Hengstschläger, Markus – Durchschnittsfalle, Die: Gene – Talente – Chancen

Es ist mitunter die wichtigste Erkenntnis dieses Buches, dass ein ‚talentfrei sein‘ nicht dringend gewertet werden muss. Gleichzusetzen ist diese Feststellung noch mit dem Fakt, dass zumeist lediglich die Dinge beanstandet werden, die man eben nicht aus dem Effeff beherrscht, statt vor allem die Qualitäten zu fördern, die nachweislich vorhanden sind. Markus Hengstschläger wagt sich mit seinem teils wissenschaftlichen, teils aber auch sehr unterhaltsamen Report über „Die Durchschnittsfalle“ auf riskantes, zerbrechliches Terrain, indem er behauptet, der Mensch würde sich nur allzu gerne dem Mainstream unterordnen und mit Vorliebe in der Masse verschwinden. Doch seine Thesen kann der Autor, der bereits ausführlich über die genetische Disposition referiert hat, in seinem 185 Seiten starken Buch immer wieder treffend belegen. Sind wir Menschen also dazu verdammt, durchschnittlich zu bleiben, wenn wir uns immer wieder mit denjenigen messen, zu denen wir aufschauen, deren Gaben und antrainierte Fähigkeiten wir jedoch nie erreichen können? Oder ist es tatsächlich möglich, den kreativen Gedanken zu nutzen und uns genau in eben jene Richtung zu entwickeln, in der wir uns aufgrund von Vorerfahrungen, Leidenschaften und Interessen definitiv am wohlsten fühlen?

Hengstschläger selbst gibt auf diese Fragen zwar keine direkten Antworten, vermittelt aber in den zahlreichen Kapiteln mit all ihren leicht nachvollziehbaren Thesen genügend Denkanstöße, die das eigene Handeln in Frage stellen – und somit auch gleich die pädagogische Förderung, die bereits mit der Geburt beginnt. Sicherlich, und das zweifelt auch der Autor nicht an, spielen Gene eine gewisse Rolle und formen jene Eigenschaft, die allgemein als Talent verschrien ist. Doch gleichermaßen sind genau diese Talente kein Freifahrtschein für den Weg zum Ruhm. Populäre Vergleiche wie der mit dem Opernstar Placido Domingo oder dem Fußballkönner Lionel Messi wirken diesbezüglich zwar erst einmal weit hergeholt, verdeutlichen aber, dass spezielle Begabungen nicht viel wert sind, wenn man sie nicht bewusst ausbaut und hart an ihnen arbeitet. Dies ist keine grundlegend neue Erkenntnis, aber im Zusammenhang mit der Tatsache, dass gewisse Eigenschaften nicht miteinander vergleichbar sind, ein wichtiger Punkt. Warum sollen denn nicht auch diejenigen Qualitäten unterstützt werden, die in der großen Masse nicht das meiste Ansehen bringen? Müssen denn lediglich die Dinge im Vordergrund stehen, die sich am Ende gewinnbringend verkaufen lassen, ja gar den höchsten Lebensstandard gewährleisten und garantieren, wenn man sie zur Perfektion bringt?

Letzten Endes plädiert Hengstschläger mehr oder minder unterbewusst für die Menschlichkeit, indem er die ‚kleinen Dinge‘ ebenfalls begutachtet und ihnen Bedeutung beimisst oder aber schlichtweg dazu anhält, nicht ausschließlich das Zählbare als wertvoll zu beschreiben, sondern auch die kleinen Erfolge, die jeder Mensch ganz und gar für sich beanspruchen und erleben darf.

Andererseits versteht sich der Autor nicht als Prediger, der von der Kanzel den Zeigefinger ausstreckt. Vielmehr agiert er aus der wissenschaftlichen Sicht, verurteilt sicherlich auf eine gewisse Art und Weise, wie die Gesellschaft in ihrem Perfektionsstreben nur auf bestimmte Dinge fokussiert bleibt, weckt aber auch die Gedanken für eben jene Argumente, die für jedermann einen Wert haben können. Sein einzig markanter Aufruf besteht darin, sich nicht vom Bild des Mainstreams unterdrücken zu lassen, gewissermaßen an sich zu glauben und nicht die Wertmaßstäbe anzunehmen, die von allen erdenklichen Medien vorgegeben werden. Das kreative Gen, das jeder Person innewohnt, wird konkreter betrachtet, der Kreativitätsbegriff sehr frei interpretiert und auf das kleinste Gemeinsame heruntergebrochen – und genau dieser Aspekt verwandelt einen umfassenden Thesenbericht schließlich in eine unterhaltsame Forschungsarbeit, in der sich „Die Durchschnittsfalle“ gerne als das Schlussplädoyer verstehen darf.

Eines muss man sich lediglich vor Augen führen, wenn man sich für den Titel und die Thematik interessiert: Markus Hengstschläger ist gelegentlich unangenehm in seinem Vorgehen und animiert nicht unwissentlich zur Selbstkritik. Aber genau das ist auch gut so, denn das bloße Entertainment gehört der Masse – und laut Hengstschläger sollte es das gemeinsame Ziel sein, sich bewusst von dieser abzugrenzen und in sich selbst zu horchen. Und im Hinblick auf sein neues Buch hat er das wichtigste persönliche Ziel erreicht, indem er lediglich ein Bewusstsein für den Ist-Zustand hervorgerufen hat, wofür er trotz der gelegentlich sehr vagen Aussagen Anerkennung respektive „Die Durchschnittsfalle“ Aufmerksamkeit verdient.

|Gebunden: 186 Seiten
ISBN-13: 978-3711000224|
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