Garry Disher – Gier. Melbourne-Krimi

Falsche Helden

Wyatt ist Einzelgänger und von Beruf Verbrecher. Die Rechtsanwältin Anna Reid erzählt ihm von $ 300.000 Schwarzgeld im Safe ihres Partners. Zusammen schmieden sie einen Plan für einen Raubüberfall. Doch andere kommen ihnen in die Quere: Bauer – der Troubleshooter einer Organisation in Sydney, der sein Handwerk in Südafrika lernte, wo er reihenweise Schwarze umlegte. Ivan Younger – Hehler und Strohmann für alle Arten von windigen Geschäften und sein Brutalo-Bruder Sugarfoot, ein primitiver Cowboy-Punk, der die Schnauze voll hat, immer nur den Rausschmeißer und Schuldeneintreiber für seinen Bruder zu mimen. Auch er will jetzt ein größeres Stück vom Kuchen.

Der Autor

Garry Disher (* 15. August 1949 in Burra, South Australia) ist ein australischer Schriftsteller.

Disher wuchs auf einer Farm auf. Er studierte an den Universitäten Adelaide, La Trobe, und Monash. Anschließend unternahm er Anfang der 70er Jahre ausgedehnte Reisen durch Europa, Israel und Afrika. Er war 1978/79 Australian Creative Writing Fellow an der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien.

Garry Disher schreibt neben Prosa- und Kriminalromanen auch Kinder-, Jugend- und Sachbücher, etwa über australische Geschichte. Sein erster Roman erschien 1987. In Deutschland wurde er vor allem durch seine Kriminalromane bekannt, besonders durch die Reihen um den Berufskriminellen Wyatt und die um Inspector Challis. Sein Kriminalroman „Kaltes Licht“ (2019) stand auf Platz 1 der Krimibestenliste der zehn besten neuen Krimis im September 2019.

Disher lebt mit seiner Familie auf der Halbinsel Mornington im australischen Bundesstaat Victoria.

Romane

Wyatt-Reihe

1991 Kickback (Wyatt-Roman 1)
Gier, dt. von Gabriele Bärtels, Maas, Berlin 1999, ISBN 3-929010-49-6
1992 Paydirt (Wyatt-Roman 2)
Dreck, dt. von Bettina Seifried, Maas, Berlin 2000, ISBN 3-929010-72-0
1993 Deathdeal (Wyatt-Roman 3)
Hinterhalt, dt. von Bettina Seifried, Pulp 12, Pulp Master, Berlin 2002, ISBN 3-929010-73-9
1994 Crosskill (Wyatt-Roman 4)
Willkür, dt. von Bettina Seifried, Pulp 15, Pulp Master Berlin 2004, ISBN 3-929010-54-2
1995 Port Vila Blues (Wyatt-Roman 5)
Port Vila Blues, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 18, Pulp Master, Berlin 2006, ISBN 3-927734-34-9
auch: Vergeltung, gleiche Übersetzung, Knaur, München 2007, ISBN 3-426-62304-8
1997 The Fallout (Wyatt-Roman 6)
Niederschlag, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 23, Pulp Master, Berlin 2008 ISBN 978-3-927734-37-1
1997 (zusammen mit Shaun Tan) The Half Dead
2010 Wyatt (Wyatt-Roman 7)
Dirty Old Town, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 33, Pulp Master, Berlin 2013, ISBN 978-3-927734-46-3
2015 Heat (Wyatt-Roman 8)
Hitze, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 46, Pulp Master, Berlin 2019, ISBN 978-3-927734-95-1
2018 Kill Shot (Wyatt-Roman 9)
Moder, dt. von Ango Laina und Angelika Müller, Pulp 53, Pulp Master, Berlin 2021, ISBN 978-3-946582-06-9

Inspector-Challis-Reihe

1999 The Dragonman
Drachenmann, dt. von Peter Friedrich, Union, Zürich 2001, ISBN 3-293-00292-7
2003 Kittyhawk Down
Flugrausch, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2005, ISBN 3-293-00352-4
2005 Snapshot
Schnappschuss, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2006, ISBN 3-293-00363-X
2007 Chain of Evidence
Beweiskette, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2009, ISBN 3-293-00401-6
2009 Blood Moon
Rostmond, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2010, ISBN 978-3-293-00420-7
2013 Whispering Death
Leiser Tod, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2018, ISBN 978-3-293-00528-0.
2016 Signal Loss

Constable-Hirschhausen-Reihe

2013 Bitter Wash Road
Bitter Wash Road, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2016, ISBN 978-3-293-00500-6
2019 Peace
Hope Hill Drive, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2020, ISBN 978-3-293-00563-1
2020 Consolation
Barrier Highway, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2021, ISBN 978-3-293-00572-3

Sonstige

1987 Steal Away
1987 The Stencil Man
1996 The Sunken Road
2000 From Your Friend, Louis Deane
2001 Past the Headlands
Hinter den Inseln, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2003, ISBN 3-293-00319-2
2001 Moondyne Kate
2002 Maddie Finn
2017 Under the Cold Bright Lights
Kaltes Licht, dt. von Peter Torberg, Union, Zürich 2019, ISBN 978-3-29300550-1

Auszeichnungen

2000: Deutscher Krimi Preis für Gier
2002: Deutscher Krimi Preis für Drachenmann
2007: Ned Kelly Award für Chain of Evidence
2010: Ned Kelly Award für Wyatt
2016: KrimiZEIT-Bestenliste (Bester Krimi des Jahres) für Bitter Wash Road
2017: Deutscher Krimi Preis (3. Platz) für Bitter Wash Road
2018: Ned Kelly Lifetime Achievement Award[3]
2020: Deutscher Krimipreis (2. Platz) für Hope Hill Drive
2021: Deutscher Krimipreis (3. Platz) für Moder

Handlung

Der Profi

Wyatt ist ein ausgebuffter Profi und hat den Auftrag bekommen, das heimelige Anwesen der Frome-Familie in Tookah auszunehmen. Die Liste mit den Preziosen enthält genaue Angaben, was er mitnehmen soll. Alles würde in eine Reisetasche passen. Das einzige Hindernis, eine altersschwache Haushälterin, müsste man halt fesseln – nachdem sie die Alarmanlage ausgeschaltet hat.

Der Stümper

Doch sein Auftraggeber Ivan Younger will, dass Wyatt diesmal Ivans Bruder „Sugarfoot“ Younger mitnimmt, um ihm quasi die höheren Weihen zu verleihen, also, wie man professionell einbricht. Allerdings erweist sich der Lehrling als hibbeliger Heißsporn, der nicht warten kann. Schon in den ersten fünf Minuten verhilft er der Haushälterin zu einem Herzinfarkt. Wyatts Verdacht ist begründet: Sugarfoot, sonst ein Schuldeneintreiber, ist ein kokainabhängiger Junkie, der schon einmal achtzehn Monate lang gesiebte Knastluft geschnuppert hat.

Kaum hat Wyatt die Alte leblos vorgefunden, lässt er alles stehen und liegen. Wie vermutet, will Sugarfoot auch Bilder mitgehen lassen. Sie stehen nicht auf der Einkaufsliste. Als sie bei Ivan Younger eintreffen, hat Wyatt nichts vorzuweisen, will aber sein Geld. Ivan weigert sich, ihn auszuzahlen. Als Sugarfoot doch noch ein Bild aus dem Frome-Ding anschleppt, vernichtet Wyatt es vor aller Augen gründlich. Er will keine Spuren hinterlassen. Und Beute, die mit einem Mord verknüpft ist, lässt sich nie risikolos verhökern. Nachdem er mühelos Sugarfoot zusammengeschlagen hat, haut er ab. Sugarfoot schwört bittere Rache für das, was ihm Wyatt angetan hat.

Das nächste Ding

Über seinen Mittelsmann Rossiter kommt Wyatt an Hobba heran. Der hat von einer Anwältin namens Anna Reid gesteckt bekommen, dass zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im Safe ihres zwielichtigen Anwaltspartners Finn die stattliche Summe von 300.000 Dollar eingelagert sein werde. Das Geld werde zur Bestechung gewisser Leute im Bauwesen benötigt, um Hindernisse bei Bauvorhaben zu beseitigen: Schmiergeld für Beamte. Den Safe soll natürlich ein Mann vom Fach aufbrechen: Eddie Pedersen. Er kommt gerade aus dem Knast und braucht dringend Kohle.

Nach eingehender Recherche vor Ort undercover sieht die Sache für Wyatt machbar aus. Er ahnt nicht, dass ihm bereits Sugarfoot auf der Fährte ist. Und auch die Mafia, für die Ivan Younger arbeitet, schläft nicht. Ivan muss sich vor dem Südafrikaner Andreis Bauer für die verschwundenen 7000 Dollar, die eine Puffmutter unterschlagen hat, rechtfertigen. Im Gegenzug bietet er Bauer an, Sugarfoot ein paar Lehrstunden in Professionalität zu erteilen. Sugarfoot ist beeindruckt von Bauers „Arbeit“ an der untreuen Puffmutter im Bordell „Calamity’s Jane“, aber er gedenkt seine neu erworbenen Kenntnisse lieber an Wyatt und dessen Komplizen Hobba und Pedersen auszuprobieren.

Anna Reid

Bei einem Treffen in Wyatts Hotelzimmer in St. Kilda muss die Anwältin Anna Reid einsehen, dass nicht sie das Sagen bei diesem Job hat, sondern dieser eiskalte, aber verdammt gut aussehende Typ, der sich Wyatt nennt. Sie hat selbst Schulden bei einem Buchmacher, sonst bräuchte sie das Geld nicht – was sind schon 75.000 Piepen? Aber sie will ihrem Partner Finn eins auswischen, weil dieser sie sexuell ausbeutet. Hobba und Pedersen sind Nieten, aber dieser Wyatt macht sie scharf. „Ich kann mehr als Fotos liefern“, sagt sie. Angesichts ihres rasanten Fahrgestells hat Wyatt daran nicht den geringsten Zweifel. Am nächsten Tag stellt sie das auch unter Beweis…

D-Day

Eine Woche später. In Finns Praxis läuft alles wie am Schnürchen. Dank der detaillierten Vorbereitung, die er mit seinen Komplizen durchexerziert hat, sind alle Anwesenden schnell gefesselt, auch Anna. Der kleine Safe lässt sich mit einer Gepäckkarre abtransportieren. Keiner hält die „Computerexperten“ auf, rasch sind sie zurück zur Operationsbasis in einem angemieteten Haus. Während Wyatt Schmiere steht, sprengen Pedersen und Hobba den Safe in der Tiefgarage und holen die 300.000 Dollar heraus. Sie ahnen nicht, dass es sich um Geld der Mafia von Sydney handelt.

Da meldet sich Sugarfoot: Er hat zwei und zwei zusammengezählt und verlangt einen Anteil, sonst werde er alle an die Bullen verpfeifen. Doch das ausmachte Treffen auf einer Brücke schlägt fehl, und Wyatt beschließt, zum Angriff überzugehen. Von Anna weiß Sugarfoot nichts, und sie will Wyatt zu seinem eigenen Erstaunen am meisten schützen, ja, er macht sogar gemeinsame Pläne, in denen sie vorkommt.

Doch als er in die Stadt zurückkehrt, um Ivan Younger nach seinem bekloppten Bruder zu befragen, findet er Ivan mit einem Loch im Hinterkopf vor. Profiarbeit. Und auch Hobba hat es erwischt, doch am Tatort wartet bereits die Polizei. Hobba wurde offensichtlich mit einem Seiltrick gefoltert. Um herauszufinden, ob Hobba auch Annas Namen verraten hat, durchsucht er Annas Reihenhaus – und stößt auf einen Gegner, der ihm einen Schritt voraus ist…

Mein Eindruck

Die Begegnung mit dem Killer verändert die Entwicklung des Geschehens radikal, denn Wyatt erhält Informationen, die seine Sicht auf das, was wirklich vor sich geht, verändern: Sie haben ihn alle ausgenutzt. Dass auch Anna dazu gehört, tut weh, aber er zahlt es ihr heim. Am Schluss hat Wyatt zwar überlebt, aber alles, was er sich zuvor aufgebaut hatte, verloren. Das nennt man einen Pyrrhussieg.

Falsche Helden

Alle Figuren haben Pläne, die mehr oder weniger gut sind und mehr oder weniger Realität werden. Der offensichtlichste Fehlschlag ist der, den Sugarfoot Younger hegt: Er wäre am liebsten ein Westernheld, der entweder Banken ausraubt wie im Film, oder mit einem Scharfschützengewehr Leute, deren Nase ihm nicht gefällt, aus der Distanz umlegt. Genau so einen Auftritt legt er im Finale hin, doch es mangelt ihm wie stets an Grips, um es mit Wyatt aufnehmen zu können.

Sein Bruder Ivan Younger ist ein Tausendsassa, der mit seinem gebrauchtwarenladen „Bargain City“ Kunden übers Ohr haut. Aber der Laden ist nur die Fassade für weitaus lukrativere Geschäfte, an denen die Mafia von Sydney beteiligt ist: Zuhälterei, Schutzgelderpressung und Rauschgifthandel. Doch Wyatt und Hobba spucken ihm gehörig in die Suppe, als sie seinen Zuhälter ausrauben. Statt dies zu melden, ersetzt Ivan das Geld und schweigt über den Vorfall. Als die Mafia dahinterkommt, ist er fällig.

Bei Andreis Bauer fliegen die Pläne ebenfalls hoch, doch er hat ebenfalls eine Schwäche. Als Agent der Mafia von Sydney sorgt er, dass alles rund läuft, doch wenn ihm einer wie Ivan Younger blöd kommt, führt sich Bauer auf wie einst im Kampf gegen die Rebellen aus Mosambik. Er legt die „Kaffern“ einfach um, als würde er noch wie ein Söldner im Busch von Südafrika kämpfen. Ken Sala, der Zuhälter, zockt zwar ordnungsgemäß die Nutten in „Calamity’s Jane“ (ein weiterer Verweis auf den Wilden Westen) ab, doch er lässt sich ausrauben, und das Vertuschungsmanöver geht schief. Die Strafe folgt auf dem Fuß.

Die Ganoven Hobba und Pedersen waren im Knast und sind pleite. Hobba verrät sich durch seinen ständigen Genuss von Pfefferminzbonbons, und Pedersen wirft zuviel Aufputschmittel ein, vermutlich Speed (Amphetamine). Auch Flood, der Waffenhändler, macht einen Fehler: Er führt eine Kunden- und Warenkartei, die er den Bullen übergeben würde, sollte er auffliegen. Wyatt durchschaut ihn und vernichtet seine Karteikarten. Im Milieu will eben jeder jeden übers Ohr hauen, um am Ende gut dazustehen.

Kann Wyatt der schnieken Anwältin Anna Reid trauen. Sie ist pleite, hält sich aber für schlauer als Wyatt und setzt Sex als Waffe ein. Eine Weile spielt sie die treu liebende Gangsterbraut, aber wie lange kann das gut gehen? Sie hat ihre eigenen Pläne und benutzt Wyatts Truppe nur als Ausführungsgehilfen. Als Wyatt dies entdeckt, sind die Konsequenzen für Anna sehr bleihaltig. Aber die Sexszenen zwischen ihr und Wyatt sind erstklassig und sehr anregend, denn sie lassen der Phantasie des Lesers genügend Raum, um sich die Details vorstellen zu können.

Die Erfolgsquote für all diese Pläne ist also nicht allzu hoch, und das ist im Grunde ziemlich ironisch. Verbrechen zahlt sich nicht aus, aber es sorgt für jede Menge Aufregung und fast so etwas wie Selbstbestätigung. Wenn da bloß nicht ständig diese Kommunikationsschwierigkeiten wären. Keiner kann ein Geheimnis bewahren.

Melbourne

Die Handlung und die vielen Figuren könnte auch an einem anderen Ort als Melbourne stattfinden, aber die zahlreichen Ortsbeschreibungen machen die Handlung derart glaubwürdig, dass jeder Leser aus Melbourne seine Stadt sofort wiedererkennen würde. Die vielen Straßennamen mögen zwar manchmal ein paar zuviel sein, aber das ist okay, denn genau wie Wyatt, der Hauptfigur, muss sich auch die Handlung durchs Gewühl der Innenstadt quälen oder hinaus ins ländliche Umland bewegen.

Offene Frage

Der einzige Vorfall, der nicht erklärt, ist Sugarfoots Nichterscheinen am Treffpunkt mit Wyatt. Letzterer hat sich bestens als Stadtstreicher getarnt, doch Sugarfoot, dieser Loser, taucht nicht auf. Der Leser muss ebenso wie Wyatt annehmen, dass Bauer auf seinem Kreuzzug nach Ivan Younger auch dessen Bruder erwischt hat. Das erlaubt es, Sugarfoots Auftritt im Finale als große Überraschung zu inszenieren. So wird auch der Leser hinters Licht geführt.

Die Übersetzung

S. 26: „Terrassenhaus“ heißt hierzulande „Reihenhaus“.

S. 40: „[Wyatt] hatte den unförmigen Körper über sich hinauswachsen und rationeller werden sehen.“ Ich habe noch keine rationellen Körper gesehen. „Rational“ kann aber nicht gemeint sein, denn das bezieht auf Vernunft. Vielleicht wäre „schlanker“ oder „durchtrainiert“ der passende Ausdruck.

S. 198: „Fisch und Chips“: Essbare „Chips“ stehen bei uns für Kartoffelchips, aber die sind hier nicht gemeint, denn es handelt sich um Pommes frites. „Fish and Chips“ ist daher die einzige korrekte Übersetzung von „Fish & Chips“.

Unterm Strich

Ich habe diesen spannenden, mit Wendungen gespickten Krimi in wenigen Tagen gelesen und werde mir weitere Krimis dieses australischen Könners besorgen. Er landet völlig zu recht regelmäßig auf den vordersten Plätzen der Krimi-Bestenlisten. Dishers Stärke ist der tiefe Einblick, den seine Wyatt-Reihe – bislang sieben Romane – in das australische Verbrechermilieu gewährt. Insbesondere seine Heimatstadt Melbourne bietet eine abwechslungsreiche Kulisse, von den Sozialghettos bis zu den Vororten der Neureichen. Wer Terra australis, den Südkontinent, näher kennenlernen möchte, ist hier richtig.

Es ist ja schon ein wenig hinterlistig, den Leser zum Sympathisanten eines Verbrechers zu machen. Schon nach wenigen Seiten drücken wir dem Ganoven sämtliche Daumen und beäugen die anderen Komplizen kritisch. Jeder dieser schrägen Typen hat seine Macke und seine falschen Helden – siehe oben. Auch Wyatt hat eine Schwäche und die geht auf zwei verführerischen Beinen und nennt sich Anna Reid. Natürlich ist sie nicht das, was zu sein scheint, und tut auch nicht das, was brave Mädels sonst so tun. Die 38er an ihrem kurvenreichen Astralkörper spricht Bände.

Der Coup kommt in der Mitte, wie sich das gehört, doch viel interessanter ist das Nachspiel. Im Originaltitel wird das Wort „Kickback“ verwendet, was sowohl Rückstoß einer Waffe als auch Kommission für eine illegale Aktion bedeutet. Man kann lange suchen, wer hier wen alles abzockt, aber am Ende bleiben nicht viele Überlebende übrig. Quentin Tarantino hätte sicher seine helle Freude daran.

Die Cops kommen hier nicht besonders gut weg, denn sie erscheinen ein wenig unbedarft und unterbelichtet. Aber das mag auch daran liegen, dass sich der Leser erheblich wundern würde, wenn Wyatt NICHT mit dieser Gurkentruppe in Kontakt käme – und sie natürlich austrickst. Auch andere sogenannte Gutmenschen wie etwa der Anwalt Finn halten nicht das, was sie versprechen: Finn gehört der Mafia mit Haut und Haar. Was man der Mafia klaut, das will die Mafia zurück – das ruft Bauer auf den Plan, einen Rassisten übelster Sorte, der sich aber für eine Art Übermensch hält. Auch er muss seine Lektion auf die harte Tour lernen, wie alle anderen.

Kurzum: Für gewiefte Krimikenner bietet Garry Disher mit der Wyatt-Serie Hardboiled-Krimi-Kost vom Feinsten. Es war mir eine Freude, Mister Disher.

Hardcover: 249 Seiten.
O-Titel: Kickback, 1991;
Bild Krimi Bibliothek, zuerst bei Goldmann,
Aus dem Australien-Englischen von Gabriele Bärtels.
ISBN 9783-570-068366

www.penguinrandomhouse.de

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