Hillerman, Tony – Nacht der Skinwalkers, Die

„Die Nacht der Skinwalkers“ ist ein wichtiger Roman in der Reihe der Hillerman-Ethno-Thriller, weil hier für die Zukunft wichtige Charaktere zum ersten Mal zusammenarbeiten und sich quasi für weitere Ermittlungen ‚beschnuppern‘. Die Rede ist von Joe Leaphorn, dem älteren Lieutenant, der in der gesamten Navajo-Reservation bereits einen fabelhaften Ruf genießt, und Jim Chee, einem in den eigenen Traditionen verhafteten Officer, der hier erste Bekanntschaften mit seinem baldigen Freund und Partner Leaphorn macht. Ergo handelt es sich bei „Die Nacht der Skinwalkers“ um einen älteren Roman von Tony Hillerman und demzufolge auch um eine Geschichte, bei der die Kultur der Navajo-Indianer noch weitaus mehr zum Tragen kommt als in den neueren Werken des Autors. Und deshalb ist auch „Die Nacht der Skinwalkers“ wiederum ein sehr empfehlenswerter Krimi, der, wie schon angemerkt, in der Hillerman-Serie eine Schlüsselrolle spielt.

_Story:_

Lieutenant Joe Leaphorn vermutet einen Racheakt, als sein junger Kollege Jim Chee eines Abends in seinem Wohnwagen fast ermordet wird. Drei Schüsse werden auf den Officer abgegeben, und nur durch eine günstige Vorahnung kann sich Chee vor dem Anschlag retten.

Die Navajo Tribal Police steht vor einem Rätsel. Zum einen hat sich Officer Chee nichts zu Schulden kommen lassen, warum man ihn hätte attackieren können, zum anderen passen diese seltsamen Ereignisse auch sehr gut in eine weitere Mordserie, bei der Menschen umgebracht wurden, für deren Mord es absolut kein Motiv gab. Drei Morde plus ein versuchter, das sind die kalten Fakten, und just in dem Moment, in dem man in Bistie jemanden gefunden hat, der eine ganze Menge mehr zu wissen scheint und sich sogar zu einem der Morde bekennt, findet man ebenjenen in seinem eigenen Haus ebenfalls tot auf.

Chee und Leaphorn finden keinen weiteren Anhaltspunkt, der sie auch nur irgendwie weiterbringen könnte. Alle Ermittlungen basieren auf haltlosen Vermutungen, und die Tatsache, dass die Art und Weise, wie man diese Leute umgebracht hat, recht unkonventionell ist, erschwert die Sache nur. Und dann ist ja gar nicht mal sicher, ob es überhaupt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen gibt. Und welche Rolle spielt die Hexerei der so genannten Skinwalkers, der Leaphorn eher skeptisch gegenübersteht, an die Chee dafür umso mehr glaubt?

Chee und Leaphorn reisen im ganzen Reservat hin und her, holen sich Informationen von scheinbar wichtigen Personen, stellen jedoch alsbald fest, dass ihnen von diesen auch kaum jemand weiterhelfen kann. Die Sache scheint aussichtslos, und dabei sind die privaten Probleme der beiden auch stetig präsent. Bei Leaphorns Frau Emma liegt eine schwere Krankheit vor, bei der es sich möglicherweise um die alzheimerische handelt. Und Chee macht auf dem Gebiet der traditionellen Heilkunde, die er in den letzten Jahren erlernt hat, ebenfalls kaum Fortschritte bzw. bekommt keine Chance, sich hierin zu beweisen. Seltsamerweise soll es aber gerade seine erste Einladung zu einem traditionellen Heilgesang sein, bei der plötzlich Licht ins Dunkle kommt …

_Bewertung:_

Im Moment ärgere ich mich etwas, weil ich die Hillerman-Thriller nicht in chronologischer Reihenfolge lese (bedingt durch die erhältlichen Neuveröffentlichungen); das wäre im Endeffekt sicher sinnvoller, denn die persönlichen Beziehungen bzw. die Familienverhältnisse, wie sie in „Die Nacht der Skinwalkers“ vorliegen und zu diesem Zeitpunkt natürlich noch ungeklärt sind, werden in späteren Romanen immer wieder rückblickend angeschnitten und deren Lösung bekannt gegeben. Gut, das ist natürlich nur ein winziges Ärgernis, für das der Schriftsteller bzw. die hier vorliegende Geschichte ja gar nichts kann …

„Die Nacht der Skinwalkers“ ist nämlich wieder ein typischer und damit auch sehr lesenswerter Roman, bei dem die Navajo-Kultur erneut eine übergeordnete Rolle spielt – eben das ist ja seit jeher das Besondere an dieser Reihe. Und in diesem Fall sind es auch wieder traditionelle Gepflogenheiten, die bei der Ermittlung der zunächst nicht miteinander verbundenen Fälle entscheidend sind und dadurch nur noch mehr faszinieren.

Außerdem gelingt es Hillerman erneut sehr gut, einen großen Rahmen mit vielen Seitenhandlungen aufzuspannen, zunächst unzusammenhängende Geschehnisse darzustellen, sie dann am Ende aber doch wieder Stück für Stück dergestalt zusammenzufügen, dass es logischer gar nicht sein könnte. Spannung ist also wieder garantiert, nur dass es dieses Mal so ist, dass Hillerman sich außergewöhnlich lange Zeit lässt, um die Ereignisse miteinander zu verbinden. Das Buch hat gerade mal 205 Seiten und circa 30 Seiten vor Schluss fällt es immer noch sehr schwer, eine Schlussfolgerung zu ziehen oder auch nur zu ahnen, was und wer jetzt wirklich hinter den ungewöhnlichen Mordfällen steckt. Hatte ich jedoch zunächst noch Sorge, dass Hillerman es dieses Mal nicht mehr schaffen würde, rechtzeitig auf den Punkt zu kommen, hat mich der Großmeister des Ethno-Thrillers erneut eines Besseren belehrt und doch noch die Kurve bekommen.

Nicht zuletzt ist dieses Buch auch noch sehr wichtig, um die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Chee und Leaphorn zu ergründen, die hier noch sehr stark auf gegenseitigen Zweifeln beruht, die ja auch in späteren Romanen manchmal nicht abreißen wollen. Durch diese Beziehung erfährt man nämlich auch eine ganze Menge über die einzelnen Charaktere und ihre Einstellungen, teilweise sogar mit Details, die einem nachträglich auch helfen, nachfolgend verfasste Bücher bzw. Schlüsselszenen besser zu verstehen. Daher zum Schluss nochmal meine Empfehlung an potenzielle Hillerman-Leser, die Bücher chronologisch zu lesen, denn sie gehören nunmal zusammen und bilden trotz der unterschiedlichen Themen eine große Serie. „Die Nacht der Skinwalkers“ jedenfalls ist – alles andere hätte mich verwundert – ein weiterer überragender Krimi aus dieser Reihe!