Interview mit Florian Knöppler zu seinem neuen Roman „Südfall“

„Dave überlebt den Abschuss seines Fliegers über dem nordfriesischen Wattenmeer und entgeht nur knapp dem Ertrinken. Der britische Soldat könnte das Kriegsende in einem Versteck abwarten, doch er wagt die Flucht von Husum die Küste entlang nach ­Dänemark. Dabei trifft er auf den jungen, sensiblen Paul, der von sich selbst Härte verlangt, seine Tante Anna, die sich ­entschließt, Dave zu helfen, und ­Cecilie, ein ­schillerndes und doch verschlossenes Mädchen. Auf einem Boot nahe der dänischen Grenze entsteht ein Plan, wie Dave es bis nach England ­schaffen könnte.

​Ruhig, menschlich, bewegend – ein Roman, in dem Begegnungen zu Wendepunkten werden.“ (Knöpplers Homepage)

1) Ein englischer Soldat der Air Force stürzt 1944 über dem deutschen Wattenmeer ab und macht sich auf den beschwerlichen Weg nach Hause: Von dieser Beschreibung ausgehend könnte man annehmen, dass „Südfall“ ein Fluchtroman ist – doch es steckt mehr dahinter. Mit welchem Konzept bist du an den Roman herangegangen?

Mich fasziniert der Gedanke, wie wenig manchmal darüber bestimmt, in welche Richtung unser Leben weitergeht. Wir treffen jemanden und lassen uns berühren oder sogar verändern. Eine Reihe solcher Begegnungen in einem Roman zu gestalten, hat mich gereizt. Der Engländer Dave kommt auf seiner Flucht mit sehr unterschiedlichen Menschen zusammen. Jeder ist eine Welt für sich und hat sein eigenes Drama. Und jeder muss entscheiden: Soll er Dave helfen oder es seinlassen.

2) Der Roman ist aus der Sicht völlig verschiedener Menschen geschrieben. War es schwer für dich, die unterschiedlichen Stimmen zu finden?

Erstaunlicherweise nicht besonders. Am Anfang hatte ich ziemlich großen Respekt davor. Was weiß denn ich darüber, wie ein 15-jähriges Mädchen denkt und fühlt? Oder eine 40-jährige Frau, die besonders sensibel und romantisch veranlagt ist? Ich weiß ja nicht mal, wie es ist, sich körperlich nach einem Mann zu sehnen. Aber es war dann kein großes Problem. Ich kann daraus nur schließen, dass wir in unseren Gefühlen und Bedürfnissen doch nicht so weit auseinanderliegen, wie ich dachte.

3) Gibt es eine Figur, die dir besonders Spaß gemacht hat? Und im Gegenzug eine, die für dich besonders herausfordernd war?

Anna, die 40-Jährige, war für mich beim Schreiben vielleicht am berührendsten. Den schon etwas älteren Großbauer Simon bekam ich am Anfang nur schwer in den Griff. Simon wird nach schwerer Krankheit überraschend gesund und muss nun wieder neu ins Leben einsteigen, obwohl er sich schon aufs Sterben eingerichtet hat. Mir das genau vorzustellen war sehr reizvoll, aber auch eine große Herausforderung.

4) Vom Ton her ist der Roman ruhig und in sich gekehrt, er fokussiert sich sehr auf die zwischenmenschliche Ebene, was sich auch in der Sprache widerspiegelt. Wie bist du stilistisch an den Roman herangegangen?

Ich wollte in den Köpfen, in den Körpern der Figuren sein, vielleicht sogar noch entschiedener als in den ersten beiden Romanen. Das hieß natürlich, dass ich eine passende Sprache brauchte. Es mussten Sätze sein, denen man es abnimmt, dass sie gedacht werden. Gleichzeitig aber ist es für mich wichtig, meine Sprache immer auch schön finden zu können. Manchmal gar nicht so einfach.

5) Wie schon zuvor „Kronsnest“ und „Habichtland“ spielt „Südfall“ im malerischen Norden, wo du auch selbst lebst. Lässt du deine Romane hier stattfinden, weil du dich auskennst, oder hat der Norden noch einen anderen Reiz für dich?

Ich empfinde die Gegend hier gar nicht als ruhig und malerisch, jedenfalls nicht im Sinne von idyllisch. Es ist einfach die Gegend, zu der ich die engste Verbindung habe. Ich hoffe, dass ich dadurch genauer schreiben und auf Klischees und Stereotype verzichten kann. Und ich glaube, dass eine solche Nähe zur Gegend und zu den Menschen sich im besten Fall als Gefühl auf die Leser überträgt. Um Nähe geht es bei mir eigentlich immer, im Privaten wie beim Schreiben. Nähe bedeutet Lebendigkeit.

6) Gibt es andere Orte, die dich interessieren und an denen du dir vorstellen könntest, eine Handlung spielen zu lassen?

Ich habe mehr als zehn Jahre im Rheinland gelebt, das könnte ich mir vorstellen. Aber noch interessanter fände ich im Augenblick Italien, wo ich nur ein Jahr verbracht habe. Vermutlich würde in einem solchen Roman das Thema Heimischfühlen und Fremdsein eine Rolle spielen. Ich fühle mich so wohl in Italien, da ist eine echte Verbundenheit, trotz der großen Unterschiede zu Norddeutschland.

7) Bislang hast du Romane geschrieben, die in der Vergangenheit spielen. Wird das so bleiben?

Nein, ich glaube nicht. Ich kann mir als nächstes einen Roman vorstellen, der in der Gegenwart spielt oder in sie hineinreicht. Aber auch schon in „Kronsnest“ und „Habichtland“ stand das Historische für mich nicht im Vordergrund. Die 20er und die 40er Jahre sind besondere Zeiten, die sich natürlich stark auf das Leben der Figuren auswirken, und es sind menschlich gesehen sehr interessante Zeiten. Aber im Zentrum stehen allgemeinere Dinge wie Mut, Trauer, Liebe, Wut. Ich hatte durch die Zeitwahl die Möglichkeit zu beidem, dem Historischen und dem Zeitunabhängigen. Das fand ich toll. Genauso ist es jetzt mit „Südfall“.

Mit freundlicher Genehmigung des Pendragon-Verlags.

Gebunden: 248 Seiten.
ISBN-13: 9783865328519

www.pendragon.de

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