Mit dem Namen Isaac Asimov (1920-1992) verbindet man in der Science-Fiction vor allem eines: Seine drei Robotergesetze sind mittlerweile legendär und auch heute noch aktuell und heiß diskutiert, wie der auf frühen Kurzgeschichten Asimovs beruhende Film I, Robot zeigt.
Ein wenig untergegangen in dem Rummel um die Robotergesetze und seine Foundation-Trilogie ist eines seiner frühesten Werke überhaupt:
Die Lucky-Starr-Serie
Der Wissenschaftler Asimov zeigt sich hier ausnahmsweise von der nicht ganz so tief schürfenden, dafür aber ganz von der unterhaltsamen Seite.
Lucky Starr ist der Held des nach ihm benannten Sammelbandes, der den Leser in sechs Detektivgeschichten quer durch unser Sonnensystem entführt – vom Mars zu den Asteroiden, von der Venus zum Merkur, bis hin zu den Jupitermonden und den Saturnringen!
Der Sammelband enthält alle Lucky-Starr-Romane Asimovs:
Lucky Starr: Space Ranger (1952)
(zuerst als „David Starr: Space Ranger“ unter dem Pseudonym Paul French erschienen)
Lucky Starr and the Pirates of the Asteroids (1953)
Lucky Starr and the Ocean of Venus (1954)
Lucky Starr and the Big Sun of Mercury (1956)
Lucky Starr and the Moons of Jupiter (1957)
Lucky Starr and the Rings of Saturn (1958)
Die ersten drei Bände wurden von Jens Rösner, die letzten drei von Ekkerhart Reinke übersetzt – und zwar vortrefflich. Offensichtlich hat Reinke sich stilistisch Rösner angepasst, die Qualität beider Übersetzungen ist tadellos und man bemerkt keinen Unterschied zwischen beiden, so etwas erlebt man leider viel zu selten.
Weltraumranger
Ein leichtes Schmunzeln kann man einfach nicht unterdrücken, führt man sich den Helden, seinen Kompagnon und gewisse Elemente der Geschichten vor Augen:
David „Lucky“ Starr ist ein Mitglied des Wissenschaftsrates, einer Organisation, die dem Schutz der Erde dient und dazu absolute Weisungsvollmachten besitzt. Zusammen mit seinem Freund „Bigman“ Jones geht er Morden und Sabotageakten nach, die das Wohl der Menschheit gefährden.
Dabei ist die Zusammenstellung des ungleichen Paares auffällig: Lucky ist klug, vernünftig, körperlich stark und – siehe Spitzname – hat auch noch Glück. Ein wahrer Mr. Perfect als Held. Ihm kommt die Rolle des Sherlock Holmes zu, sein Partner Bigman übernimmt die Rolle von Dr. Watson: Er darf für den unbedarften Leser Lucky nötigen, seine genialen Gedankengänge darzulegen und oft vorschnelle Schlüsse herauszuposaunen, die Lucky natürlich sofort widerlegt. Auch physisch ist er Luckys Gegenstück: Mit 1,55 Metern ist der auf dem Mars geborene Bigman stets auf sein großes Mundwerk zur Kompensation angewiesen. Leider ist er eben nicht Lucky, er trifft in Fettnäpfchen, wo es nur geht, und bringt sich selbst in gefährliche Situationen. Die übertrieben positive Heldenfigur Lucky Starr und sein nahezu totaler Gegenpart als Begleiter sind heutzutage überholte Klischees, in den 50er/60er Jahren waren sie jedoch durchaus üblich. Trivial, aber zumindest auf kurze Sicht garantiert unterhaltsam.
Nostalgieflair hat die Rallye quer durch das Sonnensystem ebenfalls: So geht Asimov noch vom damaligen Wissensstand aus. Zum Roman auf dem Merkur hat Asimov ein kurzes Vorwort in dem ansonsten bar jedes Vor- oder Nachwortes ausgelieferten Sammelband geschrieben: Damals ging man davon aus, dass der Merkur der Sonne stets die selbe Seite zuwendet und nicht rotiert, also eine fixe Tag- und Nachseite hat. Dies wurde kurz nach Veröffentlichung seines Romans widerlegt, Asimov merkt dies entsprechend an und bittet um Nachsicht. Interessanterweise ist die Geschichte im Venusozean unkommentiert geblieben: Ein riesiger Ozean voller exotischer Seewesen umspannt bei Asimov die Venus. Kaum zu vergleichen mit der sturmgepeitschten, höllisch heißen Venus, die wir heute kennen. Allerdings muss man anmerken: Auch der knapp zehn Jahre später gestartete deutsche Weltraumheld Perry Rhodan jagte noch Saurier in den Urzeitdschungeln der Venus.
Solche Unstimmigkeiten stören jedoch nicht wirklich, vielmehr gefällt die Phantasie, die Asimov in seine Zukunftsvisionen steckte: Tische aus Kraftfeldern zum Beispiel. Kraftfeld aus, Saugfeld ein, Kraftfeld neu aufbauen – ein perfekter, sauberer Tisch für den Schnellimbiss. Einen Tribut an die damalige Angst vor kommenden Hungersnöten stellen die Hefekulturen der Venus dar. Von Mars-Dünenbuggys bis hin zu Rückstoßpistolen zur Fortbewegung im Weltraum – Asimov hält einen recht hohen Level an technischen Details durch, ohne die soziologische Schiene (die Gesellschaft auf dem Mars unterscheidet sich erheblich von jener auf der Erde oder der Venus, mit den so genannten „Farmboys“ wie Bigman lebt in ihnen der viel gepriesene Pioniergeist des Wilden Westens weiter) zu vernachlässigen, die in unserer psychologisierenden Zeit gerne überbetont und in den Mittelpunkt gerückt wird.
Im Gegensatz zu Sherlock Holmes strotzt die Geschichte unseres Weltraumdetektivs von kleinen Naivitäten: So ist der „Wissenschaftsrat“ als aufgeklärtes, gerechtes Gremium mit uneingeschränkten Sondervollmachten über alle anderen Instanzen ein frommer Wunschtraum Asimovs. Zum Glück sind Luckys Fälle ausgefeilter. Bei einigen von ihnen kann man den Braten riechen und freut sich, wenn Lucky zu den selben Schlussfolgerungen kommt. Leider ziehen sich auch gewisse Schemata durch seine Fälle. So muss sich der Wissenschaftler Lucky von Mars und Asteroidengürtel bis zu den Jupitermonden als ganzer Kerl beweisen – und Asimov suchte wohl zwanghaft nach einem Actionelement, und so muss sich Lucky stets prügeln oder duellieren. Seine ordentlich geplätteten Opfer sind danach natürlich stets begeistert von Lucky …
Die letzten drei Bände stehen ganz im Zeichen der feindlichen Sirianer, deren Gesellschaft im Gegensatz zur irdischen Roboter ohne Ängste und Einschränkungen einsetzt. Sie sind etwas einseitig, auch zäher zu lesen als die Abenteuer auf Mars und Venus, die sich nicht von vorneherein auf einen Aspekt beschränkten und überraschendere, aber stimmige Lösungen boten. Es zeigen sich hier leider auch Schwächen der Konzeption: Die Lucky-Starr-Reihe endet nach dem sechsten Fall abrupt. Asimov hatte hier wohl noch viel mehr vor, etwa das Sonnensystem zu verlassen – darauf deuten die Kolonisten vom Sirius hin, die offensichtlich ohne Probleme zwischen Erde und Sirius reisen können. Auf dem Mars erhält Lucky zudem ein mächtiges Hilfsmittel, das Asimov wohl als Joker für künftige Abenteuer vorgesehen hat – aber Lucky verwendet es in den folgenden Bänden kein einziges Mal.
Zweite Wahl oder vernachlässigte SciFi-Nische?
Asimov erkannte wohl, wohin seine Serie führte: In endlose, ähnliche Wiederholungen des selben Detektivromanschemas. Zudem hat er es versäumt, seinem Helden Profil zu geben. Eine oft angeprangerte Schwäche Asimovs findet man auch in diesen Bänden: Keine Aliens, kein Sex. Lucky ist ein vollkommen asexuelles Wesen. Dafür verkörpert er den amerikanischen Forschungs- und Entdeckerdrang, was kein Wunder ist: Die Geschichten wurden zu Zeiten des Kalten Krieges geschrieben, Asimov nimmt des Öfteren die paranoide Angst seiner Mitbürger vor vermeintlichen kommunistischen Spionen auf die Schippe: Geht etwas schief, steht garantiert ein Spion der bösen Sirianer dahinter, die auf die Eroberung der freien, toleranten Erde aus sind (und selbst das Gegenteil verkörpern). Was sich in der Regel als Unsinn entpuppt.
Vergleicht man Lucky Starr mit den Jugendromanen eines Robert A. Heinlein, erkennt man, welch fortschrittliche Botschaft Asimov damals transportierte. Sieben Jahre später (1959) gewann Heinlein mit dem tendenziös faschistoiden „Starship Troopers“ den Hugo-Award. Die Romane um Lucky Starr heben sich hier durch ihre positive Message und erkennbaren Pazifismus davon ab – leider in oft etwas zu belehrender Weise. Man erkennt aber in Ansätzen bereits die visionäre Kraft späterer Werke Asimovs.
Der 964 Seiten starke Sammelband ist eine vorzüglich übersetzte, mit einem schönen und passenden Titelbild von Luis Royo versehene Gesamtausgabe. Störend ist die schlechte Papierqualität, ein ziemlich dünnes Klopapier, der Druck selbst ist in Ordnung und färbt nicht ab, wie man angesichts des miserablen Papiers befürchten könnte, verwunderlich ist auch der Verzicht auf jegliches Vor- oder Nachwort. Bereits in vierter Auflage erscheint Lucky Starr bei Bastei Lübbe, ein weiteres Indiz für den erhalten gebliebenen Unterhaltungswert der Serie. Asimov wurde gewarnt, die Serie könnte verfilmt werden – doch die von Seifenopercharme und niedrigen Budgets geplagten SF-Produktionen dieser Zeit waren ein Greuel für Asimov, der sich deshalb anfangs unter dem genannten Pseudonym „Paul French“ vom möglichen Horrorszenarien einer möglicherweise ebenso missglückten Verfilmung distanzieren wollte. Eigentlich schade, denn so überließ er weitgehend dem simpler gestrikten Flash Gordon und anderen Space-Ikonen dieser Zeit die Filmbühne.
Taschenbuch: 963 Seiten
www.luebbe.de
Isaac-Asimov-Fanseite: www.asimovonline.com