkel von aufgeklärten Denkern im Italien um 1500.

Doch schon bald standen sie in Widerspruch zu den Lehren der Heiligen Mutter Kirche und waren ihr ein Dorn im Auge. Sie wurden in den Untergrund verbannt. Die Forscher Leonardo da Vinci und Galileo Galilei sollen ihnen angehört haben. Im Jahr 1686 wurden vier ihrer Mitglieder ebenso gebrandmarkt wie der Tote auf dem Faxfoto. Wollen sich die Illuminati jetzt, nach so vielen Jahren, zurückmelden?

Er lässt sich mit einem Überschalljet nach Genf fliegen, wo er das CERN besucht, die europäische Kernforschungsanlage, die Generaldirektor Maximilian Kohler leitet. Kohler hat das Fax geschickt. Langdon ist skeptisch: Echte Illuminaten hätten einen Forscher, einen Bruder im Geiste, nicht getötet. Doch wie ihm Kohler erklärt, war Leonardo Vetra sowohl Forscher als auch katholischer Priester. Er suchte den Gottesbeweis in den kleinsten Teilchen. Er hatte viele Feinde. Grausig starrt Vetras leere Augenhöhle auf die beiden Amateurdetektive. Kohler wünscht keine Polizei.

Vittoria Vetra, eine Meeresbiologin, ist die bildschöne Tochter des Ermordeten (und ganz nebenbei Yoga-Expertin). Sie berichtet, dass ihr Vater beweisen wollte, dass die Bibel Recht hat: Das Universum sei aus der Leere erschaffen worden – Materie aus Energie. Was Vetra erzeugt hatte, war jedoch Antimaterie. Sie schwebt in winzigen Mengen in Behältern, die durch Magnetfelder den zerstörerischen Kontakt der Antimaterie (AM) mit unserer alltäglichen Materie verhindern. An jedem Behälter verhindert eine Batterie 24 Stunden lang, dass die Reaktion eintritt, die so vernichtend wie eine große Wasserstoffbombe wirken würde.

In Vetras Labor wurde, obwohl es stark gesichert war, eingebrochen und ein Behälter gestohlen. Vetras Auge war für einen Netzhautabtaster missbraucht worden. Vetra hatte die Energiequelle der Zukunft gefunden – oder die schlimmste Waffe der Neuzeit. Wenn sie den Illuminaten in die Hände fiel, so wollen diese sie bestimmt gegen die katholische Kirche einsetzen. Kohler schickt Langdon und Vittoria nach Rom, in den Vatikan. Dort kontaktieren sie die Sicherheitstruppe des Vatikans, die Schweizer Garde. Man lacht sie aus. Oberst Olivetti glaubt an keine Bombenleger.

Der Papst ist tot und das Konklave der 165 Kardinäle ist zusammengetreten, um in der Sixtinischen Kapelle einen neuen zu wählen. Doch der Zeremonienmeister stellt beunruhigt fest, dass vier der Herrschaften fehlen, ausgerechnet die vier Preferiti, die Auserwählten mit den meisten Chancen, gewählt zu werden.

Auf Vittorias Bemühen hin sprechen sie und Langdon mit dem Interimspapst, dem Camerlengo. Carlo Ventresca, 30, hört ihnen zu und befielt Olivetti, die Bombe zu suchen, die irgendwo im Vatikan versteckt sein muss. Tatsächlich zeigt einer der Monitore eine LED-Anzeige, auf der ein Countdown abläuft. Nur noch sechs Stunden bis Mitternacht. Geht dann die Bombe hoch?

Da ruft der Bombenleger und Vetras Mörder beim Camerlengo an. Er sei von den Illuminati und wisse, wo sich die vier verschwundenen Kardinäle befänden. Sie sollen von ihm wie jene vier zuvor im Jahr 1686 geopfert werden. Jede Stunde werde einer davon getötet: in Kirchen und Tempeln. Diese Mordserie wäre das Ende des Papsttums – und die Bombe bedeutet die Vernichtung des Vatikanstaats.

Nur einer weiß, wo die Kardinäle gefunden werden können: Robert Langdon. Doch wird ihm die verbleibende Zeit reichen, um sie zu retten?

_Mein Eindruck_

So beginnt ein rasanter Mystery-Thriller, in dem sakral-okkulte Kunst des Illuminatenordens quasi ein Paralleluniversum an Bedeutungen öffnet, das jeden Esoteriker in Ekstase versetzen würde. Pyramiden, die Zahlenkombination 5+2 sowie jede Menge Engel weisen Langdon den Weg durch den Immobiliendschungel der Tiberstadt. Nicht nur muss er kreuz und quer (was ein Kreuz zeichnet), sondern auch ganz tief hinunter und schließlich sogar ganz hoch hinaus. Auf seiner dreidimensionalen Odyssee bekommt er es mit allen möglichen Schurken zu tun, die er sich nicht hätte träumen lassen. Aber er hat ja die treue und tapfere Vittoria an seiner Seite, die ihn anspornt, sich wie weiland Indiana Jones aufzuführen und James Bond alt aussehen zu lassen. Eine Schnitzeljagd, wie sie im Buche steht. Wer ihr zu folgen versucht, kommt aus dem Staunen kaum noch heraus.

|Charakterisierung|

Die Charakterisierung der drei oder vier Hauptfiguren ist recht schlicht gestrickt. Langdon ist unser ganz normal naiver Harvardprofessor mit einer Phobie vor engen Räumen – Fahrstühlen beispielsweise. Doch zu jeder passenden Gelegenheit enthüllt er verborgene Fähigkeiten: Er war Wasserballspieler und sogar Turmspringer. Dafür hat er leider vom Schießen keine Ahnung, was sich mitunter als verhängnisvoll erweist. Wenigstens trifft er einen Zeh, wenn schon nicht den Leib des Mörders. Manchmal mischt sich so etwas wie Komik in das abenteuerliche Geschehen.

|Die Medien – Komplizen des Terrorismus?|

Wie bei jedem terroristischen Anschlag von astroglobaler Bedeutung mischen auch hier die Medien kräftig mit. Ein BBC-Reporter mit dem schönen Namen Gunter Glick hält in vorderster Front die Linse der Kamera auf das erste Mordopfer in Rom. Ein Kardinal – und nur der erste von vier! Die Sensation des Tages. Schon bald fallen sämtliche Ü-Wagen der Tiberstadt über den Vatikan her und verlangen eine Stellungnahme des gelähmten Mini-Staatswesens. Ein Menschenauflauf ist die Folge, Scheinwerfer und Kameralinsen richten sich auf den Petersdom, hinter dessen Mauern der Countdown der Vernichtung läuft: Es ist der Jüngste Tag, das „Armageddon“, wie es der Autor beschreibt. Ob er wohl den „Zeugen Jehovas“ angehört, die jeden braven Bürger mit diesem Schreckenswort zu ihrer Lehre bekehren wollen?

Doch erst die Medienaufmerksamkeit potenziert die Bedrohung durch die Illuminati bis ins Unendliche: Der ganze Globus nimmt teil am Geschehen. Dass es sich dabei im Grunde um eine Schnitzelhagd handelt, lässt die Sache ein wenig übertrieben erscheinen, also erst richtig witzig aussehen.

|Lausige Logik|

Leider muss der Hörer beide Hühneraugen zudrücken, wenn es um die Qualität der Logik dieses Plots geht. Wie konnte die Bombe so schnell nach Rom gelangen? Wieso ist der „erleuchtete“ Killer scharf auf so weltliche Dinge wie Sex mit Vittoria? Wieviele Pyramiden und Obelisken gibt es eigentlich noch in Rom? Warum muss ausgerechnet Yoga Prof. Langdon das Leben retten?

Nicht Plausibilität ist das Ziel der Unterhaltung, sondern möglichst viele Überraschungen auf möglichst engem Raum. Und so schlägt die Handlung schließlich einen Zickzackkurs ein, der eines Hasen auf der Flucht würdig wäre. Schließlich wundert man sich kaum noch, dass Indy, pardon: Langdon Stunts abliefert, die einen James Bond erblassen ließen, und die Bösewichte im Vatikan sich wie russische Puppen hintereinander verstecken, falsche Fährten inklusive.

|Abrakadabra!|

Kurzum: Wer eine gute Show erwartet hat, kommt voll auf seine Kosten. Fehlen eigentlich nur noch die Karnickel, die aus dem Hut gezogen werden. Und am Schluss ist es keine Frage, ob der Junge das Mädchen bekommt. Es kann – angesichts der Gleichberechtigung – auch umgekehrt sein, das ist uns eh schon gleichgültig.

_Das Hörbuch_

Wolfgang Pampel ist die deutsche Stimme von Harrison Ford, und als solcher liefert er sozusagen den unverfälschten „Indiana Jones“ als Stimmlage von Robert Langdon (und des Erzählers). Jeder Hörer weiß: Hier ist Abenteuer pur garantiert. Pampels Tonlage von Generaldirektor Maximilian Kohler ist nicht nur ein gutes Stück tiefer, sondern auch noch kurzatmig aufgrund seines Asthmas. Und die Tonlage von Vittoria Vetra ist ein wenig höher als die der Figur Langdon.

Den Angehörigen der Schweizergarde haftet hingegen ein allerliebster Schweizer Akzent an, der aber keineswegs mit echtem Schwyzerdütsch zu vergleichen ist. Es handelt sich um korrektes Hochdeutsch, doch mit dem rauen „ch“ der Eidgenossen, und hin und wieder ist eine höhere Intonation von Sätzen zu bemerken, als es im Deutschen meist der Fall ist. Infolge dieser Unterschiede ist es ohne große Mühe möglich, die Figuren auseinander zu halten.

Mit einem gewissen Verdruss bemerkte der sprachlich gebildete Hörer, dass Pampel noch im Hörbuch von „Sakrileg“ etliche fremdsprachliche (meist französische) Namen und Ausdrücke falsch aussprach. Dies ist bei „Illuminati“ nicht mehr der Fall. Tatsächlich hatte ich nur mit einem einzigen Namen etwas Mühe, weil ich die Aussprache nicht richtig hörte: Der Zeremonienmeister der Kardinäle, der das Konklave leitet, heißt entweder Montati oder Mortati oder Mottati.

|Dramaturgie|

Der Text des Buches wurde von Arno Hoven bearbeitet und stark gekürzt. Das tut der Spannung aber nur gut, denn so fallen etliche Beschreibungen der Szenerie und unwichtiger Figuren weg. Dadurch schält sich der berühmte rote Faden heraus, dem der Hörer mit einiger Leichtigkeit zu folgen vermag. Es erweist sich jedoch als hilfreich, sich ein klein wenig in der heiligen Stadt auszukennen. Wichtige Landmarken wie der Petersdom, der Tiber, die Hügel, die Engelsburg und vielleicht noch die sehr schöne Piazza Navona zu kennen, ist gewiss kein Nachteil. Zumal dem Hörbuch natürlich keine Stadtkarte beiliegt.

|Die Musik|

Die dem Text unterlegte Musik von Michael Marianetti und Andy Matern finde ich recht passend, vor allem weil sie sparsam eingesetzt wird, meist als Punktuation zwischen Kapiteln. Mal kommt sie dynamisch drängend daher wie in einem Actionthriller, doch meistens getragen und feierlich wie bei einer Messe. Es geht eben sehr viel um religiöse Inhalte (was hier nicht weiter ausgeführt werden darf, ohne den Clou zu verraten!). Hier passen dann stimmungsvolle Orgeln und ein paar feierliche Chöre.

_Unterm Strich_

Im Grunde geht es dem Autor um die Erörterung des alten (scheinbaren?) Gegensatzes zwischen Vernunft / Wissenschaft und Glauben / Religion / Kirche. Die vier Kardinale werden der Reihe nach auf „Altären der Wissenschaft“ geopfert. Doch dabei handelt es sich um Orte, für die man ebenso Kunst- wie auch mystischen Verstand braucht. Am Schluss spitzt sich der Konflikt zu, doch wie auch immer der Ausgang sein mag, so lässt er sich doch ebenfalls politisch verwenden – ob für oder gegen die Kirche, soll hier nicht verraten werden.

|Engel & Dämonen|

Schrieb Dan Brown in „Sakrileg“ kurz mal die Geschichte des Christentums um, so leuchtet er in „Angels & Demons“ in die Leichenkeller des Vatikans. Er fördert Engel & Dämonen zutage, doch allmählich wird klar, dass die Unterscheidung zwischen dem, was ein Engel sein soll und dem, was ein Dämon sein könnte, gar nicht so einfach ist. Letzten Endes ist es beim Glauben wie mit der Wissenschaft: Es kommt drauf an, was man damit anstellt. Antimaterie kann – wie Atomkraft – Fluch oder Segen sein, je nach ihrer Verwendungsweise.

Das Gleiche, so suggeriert Brown, trifft auch für den Glauben zu: Er kann die Menschen erleuchten und zu erhöhter Spiritualität emporheben, er kann aber auch zur Unterdrückung von Wahrheit und Andersdenkenden benutzt werden. Und wer die Geschichte – der Kirche wie auch der Wissenschaft – nicht kennt, ist gezwungen, sie zu wiederholen. Engel oder Dämon, der Mensch ist beides. Er muss sich lediglich in Kenntnis der Realität entscheiden.

|Der Sprecher|

Dass der Sprecher des Hörbuchs mit seiner tiefen Stimme wie Harrison Ford alias Indiana Jones klingt, kommt der Spannung und Faszination der eh schon aufregenden Geschichte zugute. In der gekürzten Fassung ist das Geschehen noch mehr auf Action um den roten Faden der Story ausgerichtet. Aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch, wenn man die Logiklöcher, die übertriebenen James-Bond-Stunts und die Indiana-Jones-Schnitzeljagd hinnimmt. (Tut man dies nicht, kann man den Rest gleich vergessen.)

|Der Preis|

Der stark herabgesetzte Preis von schlappen 10,95 Euronen (bei |amazon.de| derzeit für 7,70 €) dürfte eine Menge Käufer reizen, zu einem Hörbuch zu greifen, das über sieben Stunden spannende Unterhaltung im Stil des bekannten Bestsellers bietet. Und angesichts der Komplexität der Schnitzeljagd könnte man die sechs CDs glatt noch einmal von vorn anhören. Schade, dass man dann schon weiß, wie’s ausgeht. Autofahrer, die sich das Hörbuch auf Nachtfahrten reinziehen, werden jedenfalls bestimmt nicht in Gefahr geraten, am Steuer einzuschlafen.

Fragt sich nur: Wann kommt das Hörbuch zu „Meteor“?

|Umfang: 437 Minuten auf 6 CDs|