Nadine Boos – Der Schwarm der Trilobiten (D9E)

Mit Nadine Boos begeben wir uns wieder in eine Zukunft, in der die Erde von einer unbekannten Macht unterjocht wird. Doch der achte Expansionszyklus der Eroberer endete mit Erreichen der Erde, so dass es noch viele freie Welten und Menschen gibt, die auf unterschiedliche Arten mit dem Los ihres Ursprungsplaneten umgehen. Boos führt uns in einen Weltenzusammenschluss, das Konsortium, das matriarchisch regiert wird und den Kontakt zur Erde bereits vor der Unterwerfung durch die geheimnisvollen Hondh abbrach. Nun mehren sich die Hinweise, dass die neunte Expansionswelle in naher Zukunft starten wird – Grund für das Konsortium, den vorsichtigen Kontakt mit der Erde zu suchen und so viel wie möglich über den Feind in Erfahrung zu bringen. Damit sind sie nicht allein: Neben anderen menschlichen Organisationen treffen sie auch auf bisher unbekannte nichtmenschliche Spezies, die sich nicht unterjochen lassen wollen. Ein heikles Spiel um Bündnisse, Vormachtstellung, Wirtschaft und Spionage beginnt …


Nadine Marina Boos
wurde Anfang der Achtziger geboren, studierte Wissensmanagement und arbeitete mehrere Jahre in öffentlichen Bibliotheken, während sie mit ihrer Familie aufs Land zog und sich dort mittlerweile ganz dem Schreiben und der Wolle widmet. Zwei Wege, im wahrsten Wortsinn zu »spinnen«. Ihre Kurzgeschichten wurden mehrfach für die einschlägigen Genrepreise nominiert. »Der Schwarm der Trilobiten« ist ihr erster Beitrag zur shared-Universe-Reihe »Die neunte Expansion«; unter ihrem zweiten Vornamen veröffentlichte sie den Jugendroman »Die Nacht der Geparden«.

Band 1: Eine Reise alter Helden

Der Roman beginnt mit einem fremdartigen Wesen in einer fremdartigen Umgebung bei fremdartigen Gedanken und bietet damit im ersten Kapitel etwas, was die meisten Science-Fiction-Leser einsammeln und an die Lektüre binden dürfte: Eine phantastische Welt, in die man sich hineindenken kann und sollte, die das innere Tor der Fantasie aufstößt und dahinter mit Träumen, Ideen, Bildern wartet. Das ist die Ebene von Kalmi, einem Wasserwesen, das sich von ihrem Schwarm löst und auf die Suche nach einem Rückzugsort, einem Wasserplaneten geht, der in der kommenden Expansion der Hondh keine Rolle spielt. Sie reist in einem organisch anmutenden Schiff in Form eines Trilobiten – womit sich auch schon die Titelherkunft ergibt. Denn der Schwarm Kalmis selbst, das Volk der Asmini, wird nicht mit Trilobiten assoziiert.

Aber eigentlich geht es um Beatrix Darjeeling, genannt Trixi, die in der Erbfolge des Darjeeling-Matriarchats nach ihrer amtierenden Großmutter steht, derzeit im zarten Alter von wenigen Jahren in den Zwanzigern aber ganz andere Interessen verfolgt und keinen Bedarf an der arrangierten Hochzeit mit dem Sprössling des konkurrierenden Unternehmens hat. Sie wird von Boos als querköpfiges Mädchen geschildert, das versucht, zwischen den Intrigen und Machtspielchen ihrer Familie einen eigenen Weg zu finden und sich zu behaupten. Begleitet wird sie dabei von einer Anstandsdame und zwei Technikern, die grundverschieden in ihren Arbeitsweisen sind. Ein klassisches Quartett also für den Haupthandlungbereich des Romans, und Boos versteht es, über Nebenstränge die Verquickung aller Interessengruppen zu skizzieren, die sich auf dem zusammengeschusterten Raumschiff Trixis, der Skolopendra, fokussieren.

Band 2: Das Haus der blauen Aschen

Dadurch entwickelt sich zügig ein Bild, in das sich die unterschiedlichen Ereignisse einpassen – wie die Beschreibung der Asmini und ihres Zusammenlebens wächst auch dieses Bild der menschlichen Erzählebene organisch, natürlich, in sich beeinflussender Aktion und Reaktion. Was sich in klassischen Space Operas oft als nebensächlich darstellt oder meistens komplett unerwähnt bleibt, nämlich die wirtschaftlichen und politischen Zwänge, die so eine Mobilmachung auf ein instabiles Machtsystem ausübt und wie die Parteien trotz der Bedrohung ihrer Welt, ihres Lebens, noch taktieren, um nach dem potenziellen Krieg an Boden gutgemacht oder ihre Stellung gehalten zu haben, macht Boos zur Grundlage der Erzählung in den Nebenbereichen und zeigt so ihr Bild dieses isoliert existierenden Konsortiums und des Netzes, dem sich ihre Protagonistin zu entziehen versucht. Untätig müssen wir dabei zusehen, wie Trixi sich durch ihre Bemühungen immer mehr in diesem Netz verstrickt, daran wächst und sich schließlich mit ihrem aufgedrängten Verlobten arrangiert. Denn die Manöver, die Boos über die Matriarchin Bronja ausführen lässt, um Trixi einzuordnen, führen letztlich für sie zu exklusiven Erkenntnissen. Ich unterstelle der Autorin einfach mal, dass sie diese Tatsache voraussehen konnte und damit das Ziel verfolgte, ihrer Protagonistin doch noch mehr Freiheit zu verschaffen, als Bronja ihr zugedachte.

Es gibt dann doch noch zwei Kritikpunkte, die der aufmerksame Leser sicher schon bemerkt hat: Der Titel »Der Schwarm der Trilobiten« ist etwas irreführend, denn es gibt keinen derartigen Schwarm, sondern die Asmini leben im Schwarm und schicken ihre trilobitenfömigen Raumschiffe als Kundschafter aus, also muss man von einem Marketingtitel ausgehen. Zumal die Asmini zwar wichtig für die Geschichte sind, aber doch eher nicht die Hauptrolle spielen. Und der Klappentext spricht von einer ausgebrochenen Revolte, die tatsächlich noch im Entstehen begriffen ist. Aber von dieser Kleinigkeit abgesehen ist es ein Musterstück von Klappentext, der wenig verrät aber Zusammenhänge knapp und präzise darstellt. Toll!

Band 3: Kristall in fernem Himmel

Ein Wehrmutstropfen ist die plötzliche finale Fokussierung der Ereignisse. Immerhin können wir im nächsten Beitrag von Nadine Boos tiefer gehende Erkenntnisse und eine Weiterführung der Charakterisierungen erwarten, wenn sie uns wieder mitnimmt auf die angekündigte Reise der Skolopendra. Freuen wir uns auf ein Wiedersehen mit Trixi, Kalmi und Co., denn diese Geschichte birgt noch Potenzial für echten Sense of Wonder!


Die neunte Expansion, Band 4 (unabhängig)
Taschenbuch, 278 Seiten
ORIGINALAUSGABE
Titelbild von Ernst Wurdack
ISBN-13: 9783955560133
Wurdackverlag
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