Lustbader, Eric Van – Drachensee (Dai-San-Zyklus 5)

Überflüssige Fortsetzung

Das Volk der Bujun lebt zurückgezogen auf der Inselgruppe Ama-no-mori. Zwei seiner Würdenträger, Qaylinn und Ojime, erwarten den Dai-San, eine übermenschliche Kreatur, die früher Mensch war. Sie wollen ihn um seine Hilfe bitten, denn es gibt sichere Hinweise, daß die Kräfte des Chaos die Welt der Menschen angreifen wollen. Wird er ihnen helfen, da sie ihm auch mitteilen müssen, daß sein Blutsbruder Moichi ein Komplize der finsteren Mächte zu sein scheint?

Der Autor

Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader (das „Van“ in seinem Namen ist ein Vorname, kein holländisches Adelsprädikat!), zur Fantasy umzuschwenken. Er nennt Tolkien und Michael Moorcock zu seinen frühesten Vorbildern.

Der Dai-San-Zyklus gehört dem Genre der Sword & Sorcery an und besteht aus folgenden Romanen:

• Sunset Warrior (1977)
o Deutsch: Krieger der Abendsonne / Ronin. Heyne, 1981, ISBN 3-453-02572-5.
• Shallows Of Night (1977)
o Deutsch: Der dunkle Weg / Dolman. Heyne, 1981, ISBN 3-453-02945-3.
• Dai-San (1978)
o Deutsch: Dai-San. Heyne, 1981, ISBN 3-453-03706-5.
• Beneath An Opal Moon (1980)
o Deutsch: Moichi. Heyne, 1990, ISBN 3-453-04179-8.
• Dragons Of The Sea Of Night (1997)
o Deutsch: Drachensee. Heyne, 1998, ISBN 3-453-13160-6.


Handlung

Nach der entscheidenden Schlacht von Kai-feng schienen die Mächte der Finsternis besiegt, der Herr des Bösen, Dolman, wurde vom Dai-San vernichtet. Aber nun taucht auf Ama-no-mori, der Insel der rechtschaffenen Bujun-Kämpfer, die herausgeschnittene Zunge eines Makkon auf, eine jener Bestien, die die Vorreiter des Dolman waren: Die Vermutung liegt nahe, dass die Kreaturen des Chaos einen neuen Führer haben und sich anschicken, erneut die Dimension der Menschenwelt einzudringen und sie zu erobern.

Die Bujun rufen den Dai-San herbei, doch er kann nichts unternehmen. Aber seine ihn liebende Kampfgefährtin Chiisai macht sich auf, die Spur der plötzlich gestohlenen Makkonzunge aufzunehmen. In einem Slum stößt sie auf die Zauberin Kaijikan, die „Wächterin der Seelen“, und wird von ihr gefangen genommen. Kaijikan hat vor, in das Reich der Finsternis vorzudringen und mit den bösen Mächten auf der Erde zu herrschen.

Währenddessen kehrt der Blutsbruder des Dai-San, Moichi, nach vielen Jahren der Kämpfe in seine Heimat Iskael zurück, wo es aber einige Veränderungen gegeben hat. Iskael wird beherrscht von einer Geheimorganisation radikaler Fundamentalisten, die vorgeben, Terroristen zu jagen, aber dabei selbst eine blutige Herrschaft errichten. Nichts ist, was es scheint. Moichis Bruder ist einer ihrer Anführer, sein Vater ist tot, seine Schwester wurde ermordet, und das Makkon ohne Zunge geht in Ala’arat, der Hauptstadt, um.

Moichi macht sich in Begleitung seiner Geliebten, der schönen Zauberin Sardonyx, auf die Suche nach dem Mörder seiner Schwester, was ihn durch die Wüste Mu’ad führt. Dort gerät er in die Falle eines Monsters und seines Wächters. Während er mit knapper Not dem Maul des Monsters entkommen kann, ist der schlaue Wächter, der ihn hereinlegte, längst mit seiner Geliebten verschwunden. Mit knapper Not gelangt Moichi in die Wüstenstadt, wo er Sardonyx befreien kann und seinen Bruder findet. Sein Bruder Hamaan ist von Hass auf die Bewohner Adans erfüllt und führt als General der Fundamentalisten den Kampf gegen die Adaner. Doch gleichzeitig handelt er mit dem Rauschgift des weißen Lotos. Im Drogenrausch wird ein Mensch zum Berserker und kann zum Beispiel in einer Stadt wie Ala’arat Verwüstung anrichten. Als Moichi diese Wahrheit erkennt, bringt er Haman beinahe um. Sardonyx hält ihn zurück. Die ganze Wahrheit wurde nämlich noch nicht entdeckt.

Der weiße Lotos kommt aus dem verzauberten und gefährlichen Land Syrinx, das unter dem heiligen Berg der Iskameten liegt, dem Berg Sin’hai – wo nach dem Glauben der Iskameten der wahre Gott leben soll. In Syrinx trifft Moichi auf einen alten Freund seines Vaters, eine Bärengestalt. Weitere unangenehme Wahrheiten werden enthüllt. Gemeinsam mit Sardonyx erklimmen die zwei Brüder den Berg Sin’hai. Der Aufstieg dauert sehr lange und ist lebensgefährlich. Sardonyx muss ihre Zauberkünste benutzen. Oben angekommen, müssen sie feststellen, dass sich dort die Pforte befindet, durch die die Wesen der Finsternis in die Welt der Menschen eindringen! Von hier kam das Makkon, das Moichis Schwester tötete. Der legendäre Berg des Himmels ist das Tor zur Hölle.

Mein Eindruck

„Drachensee“ enthält deutliche Anspielungen auf das Alte Testament – das Volk von Iskael, das vor der Versklavung durch die Adaner von Gott durch die Wüste geführt wurde und sich am Fuße des Berges Sin’hai niederließ; der Bruderkonflikt zwischen Moichi und Hamaan; die Relativität von Gut und Böse. Aber auch magische Verwandlungen kommen vor, allen voran die Verwandlung Chiisais in einen Drachen, und auch das uralte Wesen in Syrinx ist ein Gestaltwandler.

„Drachensee“ hat nicht nur tragische Tiefe, sondern auch eine tiefe historische Dimension, eben durch das Syrinxwesen, durch die Erkundung der Wahrheit der Überlieferungen. Und so wird Moichi klar, dass nichts ist, was es zu sein scheint – nicht einmal seine eigene Geliebte. Ein Narr ist der, der sich vorschnell zu Schlussfolgerungen hinreißen lässt – wie Hamaan – und so ein Opfer seiner eigenen Voreingenommenheit wird: Hamaans Leute haben ein Terrorregime in der Stadt errichtet, die sie zu schützen vorgeben. Das erinnert an gewisse Organisationen der Palästinenser, etwa die Hammas.

Wer die Dai-San-Trilogie mochte, wird von „Drachensee“ nicht enttäuscht werden. Action, Suspense und Überraschungen – davon gibt es genügend.

Originaltitel: Dragons on the Sea of Night, 1997
Aus dem US-Englischen übertragen von Bernhard Liesen
Taschenbuch: 335 Seiten

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