Niklas Peinecke – Die Seelen der blauen Aschen (D9E)

Eingebettet in den phantastischen Kosmos der Shared-Universe-Reihe Die neunte Expansion, führt Niklas Peinecke mit dem vorliegenden zweiten Band seine Trilogie um die junge Astrophysikerin Farne fort. Es ist die Zeit der erneut anwachsenden Bedrohung durch die Hondh, die ihr Imperium in 500-jährigen Zyklen ausdehnen und nun seit bereits fünfhundert Jahren die Erde und weite Teile der ehemaligen irdischen Hegemonie beherrschen. Nun mehren sich die Anzeichen für den nächsten Zyklus, mit dem sie die Randwelten der Menschheit bedrohen. An vielen Ecken der letzten freien Lebenssphäre sammeln die Menschen Informationen und sind auf der Suche nach Möglichkeiten, die neunte Expansion abzuwehren. Dabei versteht es der Gegner, mit Hilfe menschlicher Agenten die Bemühungen zu torpedieren, so dass sich schließlich eine Organisation etabliert mit dem Ziel, die verschiedenen Anstrengungen zu koordinieren und den Widerstand zu bündeln: Die Den-Haag-Stiftung, die auch in dem Unternehmen Farnes potenziellen Nutzen für die Hondh-Forschung sieht und ihre Expedition unterstützt.

Die Aschen-Trilogie

1 Das Haus der blauen Aschen
2 Die Seelen der blauen Aschen
3 Die Sonne der Seelen


Was bisher geschah:

Gegen politische Widerstände und trotz mysteriösen personellen Umstellungen in ihrem Team startete Farne eine Expedition zu einem bisher als braunen Zwerg verzeichneten Himmelskörper der ERC-Reihe. Was sie dort fand, überstieg alle Erwartungen: Eine gigantische, gasriesengroße, künstliche Sphäre, die wie aus filigranen Fäden in einem geometrischen Muster aufgespannt zu sein schien und doch Ursprung weitreichender elektromagnetischer Signale war. Dabei bestand das Gerüst aus kilometerdicken Rohren, die somit eine enorme Oberfläche boten für eine künstliche Biosphäre, und tatsächlich waren sie weitläufig von fremder Flora bewachsen, und auch Tiere und menschenähnliche Wesen bevölkern zu Millionen diese Welt.

Im Inneren des Gebildes stieß Farne auf eine verlassene Stadt, die ihrerseits in die Wälder der Streben eingebettet lag. Als auffälliges Merkmal lag dort eine Insel inmitten einer Wasserfläche, und darauf der Zugang zu einem weit in die Strebe hineinreichenden Bauwerks, das die wichtigsten Hinterlassenschaften der Erbauer enthielt. Unverständliche Maschinen, sarkophag-ähnliche Behälter voller humanoider Körper in einer langen evolutiven Reihe, was den Eindruck erweckte, die Birkenleute seine das Endprodukt einer genetischen Umwandlung und Anpassung an diese Sphäre, nachdem ein unvorstellbarer Unfall das Projekt, um was auch immer es sich gehandelt haben mochte, zunichte machte.

Und nebenbei kämpfte Farne, vor allem unterstützt durch ihren treuen Freund Karman, gegen die Infiltration der Hondh, vertreten durch die über dubiose Wege in ihr Team versetzte Ärztin Parka Lear – und verlor ihre Crew, ihr Schiff und ihre Zukunft, als Parka sie in der Sphäre zurück ließ …

Das Haus der blauen Aschen

Im zweiten Band kehren die Kontrahenten nach Ercan, der Sphäre, zurück: Parka, um Farne umzudrehen und für ihre Sache zu gewinnen sowie um den Auftrag ihrer Herren, die Sicherstellung technischer Errungenschaften, zu erfüllen. Hackbot, eine KI, die Parka auf ihrer ersten Flucht verfolgen sollte, um Farne vor der verstärkten Hondh-Intervention zu schützen und eine KI-Liebe zu retten. Und schließlich das Den-Haag-Institut in Form eines Enisatzkommandos, um ebenfalls an die technischen Hinterlassenschaften der Sphären-Erbauer zu kommen. In diese letzte Gruppe findet auch ein alter Freund Farnes Zutritt, der vor der ersten Expedition unter tragischen Umständen verschollen war und nun in Sorge um die junge Frau ihre Rettung vorantreibt.

Es kommt zu einem nicht ganz friedlichen Stelldichein der verschiedenen Parteien und zu Kämpfen, Verfolgungsjagden und Morden. Zu Farnes Glück hat sie fähige Unterstützer, die der rigorosen Parka dicht auf den Fersen oder auch einen Schritt voraus sind. Die Verfolgungsjagden führen die Parteien in die Unterwelt der Sphäre, das heißt, ins Innere jener Strebe, die das Haus der blauen Aschen trägt. Dort finden sie unerwartet mächtige Artefakte und stoßen auf Geheimnisse, die sowohl dem Wesen der Sphäre und ihren Bewohnern, als auch dem Wesen der Hondh auf die Spur führen. Wer im Ringen um die Vormachtstellung letztlich die Überhand gewinnt, wird der abschließende Band der Trilogie zeigen.

Eigentlich führt das Ende des ersten Romanes zu keinen notwendigen Erneuerungen. Das heißt, mit der Abwesenheit Parkas, Wurms und Hackbots erhält Farne etwas Zeit, die Stadt und das Haus der blauen Aschen zu erforschen. Dass außerdem die sympathische KI Karman wieder aus seiner Starre erwacht, bringt die Lösung der Rätsel beträchtlich weiter. Dazu unten mehr, widmen wir uns zunächst der Konstellation der Kontrahenten.

Parka erringt erneut die Macht über das KI-Konstrukt Wurm, was durchaus einige reizende Begegnungen zu schildern erlaubt, die für Wurms Eigenarten die Spielwiese bieten. Plottechnisch ist allerdings die Abwesenheit Parkas von der Sphäre wenig notwendig: Die Aufstockung ihres Personals bringt wenig Freude und erweist sich als Füllmaterial, aus dem Peinecke einige Tote und ein paar Kämpfe generiert. Allerdings nutzt er die kurze Phase der beiden auf der Welt Athena, um Parka weiter zu charakterisieren, was ihm zu einigen schönen Abschnitten über Wurm verhilft, zum Beispiel wenn sie ihren Unterkiefer aushakt oder im Casino ein Auge herauspult, um anderen Spieler in die Karten zu gucken. Das hat mich doch zu herzhaftem Lachen gereizt und über die schwierige Anfangsphase, die der Wiedereingewöhnung in den D9E-Kosmos, speziell der Farne-Trilogie diente, hinweg geholfen.

Als neue Partei führt sich ein Schiff der Den-Haag-Stiftung ein, was leider auch keine großen Pluspunkte bringt. Der alte Freund Farnes gelangt so auf die Sphäre, er bringt allerdings nur störende Affektivität ins Geschehen und ist eher der Faktor, auf den man gern hätte verzichten können. Immerhin eröffnet dieses Schiff der Heldin die Option, die Sache lebend und erfolgreich zu überstehen, was nach dem Ende des ersten Bandes durchaus zweifelhaft erschien.

Der Schwarm der Trilobiten

Von Anfang an interessant gelingt Peinecke dagegen die Schilderung Hackbots. Die KI, die wir als Menschenhasser und Fatalisten kennengelernt haben, hatte bekanntlich einen kleinen Ausflug in Nadine Boos‘ Roman »Der Schwarm der Trilobiten« unternommen, ehe es ihm gelang, nach Athena zurückzukommen und seine Rückkehr nach Ercan einzuleiten. Diese Episode, die ihn auch auf einen gewieften Gebrauchtschiffehändler treffen lässt, führt sowohl Hackbot als auch den Leser mit Leichtigkeit in die Geschichte zurück. Überhaupt bietet Hackbot einen Gutteil der interessanten Geschichte des Romans.

Farne ist eigentlich mehr ein Bindeglied zwischen der Geschichte der drei anwesenden KIs denn von tragender Wichtigkeit. Trotzdem gelingt es Peinecke, sie zu einem Sympathieträger aufzubauen, was ihm ansonsten mit wenigen der menschlichen Figuren gelingt. So ist ihr Begleiter Hanner überflüssiges Beiwerk, der sich gern weiter mit dem Zusammenkratzen essbarer Algen beschäftigen darf. Farne stößt auf ihrer Suche mit Parka in der Innenwelt der Strebe auf ein Artefakt, das die Wichtigkeit für beide Seiten ins Unermessliche steigert. Es ist so etwas wie ein Füllhorn für jeden, der es in die Finger bekommt – bleibt zu hoffen, dass keine der Seiten in dieser Hinsicht Erfolg hat.

In Form einer Erzählung offenbart Karman seine Erkenntnisse, die er aus den Seelen der blauen Aschen, eigentlich gespeicherte Bewusstseinsinhalte von einstigen Lebewesen, bezieht. Das ist im Übrigen der wichtigste Abschnitt des Romans, erfährt man in ihm doch Zusammenhänge über das Wesen der Hondh und ihrer Motivation, die für dieses Universum von umfassender Bedeutung sein dürften. Unklar, da nur angedeutet, bleiben natürlich die Details, da uns die Serie noch lange beschäftigen soll. Trotzdem deuten sich hier Metaebenen an, die die Komplexität des Serienhintergrundes auf ein neues Niveau heben. Ich bin sehr gespannt, ob sich meine Schlüsse zu diesem Kontext bewahrheiten.

Erzählungstechnisch am interessantesten bleibt die Umwandlung der KIs mit Hilfe der eingelagerten Körper der blauen Aschen. Ohne zu viel verraten zu wollen kann ich nur andeuten, dass sich hier eine weitere Überraschung verbirgt, die Peinecke in den dritten Roman um Farne gerettet hat und so mit einem gemeinen Cliffhanger endet, der das kommende Jahr sehr strapazieren wird. Hoffentlich gelingt ihm der Einstieg in den letzten Band flüssig und atmosphärisch so dicht, dass man sich in das rätselhafte Gefühl am Ende dieses Mittelteils zurück versetzen kann, denn hier erhält Wurm eine tragende Rolle, auf deren Ergebnis ich wirklich gespannt warte.

Insgesamt trägt der Roman alle Lasten des Mittelteils einer Trilogie und macht es dem Leser anfangs nicht leicht, sich in die Geschichte einzufinden. Die Informationshappen und die sympathische Darstellung der KIs machen den zähen Anfang gut wieder wett und generieren die Spannung auf den dritten Teil; kleine Ungereimtheiten in den actionlastigen Episoden sind schnell vergessen, dafür bleiben die humorvollen Einlagen, die vor allem auf Wurms Konto gehen, umso deutlicher im Gedächtnis. Parka schließlich wird zu einer tragischen Figur, die trotz ihrer teilweise unerwarteten Gleichgültigkeit eine der starken Charaktere ist. Hoffen wir auf ein unkitschiges, ihrer Figur angemessenes Ende im nächsten Band und auf eine Vertiefung der Erkenntnisse, die Karman und Parka offenbart wurden und über Wurm eine neue Ebene erreichen könnten.

Für Sense of Wonder, die starken Charaktere und die interessanten Offenbarungen gibts 5 Sterne, dagegen gibt es Abzüge für ein paar nervige, weil überflüssige Figuren und den schwächeren Teil der Handlung, womit ich einen Durchschnitt von 3,5 vergebe.

Taschenbuch, 259 Seiten
ISBN-13: 9783955560157
Originalausgabe
Januar 2015
Titelbild von Ernst Wurdack
Wurdackverlag

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