Garry Disher – Dirty Old Town (Wyatt 07)

Kriminelle Energie trifft Dummheit und Gier

Im Zeitalter des Internets und der elektronischen Überwachungsanlagen ist Wyatt kaum noch konkurrenzfähig. Wyatt muss die Ansprüche zurückschrauben und sich mit Klein-Klein begnügen. Ein Juwelenjob erscheint da ganz nach seinem Geschmack – nichts Extravagantes, nichts Undurchschaubares, bis auf die Tatsache, dass es Eddie Oberins Job ist und nicht nur Oberin darauf besteht, bei dem Überfall mitzumischen, sondern auch seine Exfrau Lydia Stark, von der das Insiderwissen stammt.

Wyatt arbeitet lieber allein, gibt aber grünes Licht, denn sein Plan ist wie immer akribisch vorbereitet. Doch keiner ahnt, dass die ins Visier genommenen Juweliere von ihrem französischen Cousin Alain Le Page mit in Europa gestohlenen Uhren und Schmuck versorgt werden, die sie in Australien mit ihrer legalen Ware tarnen … (Verlagsinfo)


Der Autor

Garry Disher (* 15. August 1949 in Burra, South Australia) ist ein australischer Schriftsteller.

Garry Disher wuchs auf einer Farm auf. Er studierte an den Universitäten Adelaide, La Trobe, und Monash (Melbourne). Anschließend unternahm er Anfang der 70er Jahre ausgedehnte Reisen durch Europa, Israel und Afrika. Er war 1978/79 Australian Creative Writing Fellow an der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien.

Garry Disher schreibt neben Prosa- und Kriminalromanen auch Kinder-, Jugend- und Sachbücher, etwa über australische Geschichte. Sein erster Roman erschien 1987. In Deutschland wurde er vor allem durch seine Kriminalromane bekannt, besonders durch die Reihen um den Berufskriminellen Wyatt und die um Inspector Challis. Sein Kriminalroman „Kaltes Licht“ (2019) stand auf Platz 1 der Krimibestenliste der zehn besten neuen Krimis im September 2019.

Disher lebt mit seiner Familie auf der Halbinsel Mornington im australischen Bundesstaat Victoria. (Wikipedia.de)

Wyatt-Reihe

1991 Kickback (Wyatt-Roman 1)
Gier, dt. von Gabriele Bärtels, Maas, Berlin 1999, ISBN 3-929010-49-6
1992 Paydirt (Wyatt-Roman 2)
Dreck, dt. von Bettina Seifried, Maas, Berlin 2000, ISBN 3-929010-72-0
1993 Deathdeal (Wyatt-Roman 3)
Hinterhalt, dt. von Bettina Seifried, Pulp 12, Pulp Master, Berlin 2002, ISBN 3-929010-73-9
1994 Crosskill (Wyatt-Roman 4)
Willkür, dt. von Bettina Seifried, Pulp 15, Pulp Master Berlin 2004, ISBN 3-929010-54-2
1995 Port Vila Blues (Wyatt-Roman 5)
Port Vila Blues, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 18, Pulp Master, Berlin 2006, ISBN 3-927734-34-9
auch: Vergeltung, gleiche Übersetzung, Knaur, München 2007, ISBN 3-426-62304-8
1997 The Fallout (Wyatt-Roman 6)
Niederschlag, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 23, Pulp Master, Berlin 2008 ISBN 978-3-927734-37-1
1997 (zusammen mit Shaun Tan) The Half Dead
2010 Wyatt (Wyatt-Roman 7)
Dirty Old Town, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 33, Pulp Master, Berlin 2013, ISBN 978-3-927734-46-3
2015 Heat (Wyatt-Roman 8)
Hitze, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 46, Pulp Master, Berlin 2019, ISBN 978-3-927734-95-1
2018 Kill Shot (Wyatt-Roman 9)
Moder, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 53, Pulp Master, Berlin 2021, ISBN 978-3-946582-06-9

Inspector-Challis-Reihe

1999 The Dragonman
Drachenmann, dt. von Peter Friedrich, Union, Zürich 2001, ISBN 3-293-00292-7
2003 Kittyhawk Down
Flugrausch, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2005, ISBN 3-293-00352-4
2005 Snapshot
Schnappschuss, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2006, ISBN 3-293-00363-X
2007 Chain of Evidence
Beweiskette, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2009, ISBN 3-293-00401-6
2009 Blood Moon
Rostmond, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2010, ISBN 978-3-293-00420-7
2013 Whispering Death
Leiser Tod, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2018, ISBN 978-3-293-00528-0.
2016 Signal Loss

Constable-Hirschhausen-Reihe

2013 Bitter Wash Road
Bitter Wash Road, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2016, ISBN 978-3-293-00500-6
2019 Peace
Hope Hill Drive, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2020, ISBN 978-3-293-00563-1
2020 Consolation
Barrier Highway, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2021, ISBN 978-3-293-00572-3

Sonstige

1987 Steal Away
1987 The Stencil Man
1996 The Sunken Road
2000 From Your Friend, Louis Deane
2001 Past the Headlands
Hinter den Inseln, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2003, ISBN 3-293-00319-2
2001 Moondyne Kate
2002 Maddie Finn
2017 Under the Cold Bright Lights
Kaltes Licht, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2019, ISBN 978-3-29300550-1

Auszeichnungen

2000: Deutscher Krimi Preis für „Gier“
2002: Deutscher Krimi Preis für „Drachenmann“
2007: Ned Kelly Award für “Chain of Evidence“
2010: Ned Kelly Award für „Wyatt/Dirty Old Town“
2016: KrimiZEIT-Bestenliste (Bester Krimi des Jahres) für „Bitter Wash Road“
2017: Deutscher Krimi Preis (3. Platz) für „Bitter Wash Road“
2018: Ned Kelly Lifetime Achievement Award
2020: Deutscher Krimipreis (2. Platz) für „Hope Hill Drive“
2021: Deutscher Krimipreis (3. Platz) für „Moder“

Alle Angaben aus der Wikipedia.

Handlung

Wyatt hat sich nach seinen Abenteuern in der Südsee („Port Vila Blues„) und auf Tasmanien („Niederschlag„) in den Vorstädten von Melbourne niedergelassen. In Frankston und Southbank zockt er einen erpresserischen Hafenmeister ab, aber der wird selbst übers Ohr gehauen: Von den erbeuteten Geldscheinen sind die meisten unbedrucktes Papier. Auf der Flucht muss er seine Pistole entsorgen und für Ersatz sorgen. Die neue bekommt er von Ma Gadd in ihrem Blumen-Trailer. Aber sie hat einen allzu neugierigen Neffen namens Tyler, der zu gerne mit dem berühmten Wyatt einen Job erledigen würde. Auch eine entschiedene Warnung mit einem Klammergriff schreckt Tyler nicht ab, sondern er schnüffelt hinter Wyatt her.

Eddie Oberin

Eddie Oberin war schon immer ein guter Tippgeber. Doch diesmal hat er seine Exfrau Lydia Stark dabei, und die hat ein hübsches Schnäppchen in petto: Der Franzose Alain Le Page sei ein Juwelenkurier aus Europa, der hier in Australien gestohlene Schmuckstücke bei Juwelenhändlern unters Volk bringe, die das Zeug als „Erbstücke“ zu herabgesetzten Preisen anböten. Lydia schlägt vor, sich nicht auf die Händler, sondern auf den Kurier zu konzentrieren. Natürlich könne man den Job nicht alleine durchziehen, sondern nur als Team. Und da komme Wyatt ins Spiel.

Tyler Gadd

Allerdings hat Tyler Gadd das Treffen beobachtet, wenn auch nicht unbeachtet. Lydia hat sein Taxi erspäht, und es kostet Wyatt nur einen Anruf bei Ma Gadd und schon ist Tyler von der Bildfläche verschwunden. Doch nicht für lange. Das Trio braucht fast zwei Wochen, um die drei Juweliergeschäfte der Furneaux-Brüder auszubaldowern, und schließlich gelingt es Tyler, eines der Geschäfte zu betreten. Die Verkäuferin Danielle zeigt eine Menge Dekolleté, und das lenkt Tyler von der Gefahr ab, in der er schwebt. Ein Pistolenlauf schiebt sich unter sein Kinn, gehalten von einem starken, langen Typen, der einen europäischen Maßanzug trägt. Gleich darauf versinkt Tylers Verstand in Dunkelheit.

Unliebsame Überraschungen

Der Coup gelingt. Wyatt und Eddie brauchen bloß den beladenen Audi vom Parkplatz des Juwelierladens der Fourneaux-Brüder zu fahren und damit loszudüsen. An einem ruhigen Treffpunkt, wo Lydia wartet, will Wyatt den Wagen abfackeln und mit der Beute untertauchen. Doch dazu kommt es nicht. Er hat gerade den Wagen mit benzin übergossen, als neben Eddie eine unbekannte Frau auftaucht, die auf ihn zielt und abdrückt. Wyatt verspürt auf seiner kugelsicheren Weste einen heftigen Aufprall und fällt bewusstlos um.

Eddie und seine neue Flamme Khandie Cane, eine bipolare Stripperin, entnehmen dem Kofferraum des Audi die zwei erwarteten Alu-Koffer, stecken den Wagen in Brand und verschwinden mit Khandies Wagen. Als Wyatt erwacht, hört er bereits die Sirenen von Polizei und Feuerwehr. Er schleppt sich davon und findet Lydia in ihrem Wagen angeschossen vor. Mit ihrem Wagen fährt er in seine Wohnung und ruft einen diskreten Doktor und geschäftspartner: Sie ist am Kopf schwer verletzt. Offenbar hat diese verrückte Frau auch sie umlegen wollen, denn Eddie hätte das nie fertiggebracht.

Als Eddie und seine Komplizin die Koffer öffnen, entdecken sie nicht nur einen Peilsender – der sofort vernichtet wird -, sondern auch keinen einzigen Klunker. In den Koffern ist nur Papier, verdammtes Papier. „Inhaberschuldverschreibungen“, erkennt Khandy mit Kennerauge: Sie sind Millionen wert. Allerdings nur bei Leuten, die damit diskret handeln können, also keine Banken usw. Da hat Khandy eine verrückte Idee. „Noch verrückter?“ fragt sich der inzwischen schwer verunsicherte Eddie Oberin…

Mein Eindruck

Dieser Wyatt-Krimi ist rund 70 Seiten länger als der Durchschnitt und verdient daher eine besonders eingehende Betrachtung. Der gesteigerte Umfang ist auf die erhöhte Zahl der beteiligten Figuren zurückzuführen. Aber das bedeutet nicht, dass auch nur eine einzige überflüssig wäre: jede spielt die ihr zugewiesene Rolle, die sich für sie nützlich oder negativ auswirken kann. Es gibt viele Opfer und nur wenige überleben.

Doch worin bestehen die Faktoren, die über Glück oder Unglück des jeweiligen Personals entscheiden, mag sich der Leser fragen. Dass Wyatt dabei ein Wörtchen mitzureden hat, dürfte auf der Hand liegen. Nach welchen Kriterien oder Maximen er selbst handelt, erklärt er niemandem. Das muss der Leser selbst herausfinden.

Der Kurier

Der Kurier Alain Le Page ist zweifellos ohne jeden Skrupel, wenn es um die Erreichung seiner Ziele geht. Worin diese bestehen, ergibt sich erst ganz am Schluss: eine abgelegene Villa in den Pyrenäen, umgeben von Informanten. Anders als viele andere Figuren verfügt Le Page über eine vollständige Biografie als strebsamer, ehrgeiziger und international tätiger Verbrecher. Sein Handeln bildet den Spannungsbogen, der am längsten dauert: Erst als Wyatt mit ihm abrechnet, erfüllt sich das Schicksal des Kuriers, so oder so. Der Krimi ist spannend bis zur letzten Zeile.

Die Juweliere

Die Furneaux-Brüder haben Vorkehrungen getroffen, sie sind vorsichtig, aber auch gierig. Und sie haben sowohl den Kurier als auch Danielle, die Verkäuferin, auf ihrer Seite. Was sie nicht ahnen: Der Kurier bringt ihnen keine Klunker wie sonst, sondern Wertpapiere. Die unters Volk zu bringen, ist eine knifflige Aufgabe. Nicht alle sind dieser Anforderung gewachsen. Danielle, die Verkäuferin, sucht ebenfalls ihre Chance. Für ihre Auskünfte usw. bieten ihre Chefs und der Kurier reichen Lohn.

Eddie und Khandie

Eddie ist ein Exknacki und will nie wieder zurück in den Knast: Diesmal muss der Überfall auf die Furneaux‘ klappen, deshalb stützt er sich auf seine Ex als Tippgeberin und auf Wyatt als Organisator. Er hat keine Chance gegen seine Geheimwaffe, die bipolare Stripperin Khandie Cane alias Sarah Roberts. Sarah hat die Nase voll von öden Bürojobs, aber dafür voll mit Koks und ist dauernd auf Speed, also Amphetaminen. Deshalb ist sie nicht nur dauernd scharf auf Sex, sondern bereit, Risiken einzugehen, die über das vernünftige Maß hinausgehen. Dass sie alles andere als blöd ist, zeigt sich, als sie Tyler Gadd begegnet.

Tyler Gadd

Wie fast alle anderen wird auch Ma Gadds Neffe von Gier angetrieben, aber seine geistige Lunte ist noch kürzer als bei den meisten. Er steht auf sexy Frauen wie Danielle und auf Knarren wie die von Wyatt und auf Geld, viel Geld. Denn Tyler will es ganz nach oben schaffen, er hat nur keine Ahnung, wie genau das gehen soll, deshalb versucht er es mit Gewalt, List und Täuschung. Klappt nicht immer, aber immer öfter. Bis er Khandie Cane trifft.

Die Polizistin

Da sie als Frau geboren wurde, zieht Lyn Rigby im Polizeidienst immer den Kürzeren gegenüber ihren männlichen Vorgesetzten. Die Furneaux-Brüder? Interessiert niemanden. Wyatt, den berühmtesten Verbrecher des Kontinents? Finger weg! Eddie Oberlin? Eine kleiner Fisch, der nichts auf dem Kasten hat. Doch Lyn behält sie alle im Auge, und sobald sich mal der Staub gelegt hat, sichert sie sich einen winzigen Anteil von der Beute, den Wertpapieren. Denn auch soll ein einziges Mal das Glück winken. Sie wird sofort verdächtigt, sich bereichert zu haben, aber von ihren lieben Kollegen, die ihr Apartment auf den Kopf stellen. Niemand findet den Schatz – bis Wyatt kommt.

Der Doc

Lydia Stark, die Ex von Eddie, hat es übel erwischt. Sie kann nur überleben, wenn Wyatt einen Arzt auftreibt, der ebenso diskret wie korrupt ist. Der Doc hat noch ein Hühnchen mit seiner eigenen Ex zu rupfen, die sich einen besseren Fang gesichert hat, und deshalb soll Wyatt die wertvollen Gemälde klauen, die sie sich gekrallt hat. Ein Kinderspiel für einen Profi. Doch das geht nicht lange gut, denn der Arzt ist zwar gierig und rachsüchtig, doch er achtet zu wenig auf seine Umgebung. Und gerät so in die falschen Hände.

Wer soll nun all die schönen Gemälde bekommen, fragt sich Wyatt? Er wüsste nur eine Person: Ma Gadd. Denn Ma ist nicht nur diskret, sondern auch fair gegenüber Kunden wie Wyatt. Und seit sie Tyler verloren hat, steht ihr etwas zu. Jedem das Seine, und eine Hand wäscht die andere. So lautet Wyatts Motto.

Wyatt

Der Berufsverbrecher ist nicht nur ein guter Organisator, sondern auch ein exzellenter Fährten- und Spurenleser. Er spürt Eddie, dem Kurier, Lyn Rigby und anderen nach. Da er zwei Apartments im gleichen Hochhaus besitzt, ist er in Melbourne ein Millionär. Aber das bedeutet auch, im einen Apartment sicher zu sein, das andere aber als Köder zu benutzen. Und für diesen Köder interessieren sich jede Menge unwillkommene Leute.

Im oberen, sicheren Apartment liegt die verletzte Lydia Stark. Wie alle klugen Frauen mag sie Wyatt, das starke Alphamännchen. Doch da gerät sie an den Falschen, denn Wyatts Gefühlswelt ist verkümmert (wie auch schon die Polizistin Liz Redding in „Port Vila Blues“ und „Niederschlag“ erfahren musste). Das mag er selbst am meisten bedauern, doch auf lange Sicht ist es für ihn am sichersten. Für ihr Interesse bedankt er sich auf seine Weise: mit einem Großteil der Furneaux-Beute.

Die Übersetzung

Die Übersetzung bringt den Jargon der Verbrecher und deren Umgangston angemessen in die deutsche Umgangssprache rüber. Die Druckfehler sind meist Flüchtigkeitsfehler.

S. 19: „Er wartete, überhörte das triste Klappern von Büroangestellten auf dem Weg zur Arbeit.“ „überhörte“ ist eine Eins-zu-eins-Übersetzung des englischen „overheard“ und daher im deutschen Sprachgebrauch falsch: „überhören“ bedeutet ja, etwas NICHT zu hören. Gemeint ist eher etwas, von fern zu vernehmen, quasi beiläufig.

S. 31: „Eine[r] der legalen Geschäftszweige…“: Das R fehlt.

S. 114: „Henri und Joe hefteten ihre Blick[e]“: Das E fehlt.

S. 206: „Weißfisch und Chips“: Aber Khandi verlangt nicht etwa Kartoffelchips zu ihrem Fisch, sondern Pommes frites. Ein typisch britischer Snack.

Unterm Strich

Obwohl dies einer der umfangreichsten Wyatt-Krimis ist, lohnt es sich doch, ein wenig Geduld aufzubringen und der absolut unvorhersehbaren Handlung zu folgen. Am Schluss konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen. Das geschehen folgt auch dem längsten Spannungsbogen bis zu dessen Ende, und das ist nicht klar, bis die letzte Zeile gelesen ist.

In diesem verwickelten Roman porträtiert der Autor anhand zahlreicher Figuren, die alle genau gezeichnet sind, den Zustand seines eigenen Landes um das Jahr 2010 herum. „Dirty Old Town“ ist die Region Melbourne, aber das erstaunt auch ein wenig: Denn alles ist digitalisiert und beschleunigt, doch Wyatt agiert immer noch auf die altmodische Weise. Der Grund: Sie funktioniert noch: keine Drogen, keine Cops, keine Banken und keine Gefühle. Aber jede Menge Handys und PCs. Ein Mann muss mit der zeit gehen, solange er seine Spuren verwischen kann. Und Wegwerf-Handys mit Prepaid-Karte sind todsicher.

Wyatt ist ein Außenseiter, doch diese machen die Welt – und die Lektüre – interessant, weil sie die Normalos in neuem Licht zeigen. Außerdem agieren die Außenseiter und Extremen untereinander unvorhersehbar und abwechslungsreich, und das geschieht in diesem Krimi in überreichem Maß. Khandie Cane gefiel mir in dieser Hinsicht am besten: Sie ist eine Art Piratin modernem Gewand, mit hoher krimineller Energie. Gewalt mischt sich oft mit Sex, da hat der Autor keine Skrupel. Aber er stellt seinen Helden vor das größte Problem: die Liebe einer Frau. Dass Frauen die Handlung ebenso stark beeinflussen wie die Männer, ist eines der vielen positiven Kennzeichen der Disher-Krimis.

Der Kurier aus Frankreich hat seinen ganz eigenen, sehr europäischen Blick auf die Gesellschaft Australiens: wie amerikanisch doch alle agieren, auch wenn Banken und Justiz hier anders funktionieren. Das Essen ist so schlecht wie die saloppe Kleidung. Alles muss man selber machen, damit es klappt. Aber man darf dabei keine Aufmerksamkeit der Cops erregen, und deshalb lässt der Franzose Tyler Gadd laufen, was wohl für die größte Überraschung sorgt. Denn Tyler hat noch eine Rolle zu spielen…

Auf kunstvolle Weise führt der Autor alle seine Figuren und ihre Handlungsfäden zusammen. Das Ende ist nicht vorhersehbar, doch Wyatt zahlt alle ihre Rechnung bezahlen. Wen er belohnen wird, ist zu Anfang völlig unklar, denn nicht viele schaffen es bis zum Ende. Daher sorgt auch dieser Wyatt-Krimi für eine sehr befriedigende Lektüre des Krimi-Fans. Für diesen Krimi wurde der Autor 2010 mit dem „Ned Kelly Award“ der „Crime Writers Association of Australia“ geehrt.

Taschenbuch: 322 Seiten.
O-Titel: Dirty Old Town / Wyatt
Aus dem Englischen von Ango Laina und Angelika Müller
ISBN-13: 9783927734463

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