Taylor, Andrew – verriegelte Fenster, Das

Thomas Penmarsh (Spitzname Rumpy), ein Junge von elf Jahren, ist ein unansehnliches Kind und im Umgang mit Menschen hilflos. Zu seinem Glück steht dem sozial Gehemmten sein Cousin Esmond zur Seite, der das genaue Gegenteil von ihm ist: charmant, gut aussehend, eloquent. Die beiden wachsen gemeinsam in Finisterre auf, nachdem zuerst Esmonds kleine Schwester und wenig später auch seine Mutter versterben. Finisterre – das Ende des Landes – ist der Name des Gutes in Nord-Cornwall, in dem die Penmarshs in der Nähe der Küste residieren. Rumpys verwitwete Mutter hat einen Narren an Esmond gefressen und nimmt ihn quasi als zweiten Sohn an, doch das ist kein Grund für Thomas, eifersüchtig zu werden, denn auch er verehrt Esmond und sieht in ihm einen großen Bruder, für den er alles tun würde. Das neue Familienmitglied, das aus ärmlichen Verhältnissen stammt, profitiert wiederum von der besseren finanziellen Situation der Penmarshs.

Die beiden Jungen gehen gemeinsam durch Dick und Dünn, doch als junger Erwachsener will der lebenshungrige und ehrgeizige Esmond der provinziellen Langeweile und Perspektivenlosigkeit entfliehen und zieht nach London, wo er dubiose Geschäftsideen verfolgt. Der Kontakt zu Finisterre bleibt dennoch aufrecht, und Esmonds Machenschaften in der fernen Großstadt zeitigen letztlich auch hier Auswirkungen.

Mehr als zwei Jahrzehnte später hat der mittellose Esmond mit seiner Freundin in Rumpys Haus Quartier genommen und fühlt sich als eigentlicher Hausherr. Nun, als Alice – die bei entfernten Verwandten aufgewachsene Tochter von Thomas – ihren Besuch ankündigt, sieht er seine Machtposition bedroht. Rumpy sitzt zwischen den Stühlen und hat außerdem Angst vor seinem Kind, das ihm fremd ist. Und Esmond ist kein Mensch, der tatenlos zusieht, wie sich die Dinge zu seinem Nachteil entwickeln …

Mit Sicherheit ist „Das verriegelte Fenster“ kein Roman für jene, die ein Faible für rasante Entwicklungen und plakative Spannungsmomente haben. Deshalb mutet es etwas merkwürdig an, dass das Buch im Klappentext als Psychothriller bezeichnet wird und von Taylor als einem Spannungsautor die Rede ist – so richtig „thrillt“ es hier nicht. Über lange Strecken scheint die Geschichte kaum mehr als eine in gemächlichem Tempo erzählte Biographie zu sein, die sich durch ihre Begeisterung für die Figuren und eine genaue Beobachtungsgabe auszeichnet. Erst kurz vor dem Ende kommt dann das Krimi-Element zum Vorschein. Dennoch wird es wegen der guten Schilderung der Charaktere und des Geschehens nie wirklich langweilig. Auch der Wechsel zwischen vergangener und gegenwärtiger Erzählebene sowie die gekonnt subtile Vermittlung des Eindrucks, dass da etwas unter dem oberflächlichen Schein lauert, entschädigen für die fehlende Geschwindigkeit.

Fazit: Empfehlenswert für alle, die sich für das Ausloten psychologischer Untiefen begeistern können.

_MW_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|