Hartwig Hausdorf – Die Rückkehr der Drachen

Auf der Voodoo-Wissenschaft-Schiene reisendes ‚Sachbuch‘, das stets nur zweifelhafte ‚Beweise‘ für, aber nie gegen „Die Rückkehr der Drachen“ liefert, dabei aus trüben Quellen fischt, sich in ein Gespinst nie belegbarer Kreuzverweise verwickelt, aus Legenden und realen Naturphänomenen abenteuerlich Traumsaurier konstruiert sowie sich überhaupt im Besitz der einzigen, nur von Blinden & Blöden negierten Wahrheit wähnt: amüsant als Kompendium längst bekannter Pseudo-‚Rätsel‘, dies aber eindeutig unfreiwillig = ein überflüssiges (Mach-)Werk.

Tief im Verbo(r)genen

Mit einer Bestandsaufnahme beginnt der Verfasser, welche gleichzeitig Rechtfertigung ist: In den Kapiteln „Irrtümer wiederholen sich“ und „Lebende Fossilien“ lässt er die angeblich zurückkehrenden Drachen erst einmal außen vor und beschränkt sich auf deutlich kleineres Getier. Verblüffend ist es in der Tat, dass im Zeitalter des allsehenden Satelliten weiterhin mehr neue Tierarten entdeckt werden als der Mensch alljährlich ausrotten kann. Darunter sind Schweine, Hirsche, Rinder und andere kapitale Viecher, die sich dort, wohin sich unser einer aus gutem Grund (Hitze, hohe Berge, Dschungel, Parasiten, Bürgerkrieg oder alles zusammen) nicht traut, bisher verbergen konnten.

Einige dieser Neubürger in der zoologischen Statistik sind von erstaunlichem Alter – nicht als Individuen, sondern als Art. Und da wird er auch schon vom Verfasser auf die Bühne geschubst, der Dauerbrenner Quastenflosser, dem „Urzeit-Überlebender“ auf die stummelfüßigen Flossenbeine tätowiert sein könnte! Leider sind sowohl dieser Fisch als auch seine hier vorgestellten Mit-Methusalems zwar sehr interessante Erdbewohner, aber nicht unbedingt das, worüber wie lesen wollen. Wo bleiben die Drachen?

Hier müss(t)en sie sein

Nur keine Ungeduld, es gilt die ‚wissenschaftliche‘ Basis weiter zu festigen: „Die Sache mit den Drachen“ konfrontiert uns mit Überlieferungen in Form von Legenden und Steinzeichnungen, die eindeutig ‚belegen‘, dass zumindest im Alltag unserer Vorfahren die Dinos noch sehr präsent waren. Verdammt, wo haben sie sich seither verkrochen?

Das ist das Stichwort für Kapitel 4 („Was kreucht …“) und 5 („Unheimliche Begegnung der ausgestorbenen Art“). „Verkriechen“ war in der Tat die Devise für die Veteranen aus Jura- und Kreidezeit. Es zog sie dorthin, wo die Wälder tief, die Täler schattig oder die Forscheraugen anderweitig getrübt sind. Dort springen oder fliegen sie vor ihren überraschten und generell entsetzten Besuchern auf; meist ist es dämmrig, die abergläubischen eingeborenen Führer und Trägern meutern & die Kamera gibt ärgerlicherweise genau jetzt den Geist auf.

Hilfreich für den Rückzug ist auch ein dem Menschen fremdes Medium: „Geheimnisse der Tiefsee“ und „Auge in Auge mit der Vergangenheit“ legen offen, wo sich auf jeden Fall klobiges Ungetier tummeln muss: in den unendlichen Tiefen der Weltmeere, die praktischerweise trotz moderner Technik bisher finster blieben. Schon immer haben wackere Seeleute sie getroffen, wenn sie ein dummer Zufall an die Oberfläche trieb: Seeschlangen, Riesenkraken, Monsterquallen. Spendierte man ihnen (gemeint sind die Seeleute) ein gutes Glas Rum, erzählten sie gern davon und sparten nie an Details. Hier und da wurde sogar Merkwürdiges aus den Fluten gefischt, das meist so erbärmlich stank, dass es nicht den am Hafen wartenden Wissenschaftlern und der Presse vorgeführt werden konnte, sondern zurück ins Meer geworfen werden musste.

Nur Geduld, sie werden schon kommen …

Ortswechsel & Auftritt „Mokele M’bembe“, auch so ein Star der Szene, der im afrikanischen Victoria-See haust und den Miniatur-Brachiasaurus mimt. „In der Hölle von Likoula“ geistert er schon seit vielen Jahrzehnten umher, ein Paradebeispiel dafür, wie geschickt und schlau diese Tiere sind, wenn es gilt, sich den Nachstellungen ihrer Jäger zu entziehen!

Neuerlicher Kulissenwechsel: „Wo die Zeit stillsteht“, also auf südamerikanischen Hochplateaus, in Australien und Ozeanien, schleicht ebenfalls seltsames Getier umher. Wer einmal einen Aboriginal gesehen hat, der ‚weiß‘ sofort: Das ist ein waschechter Urmensch und wohnt im ältesten Land dieser Erde, hier hat sich seit Millionen Jahren rein gar nichts verändert. Vor Millionen Jahren lebten nachweislich die Dinosaurier. Ergo zieht der Verfasser für uns den Schluss: Hier sind sie noch heute auf jeden Fall!

Das Schlusskapitel ist der Ankündigung zukünftiger Sensationen gewidmet: „Auf leisen Sohlen in die ‚Verlorene Welt‘ – Am Vorabend weltbildstürzender Entdeckungen“. Dem Appell, die scheuen Drachen zukünftig gefälligst mit lautlosen Luftschiffen zu suchen, folgt ein letzter Tritt in die Kniekehler derer, die auch jetzt noch zweifeln: Wir leben leider auf einem Planeten der Naturwunder, die von verdammenswerten Spielverderbern unterdrückt werden. Die hat der Verfasser nunmehr mit einer Flut eindeutiger ‚Beweise‘ mundtot gemacht. Nun heißt es nur noch: warten; sie werden schon kommen, unsere Drachen, nicht heute oder morgen, aber vielleicht schon vor der zweiten Auflage!

Die hoffentliche Abwesenheit der Realität

Das wäre freilich fatal. Einer Legion von Kryptozoologen, UFOlogen und Geisterjägern wäre damit die Lebensgrundlage genommen. Schließlich können sie nur existieren, solange sich die Objekte ihrer ‚Forschungen‘ in möglichst stabiles Halbdunkel hüllen. Mit einer Materialisation der „Drachen“ in dieser unserer Gegenwart oder auch Zukunft ist jedenfalls nicht zu rechnen. Nicht nur der skeptische, sondern auch der gewagten Theorien gewogene Leser kann nach der Lektüre dieses Buches grundsätzlich zu keinem anderen Schluss kommen.

Die Welt des Übernatürlichen bzw. des mit den Mitteln der Gegenwart Unerklärlichen ist das Reich der Ringschlüsse. Wenn Quastenflosser, Brückenechsen und Nautilusse bis heute überlebt haben, dann ‚muss‘ dies auf Plesio-, Brachio- oder sonstige Saurier ebenfalls zutreffen, so mutmaßt (träumt/fantasiert) der Verfasser. Irgendwo gibt es auf dieser geräumigen Erde sicherlich ein Fleckchen, an dem die Zeit stehengeblieben ist und die Donnerechsen überlebten! Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand …

Was ein arger Trugschluss ist, wie ernst zu nehmende Naturwissenschaftler (= Autor Hausdorfs Erzfeinde, weil auf handfesten Beweisen bestehend) zu bedenken geben. Fakt ist: 65 Millionen Jahre sind seit dem Untergang der Saurier verstrichen. Das ist in erdgeschichtlichen Dimensionen eine stolze Zeitspanne. Kryptozoologen wie Hartwig Hausdorf profitieren von der Tatsache, dass sich kein Mensch diese Spanne vorzustellen vermag. Eine Tierart mag 650 oder 6.500 Jahre ‚untertauchen‘ – 65.000.000 Jahre sind eine ganz andere Dimension! Kein Stein blieb in dieser Zeit auf der Erdoberfläche auf dem anderen, kein Fleckchen von gewaltigen Veränderungen ausgespart.

Leider keine Monster mehr

Aber der Quastenflosser hat es doch auch geschafft und sich sogar 400 Millionen Jahre gehalten! Hat er? Eben nicht; er hat zwar seine archaische Gestalt behalten, aber er ist trotzdem ein Quastenflosser des 21. Jahrhunderts, der sich im Verlauf seiner langen Geschichte durchaus entwickelt und verändert hat.

Ist das denn nicht ein ‚Beweis‘ für das Überleben der Saurier? Mokele M’bembe ist nach Ansicht der Kryptozoologen ein im Laufe der Äonen durch das Dschungelleben ‚geschrumpfter‘ Brachiosaurier. Das ändert aber nichts an der simplen Tatsache, dass der Viktoriasee zwar Teil einer Landschaft ist, die uns Menschen uralt erscheint, jedoch keineswegs jene 65 Millionen Jahre alt ist, die auch Hausdorf als Spanne des Verschwindens unserer geliebten „Drachen“ akzeptiert. Wo oder wie hat Mokele M’bembe also ohne ihn überlebt?

Zeit ist ein Faktor, der auch Australien und die ozeanischen Inseln keineswegs verschont hat. Trauriger Fakt ist, dass es hier noch vor wenigen Jahrtausenden in der Tat ‚Monster‘ gab, darunter giraffengroße Vögel und autobusgroße Echsen. Der überaus tüchtige Mensch, unwiderstehlich auch in seiner Urzeit-Version, hat sie allerdings alle ausgerottet. Dabei war er schon im eigenen Interesse überaus gründlich: Als die großen, dummen, leckeren Viecher weniger wurden, hat er sie mit knurrendem Magen bis in die letzten Winkel verfolgt. Glaubt denn ernsthaft jemand, er habe dabei potenzielle Dinosaurier ausgespart?

Wir beweisen uns gegenseitig

Aber mit sachlich vorgetragenen Argumenten lassen sie sich seit jeher nicht aus dem Konzept bringen oder gar überzeugen, unsere Kryptozoologen, Esoteriker oder sonstigen Rätselfreaks. Die Gegenwart scheint ihnen so, wie sie nun einmal ist, einfach zu langweilig. Sie benötigen das Rätselhafte wie die Luft zum Leben. Dumm sind sie nicht; das wäre als Erklärung zu einfach. An dieser Stelle können wir über die Gründe des Glaubens – und mehr ist es nicht -, es könne noch Dinosaurier geben, nicht diskutieren. (Es wäre ohnehin vergeblich.) Dabei entlarven sich Manifeste wie „Die Rückkehr der Drachen“ quasi selbst, und das exemplarisch.

Da werden Fakten aus obskuren ‚Quellen‘, Legenden, Hörensagen und Wunschdenken nach Belieben gemixt. Wo Okapis, Zwergflusspferde und sonstige Überraschungen zum Vorschein kommen, werden nach Hausdorf auch Saurier möglich. Sie sind einfach bisher unentdeckt geblieben. So funktioniert Evolution aber nicht. Freilich ist der Verfasser von ihrer Realität ohnehin nicht überzeugt. Allen Ernstes erwägt er den Einfluss außerirdischer Genlabor-Späße auf die irdische Naturgeschichte. Da enden dann wohl die Appelle an den gesunden Menschenverstand …

So lassen sich Hausdorfs ‚Argumente‘ Stück für Stück widerlegen oder widerlegen sich selbst. Es soll an dieser Stelle unterbleiben – dies auch aus der Resignation heraus, dass Bücher wie dieses ohnehin nur für jene geschrieben werden, die entweder bereits überzeugt sind, dass Hausdorf Recht hat, oder ahnen wollen, dass es zwischen Himmel & Erde mehr gibt, als der gesunde Menschenverstand oder die verhasste (und von Hausdorf immer wieder kindlich beschimpfte) Wissenschaft erklären kann, und sich deshalb leicht überzeugen lassen.

Zugbrücke hoch!

Deshalb befinden sich Hausdorf & Co. als selbst ernannten Fox Mulders und Enkel des „Dr. h. c.“ Erich „von“ Däniken (von seinem Adepten Hausdorf im Text freundschaftlich „Erich“ genannt), auf der sicheren Seite: Die Argumentation der ‚richtigen‘ Wissenschaft folgt eigenen Gesetzen, ist kompliziert, oft schwer verständlich, weil präzise und auf Objektivität bedacht. Hingegen bieten die Eigenbau-Wissenschaftler einfache Erklärungen, die zudem gefallen. Und bei denen, die ohnehin an Dinosaurier, UFOs oder die Heilkraft von Magneten auf strapazierte Rückenwirbel glauben, laufen sie ohnehin offene Türen ein. Da ist es gleichgültig, dass die Logik ignoriert wird, die wüst & willkürlich konstruierten ‚Beweise‘ sich gegeneinander stützen müssen oder die absolute Wahrheit in geradezu erschütternd schlichter Prosa aufscheint.

Kongenial entlarven schließlich die Fotos dieses ‚Sachbuch‘. Klar und deutlich sehen wir nur, was wir ohnehin bereits kennen. Wurde die Linse ausnahmsweise einmal auf ein Rätseltier gerichtet, dann ging garantiert etwas schief. Verschwommen, unter- oder überbelichtet, auf jeden Fall ohne jede Beweiskraft sind die auf Zelluloid gebannten Lächerlichkeiten. Nachdem in den vielen Jahren seit der Erfindung der Fotografie herabstürzende Meteore, Falken verprügelnde Hasen oder der ferne Kleinplanet Pluto auf Bildern fixiert wurden, sollte das irgendwann mit wenigstens einem Drache halbwegs deutlich gelungen sein. Ist aber nicht, was jedoch nur für uns nicht in die wahren Geheimnisse des Universums Eingeweihten Bände spricht …

Gebunden: 238 Seiten

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