Jo Nesbø – Blood on Snow 2 – Das Versteck

Serienkiller-Dilogie mit Auferstehung

Ulf ist ein Geldeintreiber. Sein Biss ist der „Fischer“. Der Fischer ist DER Drogenhändler Oslos. Als Geldeintreiber wird man nicht unbedingt reich. Doch jetzt hat Ulf einen Weg gefunden. Glaubt er.

Zwei Probleme stellen sich: Drogenhändler lassen sich ungern reinlegen. Schicken sie ihre Killer los, braucht man ein gutes Versteck. (Verlagsinfo) Ulf denkt, er hat in der Finnmark ein gutes Versteck gefunden. Das erweist sich als Irrtum…

Die Verfilmung soll laut Verlag von Leonardo di Caprio produziert werden.

Der Autor

Jo Nesbø, geboren 1960, ist Ökonom, Schriftsteller und Musiker und gilt in seiner Heimat Norwegen als das neue Multitalent. Sein erster Roman „Der Fledermausmann“ wurde in Norwegen 1997 mit dem Riverton-Preis als bester Krimi des Jahres ausgezeichnet. Mit „Rotkehlchen“ gelang ihm der Durchbruch und seit der Veröffentlichung von „Die Fährte“ ist er ein Bestsellerautor. Inzwischen erscheinen seine Bücher in 14 Sprachen. (Verlagsinfo) Er lebt in Oslo.

Ausgewählte Romane

1) Der Fledermausmann (1997)
2) Rotkehlchen
3) Die Fährte
4) Der Erlöser (2005)
5) Das 5. Zeichen (2006)
6) Schneemann (2007)
7) Der Leopard (2009)
8) Die Larve
9) Der Sohn
10) Das Messer
11) Headhunter

Handlung

Ulf, der Geldeintreiber des Fischers, hat über 100.000 Mäuse unterschlagen und befindet sich nun auf der Flucht. Mit dem Geld in einem speziellen Gürtel reist er an die 2000 Kilometer Richtung Norden und erst kurz vor der Grenze zu Russland kommt der Überlandbus zum Stillstand: Kåsund ist ein winziges Kaff mitten in der Finnmark. Klein genug für ein Versteck, fragt sich Ulf.

Wie ein Joker aus einem Kartenspiel springt ein Same, der sich Mattis nennt, aus dem Gebüsch am Straßenrand. Er hat reichlich Grund, sich über eine Gestalt wie Ulf zu wundern: nur eine Tasche als Gepäck, keine Jägerflinte, keine Angelrute – nichts. Was also will so ein langer Lulatsch, der aus der Großstadt Oslos kommt, hier mitten im Nirgendwo? Jagdsaison ist erst im August, jetzt ist Ende Juli und die Mückenschwärme saugen einem das Blut aus.

Ulf übernachtet in der unverschlossenen Kirche, den Talar des Priesters über den Kopf gezogen. Der Sohn der Küsterin und Putzfrau weckt ihn. Knut ist schon zehn und neugierig wie ein junger Hund. Seine Mutter ist freundlicher, denn sie ist wie alle am Ort eine Anhängerin des Laestadianismus, einer strenggläubigen christlichen Glaubensrichtung. Ulf, so ist Knut schnell klar, wird bald in der Hölle brennen, denn er lügt wie gedruckt.

Die Jagdhütte

Ulfs alleinstehende Mutter Lea Sara kauft Ulf ab, dass er hier zur Jagd auf Schneehühner sei. Ohne Flinte? Sie bietet ihm die Schrotflinte ihres abwesenden Mannes an, doch Ulf zieht das Jagdgewehr vor: „Da ist die Herausforderung größer und man muss keine Schrotkörner aus dem Fleisch pulen.“ Sie gibt ihm ein exzellentes Fernglas sowjetischer Produktion mit, als Knut den neuen Gast zur Jagdhütte draußen auf der Hochebene führt, nach einem kleinen Abstecher im Krämerladen der alten Pirjo, die Ulf Proviant und Munition verkauft. Die Hütte erlaubt einen ausgezeichneten Überblick übers Gelände, und Ulf ist zufrieden. Alles, was er sieht, ist ein Rentierbock, der sein Geweih wetzt. Leider wetzt er es später auch am Türriegel, der daraufhin aus der Tür fällt. Die Tür lässt sich danach nicht mehr verschließen.

Auferstanden

Lea Sara ist zur Witwe erklärt worden, nachdem ihr Mann Hugo spurlos auf See verschwunden ist. Nun ist sie wieder frei, und prompt gibt es einen Freier. Es ist Ove, der Zwillingsbruder des Verschwundenen, sieht dem Toten überaus ähnlich, doch er ist keineswegs zimperlich. Sein Beschützerinstinkt wird in Ulf übermächtig, als er beobachtet, wie Ove Lea bedrängt. Er vertreibt Ove, aber das gibt ihm noch lange nicht das Recht, sich mit Lea Freiheit herauszunehmen, macht sie ihm klar. Und eine Heirat käme eh nicht in Frage, wo sie doch so strenggläubig ist.

Angreifer

Mattis, der Same, weiß, dass Ulf vor etwas auf der Flucht ist und sich hier versteckt. Er verlangt Geld für sein Schweigen, und Ulf muss es ihm widerwillig geben. Er gibt auch Knut eine Münze, um die Augen offenzuhalten. Als die Verfolger schließlich eintreffen – der Verräter ist vorerst unbekannt – führt Mattis sie auf einem Umweg zur Jagdhütte, so dass Ulf sie schon von weitem hören kann. Es sind mindestens drei, doch er hat nur ein Gewehr und eine Pistole. Bei einem Schusswechsel würde er den Kürzeren ziehen, soviel ist ihm klar.

Da fällt sein Blick auf den Rentierbock, den er inzwischen in seinem Verfolgungswahn versehentlich erschossen hat. Schon haben sich die Fliegen über den Kadaver hergemacht. Aber so ein großer Tierkörper würde auch einem Menschen Platz bieten, der sich verstecken will…

Mein Eindruck

Seit der Schwarzen Serie von Hammett, Chandler und ihren Nachahmern stand immer der moralisch neutrale Ermittler im Mittelpunkt. Auch Nesbös Kommissar Harry Hole bildet in dieser erlauchten Ahnenreihe keine Ausnahme, nur dass ihm mehr Privatleben als gewöhnlich zugestanden wird. In „Blood on Snow“ verlagert der Autor sein Augenmerk auf den Killer, den gewisse Ermittler bzw. Killer suchen. Diese tauchen erst spät auf. Das macht „Blood on Snow“ recht ungewöhnlich und der Leser fragt sich, mit welchen Mitteln der Autor Spannung erzeugen will.

Es gibt mehr als genug Spannung, das sei schon mal vorab verraten. Die Beteiligten werden als echte Menschen geschildert, solche, die familiäre Bindungen haben und Liebesbeziehungen anstreben und ausleben. In „Das Versteck“ stehen Tod und Leben mehr als zuvor im Mittelpunkt. Ulf alias Olav alias Jon Hansen hat den Fischer, seinen Boss, nur deshalb betrogen, weil er für seine leukämiekranke Tochter Anna die Behandlung bezahlen wollte. Doch es hat nicht gereicht, und nun muss er die Zeche zahlen.

Auch Lea Sara lebt in einer Art seelischem Zwischenreich, denn ihr Mann Hugo ist weder tot noch lebendig, sondern lediglich für tot erklärt worden. Nun kommt da ein „Südländer“ daher, der sich um sie und ihren Sohn bemüht: einer aus Oslo, mit einem zwielichtigen Vorleben. Erst als Ulf aus sich herausgeht und auf einem Ausflug von seinem Leben erzählt, sieht Lea eine Perspektive: Er ist ein guter Mensch. Das verneint Ulf entschieden.

Auferstehungen

Der Trick mit dem toten Rentierbock klappt. Aber Ulf hat eine schwere Zeit in dem Kadaver, eine Szene voll makabrem Humor. Als er daraus hervorkriecht, ist das seine erste Auferstehung. Doch um mit Lea und Knut diesem Ort entkommen zu können, ist noch eine weitere Auferstehung nötig. Als der totgeglaubte Hugo zurückkehrt und sich an seine Frau heranmacht, schließlich auch noch sein Zwillingsbruder Ove auftaucht, sieht Ulf unvermittelt seine Chance gekommen. Jetzt braucht er dringend einen Plan, um es so zu deichseln, dass er nicht wie ein Doppelmörder dasteht…

Unterm Strich

Die gute Wendung für die Hauptfigur ergibt sich nicht aus einer Schießerei, sondern aus einer inneren Wandlung. Ulf alias Olav alias Jon Hansen ist im Grunde ein ganz normaler Feigling und Opportunist wie viele andere auch. Es zerreißt ihm das Herz, einen anderen zu „expedieren“, also ins Jenseits zu schicken. Das macht ihn zu einem schlechten Schuldeneintreiber und Killer.

Aber diesmal ist dieser gute Kern seine Rettung. Lea erkennt ihn ihm eine gute Seele und ihren Freifahrschein aus der moralischen Enge ihres provinziellen Kaffs am Rande der Welt. Zusammen erleben sie einige Verwandlungen, bis Ulf einen genialen Plan umsetzen kann, der sie beide und Knut in die Freiheit führen wird, irgendwo in Stockholm. Der zweite Roman erfüllt kaum irgendwelche Erwartungen, die sich an US-amerikanischen Vorbildern wie Chandler und Hammett orientieren, sondern erfreut und überrascht vielmehr mit einer inneren Wandlung des Erzählers, die den Weg in die Freiheit ermöglicht. Vorerst.

Punktabzug gibt es für den exorbitant hohen Preis von knapp 13 Euronen, den der deutsche Verlag für rund 250 Seiten (von denen etliche leer sind, weil sie vor einem Kapitelanfang stehen) verlangt. Dieses Buch eignet sich als E-Book besser statt auf Papier. Die beiden Einzelbände sollen zusammen in einem Band im Sommer 2018 veröffentlicht werden.

Taschenbuch: 250 Seiten
Originaltitel: Mere Blod, 2015;
Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob.
ISBN-13: 9783550080784

https://www.ullstein-buchverlage.de/verlage/ullstein.html

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