David Baldacci – Gefährliches Komplott. Thriller

Gewitzte Frauen auf Schatzsuche

Die ehemalige Polizistin Mickey Gibson macht in ihrem Job reiche Steuer- und Kreditbetrüger ausfindig. Als eine neue Kollegin sie bittet, persönlich ein Inventar von einem großen Anwesen zu erstellen, denkt Mickey sich nichts dabei. Doch kaum dort angekommen, findet sie in einem geheimen Zimmer die Leiche des Besitzers.

Wie sich herausstellt, ist Mickey einer Betrügerin auf den Leim gegangen. Denn die Polizei verdächtigt sie, den Mann vergiftet zu haben. Aber wer hat sie so aufs Glatteis geführt? Bald ist Mickey gefangen in einem mörderischen Duell mit einer brillanten Frau ohne Namen. Aber ist die Unbekannte in diesem Spiel auf Leben und Tod wirklich Mickeys größter Feind? (Verlagsinfo)

Der Autor

David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf; sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft. Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B. A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D.C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Virginia Commonwealth University. David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder. (Verlagsinfo)

Handlung

Mickey Gibson ist eine alleinerziehende Expolizistin aus Jersey City, die nun in Williamsburg, Virginia, für die globale Ermittlungsfirma ProEye arbeitet. Ihr Mann Peter hat sie verlassen – mit all ihren Ersparnissen. Für ProEye arbeitet sie vor allem an zwei großen Bildschirmen, die sie im Heimbüro nutzt. Das ist bequemes Arbeiten, das ihr die Fürsorge für zwei kleine Kinder erlaubt. Gerade jagt sie einen Steuerflüchtling, und die Zeit drängt, damit er nicht entwischt.

Da erhält sie den Anruf einer scheinbaren Kollegin namens Arlene Robinson, die sehr viel über Mickey und ihren Chef weiß. Also vertraut sie Arlene statt ihre Angaben zu überprüfen – ein Fehler. Die Anruferin bittet Mickey, das verlassene Anwesen „Stormfield“, das einst einem britischen Lord gehört habe und nun einem abgetauchten Waffenhändler gehöre, dahingehend zu untersuchen, ob es für Gläubiger dort etwas Verwertbares gibt. Statt Wertgegenständen findet Mickey eine Leiche.

Ein unerwarteter Fund

Die Leiche befindet sich in einem verborgenen Raum, der aber extra für sie sichtbar und zugänglich gemacht wurde. Der Jersey-Kriminalbeamte Wilson Sullivan, der Mickey als Hauptverdächtige vernimmt, erklärt, dass es den Waffenhändler gar nicht gibt, und diese Arlene Robinson ebenso wenig. Die Leiche gehört einem gewissen Dan Pottinger, der schon weit über 70 Jahre alt gewesen sein muss. Der Kriminalbeamte lässt Mickey vorerst auf freiem Fuß, vor allem weil sie nach ihren Kindern sehen muss, die sie in die Obhut ihrer Mutter gegeben hat.

Dann meldet sich „Arlene Robinson“ erneut. Sie habe ebenfalls Dan Pottinger vorgefunden (aber vor Mickey) und bittet Mickey nun herauszufinden, wer Dan Pottinger auf dem Gewissen hat. Was dessen Todesursache war, darf Mickey nicht wissen, und sie wird sehr misstrauisch. Wer war dieser Typ, will sie wissen. Eine frühere geschäftliche Beziehung in Miami, sagt „Arlene“, und sie habe herausgefunden, dass er in zahlreiche illegale Geschäfte verwickelt war. Warum sie dann noch am Leben sei, will Mickey wissen. Weil Dan das nicht gewusst habe. Dann legt sie auf.

Falsche Namen

Mickey nimmt das von „Arlene“ anonym gelieferte Handy auseinander, doch sie findet keine Wanze. Als sie ihren Vater Rick Rogers anruft, der ebenfalls mal Polizist war, rät er ihr, mit ihren Erkenntnissen zu Sullivan zu gehen. Doch stattdessen schickt sie die Fingerabdrücke, die sie vom Briefkasten des Anwesens genommen hat, an eine frühere Kollegin. Diese gibt ihr den Namen „Harry Langhorne“. Wer war der Mann, fragt sie ihren Vater, den ehemaligen Streifenpolizisten. Der weiß immer noch ganz genau, wer dieses Mafiamitglied war: der Buchhalter der Giordano-Familie in Trenton, New Jersey. Nur, dass Langhorne mit den Cops kooperierte und seine ehemaligen Freunde beim Mob verriet. War also sein Tod nach über 40 Jahren eine späte Vergeltung, fragt sich Mickey.

Schrift an der Wand

Nachdem „Arlene“, die sich nun „Clarisse“ nennen lässt, angedeutet hat, dass es weitere Tote geben dürfte, bietet Mickey ihre Dienste der Staatspolizei von Virginia an, also Wilson Sullivan. Der nimmt sie nach etwas Zögern beim Wort: Ja, Dan Pottinger hieß in Wahrheit „Harry Langhorne“ Mickey spielt die Begeisterte, besonders als Sullivan sie mit zum Fundort nimmt: Langhorne wurde langsam vergiftet, während er gefesselt war. Kein schöner Tod. Und Sullivan zeigt ihr eine Schrift an der Wand in der Nähe: ein Warnung gegen Doppelzüngigkeit und Heuchelei. Mickey erklärt Sullivan, dass die Schrift von zwei verschiedenen Personen geschrieben wurde. Sie hat für ProEye schon viele gefälschte Unterschriften geprüft und kennt sich mit Handschriften aus. Sullivan dankt ihr, indem er sie zum Essen einlädt, und sie darf ihn „Will“ nennen. Na, wenn das kein Fortschritt ist.

Zeugenschutzprogramm

Mithilfe Sullivans gelingt es Mickey, einen Angehörigen des U.S. Marshal Service zu treffen, welcher für das WITSEC-Zeugenschutzprogramm zuständig ist. Da erkennt sie, dass sie mit ihrer DNS-Anfrage um ein Haar das FBI alarmiert hätte. Glück gehabt! Marshal Earl Beckett kann sich an den Fall Langhorne erinnern. Der Buchhalter, der die Mafia verraten hatte, musste mitsamt seiner Familie untertauchen. Harry, seine Frau Geraldine, sein Sohn Doug und seine Tochter Francine mussten umherziehen, bis sie in Albuquerque landeten. Dort tauchte zuerst Harry unter, und der Rest der Familie verließ WITSEC, sobald Francine, die Jüngste, mit 18 Jahren volljährig geworden war. Seitdem fehlt von ihnen jede Spur. Aber auch ein stinkreicher Kerl namens Nathan Trask lasse nach ihnen suchen: Denn wo ist das Geld der Mafia abgeblieben, das Harry seinerzeit mitnahm? Es muss ein Vermögen wert sein.

Auf Schatzsuche

Mickey recherchiert im Internet nach diesem Trask und stößt auf einen zwielichtigen Typen, der in einer veritablen Festung lebt. Die Festung entdeckt sie, als daran vorbeifährt, denn sie liegt nicht allzu weit entfernt von ihrem Zuhause. Gerade schwebt ein Hubschrauber auf den Helipad, vermutlich der Boss höchstpersönlich. Überall stehen Wachen, so dass sie sich einen kleinen, heimlichen Besuch abschminken kann.

Clarisse, die ehemalige „Arlene“, macht einen Fehler, als sie das nächste Mal telefonieren. Sie erhält einen Anruf auf der anderen Leitung und vergisst, Mickeys offene Leitung zu schließen. Daher bekommt Mickey mit, dass Clarisse eine Mutter hat, die aber offenbar gerade aus einem Pflegeheim ausgebüxt ist – oder entführt wurde. Clarisse hat ELTERN erwähnt. Dieses Szenario erinnert Mickey an die Familie Langhorne, der das heimliche Leben keineswegs fremd ist. Und nun ist die Mutter erneut weg. Ihr kommt ein verwegener Gedanke: Könnte es sich bei „Clarisse Frazier“ tatsächlich um jene Francine Langhorne handeln, die mit 18 in Albuquerque verschwand? Hm, was ließe sich aus dieser Information machen, fragt sich die Ermittlerin in Mickey.

Rüstige Senioren

Das hängt ganz davon ab, ob Francine Hilfe braucht, um ihre Mutter wiederzufinden, und ob sie ebenfalls hinter den Millionen ihres Vaters her ist. Ein paar Anrufe genügen, um beide Fragen mit Ja zu beantworten. Doch als Rückversicherung benötigt Mickey weitere Hilfe: die von Nathan Trasks Vater. Der rüstige Rentner lebt in einem Seniorenheim und ist bereit, Mickey gegen seinen skrupellosen Sohn beizustehen. Außerdem hat er die eine oder andere nützliche Information über Harry Langland.

Mickey besucht Nathan Trask. Es ist klar, dass ihn nur eine Sache ködern kann: der Schatz, den Langland irgendwo verborgen haben muss. Vielleicht in dem alten Anwesen „Stormfields“? Als Clarisse alias Francine erzählt, sie haben im alten Weinkeller des alten Anwesens einen Hinweis in einer leeren Flasche erhalten, wird beiden klar, dass der Schatz nicht in alten Gemäuern, sondern vielmehr im Internet zu finden sein muss.

Doch Sullivan, Beckett und Trask sind den beiden Schatzjägerinnen dicht auf den Fersen. Bei einer Auseinandersetzung müssen die beiden Frauen einander beistehen…

Mein Eindruck

„Gefährliches Komplott“ ist ein erstklassiger, rasanter Thriller für weibliche Leser. Mütter werden sich sofort in Mickeys prekäre Lage versetzen könne, nicht nur wegen der beiden kleinen Kinder, sondern auch, weil Mickey von jetzt auf gleich von ihrem Chef gefeuert wird. Wer dahinter steckt, wird ihr erst viel später klar. Mickey kann also ein wenig Kleingeld aus Langlands Portokasse gut gebrauchen, um ihre Familie über Wasser zu halten. Vielleicht könnte auch Sullivan helfen, doch irgendwie ist etwas Zwielichtiges an dem Kerl. Kein Wunder, denn er befindet sich offenbar auf einem Rachefeldzug.

Auch Francine Langman alias Arlene alias Clarisse braucht etwas. Da sie auf kriminelle Weise Geld genug „organisiert“ hat, liegt ihr Interesse anderswo: Ihre private Vergangenheit ist ein Katastrophengebiet. Schuld daran ist, wie Mickey schrittweise erfährt, der miese Charakter ihres Vaters Harry. Er hat seine Tochter und viele andere Mädchen missbraucht, zudem hat er seinen Sohn Douglas fortwährend gedemütigt und unterdrückt. Ihre Mutter ist im Heim – oder in den Händen von Entführern und Erpressern. Einer Familienzusammenführung sieht Francine daher nur mit sehr gemischten Gefühlen entgegen. Doch Mickey bietet ihr nicht nur moralische Unterstützung an, sondern auch Hilfe in den privilegierten Informationsquellen, die ihr – noch – bei ProEye zur Verfügung stehen.

Francine ist eine der interessantesten Figuren, die der Autor je geschaffen hat (und er hat sehr viele weibliche Helden geschaffen). Sie lebt eine Doppelleben im Schatten. Erstens ist sie eine professionelle Kriminelle, die sich darauf verlegte, zusammen mit Helferinnen mächtige Männer erpressbar zu machen, mit Foto- und Audiodokumenten. Dass sie sich dabei mächtige Feinde schafft, zwingt sie dazu, im Untergrund zu arbeiten. Ihre Fähigkeiten versetzen sie in die Lage, es ebenfalls mit Nathan Trask aufzunehmen. Als sie eines ihrer zahlreichen Notizbücher konsultiert und Mickey anruft, merkt sie, dass sie auf der gleichen Spur sind und beide Trasks Verhaftung anstreben. Ein guter Grund zusammenzuarbeiten.

Jeder ordentliche Krimi oder Thriller weist eine ausgefeilte Backstory auf, die es auszugraben gilt. Mickey muss sehr tief und lange graben, doch Francine liefert ihr die privaten Teile dieser Backstory auf dem Silbertablett. Es geht immer um die Taten bzw. Untaten von Harry Langman, als mieser Mafiabuchhalter und als verbrecherischer Familienvater. Aber auch als Villenbesitzer, der ein Vermögen hinterlassen haben muss. Mcikey wundert sich, wie es Langman gelingen konnte, jahrelang unbehelligt seinen kriminellen Machenschaften nachzugehen, selbst nachdem er aus dem Zeugenschutzprogramm ausgestiegen war. Er muss bei den Behörden Helfer gehabt haben. An dieser Stelle betätigt sich der Autor wieder einmal als Ankläger im Namen der Rechtschaffenen.

Unterm Strich

Ich habe diesen feinen Thriller binnen weniger Tage verschlungen. Das Buch zu lesen, ist nicht nur spannende Lektüre, sondern macht auch immer wieder Spaß. Schon auf den ersten Seiten gewinnt Mickey unser Herz, indem sie von ihrem Sohn Tommy vollgekotzt wird. Ihre kleine Tochter Darby ist nicht weniger anstrengend. Bloß gut, dass sie eine Babysitterin von „Child Services“ engagieren kann und Mom & Dad ihr aushelfen.

Ihr genaues Gegenteil ist Francine Langman, die Single, kinderlos und höchst kriminell ist, möglicherweise auch ein wenig neurotisch. Sie scheint auf den ersten Blick alles im Griff zu haben, doch dann bekommt Mickey mit, dass Francines Mutter entführt wurde – aber was wurde aus ihrem Vater? Könnte er jener Harry Langman gewesen sein, der jetzt im Leichenschauhaus liegt? Es ist eine spannende und abwechslungsreiche Entwicklung, bis sich beide Frauen Vertrauen schenken und anfangen, einander zu helfen. Wie oben erwähnt, brauchen sie einander, insbesondere dann, als sich ihre Gegner zeigen und sie auszuschalten versuchen.

Die Schatzjagd liefert quasi den roten Faden für die Handlung, ist aber nur eine willkommene „Nebenwirkung“, quasi als Bonus. Harry Langman hat eine Art Krümelspur hinterlassen, also kleine Hinweise, nicht nur physisch, sondern auch digital. Für ein Vermögen von mehreren Millionen lohnt es sich also, einige Mühen und Gefahren auf sich zu nehmen und durchzuhalten. Nur weil beide ihren Grips einzusetzen wissen, finden sie den Schatz. Er ist ganz woanders und sieht völlig anders aus als erwartet.

Gebunden: 496 Seiten.
O-Titel: Simply Lies, 2023
Aus dem Englischen von Rainer Schumacher.
ISBN-13: 978-3757700416

www.luebbe.de

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