John Sinclair – Ich jagte Jack the Ripper (Folge 49)

Neues vom Schlitzer: Wo bleiben die Zombies?

In London treibt ein Prostituiertenmörder sein Unwesen, dessen „Arbeitsmethode“ stark an den berühmtesten aller Schlitzer erinnert: Jack the Ripper. Sowohl John Sinclair als auch Jane Collins befassen sich mit dem Fall. Sie stoßen auf die einzige Zeugin, die 18-jährige Prostituierte Claudia Ferris. Natürlich ist auch der Ripper hinter ihr her. Schließlich muss er seinem Meister das siebte Opfer darbringen …

Die Story erschien erstmals als Band 182 der |Bastei|-Romanserie.

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem |Hause Bastei|. Inzwischen sind über 1700 John-Sinclair-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino, Christopher Walken, Kevin Kostner, Jeremy Irons, Pierce Brosnan und vielen mehr.
Wolfgang Pampel, die deutsche Stimme von Harrison Ford, spricht den Erzähler.

Jane Collins: Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Gillian „Scully“ Anderson
Sir James Powell: Karlheinz Tafel
Bill Conolly: Detlef Bierstedt
Suko: Martin May
Will Mallmann: Lutz Riedel
Quan: Markus Pfeiffer
Claudia Ferris: Ilona Otto
Betty Welsh: Manja Döring
Big Mama: Regina Lemnitz
Ernie Shane: Kaspar Eichel
Jack: Jörg Hengstler
Ossy: Bernd Vollbrecht
Spaziergänger: Dennis Schmidt-Foß
Officer: Sebastian Rüger
Freier: Björn Schalla, David Turba

Sowie Michael Pan (Brent ‚Data‘ Spiner), Hans Werner Bussinger, Alex Stelkens, Voktor Neumann und Jörg Doering (Colm Meaney).

_Der Produzent_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der John-Sinclair-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel [„Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Regieassistenz: Patrick Simon
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Tontechnik: Arne Denneler
Schnittassistenz: Jennifer Keßler
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

_Handlung_

In Amsterdam kauft ein mysteriöser Kunde in einem Antiquariat ein ganz spezielles Bild, obwohl ihn der Ladenbesitzer gewarnt hat, was dessen Herkunft angeht …

Fünf Jahre später fällt die Prostituierte Betty Welsh im verrufenen Londoner Eastend einem Verfolger zum Opfer. Sie ist bereits sein sechstes Opfer. Daraufhin zieht der Chef von Scotland Yard, Sir James Powell, den unfähigen Harrison von dem Ripper-Fall ab und setzt John Sinclair darauf an. Zum Glück war John in grauer Vorzeit einmal Streifenpolizist im Rotlichtbezirk Soho und hat dort immer noch gute Kontakte.

Allerdings muss er ohne Suko auskommen, der von seinem Bruder Quan nach Nepal eingeladen wurde, um eine geheimnisvolle Ehrung anzunehmen. Und auch auf Bill Conolly muss er verzichten. Da trifft es sich gut, dass Will Mallmann gerade zu Besuch ist, dem der Sinn zwar mehr nach Biertrinken steht, der aber gern bereit ist, seinem langjährigen Freund zu helfen.

Als sie die skalpierte Leiche von Betty Welsh betrachten, taucht ein Sensationsreporter namens Ernie Shane auf und knipst wie wild. Darf der das?, fragt John. Der habe eine Genehmigung, lautet die Auskunft. Ja, aber nicht von ihm, meint John und verjagt den lästigen Schnüffler. Bill Conolly hält den Typen für einen Feigling. Tatsächlich macht Shane keinen Stunk, er taugt aber auch nicht als Informant.

Unterdessen bringt Jane Collins, Privatdetektivin und Johns Freundin, der 18-jährigen Prostituierten Claudia Ferris Essen, Schnaps und Zigaretten, denn Claudia versteckt sich. Sie wurde vom Ripper überfallen, konnte aber während eines Verkehrsunfalls entkommen. Sie ist die Einzige, die seine Beschreibung hat. Leider ist Claudia nicht sonderlich klug: Sie will weder zur Polizei gehen, noch ihren Zuhälter Ozzy um Schutz bitten. Jane verspricht ihr Schutz und Hilfe, wenn Claudia ihr hilft, den Ripper zu finden. Da donnert es an die Tür der Wohnung: Es ist Ozzy! Wie konnte er sie nur finden? Er wird sie garantiert vermöbeln. Aber da hat auch Jane ein Wörtchen mitzureden …

In Soho besuchen John und Will die charmante Puffmutter Big Mama in ihrem diskreten Klub. Big Mama alias Sheryl hat immer noch viel übrig für John – die guten alten Zeiten. Doch John bleibt leider sachlich und setzt sie ein wenig unter Druck. Es wäre in ihrem eigenen Interesse, wenn Scotland Yard die Bedrohung von Sheryls Prostituierten beseitigen würde, nicht wahr? Im Gegensatz zu Inspektor Harrison traut Sheryl John durchaus zu, den Schlitzer zu schnappen. Sie erzählt ihm, es gebe eine Zeugin namens Claudia Ferris, die sich gerade in der Baker’s Lodge verstecke. Doch Ozzy, ihr Zuhälter wolle gerade zu ihr …

Vor der Baker’s Lodge kommt es zu einer unschönen Szene. Claudia und Jane wollen Ozzy und seinem Schläger Eddie entkommen, doch Janes klapprige alte Kiste springt nicht an. Als sie mit der von Eddie Revolver durchlöcherten Karosserie endlich davonfahren, ahnen die beiden Frauen nicht, dass jemand einen Peilsender an Janes Wagen angebracht hat …

_Mein Eindruck_

Das Soho, das uns der Autor hier als verruchten Londoner Rotlichtbezirk vorsetzt, gibt es meines Wissens schon seit mindestens fünfzehn Jahren nicht mehr. Aus Angst um die lieben Touristen hat die Stadtverwaltung das Viertel an die Kandare genommen und es ziemlich ausgemistet. Hier gab es mal Peep Show, Pornokinos und natürlich Bordelle sowie Klubs – alles weg, ebenso wie die Schönen der Nacht, die mann heute über Telefon und Internet bucht. Mag sein, dass hin und wieder mal ein Videoladen mit Hinterzimmer in der berüchtigten Wardour Street aufmacht, aber das war’s auch schon. Das Hörspiel erweist sich als nostalgische Reminiszenz.

Aber ich habe mich während meiner Londoner Aufenthalte nie ins Eastend gewagt, wo ja die legendären [Kray-Brüder]http://www.powermetal.de/video/review-1508.html herstammen. Durchaus mag es dort noch Prostituierte geben, die ihrem Gewerbe nachgehen und dabei die Gefahr missachten, die auf den drogenverseuchten Straßen stets droht. Eastend ist wohl immer noch – oder angesichts der Wirtschaftskrise schon wieder – das, was für Jack the Ripper das Viertel Whitechapel war: sein Jagdrevier.

|Eine blutige Tradition|

Bis heute gibt es zahlreiche Theorien darüber, um wen es sich bei dem berühmtesten aller Schlitzer handelte. Der Autor geht davon aus, dass der Mann auf dem Gemälde, das ihn darstellt, eine vornehme Persönlichkeit war. Schon die damaligen Kriminologen Ende des 19. Jahrhunderts tippten auf einen Arzt, wenn nicht sogar auf einen Royal. Diese Theorien spiegeln sich auch in der Comicbook-Verfilmung „From Hell“ wider.

Doch darum geht es überhaupt nicht in der Neuauflage der Rippermorde. Zwar werden wieder Nutten zu den Opfern, doch der Nachahmer hat anderes mit seinen Opfern im Sinn. Der echte Ripper hätte seine Opfer nie skalpiert. Sein Kopist bringt die erlegten Damen seinem „Meister“ als Obolus dar, in dem wahnhaften Glauben, er könne ihn damit zum Leben erwecken. Schon früh fällt unser Verdacht auf die einzige Nebenfigur, die sich verdächtig benimmt: den Fotografen. Er ist derart offensichtlich ein zwielichtiger Vertreter seiner Zunft, dass er, wie Philip Seymour Hoffman in „Roter Drache“, unseren Verdacht auf sich lenkt – allerdings nicht auch den von John Sinclair.

|Konkurrenz in der Familie?|

John ist ein wenig abgelenkt und irritiert ob der Entdeckung, dass auch seine Freundin Jane, ihres Zeichens Privatdetektivin, an dem Ripper-Fall arbeitet. Wer hat sie beauftragt, fragt man sich doch. Offenbar die Eltern einer Prostituierten, die dem Schlitzer zum Opfer fiel. Aber zugleich betätigt sie sich als gute Samariterin. Keiner nimmt ihr diese Rolle ab, und auch Claudia nicht, die sich aber gerne von Jane ausnutzen lässt. Wer weiß, wozu der Schutz einer bewaffneten Frau gut sein kann.

|Offene Fragen|

Eines habe ich nicht verstanden (oder überhört). Wenn die Opfer skalpiert aufgefunden werden, warum sitzen sie dann einträchtig später in einer Kammer des Täters? Wurden die Leichen aus der Gerichtsmedizin des Scotland Yard gestohlen? Nichts Entsprechendes wird gesagt. Träfe das Auffinden nur auf Betty Welsh zu, so dürfte sie auch nicht unter den Sieben in der Kammer sitzen. Vielleicht handelt es sich ja bloß um Mannequins. Aber warum sollte der Schlitzer sich mit Plastik begnügen, geschweige denn es wagen, seinem „Meister“ Plastik als Opfer anzubieten? Diese Ungereimtheit bereitet mir Kopfzerbrechen.

|Das Bildnis des Dorian Gray|

Sehr hübsch ist auch die Reminiszenz an „Das Bildnis des Dorian Gray“. In der bekannten Oscar-Wilde-Erzählung bewahrt sich die Titelfigur auf magische Weise fortwährende Jugend, während sein titelgebendes Porträt auf natürliche Weise zu altern scheint – eine ironische Umkehrung des Verhältnisses zwischen Kunst und Leben. Als das Bildnis zerstört wird, sind die Folgen verheerend. Auch der Ripper ist porträtiert worden und hat auf diese Weise künstliche Unsterblichkeit erlangt. Als sein Verehrer das Zeitliche segnet, bedeutet dies das Ende des Bildes.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück machen Pigulla, Pampel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Diesmal herrschen die Geräusche vor, die man im Umfeld von Städten zu hören erwartet, sei es drinnen oder draußen. Die Geräuschkulisse ist erstaunlich realistisch, wirkt aber nie überladen, sondern stets erscheinen die Geräusche als notwendig. Ein Markenzeichen der Serie sind Schüsse und Funkdurchsagen. Von beidem gibt es stets jede Menge.

|Musik|

Die Musik gibt ziemlich genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem Orchester eingespielt, und so entsteht der Eindruck, die Begleitmusik zu einem alten Hollywood- oder British Horror Movie zu hören.

Stets gibt die Musik genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit einem klassischem Instrumentarium produziert. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher und die Macher. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 16 Jahren. Ausdrücklich steht „Hörspiel für Erwachsene“ auf dem Cover.

_Unterm Strich_

Man kann sich natürlich fragen, was die normale kriminalistische Jagd auf den Nuttenmörder von London mit den üblichen Geisterjagden Sinclairs zu tun hat. Zielt dieser halbwegs realistische Plot nicht doch ein wenig an der auf Übernatürliches abonnierten Hörerschaft vorbei?

Ein wenig Mystik hat sich der Autor also dann doch einfallen lassen müssen. Die Dialoge zwischen dem „Meister“ in seinem Bildnis und seinem Diener, vulgo „Ripper“ genannt, könnten allerdings genauso gut auf Schizophrenie basieren. Und somit geht die auch die Mystik zum Teufel. Aber man kann nicht alles haben. Zum Ausgleich bietet diese Episode jede Menge Action – und natürlich die obligate Splatter-Szene.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Action kommt niemals zu kurz, was die Game-Freunde doch einigermaßen zufriedenstellen sollte.

46:30 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3791-0
http://www.sinclairhoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.wortart.de