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Andreas Eschbach – Die seltene Gabe

Als Science-Fiction-Leser kommt man ja kaum an paranormal begabten Wesen vorbei, seien sie nun als „positive Mutanten“ oder als natürlich begabt beschrieben. Oft trifft man auch auf Außerirdische, die mit Gedankenkraft Dinge bewegen oder Gedanken lesen können. Prominentes und aktuelles Beispiel sind die Yedi und Sith der Star-Wars-Saga, wobei hier diese Fähigkeiten seit Episode I leider etwas entmystifiziert wurden.

In „Die seltene Gabe“ nimmt sich Andreas Eschbach dieses Themas an, indem ein junges Mädchen der heutigen Zeit eine Erfahrung der besonderen Art macht: Sie trifft im urlaubsleeren Haus ihrer Eltern auf einen jugendlichen Einbrecher, der scheinbar von der ganzen Polizei der Stadt gesucht wird. Und dabei ist er ganz normal – bis auf seine unglaubliche Fähigkeit. Er bezeichnet sich als Telekinet, der parawissenschaftliche Ausdruck für jemanden, der Materie kraft seines Willens bewegen kann. Und er ist auf der Flucht vor französischen Militärwissenschaftlern, die ihre Forschungen an ihm betreiben wollen. Ein Fluchtweg bietet sich: Mit Marie als Geisel und mit verändertem Aussehen geht es an den Streifen vorbei, die bisher nach nur einer Person fahnden. Aber um die Ecke steht ein alter Bekannter: ein Telepath, der die Polizei mit seiner Gedankenleserkraft unterstützt!

Informationen zu Andreas Eschbach finden sich auf seiner Seite http://www.andreaseschbach.de/

Man wird langsam an die Probleme, die diese Andersartigkeit hervorruft, herangeführt; Eschbach versucht nicht, in einem kompakten Abschnitt alles zu erklären. So versteht mit uns als Leser auch die Ich-Erzählerin Marie erst durch ihre Erlebnisse, was den Jungen Armand eigentlich zum Außenseiter macht und wie er damit klarkommt. Gleichzeitig hegt das Mädchen geheime Sympathien für ihn, die durch „ihre“ Erzählung auf den Leser übertragen werden – Eschbach bearbeitet so eine Seite des Themas „Xenophobie“, ohne dass die Botschaft, tiefgründig zu verstehen und nicht vorschnell zu urteilen, plakativ ins Bewusstsein gedrängt wird. Vordergründig erzählt er eine spannende Geschichte, eine Verfolgungsjagd aus der Sicht der jugendlichen Verfolgten und von den zwischenmenschlichen Spannungen, die sich aufbauen, eskalieren – und schließlich zusammenschweißen.

Der Erzählton ist sehr überzeugend, hier erzählt eine etwa Siebenzehnjährige von einem unglaublichen Erlebnis, aber die potenziellen Leser sind schon etwas älter als diejenigen des „Marsprojekts“. Die dortigen wirklich sehr leichten Andeutungen zwischengeschlechtlicher Beziehungen beispielsweise beschränken sich auf Begebenheiten wie das Treffen Gleichaltriger; im vorliegenden Roman wird Eschbach schon konkreter, ohne ins Detail zu gehen. Im Endeffekt wird der Leser auch im Unklaren gelassen, ob die beiden nun „was hatten“ oder nicht. Mit Maries Worten: Das geht uns überhaupt nichts an!

Bei einer Verfolgungsjagd darf natürlich nicht nur die Polizei mitspielen, sondern entsprechend der Wichtigkeit und bisherigen Geheimhaltung der „seltenen Gabe“ ziehen die Geheimdienste in Wirklichkeit die Fäden. Erstaunlich ist, dass Marie im Gegensatz zu gängigen Klischees nicht bei Strafandrohung verboten wird, von ihren Erlebnissen zu erzählen, im Gegenteil: Der deutsche Agent meint dazu nur, dass ihr niemand glauben wird. Würde ihr jemand glauben, in unserer beweissüchtigen Gesellschaft? Sicherlich gäbe es ein paar Astrologen und derartige Gruppen, die sich durch so einen Bericht bestätigt sehen würden. Aber Eschbach hat Recht, wenn er behauptet, man würde es als Fantasie abtun oder als Kunststück à la David Copperfield bewundern. Schade, dass nicht mehr Raum bleibt für unbekannte Phänomene.

Zum Schluss

… bleibt noch das Fazit: Ich würde das Buch sogar für den Deutschunterricht vorschlagen, denn Eschbach ist ein Phänomen der heutigen Unterhaltungsliteratur und diese Erzählung bietet zugleich spannende Unterhaltung und Ansatzpunkte für gesellschaftskritische Diskussionen. Aber bezüglich Deutschunterricht habe ich nichts zu sagen, also lege ich das Buch einfach jedem als Lektüre ans Herz.

Andreas Eschbach – Die blauen Türme (Das Marsprojekt 2)

Mit dem superneuen Raumschiff, der BUZZ ALDRIN, kommt Urs Pigrato, der Sohn des unbeliebten Statthalters der Marskolonie, zum Mars. Und ihm zeigt natürlich keiner, wie man die Verschlüsse eines Raumanzugs richtig bedient. Das ist im Weltraum immerhin eine Selbstverständlichkeit, die man im Schlaf beherrschen muss.

Urs erwartet, von den Marskindern gut aufgenommen zu werden, aber Carl hat einen Plan ausgeheckt, wie man den Fremden wieder loswird: Einfach ignorieren! So entsteht zwischen den vier Einheimischen und Urs eine unterkühlte Atmosphäre.

Den Kindern ist momentan der Aufenthalt bei den blauen Türmen verboten, denn viele Wissenschaftler sind nun dort stationiert und versuchen, sie zu erforschen. So müssen sich die Kinder im Alltag der Station langweilen. Dort passiert auch umgehend ein Zwischenfall: Der Reaktortechniker, der an Diabetes leidet, fällt auf einem Ausflug mit dem Rover ins Koma (wegen Unterzucker). Gleichzeitig wird von einem Saboteur die Kom-Anlage zerstört, so dass niemand in der Siedlung um Hilfe gerufen werden kann. Nur Urs, der bei dem Techniker ist, findet eine uralte Notrufeinrichtung, die noch funktioniert, und kann so das Schlimmste verhindern. Jetzt kommen sich die Jugendlichen doch näher, und ihre gemeinsame Frage lautet: Wer sabotiert auf dem Mars und nimmt dabei sogar Tote in Kauf? Keiner der Einheimischen, so viel ist sicher …

Andreas Eschbach lebt mittlerweile in der Bretagne in Frankreich (im Urlaub, wie er es nennt) und schreibt dort an verschiedenen Projekten. Noch 2005 soll ein weiterer Roman zur Perry Rhodan-Serie erscheinen, außerdem ist ein Roman in Arbeit, der mal wieder ganz anders als alle anderen werden soll. Da kann man ja mal gespannt sein. „Das Marsprojekt – Die blauen Türme“ ist der zweite Band seiner Jugendbuchreihe bei Arena.

Im vorliegenden Roman entwickelt Eschbach eine Kriminalgeschichte und versteht es entsprechend, selbst erwachsene Leser aufs Glatteis zu führen – auch wenn man im Nachhinein über seine eigene Leichtgläubigkeit lächeln kann. Eschbach entwirft zwei neue Charaktere, den neuen Sicherheitschef der Kolonie und einen dubiosen Journalisten. Einer von beiden scheint der Saboteur zu sein, man meint sogar, Eschbachs Verschleierungstaktik durchschaut zu haben, doch am Ende wird man überrascht. Toll gemacht und wieder sehr spannend zu lesen.

Im ersten Band spielte die Künstliche Intelligenz AI-20 noch eine zentrale Rolle. Das nimmt Eschbach jetzt etwas zurück und stellt die Charaktere in den Vordergrund, vor allem den „Neuen“ Urs Pigrato und seinen Vater Tom Pigrato, der auf einmal gar nicht so mies zu sein scheint, denn durch die Ansicht über den Sohn erhält er neue Facetten.

Bei den Marskindern bleibt die Entwicklung auch nicht stehen. Ariana, die offensichtlich voll in der Pubertät steckt, sehnt sich nach anderen Gleichaltrigen und plant deshalb die Rückkehr zur Erde. Bei näherem Nachdenken stellt sie aber fest, dass sie ihre Freunde Carl, Elinn und Ronny gar nicht verlassen will. Da bietet sich doch der fünfzehnjährige Urs als Trainingsobjekt an, denn irgendwie wird ihr immer ziemlich mulmig im Bauch, wenn sie ihm begegnet.

Eschbach geht einen Schritt weiter in Richtung „außerirdische Lebensformen“ und hebt die Decke über Elinns Geheimnis ein wenig: Das Leuchten und die Artefakte, die sogar laut Molekularanalyse natürlichen Ursprungs sind, werden zum festen Bestandteil im Leben der Marskinder (zu denen jetzt auch Urs gehört). Wahrscheinlich erwarten uns in diesem Bereich noch einige Überraschungen in den nächsten Bänden, denn die Gefahr der Sabotage konnte fürs Erste gebannt werden, aber die Türme hüten ihre Geheimnisse gut. Da muss unsere Hoffnung auf den Kindern liegen, und Urs spielt dabei keine unwesentliche Rolle! Es macht ihn gleich sympathisch, dass er sich gegen die Spionageversuche seines Vaters sträubt.

Mit dem Marsprojekt entwickelt Eschbach eine spannende, einfach und flüssig zu lesende Geschichte um unseren sagenumwobenen Nachbarplaneten, die sicherlich noch einiges zu bieten hat. Es lohnt sich, das Projekt zu verfolgen, und die Bücher bieten Jugendlichen einen schönen Einstieg in die Geheimnisse unserer Zukunft. Ich warte gespannt auf den nächsten Band.

gebunden, 304 Seiten
Originalausgabe

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