Yuki Fumino – I hear the sunspot (Band 1)

Inhalt:

Student Taichi, begabt, aber leider bettelarm, ist verzweifelt auf der Suche nach einem Job und trifft dabei den vermögenden Kommilitonen Kohei, der im Gegensatz zu ihm scheinbar alles hat. Doch eines hat Kohei nicht – den leichten Zugang zu seinen Mitmenschen! Seit der Mittelschule ist Kohei gehörlos und tut sich schwer mit der Gesellschaft anderer. Doch Taichi durchbricht die Barriere, die er zwischen sich und der Welt sieht… (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

‚I hear the sunspot‘ handelt von zwei jungen Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Während Taichi mit der lauten Stimme bei seinem Opa lebt und kein Geld, aber anscheinend viele Freunde hat, ist Kohei ein regelrechter Einsiedler, der sich von anderen fernhält, weil er fast taub ist. Und doch gibt es eines, was die beiden miteinander verbindet: Essen. Denn Taichi hat eigentlich immer Hunger, aber nie Geld oder Essen dabei; Kohei hingegen ist der Sohn einer Kochlehrerin und hat demnach immer eine gute gefüllte Lunchbox in der Tasche. Es ist also kein Wunder, dass die erste Begegnung dieser beiden Charaktere darin endet, dass Kohei Taichi sein Essen überlässt. Genau genommen, ist das sogar so etwas wie der Beginn ihrer Freundschaft. Denn wenig später sucht Taichi den Schwerhörigen auf, um sein Sekretär/Assistent zu werden. Was erst mal sehr hochgestochen klingt, bedeutet eigentlich nicht mehr, als dass Taichi für Kohei die Vorlesungen mitschreiben soll, weil Letzterer aufgrund seines schlechten Gehörs nicht alles mitbekommt und dadurch einige Schwierigkeiten hat. Taichi fackelt nicht einmal lange umher, sondern willigt sofort in das Angebot ein, statt Geld, in Form von Mittagessen bezahlt zu werden.

Warum Taichi anscheinend so bettelarm ist, wird leider nur bedingt beantwortet. Es bleibt zu hoffen, dass es eine genauere Erläuterung im nächsten Band gibt. Denn obwohl Taichi bei seinem Opa wohnt, erklärt das nicht, wieso in dessen Wohnung nicht einmal das Licht funktioniert. Aber wer weiß, was für eine Person der Opa ist, der seinem Enkel mithilfe eines Zeitungsausschnittes mitteilt, wo er sich gerade befindet.

Was der Leser dafür glücklicherweise erfährt, ist, warum Kohei fast taub ist und womit er dadurch zu kämpfen hat. Die Beschreibungen seiner Gedanken und Empfindungen sind wirklich gut gelungen, sodass sich der Leser in den fast tauben Mann hineinversetzen kann.

Ausgesprochen schön ist auch die Art, auf die der Manga gestaltet ist. Es ist fast so, als würden die Kapitel von einem der beiden Protagonisten erzählt werden. Sätze am Kapitelbeginn bzw. -ende wie „Damals wusste ich noch nicht“ lassen des Lesers Herz schnell höherschlagen und eröffnen die Frage, wie die Beziehung der beiden heute wohl aussieht. Diese Gestaltung ist wirklich süß und gefällt mir sehr gut. Das Gleiche gilt auch für die bildliche Arbeit. Denn davon abgesehen, dass der Manga sehr schön gezeichnet ist, wurde mit etlichen Mitteln gearbeitet, die Distanz oder Nähe verdeutlichen. So kann der Leser gar nicht anders, als mitzufühlen, wenn Kohei und Taichi sich knapp verpassen oder aber ähnliche bzw. konträre Dinge denken. Es gibt eine Seite im Speziellen, die in meinen Augen vom Text in Kombination mit der Zeichnung her so gut gelungen ist, dass ich tatsächlich weinen musste, weil die Gefühle so sehr auf mich übergesprungen sind.

Aber nun erstmal fort vom Traurigen und hin zu unseren Protagonisten. Während Kohei ein sehr ruhiger Mensch ist, der sich zurückzieht, wenn er verletzt ist, ist Taichi ein wahrer Draufgänger. Der immer hungrige Mann schlägt sogar einen anderen Studenten, weil dieser über Kohei lästert, und weist jeden zurecht, der nicht begreift, wie der fast Taube sich fühlt. Kohei wirkt sehr distanziert und teilweise auch arrogant, aber eigentlich hat er nur eine Mauer um sich herum errichtet. Wenn es unangenehm wird oder wenn er merkt, dass er allein ist, flieht er, zieht sich quasi in sich selbst zurück. Da er kaum verstehen kann, was andere sagen, fällt ihm das umso leichter, auch wenn man wohl sagen kann, dass es ihn von innen kaputt macht. Wie ein Lichtblick ist da Taichis sehr laute und von anderen als unangenehm beschriebene Stimme. Diese erreicht Kohei, der Taichi ohne Probleme verstehen kann. Taichi versucht, die Mauer einzureißen, die Kohei errichtet hat, oder zumindest darüber zu klettern, damit der Schwerhörige nicht allein ist. Und doch verhält er sich nicht so, als hätte er Mitleid mit Kohei. Diesen schmalen Grat zwischen Mitleid und wahrer Freundschaft bewältigt Taichi ohne Probleme, sodass Kohei sich tatsächlich verstanden und ernst genommen fühlt.

Da Kohei meistens allein ist, auch wenn viele Mädchen ihn toll finden, und Taichi oft von Mitstudenten umgeben ist, versucht Letzterer, mit dem Gehörlosen umzugehen wie mit jedem anderen Menschen auch. Allerdings kann es dann auch mal passieren, dass er nicht bedenkt, wie schwierig eine alltägliche Situation für jemanden, der schlecht hört und dadurch wenig Selbstvertrauen hat, sein kann. Und dennoch gibt Taichi nicht auf und unternimmt alle möglichen Dinge mit seinem neuen Freund. Kohei hingegen will Taichi und dessen Freund-/Liebschaften nicht im Wege stehen und zieht sich schnell zurück. Doch stets sieht er Taichi aus der Ferne hinterher, was wirklich süß und doch gleichzeitig herzzerreißend ist.

Allgemein ist es auch sehr süß, wie Taichi Kohei beschützt, selbst wenn er nicht dabei ist. Obwohl er selbst kein Geld und ein eher stressiges Leben mit mindestens zwei Nebenjobs hat, will Taichi scheinbar nichts Anderes, als Kohei glücklich zu sehen. In anderen Boys Love – Manga würde ein solcher Charakter nun wohl anfangen, an seinen Gefühlen zu zweifeln und sie zu hinterfragen. Nicht so Taichi. Der Student ist so naiv, dass er nicht im Geringsten darüber nachdenkt. Und doch überkommt es auch ihn, sodass er Kohei von sich und seinen Gefühlen erzählt. Allerdings ist es ihm gleichzeitig so peinlich, dass er es nicht wiederholen will und es als ‚nicht so wichtig‘ abtut, wenn Kohei ihn nicht verstanden hat. Und das wiederum ist ein kleines Trauma des Schwerhörigen, der oft mit Leuten zu tun hat, die es zu anstrengend finden, Dinge für ihn zu wiederholen. In Momenten, in denen Taichi genau das Gleiche getan hat, wollte ich ihn am liebsten zurechtweisen und nicht mit ansehen müssen, wie sehr Kohei darunter leidet.

Ziemlich weit am Ende des Manga eröffnen sich Kohei tragische Neuigkeiten, woraufhin er derjenige ist, der Taichi beschützen will, indem er sich von ihm fernhält. Gleichzeitig ist es wohl auch die Angst, Taichi zu verlieren, die den Gehörlosen dazu treibt, dem Ganzen rechtzeitig ein Ende zu setzen, um sich nicht noch mehr daran zu gewöhnen, da er sich jetzt schon freut, Taichi, wann immer es geht, sehen zu können.

Ob die beiden doch noch auf romantische Weise zueinander finden? Nun, was das angeht, will ich nicht spoilern. Es sei nur so viel gesagt: ‚I hear the sunspot‘ enthält Momente, bei denen ich weinen musste, aber auch solche, bei denen mein Herz höher geschlagen hat. Vor allem das Zusatzkapitel ‚Immer noch nicht angekommen‘ ist unglaublich niedlich.

Fazit:

Kohei ist ein sehr komplexer Charakter, wohingegen Taichi regelrecht einfach gestrickt wirkt. Einerseits mag er es nicht, wenn man ihn wie einen Behinderten behandelt und in Gebärdensprache mit ihm spricht. Andererseits kommt er anscheinend auch nicht so recht damit klar, dass Taichi ihn wie jeden anderen behandelt und quasi eingliedern will, da er ihm keine Last sein will. Doch gerade diese Komplexität macht ihn außerordentlich interessant und der Leser kann nie sicher sein, wie Kohei auf Taichis Handlungen oder Worte reagieren wird. Eines ist jedoch sicher: Dass Kohei von allen Personen eigentlich nur Taichis Stimme klar und deutlich hören kann, ist äußerst kitschig. Es wirkt fast wie Schicksal und vorherbestimmt oder so… Aber irgendwie macht es das Ganze auch süß. Was fast wie das Ende des Mangas ist. Dieses ist auch einerseits unbefriedigend, aber andererseits süß. Fakt ist jedenfalls, dass ich definitiv mehr will. Natürlich ist das Thema Gehörlosigkeit für viele Menschen ein schwieriges Thema, aber in diesem Fall ist es einfach interessant zu sehen, wie die Menschen in der Geschichte damit umgehen. Und vor allem, wie Taichi damit umgeht und was für Schwierigkeiten sich ihrer Beziehung in den Weg stellen.

‚I hear the sunspot‘ ist ein Manga, mit dem ich rundum zufrieden bin. Auch wenn die Mangaka anscheinend gerne Essen zeichnen wollte – denn unser ‚Bento-Boy‘, wie Koheis Mutter Taichi nennt, isst wirklich viel -, ging die Story sehr flüssig voran. Das Hauptaugenmerk liegt sowohl auf Koheis Schwerhörigkeit, als auch auf der Beziehung zwischen ihm und Taichi. Gerade diese Kombination macht den Manga wahrscheinlich auch so interessant, denn schon Kleinigkeiten wirken sich auf Koheis Gemütszustand und in Folge auf die Beziehung der beiden aus. Ich persönlich mag diesen Manga wirklich gerne – von der Story, den Charakteren und nicht zuletzt der Zeichnung her. Einziges Manko sind einige Rechtschreibfehler in dieser Auflage, aber ansonsten kann ich nichts daran aussetzen.

Taschenbuch: 194 Seiten
Originaltitel: Hidamari ga kikoeru
Aus dem Japanischen von Christiane Tamm
ISBN-13: 978-3551714848

www.carlsen.de

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