Frankenstein. Teil 1 und 2 (Gruselkabinett 12 & 13)

Das Jahr ohne Sommer.

1816 schleuderte ein Vulkanausbruch seine Asche in die Atmosphäre und kühlte das Klima deutlich ab, weshalb, so verrät uns der Prolog dieses nostalgischen Zweiteilers, bis in den Hochsommer hinein Schnee fiel. Während dieser finstren Zeit saßen unter anderem Lord Byron und die 19-jährige Mary Shelley beisammen und gruselten sich zu einem Band alter deutscher Geistergeschichten. Es wurde der Beschluss gefasst, Ähnliches zu vollbringen, aber nur Mary Shelley brachte ihr Werk zu Ende: „Frankenstein oder: Der moderne Prometheus“.

Zombie-Eulen nach Athen.

Die Geschichte des jungen Medizinstudenten Victor Frankenstein wurde schon so oft erzählt, dass eine Zusammenfassung eigentlich überflüssig sein sollte. Nicht aber, wenn sich |Titania Medien| des Stoffes angenommen haben. Schon bei früheren Adaptionen hat man dort einen großen Wert auf Authentizität gelegt, auf das Einfangen von Stimmungen, die dem ursprünglichen Werk entströmen. Wie sieht sie also aus, die Geschichte des Ur-Frankenstein?

Sie beginnt auf dem Eismeer, auf einem Forschungsschiff, dessen Kapitän den halb erfrorenen Victor Frankenstein an Deck holt. Robert Walton, selbst ein Forscher wie Frankenstein, interessiert sich brennend für dessen Geschichte, vor allem, da Frankenstein behauptet, die Forschung an sich sei Wurzel allen Übels.

Also rollt der gute Victor seine Vergangenheit aus, erzählt von seinen Eltern, von seinem jüngsten Bruder, von der adoptierten Elisabeth und seinem besten Freund Henry Clerval. Er erzählt von seinem brennenden Wissensdurst, davon, dass er dem Ursprung allen Lebens auf die Spur kommen wollte, obwohl er mit seiner frevelhaften Neugierde Angst und Unbehagen bei seinen Liebsten auslöste.

Eines Tages, so erzählt Frankenstein seinem Zuhörer, bekam er die Gelegenheit, in Ingolstadt zu studieren, tat das dann auch und stieß selbst seinen offensten Professoren vor den Kopf mit seinem Vorhaben, den Lebensfunken, den Äther zu entdecken. „Manche Geheimnisse“, raunte man ihm erschrocken zu, „sind nicht dazu bestimmt, erforscht zu werden.“

Kein Grund für den Wissenschaftler aufzugeben, im Gegenteil. Seine Kontakte zu Familie und Freunden brechen ab, selbst der Kontakt zu Kommilitonen und Professoren, er besticht den Totengräber, kauft sich Leichenteile zusammen, um schließlich jenen berühmten Flickmenschen erschaffen zu haben, den er dann auch zum Leben erweckte.

Über die Maßen bestürzt über seine monströse Schöpfung, jagt er diese hinaus in die Nacht und überlässt sie ihrem Schicksal. Victor Frankenstein erleidet vor Schock ein schweres Nervenfieber, einzig seinen Freunden verdankt er, dass er wieder gesund wurde, dass er den Kontakt zu seinen Liebsten wiederfand. Dann jedoch erreicht ihn die Nachricht von einem tragischen Todesfall, von einem Mord, begangen von unmenschlich großen Händen …

Spinnweben auf der Erzählstruktur.

Der Tagebuchstil ist ein typischer für die Romane dieser Epoche, und verbunden mit der würdig ergrauten Sprache sorgt er für ein wunderbar nostalgisches Flair, das geradezu schreit nach Rotwein und knisterndem Kaminfeuer. Auch die Orchestrierung des Soundtracks passt sich der Stimmung wunderbar an, Flöten, Pauken und Streicher sorgen für musikalische Intermezzi, während der Tonmeister eher minimalistisch ans Werk geht, dafür aber effektiv.

Etwas angestaubt allerdings ist die Erzählstruktur. Ist Frankensteins Geschichte schon eine einzige Rückblende, so erzählt Victor in dieser Rückblende, wie er eines Tages seine Schöpfung aufsucht, die ihm ihrerseits in einer Rückblende berichtet, was ihr widerfahren ist seit jenem Tag, an dem es von seinem Schöpfer vor die Tür gejagt wurde.

Eine Rückblende in der Rückblende also, und das nimmt der Erzählung gewaltig an Schwung. Die Monologe von Frankensteins Ungeheuer sind wunderbar dunkel und pathetisch, keine Frage, aber die Entwicklung von der missverstandenen, gütigen und geschundenen Kreatur zum wahren Monster hätte ich persönlich lieber in Szenen miterlebt, als sie von ihm erzählt zu bekommen.

Außerdem sind in der Geschichte einige Autorenkunstgriffe mehr als offensichtlich. Das Treffen zwischen Frankenstein und seiner Schöpfung. Woher wusste Frankenstein, wo er hingehen musste, um sein Monster zu finden? Er ahnte es. Auch die Geduld, mit der das Monster vor seinem Schöpfer sitzt, um von seinen Erlebnissen zu erzählen, passt nicht zu dem Hass, den die Kreatur empfindet; es ist schlicht und ergreifend Mittel, um dem Leser/Hörer die nötigen Infos zu vermitteln. Dann ist da noch ein gewisses Nickerchen, mitten während einer panischen Suchaktion (!!!), das genutzt wird, um der Schlafmütze belastende Indizien unterzuschieben.

Bevor mich jetzt allerdings empörte Literaturfans mit Mistgabel und Fackel davonjagen und mich der Klassikerbeschmutzung bezichtigen, werde ich gerne einräumen, dass das dem tollen Feeling der Story ganz bestimmt keinen Abbruch tut. Aber gesagt werden musste es trotzdem. Außerdem muss ich mich outen … ich habe das Original nicht gelesen, weiß also nicht, welche der Kunstgriffe aus Shelleys Feder stammen und welche bei der Hörspieladaption eingeflossen sind.

Gotischer Grusel für Wintertage.

Wie gesagt, „Frankenstein“ hat ein unvergleichliches Flair. Der moderne Prometheus fesselt auch heute noch, trotz besagt staubiger Stilmittel, trotz veralteter Wissenschaftsvorstellungen, oder vielleicht gerade deswegen. Und noch immer weiß uns Frankensteins Monster in einen Zwiespalt aus Mitleid und Grusel zu stoßen. Mary W. Shelleys Frankenstein ist tragischer Horror und mit Recht ein Klassiker. Also worauf warten? Lichter aus, Ohrensessel entstauben und Kamin anwerfen.

2 Audio-CDs
Folge 12: ca. 55 Min
Folge 13: ca. 76 Min.
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