John Grisham – Die Wächter

Die Handlung:

In Seabrook, Florida wird der junge Anwalt Keith Russo erschossen. Der Mörder hinterlässt keine Spuren. Es gibt keine Zeugen, keine Verdächtigen, kein Motiv. Trotzdem wird Quincy Miller verhaftet, ein junger Afroamerikaner, der früher zu den Klienten des Anwalts zählte. Miller wird zum Tode verurteilt und sitzt 22 Jahre im Gefängnis. Dann schreibt er einen Brief an die Guardian Ministries, einen Zusammenschluss von Anwälten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unschuldig Verurteilte zu rehabilitieren. Cullen Post übernimmt seinen Fall. Er ahnt nicht, dass er sich damit in Lebensgefahr begibt. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

John Grisham gehört zu den wenigen Autoren, die nicht nur nicht aufhören können/wollen zu schreiben, sondern dabei auch kontinuierlich hohe Qualität abliefern. Dabei hat Grisham zwar in der Masse „Anwalts-Romane“ geschrieben, aber hin und wieder auch mal etwas anderes versucht. „Die Wächter“ ist aber wieder ein Klassiker und hat auch das Zeug dazu, einer zu werden.

Wir folgen Cullen Post, einem Anwalt, der sich auf die Unterstützung derer spezialisiert hat, die zu unrecht verurteilt wurden. Das kommt nicht von ungefähr, gehört John Grisham selbst doch zum „Innocence Project“, einer Non-Profit-Organisation, die genau das tut.

Wie man sich schon denken kann, verhilft es einem Anwalt, so gut er auch in seinem Fach ist, nicht zu Reichtum, wenn er ausschließlich in diesem Bereich tätig ist. Zum Glück gibt es allerdings auch Menschen, für die der Job Berufung ist und nicht nur eine Geldquelle.

Eigentlich war Post auch ursprünglich in einem anderen Feld tätig, das war aber für ihn nicht mehr zu ertragen. Entsprechend lebt unser Anwalt in dieser Geschichte nun sehr spärlich eingerichtet und weder in Saus noch in Braus. Und von den Tausenden, die sich an ihn und seine Kollegen wenden, sind die meisten tatsächlich schuldig. Man kanns ja mal versuchen. Allerdings ist es auch wesentlich einfacher, jemanden für etwas zu verurteilen, als ihn zu entlasten. Von daher ist die Anzahl der tatsächlich erfolgreich entlasteten Fälle mit acht doch sehr überschaubar.

In seinem aktuellen Fall befasst er sich mit einem farbigen Amerikaner, der vor 22 Jahren unschuldig für den Mord an einem weißen Anwalt verurteilt wurde und der neunte Fall werden könnte. Wer eigentlich dafür verantwortlich war, das erfahren wir … wie gefährlich dieses Drogenkartell ist, auch. Folglich ist allein schon die Aufarbeitung dieses Cold Case für unseren Anwalt gefährlich … denn die wahren Täter sind auf freiem Fuß, wo sie auch bleiben möchten.

Und so begleiten wir den Anwalt, der von der Unschuld seines Klienten überzeugt ist, auf seiner Reise … auch im wörtlichen Sinn … durch diesen clever zusammengestrickten Fall, in dem jeder seinen eigenen Dreck am Stecken hat und jeder möchte, dass unser Klient auch weiterhin für ihn im Knast bleibt.

Das Hör-Erlebnis:

Charles Brauer liest vor. Klar macht er das … aber leider klingt es für meinen Hörgeschmack auch immer mal wieder genau so. Das abgehackte Lesen mit den unnötig langen Sprechpausen bei jedem Satzzeichen (und auch, wenn es gar keins gibt, sondern offenbar im Skript einfach nur ein Zeilenumbruch steht) bremst das flüssige Hörerlebnis und unterbricht jede Stimmung. Als wenn das Lieblingslied auf dem Player alle drei Sekunden einen Blupser hat … so was stresst schon nach kurzer Zeit.

Und irgendwie hatte ich die ganze Hörzeit über das Gefühl, ich höre jemandem zu, der in einer abgedunkelten Sprecherkabine sitzt und dabei die Brille auf die Nasenspitze vorgezogen hat. Mit einer angenehmen Stimme, absolut, aber manchmal zu unaufgeregt … ambitioniert und bemüht vorgelesen, aber nicht als selbst erlebt verkauft. Wie eine Gute-Nacht-Geschichte, an deren Ende die Kinder ja schlafen sollen und nicht senkrecht im Bett stehen, weil die Story so lebendig rübergebracht wurde.

Bei Dialogen können die meisten Hörbuchsprecher aber immer punkten, weil sie mehr Schauspiel vor dem Mikro zeigen (dürfen/können) als bei den Zeilen dazwischen. Leider bietet Charles Brauer hier kaum bis keine hörbaren Unterschiede zwischen den Figuren an, sodass ein späteres Wiedererhören schwer ist … und wenn er nicht nach dem Satz erzählen würde, wer da grad gesprochen hat, hätte man auch das nicht so einfach erkennen können. Dennoch klingt sein Vortrag an diesen Stellen um einiges authentischer, weil er ein wenig mehr aus sich herausgeht und die Gefühlswelt der Figuren besser ins Kopfkino des Hörers transportieren kann.

Aber halt nur ein weig.

Der Autor:

John Grisham hat 30 Romane, ein Sachbuch, einen Erzählband und sechs Jugendbücher veröffentlicht. Seine Bücher wurden in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.(Verlagsinfo)

Der Sprecher:

Charles Brauer, geboren 1935, ist durch seine Rolle als Hamburger Tatort-Kommissar Brockmöller einem breiten Publikum bekannt. Der vielseitige Schauspieler ist ein beliebter Hörbuchsprecher und hat u. a. In einer Person von John Irving sowie allen John-Grisham-Thrillern seine Stimme geliehen. (Verlagsinfo)

MP3s und Booklet:

Die MP3s liegen in 192 Kbps und 44.1 kHz in Joint Stereo vor. Die Dateinamen beginnen mit einer dreistelligen, aufsteigenden Nummer. Dann folgt ein Unterstrich, der Nachname des Autors, ein weiterer Unterstrich und das Wort „Waechter“. Im ID3-Tag der Dateien finden wir den Titel des Romans, den Autorennamen, den Namen es Sprechers und das Herstellungsjahr. Schön wäre an dieser Stelle noch das Cover gewesen. Vielleicht ist es ja vergessen worden. Auf den CDs ist leider auch keine Coverbild-Datei zu finden, die sich der Hörer selbst in die MP3s basteln könnte.

Auf ein Booklet hat der Verlag verzichtet. Wenn die Verpackung auseinandergeklappt wird, finden wir weitere Infos zur Handlung, zum Autor und zum Sprecher (der sympathisch lächelnd von einem Foto blickt) sowie etwas Verlagswerbung.

Mein Fazit:

Grisham kann es noch immer. Und offenbar gehen ihm auch die Ideen für fesselnde und berührende Storys noch lange nicht aus. Die gefährlichen Ermittlungen unseres Non-Profit-Anwalts Cullen Post konnten mich prima unterhalten und ich gehe davon aus, dass wir dem guten Mann in weiteren Romanen bestimmt noch einmal wiederbegegnen werden.

Im Gegensatz zu John Grisham konnte mich Charles Brauer dabei leider nicht wirklich begeistern. Seine Stimme ist angenehm .. ich vermute, das wird der Grund sein, warum er immer wieder vom Verlag als Sprecher ausgewählt wird. Aber er nuschelt hier, verzögert da viel zu oft und zu lange und geht vor allem dort nicht genug aus sich heraus, um das Hörbuch zu einem tollen und aufregenden Erlebnis werden zu lassen, das mich nicht abschalten lassen will. Ich habe etwas die Begeisterung für die Story vermisst, die Fähigkeit, mich davon zu überzeugen, er würde die Geschichte selbst erlebt haben und für mich persönlich nacherzählen. Ich hätte mir mehr Feuer und Schauspiel vor dem Mikro gewünscht, das Synchronsprecher anbieten und auch gute Hörbuchsprecher zeigen sollten.

Das soll nicht heißen, dass sein Vortrag unhörbar langweilig und monoton ist, das nicht … nur mir persönlich (im Vergleich zu den vielen anderen Hörbuchsprechern gerade aus dem amerikanischen Sprachraum) immer mal wieder zu gleichmäßig, ruhig, gemächlich, distanziert und unaufgeregt. Dass er den verschiedenen Charakteren bei den Dialogen keine hörbar unterscheidbaren Eigenschaften verleiht, fügt sich da leider gut ein.

Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass mir irgendwelches Wissen fehlen würde, auch wenn die ungekürzte Fassung des gleichen Sprechers gut zwei Stunden länger ist.

Gekürzte Lesung auf 2 MP3-CD
Spielzeit: 11:50 Std.
Originaltitel: The Guardians
Aus dem Amerikanischen von Kristiana Dorn-Ruhl, Bea Reiter, Imke Walsh-Araya
Gelesen von Charles Brauer
1. Auflage, März 2020
ISBN: 978-3-8371-4611-0

www.randomhouse.de/Verlag/Random-House-Audio

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