Andreas Brandhorst – Splitter der Zeit

Brillante Space Opera um einen großen Krieg der Menschheit gegen eine außerirdische Spezies
Seit Jahrhunderten muss sich die Menschheit gegen die fremdartigen Honta verteidigen, ohne zu wissen, warum sie immer wieder angreifen. Im Jahr 3233 überfällt der Feind Harkonia, einen über 8000 Lichtjahre von der Erde entfernten Kolonialplaneten. Zu den wenigen Überlebenden zählt der siebenjährige Cameron, der durch den Angriff seine Mutter verliert. Adoptiert von einem Kommandanten der Vereinten Streitkräfte, tritt er eine Laufbahn beim Militär an. Entschlossen, sich an den Honta zu rächen, sammelt er im Kampf immer mehr Erkenntnisse über den verhassten Feind. Doch die Honta scheinen den Menschen stets einen Schritt voraus zu sein. Verfügen sie über eine Technologie, die die Menschheit nicht versteht? Um die Antwort zu ergründen, muss Cameron eine ungewöhnliche Mission antreten: eine Reise ans Ende der Zeit.
(Verlagsinfo)

Eine neue Space-Opera von Andreas Brandhorst bei Fischer-Tor. Schon im Februar wird es bei Heyne und Piper weitergehen, und laut Aussage des Autors auf seiner Homepage werden alsbald 6 weitere Romane bei Heyne folgen. Dieser Autor ist einer der produktivsten und dabei interessantesten und leistungsstärksten Autoren auf höchstem Niveau, die der deutschsprachige Raum in der Science-Fiction derzeit zu bieten hat.

Aber zum vorliegenden Roman: Was bringen uns die Splitter der Zeit?


Das Subgenre Military SF wird von Brandhorst in den meisten seiner Space-Operas höchstens tangiert. Hier ist etwa die Hälfte des vorliegenden Romans mehr oder weniger klassisch dieser Unterart zuordenbar: Der junge Protagonist wird auf seinem untergehenden Heimatplaneten gerettet und von einem Anführer der menschlichen Streitkräfte adoptiert. Er schwört sich beim Anblick seiner brennenden Heimat und in Erinnerung an die in seiner Hand sterbenden Mutter, selbst als Teil des Militärs die Aliens zu bekämpfen. So wird er ausgebildet und erreicht eine besondere Gabe in der Vorahnung der gegnerischen Taktiken, die ihn bald zum strategischen Berater werden lassen.

So steigt er in der Hierarchie der Flotte auf und wird bald selbst zum Admiral, der Waisenkinder adoptiert und ausbildet. Inzwischen hat er jedoch bemerkt, dass die Fähigkeiten der Aliens unberechenbar sind. Sie scheinen mal alle Züge des Gegners im Voraus zu kennen, während sie in anderen Kämpfen wiederum völlig hilflos und überrascht agieren. Diese Diskrepanz zu erklären und zu nutzen, aber vor allem, die zunehmend stabilere Voraussicht der Aliens zu stoppen, ist fortan sein einziges Ziel. Und so erfährt er von einem Muster in der Zeit selbst, das von nur einem Wesen ausgehend die Geschichte formt und verändert, so dass die Aliens und die Menschen ewig im Krieg gefangen bleiben.

Andreas Brandhorst, geboren 1956 im norddeutschen Sielhorst, zählt mit Thrillern wie »Das Erwachen«, »Die Eskalation« und »Sleepless« und Science-Fiction-Romanen wie »Das Schiff« und »Omni« zu den erfolgreichsten Autoren unserer Zeit. Spektakuläre Zukunftsvisionen sind sein Markenzeichen. Für sein Werk erhielt er zahlreiche Literaturpreise. Andreas Brandhorst hat dreißig Jahre in Italien gelebt und ist inzwischen in seine alte Heimat in Norddeutschland zurückgekehrt. (Verlagsinfo)

Gemeinsam mit einer Königin der Aliens tritt er schließlich die Reise ans Ende der Zeit an, um diesem wahnsinnigen Wesen Einhalt zu gebieten und den Krieg zu beenden.
Dieser zweite Abschnitt ist gestaltet wie eine Fantasy-Queste, umfasst allerdings nur einen relativ überschaubaren Weg der Protagonisten, jedoch verlangsamt und aufgebläht durch Streiflichter durch die Vergangenheit Camerons, des menschlichen Admirals. Hier scheint er auf dem Weg zum Ende der Zeit Erinnerungsveränderungen zu unterliegen, man erlebt Ereignisse aus unterschiedlichen Perspektiven und in völlig unterschiedlichem Ablauf, was Brandhorst als Veranschaulichung der Unbeständigkeit der Zeit unter dem manipulativen Einfluss jener wahnsinnigen Macht benutzt. Cameron erlebt so verschiedene Möglichkeiten und ihre Auswirkungen und wird so im Verlauf seiner Queste geschult, bis sich für ihn ein gangbarer Weg der Veränderung zur Stabilisierung auftut.

Es ist immer ein faszinierendes Erlebnis, die Vielschichtigkeit der Brandhorstschen Space Operas zu durchdringen und am Ende eine schlüssige Zusammenführung zu erleben. In Brandhorsts Meisterschaft hat jedes unwirkliche Erlebnis seinen Grund, jede Erinnerung ist Teil der Auflösung der Geschichte, jedes Rätsel fügt sich in das Gesamtbild ein. Schaut man auf seine Bibliografie zurück, zeigt sich seine intensive Auseinandersetzung mit der Zeit und ihren Auswirkungen, so dass es für diesen meisterlichen Umgang mit diesen Gedankenexperimenten nicht wirklich einen Grund zum Erstaunen gibt. Doch gelingt es ihm auch jetzt wieder, sich dem Thema des Was-wäre-wenn von einer neuen Seite zu nähern.

Ein kurzer Kommentar zum Titelbild: Es ereilte uns die Kunde vom frühzeitigen Tod des Titelbildkünstlers Arndt Drechsler-Zakrzewski (https://www.arndtdrechsler.com/68/home), der mit seiner Arbeit die Science Fiction in Deutschland über Jahre hinweg wunderbar inszeniert hat. Dieses vorliegende Titelbild ist eine seiner letzten Coverarts. Unser Beileid den Angehörigen.

Dass es ein wie zweigeteilt erzählter Roman ganz unterschiedlicher Struktur ist, spricht bei uns Lesenden wohl verschiedene Geschmäcker an: Der grundständige, beinahe klassische militärische Abschnitt, dessen Ungereimtheiten auf eine Vertiefung und Ausarbeitung im zweiten Teil schon hindeuten, und der ausufernde, wie namensgebende splitterhafte Teil der Queste, der innerhalb eines Abschnitts ohne große Ereignisdichte die vertiefende Veranschaulichung der Problematik und ihre Lösung liefert.
Erzählerisch kann trotz allem der erste Teil mehr, so dass man sicherlich diesen Roman nicht unter Brandhorsts größten Werken einordnen wird. Es bleibt die Erinnerung an einen Splitter, eine feine Facette im großen Werk dieses Autors zur Auseinandersetzung mit den Rätseln der Zeit.

Paperback, 512 Seiten
ISBN-13: 9783596705740
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