Deon Meyer – Countdown in Kapstadt: Jagd auf Leben und Tod

5 Uhr 36: Ein Telefonanruf reißt Inspector Benny Griessel aus dem Schlaf: Eine junge Amerikanerin ist ermordet aufgefunden worden, eine andere wird durch die Stadt gejagt, und eine berühmte Sängerin hat offenbar ihren Mann erschossen. Und dann ruft auch noch seine Frau an. Sie will ihn treffen und ihm sagen, wie es mit ihnen weitergehen kann. Bennie Griessel hat dreizehn Stunden, die Morde aufzuklären – und sein Leben wieder in Ordnung zu bringen. (bearbeitete Verlagsinfo)

Der Autor

Deon Meyer, Jahrgang 1958, gilt als einer der erfolgreichsten Krimiautoren Südafrikas. Er begann als Journalist zu schreiben und veröffentlichte 1994 seinen ersten Roman. Mit seiner Frau und vier Kindern lebt er in Melkbosstrand. „Das Herz des Jäger“ wurde mit dem ATKV Prose Prize ausgezeichnet, einem begehrten südafrikanischen Literaturpreis. In den USA wurde der Roman zu den zehn besten Thrillern des Jahres ernannt. Zeitgleich erschien im Aufbau Taschenbuch Verlag sein Roman „Der traurige Polizist“. Mehr unter www.deonmeyer.com.

Der Deutsche Krimipreis wurde ihm zweimal verliehen, u. a. für „Das Herz des Jägers“.

Weitere Werke:

1) Rote Spur
2) Sieben Tage
3) Weißer Schatten
4) Schwarz. Weiß. Tot.
5) Der Atem des Jägers
6) Tod vor Morgengrauen
7) Der traurige Polizist

Der Sprecher

Der Berliner Sprecher, Theater- und Fernsehschauspieler Romanus Fuhrmann entführt den Hörer nach Südafrika, ein Land voller Spannungen. Fuhrmann arbeitete bereits mit Klaus Maria Brandauer und Eva Maria Hagen. Mehr Info unter www.romanus-fuhrmann.de. (Verlagsinfo)

Die Aufnahme leitete Ulrike Hübschmann bei Lambda Audiovision, Berlin. Den Text bearbeitete Holger Michel.

Handlung

In den Hügeln unter dem Tafelberg von Kapstadt hetzt eine junge Frau durch die Wege zwischen den bestens verbarrikadierten Häusern der Weißen. Es ist erst 5:36 Uhr früh und doch ist Rachel Anderson von Todesangst erfüllt. Ihre Verfolger haben ihrer Freundin Erin kurzerhand die Kehle aufgeschlitzt, so dass sie verblutete. Nun suchen sie sie – hätte sie bloß nicht dieses verfluchte Video gedreht! Rachel findet an einem Bach eine höhlenartige Auswaschung und versteckt sich darin…

Der Cop

Benny Griessel wird zur gleichen Stunde vom Mobiltelefon geweckt. Er soll zum Dienst kommen: Man hat am Tafelberg neben einer Kirche eine junge Frau gefunden. Als Inspektor der Kripo muss er sich natürlich auf die Socken machen. Das Haus ist leer, sein Aufbruch stört niemanden. Seine Tochter wurde vor sechs Monaten entführt. Anna, seine Frau, lebt seit jenem Zeitpunkt getrennt von ihm. Genau solange ist er bereits im Alkoholentzug.

„Eigentlich bin ich ja gar kein richtiger Polizist“, überlegt Benny bitter, „bloß der MENTOR der Sondereinheit.“ Er darf sozusagen den richtigen Ermittlern das Händchen halten und Ratschläge zur besten Vorgehensweise erteilen. Mit anderen Worten: ein Däumchendreher. Doch das soll sich schon binnen weniger Stunden ändern. Denn die Leichen beginnen, sich zu stapeln …

Tatort Nr. 1

Eine Amerikanerin, erkennt er an den Etiketten in der Unterwäsche und Kleidung der jungen Frau, der die Kehle aufgeschlitzt wurde. Foosie, der lokale Ermittler der Sondereinheit von Polizeichef John Africa, sagt: „Scheiße.“ Was den Nagel auf den Kopf trifft. Amerikaner machen immer Ärger. Schon bald dürfte sich die Botschaft der Amis mit ihnen in Verbindung setzen und über jede Bewegung in dieser Ermittlung einen dreiseitigen Bericht verlangen. Von den Medien ganz zu schweigen. Rosige Aussichten.

Die Gerichtsmedizinerin Tiffany October, die heute ihren ersten Tag im Dienst hat, bemerkt die zwei Schnitte auf den Schulterblättern: Hier wurde ihr ein nicht zu sehender Rucksack abgeschnitten. Benny empfiehlt Foosie, den Rucksack von der Verkehrspolizei suchen zu lassen. Wenn sie viel Glück haben, gibt es auch ein Überwachungsvideo.

Nummer zwei

Doch dann wird eine zweite Leiche gemeldet. In der Villa eines Weißen hockt die immer noch betrunkene Witwe Alexandra Barnaard wie das heulende Elend über der Leiche ihres Gatten Adam, dem Besitzer eines Plattenlabels. Dass Benny ein älteres Semester ist, zahlt sich jetzt aus: Alexandra, so erinnert er sich, war in den achtziger Jahren ein Popstar, dessen Hits jeder im Ohr hatte. Lang, lang ist’s her. Mord oder Selbstmord, lautet die entscheidende Frage, die ihm der lokale Kripo-Ermittler Dekker stellt. Die Tatwaffe liegt auf dem Tischchen im Wohnzimmer. Benny lässt sie untersuchen, ebenso die Leiche.

Adam Barnards Partner in der Plattenfirma AfriSound rückt an und stellt Dekker Fragen. Willi Mouton befindet sich in Begleitung seines aalglatten Rechtsanwalts Groenvald. Es ist ausgerechnet der Rechtsmediziner, ein Veteran namens Pagel, der Benny und Dekker auf die richtige Spur bringt: Die südafrikanische Musikszene sei ein Sumpf von Ratten, die sich gegenseitig nichts gönnten, ein Hauen und Stechen sei im Gang. Unterdessen schneidet sich Alexandra Barnaard im Badezimmer in aller Gemütsruhe die Pulsadern auf …

Entdeckung

Foosie kommt mit einer guten Nachricht zu Benny: Das Überwachungsvideo von der Straße war ein Volltreffer. Eine Bande von schwarzen UND weißen Kerlen hetzt zwei junge Frauen, die kleine Rücksäcke tragen. Eine Menschenjagd! Das eine der Mädchen haben sie inzwischen ja tot aufgefunden. Laut Rezeption der Jugendherberge heißt es Erin und kommt aus Indianapolis. Sie war zusammen mit Rachel in Namibia auf Safari. Erins Rucksack haben die Verkehrspolizisten inzwischen ebenfalls gefunden. Die andere Frau, Rachel Anderson, ist verschwunden. Wird sie noch gejagt?

Beten

Benny Griessel schaut die Hänge des Tafelbergs hinauf, die sich im Morgenlicht erheben, und betet zu den Göttern des Alkoholentzugs, dass es Rachel Anderson noch schaffen möge, ihren Verfolgern zu entkommen. Denn wenn sie auch draufgeht, wird hier in Kapstadt das Unterste zuoberst gekehrt, soviel ist sicher. Er muss alles daransetzen, sie zu finden, damit es ihm nicht noch einmal so ergeht wie mit seiner eigenen entführten Tochter.

Benny fordert eine weitere Beamtin an, denn er hat es im Urin, dass dies ein langer, harter Tag werden wird…

Mein Eindruck

Benny ahnt nicht, wie hart der Tag noch für ihn wird. Und wie das Leben so spielt, kommt die Belohnung für seinen Einsatz nicht von seiner treusorgenden Gattin, sondern aus einer gänzlich unerwarteten Richtung. Doch bis dahin muss er noch mehrere Leichen verkraften, nicht zuletzt die einer einer guten Polizistin …

Er weiß es noch nicht, aber er hat es mit einer der härtesten Banden zu tun, die es in den letzten Jahren in Südafrika gegeben hat. Die Bande investiert nicht nur in Menschenhandel, sondern handelt auch mit Organen – ob die Spender nun wollen oder nicht. Dass Rachel Anderson eine solche Straftat gefilmt hat, wird ihr um ein Haar zum Verhängnis. Sie wird den ganzen Tag bis zum Umfallen gehetzt. Und wenn sie sich mal in Sicherheit wähnt, dann stellt sich das nur als Verschnaufpause heraus. Die Bande hat Späher, die mit modernsten Kommunikationsmitteln ausgerüstet sind. Und sie hat Helfer, die sich in den Führungsetagen der Polizei und der Kapstadter Wirtschaft verbergen.

Die zweisträngige Handlung gipfelt in einem packenden Showdown, bei dem es nicht zuletzt auch für Benny und Rachel um Leben und Tod geht. Jede Sekunde zählt, und es kommt darauf an, die richtige Entscheidung zu treffen. Das fand ich richtig klasse hingedeichselt, denn bis zum Schluss dieses Finales ist der Ausgang völlig offen. Edie Sache könnte auch schlecht ausgehen.

Der zweite Handlungsstrang, den Inspektor Dekker vorantreibt, führt den Leser bzw. Hörer in die Untiefen des südafrikanischen Musikgeschäfts und wird schon nach wenigen Szenen unüberschaubar. Da ist Willi Mouton, der zwielichtige Partner des verstorbenen Adam Barnaard und mögliche Liebhaber von dessen Frau Alexandra, inklusive Anwalt. Da sind zwei wiedergeborene Christen, die für AfriSound Musik machen und irgendwie des Mordes an ihrem eigenen Produzenten schuldig sein sollen. Dekker entdeckt schnell, dass sie Dreck am Stecken haben. Auch Willi Moutons Assistentin, eine verschlagene, moderne Afrikanerin, gönnt dem wackeren Inspektor kaum eine freie Minute. Da fällt der Strom aus – wieder mal …

Zuletzt wurden Rachel und Erin, die Ami-Mädels, in einem zwielichtigen Lokal gesehen, das Russen gehört. Hier werden möglicherweise Drogen umgeschlagen. Und hier trafen sie auch auf ihre Verfolger. Die kriminelle Szene in Kapstadt, so die Botschaft des Autors, ist inzwischen höchst international, bunt gemischt und global vernetzt. Was ihr die Korruption in Polizei und Verwaltung natürlich enorm erleichtert.

Leider sorgt die Verzettelung der zwei Ermittlungen auch für ein nichtb geringes Maß an Desorientierung beim Leser bzw. Hörer. Die Szenen wechseln ständig zwischen den beiden Erzählsträngen hin und her – in einem Thriller nichts Ungewöhnliches. Man sollte wirklich gut aufpassen, welche Figur gerade im Mittelpunkt einer Szene steht: Benny oder Dekker oder Rachel? So kann man der Handlung und ihrer jeweiligen Entwicklung einigermaßen folgen.

Der Sprecher

Ich bewundere den Sprecher Romanus Fuhrmann. Er spricht alle Namen, die aus dem niederländisch anmutenden Afrikaans stammen, korrekt aus. So klingt der Name „Griessel“ korrekt ausgesprochen beispielsweise [chri:sel]. Damit haben Amis wie Rachel Anderson im Buch einige Probleme.

Das Beispiel macht auch deutlich, dass die alten Afrikaaner, also Abkömmlinge der niederländischen Siedler, sich erheblich von den Angehörigen der verschiedenen Stämme der Schwarzen unterscheiden: Zulu, Buschmänner (Khoi) und weitere Stämme reden alle ihre eigene Sprache – es gibt neun offizielle Landessprachen neben Englisch und Afrikaans. Und manchmal, so wird klar, können die Sprecher einander einfach nicht leiden.

Der Sprecher versucht, die Figuren zum Leben zu erwecken und stellenweise gelingt ihm das auch, am besten bei Benny und seinen Mitarbeitern. Die rufen, flüstern, sprechen unterschiedlich und so weiter. Bei Dekkers Handlungsstrang gelingt ihm dies nicht so gut. Aber die Akzente hat der Sprecher bestens herausgearbeitet. Ein russischer Akzent ist eben unverwechselbar, ebenso ein amerikanischer.

Fuhrmann leistet sich nur einen Aussprachefehler. „Signal Hill“ auf dem Tafelberg wird nicht [sain(e)l hil] ausgesprochen, sondern „sign(e)l hil].

Das Booklet

Dem Hörbuch ist ein zweiseitiges Booklet beigelegt, das die Afrikaans-sprachigen Wörter und andere Begriffe erklärt. So ist etwa die „affirmative action“ ein Anti-Diskriminierungsgesetz, das im Alltag umgesetzt wird. Wenn es aber als „positive Diskriminierung“ erklärt wird, trägt dies eher zur Verwirrung bei. Man muss deshalb nach dem Begriff „regstellende aktie“ suchen, um zu erfahren, was genau gemeint ist: „Maßnahmen zur Besserstellung bisher benachteiligter Bevölkerungsgruppen nach dem Ende der Apartheid“.

Die Übersetzung

Stefanie Schäfer hat Dolmetschen und Übersetzen an den Universitäten Heidelberg und Köln studiert. Für herausragende übersetzerische Leistungen wurde sie mit dem Hieronymusring ausgezeichnet. Sie lebt in Köln. Ich kann ihre Leistung an diesem vielschichtigen Text nicht genug loben. Eine runde Sache.

Unterm Strich

Die Geschichte fesselte mich von der ersten Szene an und ließ mich bis zum Schluss nicht mehr los. So muss ein Krimi sein. Ich folgte der Hetzjagd auf Rachel Anderson und den Bemühungen von Benny Griessel, sie rechtzeitig zu finden, um sie in Sicherheit zu bringen. Ungefähr in der Mitte der Geschichte kommt es zu einer katastrophalen Wendung, deren Folgen erst wieder im Finale ausgeglichen werden können.

Ich habe mich allerdings gefragt, warum der Handlungsstrang um Adam Barnaards Tod so kompliziert und unergiebig ausgefallen ist. Dient diese Ermittlung als Ablenkung oder als Ergänzung? In meiner Erinnerung haben diese beiden Stränge nur an einem einzigen Punkt miteinander zu tun – weil die gehetzte Rachel Anderson als unerwartete Tatzeugin auftaucht. Diese Verbindung wirkt ein wenig an den Haaren herbeigezogen und hat mich nicht überzeugt.

Das Hörbuch

Romanus Fuhrmann versucht, die Figuren zum Leben zu erwecken, und stellenweise gelingt ihm dies ausgezeichnet. Ich erinnere mich an den packenden Showdown, in dem es um Leben und Tod in jeder Sekunde geht. Die Aussprache ist in 99% aller Fälle korrekt, lediglich einmal passiert ihm ein Ausrutscher (siehe oben). Der Beileger zum Hörbuch erklärt die Fachbegriffe, die im Text nicht erklärt werden. Das fand ich sehr hilfreich. Man sollte sich diese Begriffe vor dem Anhören durchlesen.

Info: 12 Uur, 2008
5 CDs mit 396 Minuten Spielzeit
Aus dem Afrikaans übersetzt von Stefanie Schäfer
ISBN-13: 978-3869740218

www.sprechendebuecher.de