Interview mit Monika Felten

_X-Zine:_
Gratulation zur Fertigstellung deines neuen Romans „[Die Nebelsängerin. 635 Das Erbe der Runen“. Es ist wieder ein recht dickes Buch geworden. Wie lange hast du damit gerungen?

_Monika Felten:_
Gerungen eigentlich gar nicht. Die Geschichte schrieb sich sehr fließend.
Die ersten Ideen und ein Exposé dazu entstanden bereits im Juni 2003. Da schrieb ich noch an „Die Hüterin des Elfenfeuers“, was meine Begeisterung für den neuen Stoff allerdings nicht schmälerte. Wann immer ich Ideen hatte oder Anregungen aus dem DEDR-Team kamen, wurden diese notiert und gesammelt. So entstanden allmählich ein umfangreicher Plot für die Story und jede Menge Informationen über die Protagonisten, die Völker und das Land Nymath selbst, auf die ich später aufbauen konnte.
Ab September 2003 habe ich mich dann für sechs Monate ausschließlich der Nebelsängerin gewidmet.

_X-Zine:_
Mit dem klassischen Prinzip der Weltensprünge hast du dich auf gut befahrenes Terrain begeben. Welche Gründe waren für dich wichtig, dass deine Heldin Ajana einen Fuß in unserer Wirklichkeit hatte?

_Monika Felten:_
Ajana sollte unbedingt eine „Außenstehende“ sein, also jemand, der nicht durch seine Erziehung von den gängigen Wertvorstellungen, die in Nymath herrschen, beeinflusst ist. Nur so ist sie dazu in der Lage, die recht verfahrenen Situation, in die sie hineingerät, wirklich objektiv zu beurteilen und Verständnis für beide Seiten aufzubringen.
Das ist übrigens etwas, das ich auf dem „gut befahrenen Terrain“ der Weltensprüngen als Leser oft vermisst habe. Meist fügen sich die Protagonisten recht schnell und brav in ihr Schicksal und erfüllen ihre Aufgabe, ohne zu fragen oder gar an der Richtigkeit ihres Tuns zu zweifeln.
Ajana soll ihre Erziehung und Vorstellung von Gerechtigkeit mit in die neue Welt tragen und dort auch das Recht, ja sogar die Pflicht haben, den herrschenden Konflikt kritisch zu betrachten. Mit sechzehn ist sie alt genug, um Parallelen zu ähnlichen Situationen in unserer Welt zu schaffen (z. B. Indianer und Weiße, aber auch der Palästinenser-Konflikt in Israel). Das alles wäre kaum möglich, wenn sie in Nymath aufgewachsen wäre.

_X-Zine:_
Ist Fantasy eine Traumwelt, in der wir die Probleme unserer Welt durch Magie und Schwert lösen können?

_Monika Felten:_
Schwert und Magie sind gängige Mittel der Fantasy und für mich persönlich auch ein unverzichtbarer Bestandteil dieses Genres. Zur Problemlösung taugen sie jedoch ebenso wenig wie eine Protonenkanone in einer SF-Story. Allerdings muss man berücksichtigen, dass meine Bücher immer in einer mittelalterlich anmutenden Welt angesiedelt sind. Eine ausgeklügelte Diplomatie ist, mangels Bildung, dort nur begrenzt möglich und so eskalieren Konflikte doch recht schnell.
Nicht selten zeichnet gerade die Fantasy das Bild einer Albtraumwelt, in die sich der Leser gerade deshalb so gern begibt, weil er weiß, dass ihm die geschilderten Szenarien in der Realität kaum begegnen werden.
Wer allerdings glaubt, hieraus etwas für unsere Welt ableiten zu können, hat meiner Ansicht nach das falsche Genre gewählt.

_X-Zine:_
In Fantasy ist fast immer Gewalt enthalten. Auch in deinem Roman sterben etliche Menschen und andere Wesen auf recht brutale Weise. Ist das ein Spiegel unserer Welt?

_Monika Felten:_
In gewisser Weise schon. Ein Blick in die Geschichtsbücher genügt, um Szenarein zu finden, die kein Fantasyautor sich besser hätte ausdenken können. Barbarei und okkulte Grausamkeiten sind genauso vertreten wie Verrat und erotische Ausschweifungen. Aber man braucht gar nicht so tief zu graben. Auch heute werden wir durch die Medien ständig mit Dingen konfrontiert, die an Gewalt und Grausamkeit über unser Vorstellungsvermögen gehen.

_X-Zine:_
In einem früheren [Interview]http://www.x-zine.de/xzine__interviews.id__16.htm mit dem |X-Zine| fragten wir nach dem Konzept von Gut und Böse in der Fantasy. Welche Aussage würdest du nach der Arbeit an der „Nebelsängerin“ dazu treffen?

_Monika Felten:_
Ich halte das Konzept noch immer für ein klassisches Grundelement der Fantasy. Und immer noch erachte ich gerade die Wandlung eines vermeintlich Bösen zum Guten als eine große Herausforderung. Deshalb habe in „Die Nebelsängerin“ bewusst darauf geachtet, das „Böse“, also in diesem Fall die Uzoma, nur aus der Sicht der Vereinigten Stämme darzustellen. Es war mir wichtig, dass die Leser mit den bedrängten Menschen empfinden und deren Ansichten teilen.
Schon im zweiten Band wird sich allerdings herausstellen, dass die vermeintlich Bösen im Grunde auch nur Opfer sind und nicht wirklich Böse. „Gut“ und „Böse“ werden sich dann gegen den wahren Feind verbünden … Aber ich will da nicht zu viel verraten.

_X-Zine:_
Gibt es einen moralischen Anspruch, den Autoren an ihr Werk stellen sollten?

_Monika Felten:_
Ich denke, dass es auch in der Fantasy Tabus gibt, die nicht gebrochen werden dürfen, diese sind jedoch längst nicht so differenziert wie z. B. in den Jugendbüchern, die ich schreibe. Hier versuche ich, den jugendlichen Lesern mithilfe der Texte Werte zu vermitteln, wie z. B. Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl, damit sie etwas von dem Text „mitnehmen“ können, wenn sie das Buch zuschlagen.
In den Fantasyromanen für Erwachsene liegen die Schwerpunkte allerdings anders und die Spielräume sind auch viel größer. Die Bücher sollen in erster Linie unterhalten und eine Flucht vom Alltag ermöglichen. Dass es dabei nicht unmoralisch zugeht, versteht sich von selbst, aber wenn man als Autor zu softig schreibt, handelt man sich schnell den Vorwurf „weichgespülter Fantasy“ ein.

_X-Zine:_
Was bedeutet Fantasy nach den unglaublichen Kinoerfolgen von „Harry Potter“ und „Herr der Ringe“?

_Monika Felten:_
Das ist schwer zu sagen. Ganz sicher sind mehr Leser auf das Genre aufmerksam geworden und viele neue Fans hinzugekommen. Mehr begeisterte Leser zu haben, bedeutet aber noch lange nicht, dass sich der Stellenwert innerhalb der Literaturszene geändert hat.
Trotz aller Erfolge hat Fantasy es hierzulande immer noch schwer. Das bekommt man sehr schnell zu spüren, wenn man PR-Arbeit macht. Die großen Kultur-Medien winken meistens ab. Auch Harry Potter und Tolkiens Erfolge konnten leider nicht dazu beitragen, der Fantasyliteratur den Status des „Kulturellen“ zu geben. Viele packen sie immer noch in die gleiche Schublade wie Arzt- oder Liebesromane, die ja auch Millionen Anhänger haben, aber dennoch nicht erwähnenswert sind.

_X-Zine:_
Werden die neu erschienenen Romane an diesen Werken gemessen?

_Monika Felten:_
Ich denke (und hoffe doch) nicht. Sowohl Tolkien als auch. J. K. Rowling haben in der Literatur einen Status erreicht, an den man kaum mehr herankommen kann. Andere Autoren daran zu messen wäre schlichtweg nicht fair. Es gibt viele gute Bücher, die an die Qualität der beiden heranreichen, aber zu so einem gigantischen Erfolg gehört leider noch weit mehr, als nur ein gutes Buch zu schreiben.

_X-Zine:_
Ruft nicht jeder „Plagiat“, wenn ein Autor den Begriff „Elfe“ in seinen Roman erwähnt?

_Monika Felten:_
Das fände ich doch reichlich übertrieben. Immerhin hat Tolkien die Elfen nicht erfunden, sondern sie auch nur aus der keltischen Mythologie entliehen. Elfen gehören ebenso zur Fantasy wie Zwerge, Druiden, Drachen etc. …
Welche Völker und Wesen ein Autor für seine Bücher wählt, bleibt allein ihm überlassen. Das Reich der Mythen und Sagen bietet hier einen unerschöpfliche Quelle.

_X-Zine:_
Die Uzoma sind die dunkelhäutigen Ureinwohner dieser Welt. Sie sind keine Menschen. Auch Tolkiens Werk wird anhand der Orks mit Vorwürfen des Rassismus konfrontiert. Rechnest du mit ähnlichen Vorwürfen?

_Monika Felten:_
Eigentlich nicht. Die Vertreibung eines Volkes durch ein stärkeres, nach Expansion strebendes Volk, findet sich in unserer Weltgeschichte hundertfach wieder. Es liegt scheinbar in der Natur des Menschen, seine Artgenossen beim Kampf um Wasser- und Nahrungsquellen rücksichtslos zu verdrängen.
Wie ich aber oben schon anmerkte, habe ich die Unterdrückung eines Ureinwohnerstammes ganz bewusst als Dreh- und Angelpunkt des ersten Romans gewählt. Und ich freue mich, wenn die Story dazu beiträgt, sich mit dem Schicksal unterdrückter und vertriebener Völker auseinanderzusetzen.

_X-Zine:_
Der Hintergrund, der Titel und der Roman selber versprechen trotz abgerundeter Handlung eine Fortsetzung. Gibt es dazu schon feste Pläne?

_Monika Felten:_
Oh, ja. Fürs Erste sind drei Bände geplant. Mit dem zweiten „Die Feuerpriesterin“ (VÖ Herbst 2005) habe ich gerade begonnnen. Er wird nahtlos an den ersten Teil anknüpfen und nicht nur alle offenen Fragen des ersten Bandes beantworten, sondern auch recht überraschende Wendungen bringen. So wird man z. B. den wahren Feind erkennen und den Kampf gegen ihn aufnehmen.
Der dritte Band schließlich wird den Leser bis nach Andaurien führen, das Land der Ajabani und Djakun. Ajana wird die ganze Zeit über in Nymath bleiben. (Es wird also keine weiteren Weltensprünge geben.) Sie wird, abweichend von dem gut befahrenen Terrain, auch altern und in unserer Welt als vermisst gelten.
Ganz konkret kenne ich schon den Schluss des dritten Bandes (VÖ Herbst 2006), aber bis dahin ist es ja noch eine Weile.

_X-Zine:_
Werden wir bekannten Figuren in einer Fortsetzung begegnen?

_Monika Felten:_
Ganz sicher. Diesmal läuft die Story (anders als bei der „Saga von Thale“) chronologisch weiter. Viele der Protagonisten werden also (soweit sie das Ende des Buches überlebt haben 😉 auch wieder mit dabei sein.

_X-Zine:_
Ajana beweist als junges Mädchen schon eine ziemliche Reife, wie wird sie sich weiterentwickeln?

_Monika Felten:_
Ajana wird ja älter und durch die Erlebnisse in Nymath auch reifer.
Ist sie im ersten Band noch unsicher und auf die Hilfe anderer angewiesen, wird sie die Rolle, die ihr das Schicksal zugedacht hat, in den Folgebänden nicht nur annehmen, sondern auch darüber hinauswachsen und dabei auch eine völlig andere Einstellung zu ihrem elbischen Blut entwickeln. Dadurch erlangt sie die Fähigkeit, mithilfe der Runen weit mehr zu leisten als ihre Vorgängerinnen und wird dies auch zum Wohle Nymaths einsetzen.

_X-Zine:_
Die CD zum Roman ist sehr gut gelungen. Wie kam die Zusammenarbeit mit der Sängerin Anna Kristina zustande?

_Monika Felten:_
Der erste Kontakt kam auf der |Nord Con| 2003 zustande. Eine Hamburger Agentur suchte nach einem Fantasy-Autor, der sich für das Konzept „lesen und hören“ begeistern konnte. Also für ein Buch mit Soundtrack. Da ich meine Lesungen auch schon früher mit Musik unterlegt habe und weiß, wie wunderbar dies die Stimmungen der einzelnen Passagen unterstreicht, war ich von der Idee sofort begeistert.
Ich habe ein Konzept für den möglichen Roman entworfen und ein langes Exposé geschrieben. Die Story kam gut an und nachdem sich auch Piper für das Thema „Soundtrack zum Buch“ begeistern ließ, stand der „Nebelsängerin“ nichts mehr im Wege.
Dass wir die junge und ambitionierte Sängerin Anna Kristina für die Songs gewinnen konnten, freut mich besonders. Ich hatte kurz vor der |Nord Con| einen TV-Beitrag über sie auf Pro 7 gesehen. Ihre Stimme und Persönlichkeit haben mir auf Anhieb gefallen. Allerdings hätte ich damals nicht im Traum daran gedacht, dass ich schon so bald mit ihr zusammenarbeiten werde.

_X-Zine:_
Sind noch weitere „Nebelsängerin“-Produkte in der Mache?

_Monika Felten:_
Angelehnt an die Atmosphäre und landschaftlichen Stimmungen in „Die Nebelsängerin“ hat der Graphik-Designer Torsten Reinecke einen Kalender mit 13 phantastischen Landschaftsmotiven auf der Basis stimmungsvoller Fotos entwickelt, der schon unter dem Titel [„Mystische Welten“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3832709193/powermetalde-21 im Verlag |teNeues| erscheint. Er enthält zudem kurze Textauszüge aus dem Buch, eine kleine Runenkunde und zwölf gezeichnete Charakterstudien zu den Protagonisten und Figuren des Romans.
Ab Februar 2005 startet dann eine Puzzle-Reihe aus dem Hause |Ravensburger| mit drei Motiven zu meiner Roman-Trilogie, ebenfalls mit einer Soundtrack-CD zu jedem Puzzle. Die Motive »Falcon Wild« (500 Teile), »Magic Weaver« (1.000 Teile) und »Legend of Heroes« (1.000 Teile) werden von dem Illustrator und Charakter-Designer Alexander Jung in Abstimmung mit mir geschaffen.
Es gibt bereits auch schon Verhandlungen über ein Hörbuch, aber dazu kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nichts Konkretes sagen.
Der Roman ist zudem, wie der geneigte Leser sicher erkennen wird, in einer rollenspieltauglichen Welt angesiedelt. Hier gibt es schon erste Gedanken zu einem möglichen Rollenspiel, doch ob und wann dies Gestalt annimmt, wird nicht zuletzt der Leser entscheiden.

_X-Zine:_
Dann wünschen wir viel Erfolg und danken für das Interview.

|Dieses Interview wurde von unserem Partnermagazin [X-Zine]http://www.x-zine.de geführt und mit Zustimmung der Redaktion bei |Buchwurm.info| veröffentlicht.|