Roger Zelazny – Im Zeichen des Einhorns (AMBER 3)

Fantasy-Krimi trifft ‚Game of Thrones‘

Amber ist die unsterbliche Stadt, nach deren Vorbild alle Städte geformt wurden. Alle anderen Welten, auch die Erde, sind nur Schatten dieser einen Realität. Das Wappen Ambers zeigt das Einhorn…

Neun Prinzen in Amber sind definitiv acht zuviel. Der Kampf um den vakanten Thron König Oberons ist voll entbrannt. Als Corwins Bruder Caine im Wald hinter dem Palast von Amber tot aufgefunden wird, kann Corwin zwar eine Ork-ähnliche Kreatur als Täter identifizieren und töten, aber wer würde ihm schon glauben, dass er nicht selbst der Mörder ist? Er wendet sich an seinen Bruder Random, dem er halbwegs vertraut. Zusammen müssen sie versuchen, Corwin zu entlasten, indem sie den wahren Mörder finden, der die Kreatur ausgesandt hat…

Der Autor

Während Roger Zelazny, geboren 1937, eher für seine ausgezeichneten Science-Fiction-Romane und Novellen („He Who Shapes“, 1965, oder „A Rose for Ecclesiastes“, 1966, ebenfalls HUGO) bekannt ist, wird seine Fantasy weniger geschätzt. Eine Ausnahme bilden die zehn Romane aus dem AMBER-Zyklus. Es gab sogar Fortsetzungen von der Hand anderer Autoren.

Sein Roman „Fluch der Unsterblichkeit“ („This Immortal“ ) ist ein echter Klassiker des Science-Fiction-Genres. Das 1966 veröffentlichte Buch wurde ausgezeichnet mit dem HUGO Award, und ebenso erfolgreich war er ein Jahr später mit „Herr des Lichts“. Zu Ende seiner Laufbahn veröffentlichte er zahlreiche, wenig erfolgreiche Kollaborationen mit anderen Autoren, so etwa mit Philip K. Dick und Fred Saberhagen. Zelazny starb 1995.

Der erste AMBER-Zyklus:

Vol. 1: Nine Princes in Amber, 1970, dt. Corwin von Amber, Heyne, 1977, ISBN 3-453-30432-2.
Vol. 2: The Guns of Avalon, 1972, dt. Die Gewehre von Avalon, Heyne, 1977, ISBN 3-453-30445-4.
Vol. 3: Sign of the Unicorn, 1975, dt. Im Zeichen des Einhorns, Heyne, 1977, ISBN 3-453-30466-7.
Vol. 4: The Hand of Oberon, 1976, dt. Die Hand Oberons, Heyne, 1978, ISBN 3-453-30500-0.
Vol. 5: The Courts of Chaos, 1978, dt. Die Burgen des Chaos, Heyne, 1981, ISBN 3-453-30743-7.

Der zweite AMBER-Zyklus:

1) Die Trümpfe des Jüngsten Gerichts
2) Das Blut von Amber
3) Zeichen des Chaos
4) Ritter der Schatten
5) Prinz des Chaos

Weitere wichtige Werke

1) Herr des Lichts
2) Fluch der Unsterblichkeit
Und viele weitere.

Die (überlebenden) Unsterblichen von Amber

A) Die Damen

1) Florimel (Flora)
2) Deirdre
3) Fiona
4) Llewella

B) Die Männer

1) Corwin
2) Eric
3) Random
4) Julian
5) Bleys
6) Gérard
7) Caine
8) Brandon (Brand)
9) Benedict

Handlung

Als Corwin seinen Bruder Caine im Wald hinter dem Palast von Amber tot auffindet, kann Corwin zwar eine Ork-ähnliche Kreatur als Täter identifizieren und töten, aber wer würde ihm schon glauben, dass er nicht selbst der Mörder ist? Zumal er eine entsprechende Einladung bei der Leiche gefunden hat, die seine Unterschrift trägt. Er wendet sich an seinen Bruder Random, dem er halbwegs vertraut. Random beteuert, ihm schließlich zu glauben, dass er an Caines Tod unschuldig sei. Doch die Frage lautet, wer steckt dann hinter dem heimtückischen Anschlag steckt. Ist es wieder der Fürst der Schatten, der Corwin schon einmal überlistet hat?

Um ihm zu helfen, erzählt Random ihm die lange Geschichte seiner eigenen Erfahrungen in der Welt der Schatten außerhalb von Amber. Random wollte seinem Bruder Brand zu Hilfe kommen, der ihn per Telepathie gerufen hatte. Doch Brand war in einem Turmverlies gefangen, das von seltsamen, halbmenschlichen Kämpfern verteidigt wurde. Als sei sein Bruder nur ein Köder, stürzen sie sich auf Random, um ihn zu töten.

Eigentlich sollten ihm seine Fähigkeiten als Prinz von Amber die Flucht ermöglicht haben, doch diese Kämpfer überstanden sogar Felsstürze und sämtliche Weltwechsel, die Random bewerkstelligen konnte. Erst die Hilfe des längst verschollen geglaubten Corwin erlaubte es Random, seinen hartnäckigen Häschern zu entkommen. Fazit: Der Gegner verfügt über schlagkräftige Truppen.

Dies ist, wie Corwin erkennt, Teil der Vorgeschichte zu den Abenteuern, die Corwin im ersten Band seiner Chronik erzählt hat. Random erklärt unter anderem, wie es kam, dass ausgerechnet Eric auf den Thron seines verschwundenen Vaters Oberon gelangte – mit Unterstützung Julians und mit Einwilligung Randoms.

Nun ist es Corwins Aufgabe, zwei und zwei zusammenzuzählen: die Häscher, die Random verfolgten und Brand gefangen hielten; die Schwarze Straße aus der Hölle, die nun bis zum Fuße Ambers führt; der Schwarze Fürst, der sich als Dara verkleidet hatte und mit List auf das MUSTER gelangt war, um die Macht eines Prinzen zu erlangen. Und nun die Ermordung Caines. Gehört all dies zusammen? Wenn ja, dann steckt ein teuflischer Plan dahinter, der seit Jahren gegen Amber vorangetrieben worden ist.

Familienrat

Bei einer Art „Familienrat“ zeigen sich die beiden Fraktionen. Die eine Gruppe glaubt nicht an Corwins Unschuld an den zahlreichen Todesfällen in jüngster Zeit, die andere, schwächere, glaubt ihm. Aber Corwin legt dar, dass es einen Familienangehörigen, der ebenfalls an diesem Rat teilnehmen sollte, nämlich der gefangene Brand. Indem sie alle zusammen Brands trumpf aktivieren, durchdringen sie die magische Barriere und gelangen in Brands Verlies. Gerard und Random holen ihn aus seiner Zelle, und in letzter Sekunde gelingt es, die dicke kette, die Brand fesselt, zu zerreißen.

Der Befreite ist jedoch keineswegs in Sicherheit, als er in die Bibliothek von Amber stürzt. Er erhält von unerkannter Hand einen Messerstich in den Rücken, der ihn niederstreckte. Nun, mit solcher Heimtücke musste man wohl rechnen, sagt sich Corwin. Nachdem sich eine der Schwestern um die Blutung gekümmert hat, lässt er Gerard Brand in einem sicheren Burgzimmer unterbringen und gesundpflegen. Offenbar will jemand verhindern, dass Brand etwas ausplaudern kann, das mit Verrat zu tun hat.

Dolchstoß

Nach einem feierlichen Schwur, jeden Verräter zu verbannen, den die Familie leistet, begeben sich alle auf ihre Zimmer. Doch Corwin ist weiterhin auf der Hut. Schließlich ist der Attentäter, der es auf Brand abgesehen hatte, nicht entlarvt worden. Als er sein dunkles Zimmer betritt, wird er aus den Schatten neben einem Kleiderschrank heraus attackiert. Schon wieder ein Messer! Doch die Zeit verlangsamt sich, bis er der Klinge nahezu in Zeitlupe folgen kann – die Macht des „Juwels des Geschicks“ zeigt sich in höchster Not.

Kaum hat sich die im letzten Augenblick abgelenkte Klinge in seinen Unterleib gebohrt, wird sein Körper in eine der Schattenwelten gerissen…

Mein Eindruck

Dieser Band des AMBER-Zyklus weist eine völlig andere Struktur auf als seine Vorgänger. Er ist seinem Mittelteil, der vom Familienrat bestritten wird, ein Whodunit-Krimi klassischen Formats, wie wir es von Autoren wie Agatha Christie her kennen. Die Story erinnert dann an ein Kammerspiel.

Die Berichte zweiter Prinzen ergänzen die Beweislage dieser rein in Dialogen geführten Ermittlung und entführen den Leser weit hinaus in die Schattenwelten, so dass es hier keineswegs langweilig zugeht. Die drei Attentate sorgen zudem für reichlich Spannung. Diese Spannung ist Teil des Spannungsbogens, der den ganzen ersten AMBER-Zyklus zusammenhält.

Random erzählt von Brands Gefangenschaft, doch wer hat den Prinzen gefangen und eingesperrt? Diese Frage muss geklärt werden, sobald der – erneut verwundete Prinz befreit und nach Amber geholt worden ist. Aber auf welcher Seite steht Brand, und welchen Zweck will er mit seiner eigenen Erzählung erfüllen? Er berichtet von gleich zwei Verschwörergruppen, die den vakanten Thron an sich reißen wollten – er gehörte zu einer davon.

Geschickt versteht es Brandon, den Namen des eigentlichen Verräters seinem gespannten Zuhörer Corwin (der mittlerweile von der Erde zurückgekehrt ist, allerdings schwer lädiert) bis zum Schluss vorzuenthalten. Danach wird klar, dass zwei Familienmitglieder durch verdächtige Abwesenheit glänzen. Doch da sie durch ihre Trümpfe nicht zu kontaktieren sind, ist es sinnlos, sie verfolgen zu wollen. Corwin hört auf seine Berater Random und Ganelon.

Deshalb beschließt er, einen weiteren Prinzen auf die Probe zu stellen: Benedict, der angeblich keine Enkelin namens Dara hat, die im vorigen Band Corwin um den Finger wickeln und zu verführen wusste. In einer sehr stimmungsvollen Szene begibt sich unser Chronist nach Tir nan Og, das Land der Jugend, wo die Elfen für immer existieren. Und siehe da: Benedict verfügt über eine neue, mechanische Hand aus Silber (à la Gofannon der Schmied, eine Gestalt der keltischen Legenden) und sieht sehr vertraut aus mit Dara, die auf Ambers Throns sitzt. Wie die Szene ausgeht, darf hier nicht verraten werden, aber sie stellt die großen stilistischen Fähigkeiten des Autors unter Beweis.

Juwel der Macht

Das „Juwel des Geschicks“, das der jeweils aktuelle Regent in Amber tragen darf, hängt Corwin um den Hals, seit der sterbende Eric es ihm in Band 2 vererbt hat. Es wurde von dem Magier Dworkin angefertigt, der ebenso spurlos verschwunden ist wie König Oberon. Doch Prinzessin Fiona warnt Corwin vor den unerwarteten Eigenschaften des Juwels, das für den Leser eine große Ähnlichkeit zum Einen Ring der Macht aufweist, das bei Tolkien vorkommt. Dieses Juwel jedenfalls manipuliert die Zeit, zieht dem Träger aber (wie könnte es anders sein?) bei jedem Einsatz einen Teil seiner Lebenskraft ab. Dass Corwin es dennoch hilfreich einsetzen, zeigt sich bei dem heimtückischen Anschlag in seinem Zimmer in Amber.

Über Kartenmagie, Telepathie, Teleportation und Realitätsformung habe ich bereits in meinem Bericht zu Band 2 „Die Gewehre von Avalon“ geschrieben. Die Trümpfe dienen als gegenständliche Werkzeuge für diese Techniken. In diesem Band tritt nun das Einhorn, Amers Wappentier, als Trumpf auf, aber auch in persona, um die verirrte Truppe aus Corwin, Random und Ganelon aus der Wildnis wieder auf den rechten Weg zurückzuführen. Aber wer hat sie überhaupt erst dorthin geschickt und wo befinden sie sich nun? Diese Fragen dürfte der nächste Band „Die Hand Oberons“ beantworten, der nahtlos mit der gleichen Schlussszene anschließt.

Leseprobe:

„Langsam schwang der Felsen aus seiner geraden Bahn, begann die Kurve nach rechts zu beschreiben. Die Biegung wurde immer enger, bis der Stein schließlich direkt auf meine Verfolger zuraste, wobei sich meine Geschwindigkeit allmählich erhöhte. Als ich mich auf sie stürzte – es waren etwa zwei Dutzend – liefen sie klugerweise auseinander. Einige von ihnen schafften es dennoch nicht und wurden zermalmt.

Ich ließ den Stein durch eine zweite Kurve schwingen und kehrte so schnell wie möglich zurück. Ich hatte die Gruppe schon fast erreicht, als ich bemerkte, dass einige Männer während der ersten Attacke an Bord gesprungen waren. Der erste, der sich über die Kante schwingen konnte, zog prompt seine Klinge und bedrängte mich.

Ich blockte ihn ab, schlug ihm die Waffe aus der Faust und schleuderte ihn in die Tiefe. Dabei bemerkte ich zum ersten Mal den Dorn auf dem Handrücken dieses Wesens, denn mit dieser Spitze hatte er mir eine Verletzung beigebracht.“ (Klappentext der deutschen Heyne-Ausgabe)

Die Übersetzung

Dieser wunderschön gestalteten, mit goldenem Schnitt versehenen Neuausgabe des uralten Heyne-Bandes liegt teils die alte Heyne-Übersetzung von Thomas Schlück zugrunde. Aber Klett-Cotta hat den gekürzten Text, in dem ganze Sätze fehlten, überarbeitet und um die gekürzten Teile ergänzt. Aus 170 sind nun 271 Seiten geworden!

Die altertümliche Diktion aus den siebziger Jahren wurde modernisiert, so dass hier endlich auch mal deftig „gekotzt“ werden darf. An Drastik und Unverblümtheit lässt der neue Text nichts zu wünschen übrig. Der moderne Leser könnte aber weiterhin über Fechtbegriffe wie „Riposte“, „Quarte“ und „Parade“ stolpern, die wider Erwarten nicht erklärt werden. Da hilft nur Nachschlagen in der Wikipedia.

Unterm Strich

Der Hauptteil dieses Bandes wird von einer Whodunit-Szene bestritten, in der der Familienrat derer von Amber herausfinden will, was eigentlich Sache ist und wer wem noch über den Weg trauen kann. Es gibt einen mysteriösen Mordfall, der noch während der Ratssitzung um einen tückischen Anschlag auf den befreiten Prinzen Brand ergänzt wird.

Noch in der gleichen Nacht muss sich Corwin, unser Chronist, einer weiteren Messerattacke entgehen, indem er sein Juwel des Geschicks benutzt. Merke: Es herrscht dicke Luft bei diesem Vorbild zu „Game of Thrones“, bei dem vielleicht sogar George R.R. Martin ein wenig abgekupfert hat. Roger Zelazny hat ihm jedenfalls ebenso wie Agatha Christie gezeigt, wie man ein Spiel um die Macht fachgerecht inszeniert.

Die Neuausgabe

Die Überarbeitung der alten Heyne-Übersetzung hat aus 170 auf einen Schlag 271 Seiten gemacht, was nur 30 Seiten unter dem Durchschnitt von 300 Seiten liegt. Da der Band kürzer ist als sein Vorgänger, lässt er sich auch in etwas kürzerer Zeit bewältigen. Die Folgebände haben einen ähnlichen Umfang.

Die Neuausgabe des Klett-Cotta Verlags ist wunderschön gestaltet. Der Schnitt ist der jeweiligen, vorherrschenden Farbe des Bandes angemessen: Der Schnitt des ersten Bandes ist apfelgrün, der des zweiten goldgelb – dieser dritte Band hat einen zinnoberroten Schnitt. Die Schrift des Titelbildes ist erhaben geprägt und im jeweiligen Farbton gehalten, beispielsweise rot, goldgelb, blau usw.

Die Titelbilder aller fünf Bände sind auf der Innenseite des hinteren Einbandes zu finden. Die Grundierung des Titelbildes imitiert Pergament, und darauf ist jeweils ein Prinz abgebildet. Jeder Prinz ist mit den Insignien abgebildet, die im Tarot-Spiel enthalten sind, das Corwin bei Flora entdeckt, also mit Waffen, Mantel, Rüstung, Hut usw. den jeweils passenden Farben. Eric etwa ist ganz in Rot und königlichen Purpur gekleidet, Corwin ganz in Schwarz und Silber.

An dieser sorgfältigen Ausstattung kann der auf Games stehende Leser ablesen, dass jedes Titelbild als Spielkarte fungieren soll, das zu einem Satz Spielkarten gehört. Da jeder Spieler auch ein heimlicher Sammler ist, bietet es sich an, den kompletten Satz an „Karten“ zu erwerben- zum stattlichen Preis von 12 Euronen pro Stück. Man sieht: Auch bei den Verlagen setzt sich das Prinzip der Gamification durch. Aber das kann dem Fan von Fantasy von schönen Büchern und feiner Fantasy nur recht sein.

Empfehlung

Ich kann diesen 3. AMBER-Band allen Lesern empfehlen, die gerne mal moderne Fantasy lesen möchten, die nicht versucht, den „Herrn der Ringe“ oder den „Hobbit“ zu imitieren und doch mit Action, Humor und Amouren aufzuwarten versteht. Also so etwas wie „Game of Thrones“ oder „Die Chroniken von Osten Ard“.

Taschenbuch: 271 Seiten
Info: Sign of the Unicorn, 1975
Aus dem US-Englischen von Thomas Schlück, gründlich überarbeitet
www.klett-cotta.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)