Joseph Delaney – Das Geheimnis des Geisterjägers (Spook 3)

Wintergott und Lamia-Hexen: Kampf des Spook

Der Geisterjäger John Gregory bezieht mit seinem Lehrling Tom Ward das Winterhaus in Anglezarke. Es liegt in einer kalten Bergschlucht und birgt unheimliche Gefangene, darunter zwei Lamia-Hexen. Als Gregory nach einem Kampf mit einem Boggart in der Nachbarschaft verletzt ausfällt, muss sich sein Lehrling nicht nur mit den Hexen, sondern auch einem Mann namens Morgan auseinandersetzen. Dieser „Magus“ behauptet, die Seele von Toms verstorbenem Vater gefangen zu halten. Tom müsse ihm gehorchen oder sein Vater werde große Qualen auszustehen haben. Zum Glück kann sich Tom auf die Hilfe von Alice stützen. Dummerweise ist sie ebenfalls eine Hexe …

Der Autor

Joseph Delaney lebt mit seiner Frau in der englischen Grafschaft Lancashire. Dass er kein junger Hüpfer mehr sein kann, wird daraus ersichtlich, dass er bereits vier Enkelkinder von seinen drei Kindern geschenkt bekam. Weitere biografische Details verrät das Buch kaum – nur dass er „mitten im Territorium der Boggarts“ wohnt und seine Heimatstadt einen Boggart beherbergt, welcher DER HAUSKLOPFER genannt wird. Der liege dort gebannt unter der Schwelle eines Hauses nahe der Kirche (genau wie im Roman beschrieben).

Der Autor hat sich die im Buch erwähnte Art von Hexen nicht aus den Fingern gesogen, sondern in seiner eigenen Nachbarschaft Vorbilder dafür gefunden. Im Jahr 1612 fand – vier Jahre vor Shakespeares Tod – in der Grafschaft Lancashire ein berühmter Hexenprozess statt, der es locker mit den späteren Salemer Hexenprozessen von 1692 aufnehmen konnte. Auch das Wort „boggart“ ist für die Gegend nahe der Grenze zu Schottland belegt.

Band 1: [Der Schüler des Geisterjägers
Band 2: [Der Fluch des Geisterjägers
Band 3: [Das Geheimnis des Geisterjägers
Band 4: Der Kampf des Geisterjägers


Vorgeschichte

Der 13-jährige Tom Ward ist der siebte Sohn eines siebten Sohns und daher etwas Besonderes. Sein Vater ist ein einfacher Bauer, aber seine Mutter stammt aus Griechenland und weiß Bescheid: Tom sollte etwas Besonderes lernen. Jemand muss das Land und seine Menschen vor den bösen Geistern beschützen – warum nicht Tom? Jemand muss es ja tun. Tom ist zudem der Jüngste und muss irgendetwas anderes tun als seine Brüder. Sein Bruder Jack wird den Hof erben und eine Familie gründen.

Deshalb kommt der Besuch von Mr. Gregory, dem Geisterjäger, gerade zur rechten Zeit. Er ist bereit, Tom für einen Monat auf Probe auszubilden, und wenn Tom danach bei ihm bleiben will, soll er fünf Jahre lang sein Lehrling sein. Tom ist nicht sicher, ob er diesen Job machen will, denn die Arbeit ist relativ stressig: Die Geister der Gehenkten im Wald und die Klopf- und Poltergeister in den Häusern können schon etwas auf die Nerven gehen. Außerdem will absolut niemand etwas mit Geisterjägern zu tun haben. Einsam sind die Tapferen.

Unheimliche Wesen erwarten Tom. Mr. Gregory zeigt sie ihm in den drei Gärten seines Sommerhauses nahe Chipenden. Da wären also die drei verschiedenen Sorten von Hexen (gutartige, bösartige, fälschlich beschuldigte und unwissende), mehrere Sorten von Boggarts – siehe Toms Tagebucheintrag dazu – und dann noch diverse Monster, Schemen und Geister. Alles klar? Ach, noch was: Tom soll sich ja vor Mädchen in spitzen Schuhen in Acht nehmen. Verstanden, mein Junge?

Handlung

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, als der Geisterjäger John Gregory einen Brief bekommt. Der Absender übergibt ihn Tom, dem Lehrling des Spooks, persönlich. Der Spook liest ihn zwar nicht vor und wirft ihn nach dem Lesen ins Feuer, doch die Verärgerung steht ihm ins Gesicht geschrieben. Und später kann Tom eine Zeile lesen: Der Briefschreiber fordert etwas zurück, das angeblich ihm gehört. Schon bald wird Tom zu seinem Leidwesen herausfinden, um was es sich handelt.

Toms Meister verkündet, dass es Zeit sei, ihr Heim in Chipenden zu verlassen und in sein Haus in Anglezarke zu ziehen. Auf dem Weg dorthin kann Tom seine Eltern besuchen; sein Vater ist schwerkrank und wird bald sterben. Kurz vor Anglezarke geben sie Alice, die junge Hexe, in die Obhut einer Familie namens Hurst, dann gelangen sie endlich zu dem Winterhaus, das am Ende einer Bergschlucht liegt, ein düsterer, bedrohlich wirkender Ort.

Als zweites – nach dem Putzen, Fegen und Lüften – holt der Spook aus dem umfangreichen Keller des Hauses, wo er Boggarts und Lamias eingesperrt hat, seine frühere Geliebte, die Lamia-Hexe Meg aus ihrer Zelle. Denn Meg kann viel besser kochen als Tom und der Spook zusammen. Allerdings ist Meg ein kleines Handicap. Sie darf sich nicht an ihre Vergangenheit und ihre Fähigkeiten als Hexe erinnern, sonst werde sie versuchen, das Kommando zu erlangen und sie beide töten. Und wer weiß, ob sie dann nicht auch ihre Schwester Marcia freilässt, die noch viel wilder ist als Meg. Damit dies nicht geschieht, muss Tom Meg jeden Morgen einen „Kräutertee“ servieren, der sie schläfrig macht und ihr Gedächtnis beeinträchtigt.

Zunächst geht alles gut, doch die Pflicht ruft. Während das Wetter schlechter wird, wird der Spook gerufen, um einen Steinewerfer-Boggart zu bekämpfen. Der Kampf mit dem Monster ist langwierig und findet seinen Höhepunkt im Haus der Familie Hurst. Dieses wurde zum Glück bereits evakuiert. Der Kampf mit dem Boggart zieht das Haus schwer in Mitleidenschaft, doch Tom und sein Meister besiegen das Ungeheuer.

Leider ist der Geisterjäger so geschwächt, dass er in Anglezarke das Bett hüten muss. Das gibt einem anderen Widersacher Gelegenheit, sich an Tom heranzumachen. Der Mann, der sich erst Morgan Hurst und dann Morgan G. nennt, hat bereits versucht, Tom als seinen Lehrling zu gewinnen, doch nun wird er rabiat. In seinem Bemühen, an ein begehrtes Zauberbuch heranzukommen, das ihm der Spook angeblich gestohlen hat, erpresst er Tom. In einer unheimlichen Begegnung bannt Morgan G. den Geist des verstorbenen Vaters von Tom und quält ihn, bis Tom die Tränen kommen und er klein beigibt.

Allerdings ist es schwierig für einen dreizehnjährigen Jungen, sich zwischen einem unbekannten Buch und den Qualen seines Vaters nicht für seinen Vater zu entscheiden. Also unternimmt er einiges, um das Buch zu besorgen. Er ahnt noch nicht, dass Morgan, ein früherer Lehrling des Spook, es dazu verwenden will, um Golgoth, den mächtigen Gott des Winters, herbeizurufen und unter seine Kontrolle zu bringen. Morgan will Macht, um jeden Preis.

Aber in Toms Abwesenheit haben sich die Verhältnisse in Anglezarke grundlegend geändert. Meg, die Lamia-Hexe, ist aufgewacht und hat sich daran erinnert, wer und was sie ist. Und auf hinterlistige Jungs ist sie gar nicht gut zu sprechen …

Mein Eindruck

„Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch“, heißt es in einer bekannten Redensart, und das bewahrheitet sich auch im Fall von Anglezarke. Die Hexen sind los! Tom muss sich bewähren, um die gewohnte Ordnung wiederherzustellen und zu verhindern, dass die Hexen – Meg und Marcia sind blutsaugende Lamia-Dämonen – ausbrechen und in der Region eine Schreckensherrschaft errichten.

Doch selbst wenn dies geschafft wäre, hätte er es immer noch mit einem ebenso gefährlichen Gegner zu tun: mit dem selbsternannten „Magus“ Morgan G. Hinter diesem Mann verbirgt sich das titelgebende Geheimnis des Spook. Morgan behauptet von sich, der leibliche Sohn von John Gregory (daher das G. im Namen) und Emily Burns zu sein. Tom ist verwirrt. Wie kann er gegen den Sohn seines Meisters vorgehen? Er würde sowohl seinen Meister als auch seine Lehrzeit gefährden. Das ist ein weiterer Grund, warum er nicht wagt, sich gegen den selbstherrlichen Magus aufzulehnen.

Der Kampf gegen die Hexen ist lang und sehr verwickelt. Tom hat sie nicht alleine besiegen und besorgt sich die Hilfe von Alice, seiner Freundin, die ebenfalls Hexe ist, wenn auch eine relativ harmlose. Aber was heißt schon „harmlos“ bei einer Hexe? Die Hexen, die der Autor zeichnet, sind alles andere als heimelige Vetteln im Knusperhäuschen, sondern wirklich furchterregende, andersartige Wesen. Sie werden in Stahlkäfigen und Gruben gefangen gehalten, die äußerst stabil gebaut sind. Was dem Leser einiges über ihre Körperkräfte verraten sollte.

Tom gerät nach der Auseinandersetzung mit den Hexen von Anglezarke in die Hände von Morgan. Der hat sich das Zauberbuch geschnappt, als der Spook durch einen Auftrag sein Haus verlassen musste. Nun hat Morgan das Zubehör, das er für die Beschwörung des mächtigen Wintergottes benötigt: die Beschwörungsformel und – ein Menschenopfer. Die Zeremonie findet in einer unterirdischen Halle statt, die voller Bilder von Schlangen und Drachen ist. Tom, der gefesselt an einem Eisenring festgebunden ist, merkt schon, wie die Temperatur rapide sinkt und sich die ersten Geister wie ein Wirbelwind einfinden …

Dieser Höhepunkt ist enorm spannend geschildert und findet eine überraschende Wendung. In der Spook-Reihe ist dies eine der besten Szenen, denn dass sich mal ein leibhaftiger Gott an Tom, den Spook-Lehrling, wendet und ihn vor eine Wahl stellt, kommt in den anderen Bänden nirgends vor. Der Autor hat seinen Ich-Erzähler geschickt im Verlauf einer verwickelten, doppelsträngigen Handlung in diese ausweglose Lage manövriert, aus der Tom nur noch eine Art Wunder retten kann.

Etwa in der Mitte fragte ich mich, wohin das alles führen soll, aber am Anfang des letzten Drittels wurde klar, dass die Prüfungen des Lehrlings wesentlich härter ausfallen würden als befürchtet. Wer aber nun hofft, dass es reihenweise Leichen gibt oder Blutfontänen spritzen, den muss ich leider enttäuschen. Es gibt weder das eine noch das andere, doch dafür liefert der Autor einige Erkenntnisse. Beispielsweise die, dass man sein Latein oder andere Fremdsprachen auch richtig beherrschen sollte, bevor man einen Gott herbeibeschwört.

Und natürlich hat der Spook einiges zu erklären. Wie in einem Schachspiel hat der Autor diese Spielfigur vom Brett genommen und Tom dadurch in erhebliche Bedrängnis gebracht. Was nur deutlich macht, was passieren könnte, wenn der Spook seinen Job aufgibt. Dass für John Gregory bald Feierabend ist, wird am Schluss angedeutet. Doch dass er in Tom einen würdigen Nachfolger finden wird, erweist sich in der finalen Prüfung gegenüber Morgan.

Tom muss zwischen seinem eigenen Leben und dem Leben von tausenden seiner Mitmenschen – darunter seiner Familie – wählen. Er stellt das Wohl des Landes über sein eigenes Leben. Das ist die richtige Einstellung, die ihn als guten Spook qualifiziert. Und es ist das genaue Gegenteil von Morgan, der nur an die Erweiterung seiner persönlichen Macht denkt, auch auf Kosten von tausenden von Opfern.

Unterm Strich

Nun könnte man meinen, dies sei nur ein weiterer Ghostbuster-Roman, der auf Action und Spannung setzt. Diese Auffassung würde aber verleugnen, dass die Hauptfigur ein Kind ist, ein 13-jähriger Junge, der plötzlich damit fertigwerden muss, dass sein Vater tot ist und seine Mutter verschwunden ist. Über Nacht eine Waise zu werden, würde man keinem Kind wünschen. Doch Tom lässt in diesem Band der Serie seine Kindheit endgültig hinter sich.

Dieser Übergang ist stets mit schweren Prüfungen verbunden, inneren wie äußeren. In der Regel erweist sich dabei, wer auf der Seite des Helden steht und wer ihn verrät. Alice, so lesen wir mit Erleichterung, hält zu ihm und hilft ihm bei seinen gegenwärtigen und künftigen Aufgaben, Hexe hin oder her. Aber sie scheint das Herz auf dem rechten Fleck zu haben.

Um den Spook müssen wir uns aber wirklich Sorgen machen. Er wird alt und somit schwach. Keiner nimmt es jeden Tag mit einem Boggart auf und schlägt sich dann noch mit Hexen herum, ohne dafür einen hohen Tribut zu entrichten. Ein Band mit dem Spook wird aber noch folgen, und in England ist er bereits erschienen: „The Spook’s Battle“ berichtet von seinem Kampf gegen die 39 Hexen von Pendle.

Fazit: ein Volltreffer.

Gebunden: 367 Seiten
Originaltitel: The Wardstone Chronicles – The Spook’s Secret
Aus dem Englischen von Tanja Ohlsen
Illustriert von Patrick Arrasmith

https://www.penguin.de/Kinder-und-Jugendbuchverlage-cbj-&-cbt/aid77972.rhd

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