David Hair – Der unheilige Krieg (Die Brücke der Gezeiten 6)

Die Brücke der Gezeiten

Band 1: Ein Sturm zieht auf“
Band 2: Am Ende des Friedens“
Band 3: Die scharlachrote Armee“
Band 4: Die Waffen der Wahrheit“
Band 5: Der Zorn des Propheten“
Band 6: ”Der unheilige Krieg”
Band 7: „Die verlorenen Legionen“ (vstl. 02/2018)
Band 8: noch ohne deutschen Titel

Ramon und seine Truppen sitzen in Ardijah fest! Doch es gelingt ihm, die Keshi bei einem Gefangenenaustausch zu überlisten und einen Sultan Salim gefangen zu nehmen. Ob es sich dabei um den echten Sultan oder nur einen seiner vielen Doppelgänger handelt, spielt letztlich keine Rolle, den Seth Korion freundet sich allmählich mit der Geisel an. Das Ergebnis ist ein Abkommen über ungehinderten Abzug … vorausgesetzt, sie überqueren in spätestens zwei Wochen eine Brücke über den Tigrates!

Alaron und Ramita haben bei den Zain-Mönchen vorrübergehend Unterschlupf gefunden. Dort konnte Ramita nicht nur in Sicherheit ihre Kinder zur Welt bringen, Alaron und Ramita haben auch ihre magischen Fähigkeiten auf unvorhergesehene Weise erweitert. Doch noch immer fühlt Ramita sich verpflichtet, ihrem verstorbenen Mann zu gehorchen und den Wesir Hanouk aufzusuchen. Also machen die beiden sich auf den Weg nach Teshwallabad.

Cym ist in den Wirren des Kampfes zwischen Dokken und Inquisition entwischt. Doch anstatt sich einfach auf die Suche nach Alaron zu machen, rettet sie den schwerverwundeten Zaqri …!

Cera versucht, mit Taritas und Münz‘ Hilfe zu fliehen. Aber in derselben Nacht wird ihr Ehemann ermordet. Die Kaiserinmutter in Yuros ist nicht erfreut! Gurvon schiebt die Schuld Elena in die Schuhe, worauf Lucia ihm das Messer auf die Brust setzt: bring mir Elenas Kopf, oder ich nehme dir den deinen!

Klingt wieder nach einer Menge Zündstoff. Und für den einzelnen Handlungsstrang bedeuten diese Situationen tatsächlich die eine oder andere Action, natürlich vor allem für Elena und Kazim. Und doch ist auch in diesem Band kein durchgehender Spannungsbogen zu finden.

Neue Details und Ausschmückungen fehlen ebenfalls, was vielleicht auch gut so ist, denn die Handlung ist wahrhaftig schon umfangreich genug. Andererseits bedeutet das, dass Neues und Überraschendes jetzt allein aus der Handlung und den Figuren kommen muss. Abgesehen davon, dass die Konstellation der Figuren sich ändert, tut sich aber nicht mehr allzu viel.

Überraschend war diesmal allein der Tod zweier Hauptcharaktere. Beide sind allerdings für die Handlung so existenziell wichtig, dass der Leser nun vor zwei Möglichkeiten steht: entweder er glaubt dem Autor, und fragt sich nun, wie dieser Verlust wohl aufgefangen wird; oder er glaubt ihm nicht, dann fragt er sich, wie der Autor die beiden wieder aus der Versenkung hervorholen kann. Ich hab mich für letzteres entschieden, weil ich mir schlicht nicht vorstellen kann, dass David Hair ausgerechnet diese beiden wirklich umbringen will!

Am ergiebigsten fand ich deshalb die Charakterentwicklung.

Urspünglich hat Cym Zaqri Rache für den Tod ihrer Mutter geschworen. Dafür müsste sie ihn eigentlich einfach nur liegen lassen, statt dessen pflegt sie ihn gesund. Immerhin hat er ihr auch einmal das Leben gerettet. Aber wenn diese Schuld zurückgezahlt ist, will sie ihn umbringen! Eine solche Argumentation ist natürlich völlig irrational, zeigt aber Cyms Zerissenheit. Denn obwohl sie ihm den Tod ihrer Mutter nicht vergeben kann, kann sie ihn auch nicht töten, weil sie sich im Grunde zu ihm hingezogen fühlt.

Seth dagegen wird zwar immer noch von Ramon herumkommandiert, aber vor Außenstehenden ist er der Chef und muss das auch durchziehen. Zwar ist er noch immer erstaunt, wie gut im das allmählich gelingt, aber er wächst auch tatsächlich immer mehr in die Rolle hinein. Die Freundschaft mit der „salim‘schen“ Geisel tut ihr übriges, denn dieser so mächtige und starke Herrscher teilt Seths Freude an der Dichtkunst, und trotzdem hält ihn niemand für einen Schwächling. Weit fort von der Fuchtel des alten Korion fängt der Junge an, seinen ignoranten und hochmütigen Vater zu überflügeln!

Cyms Kampf mit sich selbst ist wirklich gut gemacht, und Seth wird mir allmählich sogar richtig sympathisch. Angenehmerweise fällt keiner von beiden bei seiner Entwicklung aus der Rolle, sie bleiben trotzdem sie selbst und immer glaubwürdig.

Trotz der gelungenen Charakterentwicklung, und obwohl ich nicht sagen kann, dass dieser Band in irgendeiner Form schlechter gewesen wäre als die Vorgänger, muss ich sagen, dass sich bei mir allmählich gewisse Ermüdungserscheinungen einstellen. Wie beim Licht-Zyklus auch fange ich nach sechs Bänden langsam an, mich nicht mehr zu fragen, wie es weitergeht, sondern wie es ausgeht.

Zumal ich nicht verstehe, was Alaron mit der Skytale eigentlich anfangen will, wenn er ihr Geheimnis entschlüsselt hat. Will er sich tatsächlich zum Aszendenten erheben? Eigentlich kann ich mir das nicht vorstellen, denn Alaron ist eine Menge, aber bestimmt nicht machthungrig. Und das Ding macht nur Ärger. Jemand mit gesundem Menschenverstand würde etwas, das niemandem nützt, aber in den falschen Händen so viel Schaden anrichten kann, bei der ersten Gelegenheit verbrennen!

David Hair lebt mit seiner Familie inzwischen in Bangkok und war ursprünglich im Finanzsektor tätig. Eine Reise nach Indien gab den Anstoß, seinen Traum vom Schreiben zu verwirklichen. Inzwischen hat er zwei Jugendbuchzyklen veröffentlicht, Aotearoa sowie The Return of Ravana. Beide sind auf Deutsch bisher nicht erhältlich. Die Brücke der Gezeiten ist sein erster Zyklus für Erwachsene, der im englischen Original inzwischen bis Band vier gediehen ist. „Der unheilige Krieg“ ist die zweite Hälfte des dritten Originalbandes, die Fortsetzung erscheint im Februar 2018 unter dem Titel „Die verlorenen Legionen“. Man darf allerdings davon ausgehen, dass es sich dabei wieder um eine Hälfte des Originalbandes handelt.

Unterm Strich kann das Buch mit seinen Vorläufern problemlos mithalten, mir fehlt aber so langsam eine gewisse Zuspitzung auf das Ende hin. So interessant die Charakterentwicklung und so malerisch das Setting ist, allmählich werde ich müde, den Leuten beim Herumrennen in Antiopia und ihren diversen Scharmützeln untereinander zuzusehen. Es wäre Zeit für einen durchgehenden Spannungsaufbau hin zu einem Höhepunkt. Wenn allerdings David Hair in seiner Danksagung schreibt, sie seien gerade mal in der Mitte, dann klingt das nicht nach einem baldigen Abschluss.

Broschiert 576 Seiten
Originaltitel: „Unholy War“
Deutsch von Michael Pfingstl
ISBN-13: 978-3-734-16076-9

davidhairauthor.com
www.randomhouse.de/blanvalet

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