Margit Hahn – Hautnah. Erotische Erzählungen

Erotische Fantasien vor 22 Jahren

Hautnah“ bietet Erzählungen über die moderne Liebe anno 1997 und ihre unverhofften Glücks- und Schattenseiten, kaum eine mehr als zehn Seiten lang: Es sind konzentrierte Bestandsaufnahmen des facettenreichen Themas, getränkt in bitteren, zuweilen grausamen Realismus, wie er einer Wiener Autorin gut zu Gesicht steht.

Die Österreicherin Margit Hahn ist Jahrgang 1960, also bereits knapp sechzig Jahre alt. Sie lebte anno 2001 in Wien und Klosterneuburg. Zuletzt erschien von ihr „Der männliche Blick“ (1999). Sie lebt in Klosterneuburg. 2001 ist der Roman „Tarot Suite“ im Deuticke Verlag erschienen. (Quelle: https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/margit-hahn/)

Die Erzählungen

Das Begehren der Frauen, d.h. der jeweiligen Erzählerin, trifft oftmals auf die Verweigerung, den Liebesentzug der Männer. Kein Wunder, dass sie dann auch den Verweigerer bestrafen – meist recht schmerzhaft. Die Tatorte sind die Straße, Hotelzimmer oder Kaffeehäuser. Und wenn’s dann doch mal klappt, etwa mit einem älteren Kellner, schwupps, ist er nach vollbrachter Tat schon wieder verschwunden. Wie soll bei solchen Verhältnissen ein anständiges Mädchen zu einer Familie kommen?

Es kann auch anders laufen, denn es ist bei Margit Hahn nicht so, als ob Frauen ein Reservat oder einen Bonus hätten. Sie bekommen auch ihr Fett weg. Da ist beispielsweise Petra, die sich in einen betuchten älteren Arzt verguckt hat, der ihr nur seine Visitenkarte in die Hand drückte und sich dann nie wieder meldete. Verkehrte Welt – er wartet auf ihren Anruf! Sie gehen paar Mal miteinander essen, dann lädt er sie zu sich nach Hause ein.

Nun scheint der große Tag für Petra gekommen, sie schmeißt sich in Schale. Doch dann der Empfang: die Dame des Hauses erwartet Petra bereits, der Ersehnte steht freundlich lächelnd daneben, und natürlich darf Petra das gewünschte Lieblingsgericht essen, Kartoffelpüree in drei Variationen – lediglich der Geschmack lässt zu wünschen übrig… Immer noch gute Miene zum bösen Spiel machend, sinkt Petra vor den neugierigen Augen der Lady und ihrer Kinderschar leblos zu Boden, ein Vorführobjekt im Anschauungsunterricht zum Thema „Leben und Tod“.

Tückische Frauen

Nicht bloß Männer wie dieser hinterlistige Arzt haben ihre Tücken, sondern auch Frauen. Da ist die vermeintliche Rivalin Sibylle, die sich an Manfred, den Gatten der Erzählerin, ranschmeißt. Die Gattin bangt bereits um den Fortbestand ihrer Ehe, als Sibylle mal bei ihr selbst reinschaut – wie nett! Man kommt ins Gespräch, schüttet sich sogar einander das Herz aus und landet schließlich gemeinsam im Ehebett – wie nett.

Weniger nett ist die Wiener Domina, die von einem ihrer Untergebenen um eine Todeserfahrung gebeten wird. Doch wie soll der womöglich Verblichene sie denn bezahlen? Bei Selbstmord zahlt die Lebensversicherung nicht. Also muss ein Sparbuch her, und der Mord kann in aller Gemütsruhe ausgeführt werden – eine recht endgültige Todeserfahrung zwar, aber Auftrag ist schließlich Auftrag.

Mein Eindruck

Es gibt noch eine Reihe weiterer grausam-erotischer Geschichten, aber sie sind in der gleichen Tonart gehalten. Die besten davon – etwa die um Petra – erinnern an Roald Dahls hinterlistig-grausame Stories, etwa in seinem Erzählband „Kuschelmuschel“.

Schwächen

Leider aber kann die Autorin diesen hohen Anspruch nicht immer einlösen, man merkt es den Geschichten an, dass sie aus verschiedenen Schaffensperioden stammen. Der absolute Tiefpunkt für mich waren die extrem hölzernen und völlig unrealistischen Pseudo-Dialoge bzw. Monologe in „Sibylle“. Dann wieder findet sich ein geschliffener Wortabtausch in der nächsten Story.

Unterm Strich

Die Erzählungen könnten ob ihrer Kürze meist in modernen Frauen- oder Männermagazinen gedruckt werden (wurden es wohl auch), doch angesichts der hohen Qualität der längeren Story „Helmut“ – das ist die um Petra, das arme Versuchskaninchen – wartet man gespannt auf längere Werke von Margit Hahn (siehe oben).

Es gibt eine grafische Ausstattung für diesen schmalen, teuren Band: Zeichnungen mit grobem Strich stellen Szenen wie von Egon Schiele dar: die nackte Liegende, das Liebespaar (aber mit Hund), den wichsenden Mann (mit Fisch im Mund), die lockende Stehende mit hoch gehobenem Kleid. Man denkt sofort an Marilyn Monroe mit wehendem Kleid über dem U-Bahn-Schacht.

Renitente, unzufriedene Frauen werden diese Stories mit Genuss lesen, Männer wohl weniger. Das Buch muss man aber nicht kennen, denn von Exponenten des Erotik-Genres wie Regine Deforges oder Erica Jong ist Margit Hahn noch ein gutes Stück entfernt. Das Buch ist nach 22 Jahren im Online-Handel zu Niedrigstpreisen zu bekommen.

Taschenbuch: 124 Seiten
ISBN-13: 978-3453189287

www.heyne.de

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