Die drei ??? – Botschaft von Geisterhand (Folge 95)

Ende der Neunzigerjahre erholte sich die Jugendserie langsam von einem leichten Formtief, in welches man fiel, kurz nachdem sich die drei Fragezeichen von ihren amerikanischen Wurzeln trennten bzw. trennen mussten. Man war mittlerweile am Scheideweg zur Moderne angelangt und es schien, als müsse man erst den richtigen Dreh wieder finden. So sind insbesondere unter den Folgen 50 bis hinauf zu 90 überproportional viele bestenfalls mittelmäßige und sogar die wirklich unbestritten schlechtesten Geschichten der drei Fragezeichen überhaupt anzutreffen. Stichwort: „Todesflug“. Wie dem auch sei, um die Jahrtausendwende herum war man wieder im Aufwärtstrend – Folge 95 von 2001 passt ganz gut in die Reihe solider Produktionen.

Zur Story

Die drei Detektive erhalten einen geheimnisvollen Brief, der augenscheinlich nichts enthält – keine Schrift, keinen Hinweis. Einfach: Nichts! Alle bekannten Methoden, um etwaige Geheimschriften sichtbar zu machen, versagen kläglich und schaden dem leeren Schreibmaschinenblatt mehr, als das es Klarheit bringt. Während die drei sich noch den Kopf zerbrechen, was das alles soll, klärt sich das Rätsel von selbst: Das Telefon klingelt und ihre „alte Freundin“ Jelena Charkova eröffnet ihnen, nicht ohne eine gute Portion Häme, dass sie längst auf die drei Jungs warte – das würde aus dem Brief doch hervorgehen. Nonchalant gibt sie sich als die Absenderin des Briefes zu erkennen, der in der Tat mit einer neuen Geheimtinte aus ihrer Chemie-Giftküche geschrieben wurde. Jelena hat die drei ??? offenbar als Versuchskaninchen benutzt, um zu erfahren, wie gut ihre Formel funktioniert.

Allen Animositäten zum Trotz sollen die Jungs aber antanzen, denn sie habe einen Fall für die Fragezeichen. Sie hat zufällig in einem Telefongespräch mitbekommen, dass ein wertvolles und geheimnisvolles Buch – Das „Popol Vuh“ – gestohlen werden soll. Es handelt sich genau genommen um eine sehr alte Originalübersetzung und nicht das eigentliche Popol Vuh selbst. Der Aufbewahrungsort des Buches war dem aber leider nicht zu entnehmen gewesen, jedoch hat Jelena bereits herausgefunden, wem das Buch seit einer kürzlich statt gefundenen Auktion gehört. Die Zeit drängt, denn der geplante Diebstahl steht unmittelbar am nächsten Tag bevor. Dr. Arroway ist die derzeitige Besitzerin des Buches und ihres Zeichens Spezialistin für die Kultur der Quiche-Maya. Sie ist dank Jelenas Vorarbeit leicht zu finden, und so erreichen die vier ihr Haus Just-In-Time, um sie zu warnen.

Doch Dr. Arroway denkt gar nicht daran, dass Buch weg zu schließen, sie will die Gelegenheit nutzen und einen gewissen Palmer Dixon – einen ihrer hartnäckigsten Konkurrenten auf diversen Auktionen, den sie übrigens auch für den mutmaßlichen Dieb hält – auf frischer Tat ertappen und ihn so endlich loswerden. Daher beschließt man, für den nächsten Tag eine Falle zu stellen. Doch Erstens kommt es oft anders und Zweitens, als man denkt. Noch am gleichen Abend verschwindet das Buch einen Tag vor dem eigentlichen Termin spurlos aus dem Arbeitszimmer. War Dixon wirklich der Täter? Wenn ja, warum hat er früher als geplant zugeschlagen? Welches Geheimnis birgt diese alte Übersetzung des Popol Vuh? Diesmal sind die Detektive sogar zu viert, um die mysteriösen Umstände zu klären. Kleine Rivalitäten beleben dabei das Geschäft ungemein.

Eindrücke

Diese Folge beschert den Helden aus Rocky Beach ein Wiedersehen mit Jelena, was zwangsläufig zu kleinen Reibereien und verbalen Schlagabtuuschen mit Justus sorgt. Diese sind recht witzig umgesetzt, bei Peter und Bob ist man manchmal wirklich nicht sicher, für wen sie Partei ergreifen. Gerade Bob scheint ein gesteigertes Interesse an dem am Rollstuhl gefesselten Mädel zu haben, was teilweise richtig schön schleimig wirkt. Leider ist dem aufmerksamen Hörer bereits nach einer Viertelstunde klar, wer hinter allem stecken muss. Dieser Verdacht hat sich am Ende dann auch bestätigt. Schade, das ist ein wenig zu offensichtlich. Nur das Wie ist eben noch nicht geklärt. Die drei Jungens tappen diesmal auch ziemlich im Dunkeln und sind auf dem Holzweg, während Jelena den Fall quasi im Alleingang löst – die erste Reaktion nach der Auflösung lautet daher: „Was für’n Schrott!“

Beim erneuten Hören muss man der Folge jedoch einen nicht geringen pädagogischen Wert zugestehen. Man ist so dermaßen daran gewöhnt, dass Justus der unbestrittene Intelligenz-Held ist, dass man fast automatisch voreingenommen ist, wenn die Serie mal nicht nach dem gewohnten 08/15 Schema abläuft und sich jemand anderes die Lorbeeren einheimst. Zudem lernt man auch in diesem Hörspiel wieder etwas. So erfährt man etwas über das Popol Vuh, das es wirklich gibt (es ist so etwas wie das ägyptische „Amduat“ – landläufig auch „Totenbuch“ genannt); dass auch die drei ??? mal daneben liegen können und natürlich, dass Rollstuhlfahrer beileibe nicht doof sind – schließlich löst ja Jelena das Rätsel noch vor Supergenie Justus, Peter und Bob.

Die Sprecher sind ausnahmslos gut, von dort gibt es keine Patzer zu vermelden. Der kleine schwelende Konkurrenzkampf der im Grunde recht ähnlichen Charaktere von Justus und Jelena ist oft herzerfrischend. Beide müssen ihrem Umfeld stets beweisen, dass Äußerlichkeiten nicht zählen, sondern die Persönlichkeit – Justus wegen seiner Leibesfülle und Jelena wegen ihrer Gehbehinderung. So gesehen steckt in der Folge tatsächlich mehr, als man auf den ersten voreingenommenen Blick sieht bzw. hört. Musik und Sound sind auffällig unauffällig.

Es haben sich jedoch ein paar Unglaubwürdigkeiten eingeschlichen: Da wäre einmal das Verstauen von Jelenas Rollstuhl im Kofferraum von Bobs VW Käfer (sic!). Dann lackiert der Hauptverdächtige innerhalb nicht mal eines einzigen Tages seinen kompletten Wagen „mal eben“ um und last but not least knackt Justus das Passwort von dessen Computer quasi im Vorbeigehen.

Fazit

Ein treffenderer Titel wäre „Das Buch der Maya“ o.ä. gewesen, „Botschaft von Geisterhand“ klingt etwas zu hochtrabend und hat kaum Bezug zum Inhalt. Immerhin beginnt der Fall mit einer geheimnisvollen Botschaft und somit ist der kleine Etikettenschwindel legitimiert und der Spannungsbogen geschaffen. Leider hält diese Spannung nur kurz an, denn wer ein wenig aufpasst, hat beinahe die ganze Lösung des geheimnisvollen Raubs schon früh erahnt. Dass die drei Detektive diesmal den Fall nicht wirklich lösen, ist zu verschmerzen und sogar ziemlich innovativ. Höhere Weihen als „gehobener Durchschnitt“ kann Nummer 95 aber wegen der vorhersehbaren Lösung und kleinerer Fehler nicht erreichen, kratzt aber schon an der serieninternen Oberliga.

Die Hörspieldaten auf einen Blick:

Titel: „Die drei ??? – Botschaft von Geisterhand“ (Folge 95)
Buchvorlage: André Marx
Erscheinungsjahr: 2001, EUROPA (Sony BMG)
Lauflänge: ca. 60 Minuten
Buch & Effekte: André Minninger
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Musik: J.F. Conrad, Morgenstern, Zeiberts
Cover-Illustration: Silvia Christoph

Die Figuren und ihre Sprecher:

Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrczeck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Jelena Charkova: Alexandra Doerk
Mr. Charkov: Klaus Dittmann
Dr. Lou Ann Arroway: Sona Cervana
Janet Welsh: Ute Rohrbeck
Tom Gordon: Philip Hoeir
Palmer Dixon: Utz Richter