Shepard, Lucius – Ein Handbuch amerikanischer Gebete

_Religion, die funktioniert: cool!_

Als Wardlin Stuart bei einem Streit in einer Bar einen Mann erschlägt, wird er zu zehn Jahren Haft verurteilt. Während er die Haftstrafe absitzt, beginnt er, Gebete niederzuschreiben. Das Besondere daran: Sie gehen alle in Erfüllung. Therese aus Arizona schreibt ihm auf seine Kontaktanzeige, nach einem Jahr heiraten sie, er kann endlich raus.

Nachdem seine gesammelten Bittsprüche unter dem Titel „Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ veröffentlicht wurden und immer mehr Gebete in seiner neuen Heimat in Erfüllung gegangen sind, wird er zum Begründer einer neuen Religion und eine nationale Berühmtheit. Doch dieser Ruhm bringt ihn in Konflikt mit einem fundamentalistischen christlichen Fernsehprediger … und es scheint, als würde der Gott, zu dem Stuart betet, leibhaftig auf Erden wandeln.

_Der Autor_

Lucius Shepard, geboren 1947, zunächst ein Dichter, war in den achtziger Jahren einer der wichtigsten SF-Autoren, der mehrfach mit Preisen des Genres ausgezeichnet wurde. In seinen Erzählungen „Salvador“ (1984) und mit dem Roman „Das Leben im Krieg“ (1987) setzte er sich sehr kritisch und provokativ mit dem Engagement der Vereinigten Statten unter Präsident Reagan in Mittelamerika auseinander. Die CIA, das Pentagon und sicherlich noch andere Behörden des Geheimdienstapparates bildeten Contras aus: Sie sollten in El Salvador und Nicaragua gegen das sozialistische Regime operieren. Die Folge war ein Stellvertreterkrieg, in dem nicht nur tausende von Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch die Iran-Contra-Affäre (Waffenschmuggel) die totale Amoralität der Verantwortlichen offenlegte.

Mit seinen anderen Werken war Shepard nicht so erfolgreich. In „Grüne Augen“ (1984) stellt die CIA illegale Experimente zur Wiederbelebung von Leichen an; in „Kalimantan“ wandelt die Hauptfigur auf den Spuren Joseph Conrads. Aber jede Erzählung Shepards hält ein gutes Leseerlebnis bereit, so etwa in „Delta Sly Honey“ (1989) und „Muschelkratzer-Bill“ (1994). „Der Mann, der den Drachen Griaule malte“ (1984) bildet mit „The Scalehunter’s Beautiful Daughter“ (1988) und „Father of Stones“ (1988) eine schöne Sequenz aus der High Fantasy.

_Handlung_

Wardlin Stuart ist im Winter 2001 ein friedliebender Barmann in einem abgelegenen Kaff in der Nähe von Seattle, als das Schicksal in Gestalt einer betrunkenen Frau hereinschneit. Sie nennt sich Wanda und sagt, sie brauche einen Drink. Sie habe aber kein Geld, denn sie sei gerade vor ihrem Freund weggelaufen und habe ihre Brieftasche vergessen. Wardlin bedauert, ihr nicht helfen zu können. Höchstens unter einer Bedingungen: Wenn sie ihm ihre Brüste zeigt. Gesagt, getan. Sie bekommt ihren Drink und fährt weg.

Damit ist aber nicht Feierabend. Ihr Freund schneit herein, beschuldigt Wardlin, es mit seiner Freundin getrieben zu haben (was nicht stimmt) und wird rabiat. Um ihn ruhigzustellen, haut ihm Wardlin eine Flasche übern Schädel – leider zerbricht nicht die Flasche, sondern das Blutgefäß unter dem Schädel. Der Typ stirbt und weil „Wanda“ die Bullen gerufen hat und ihnen die entsprechende Story auftischt, landet unser Barmann hinter Gittern. Mit zehn Jahren kommt er noch billig weg.

|Erhörte Gebete|

Sein erstes Gebet wird erhört, nachdem ihn ein Zellengenosse zusammengeschlagen hat. Zwei Tage später fällt der Typ eine Treppe runter und rennt sich den Schädel ein. Nach diesem offenkundigen Erfolg beginnt Wardlin seine Lage im Knast schrittchenweise zu verbessern. Das bleibt seinen Mithäftlingen nicht verborgen und sie fragen ihn nach seinem Erfolgsrezept. Beten! Na, toll, aber wie?

Er zeigt ihnen seine Art zu beten, und das sind in der Tat sehr merkwürdige Gebete, denn sie haben überhaupt nichts mit kirchlicher Sprache zu tun, noch nicht einmal viel mit Poesie. Aber worauf es ankommt, sagt Wardlin eindringlich, ist die Inbrunst, mit welcher der Betende sich an den Gott der Einsamkeit wendet, den Wardlin erfunden hat. Insgeheim betrachtet er seine Gebete als physikalische Akte, die auf die quantentheoretischen Zusammenhänge des Universums einwirken und dabei tatsächlich wahrnehmbare Veränderungen bewirken.

|Love of my life|

Nach acht Jahren kann sich Wardlin über seinen Erfolg nicht beklagen, denn immer mehr Mitinsassen geben funktionierende Gebete bei ihm in Auftrag. Was er aber wirklich will, sind eine Frau und Freiheit. Also betet er darum. Es ist Therese aus dem fernen Arizona, die ihm auf seine Kontaktanzeige antwortet. Anders als die anderen ist sie der No-nonsense-Typ: Sie werde erkennen, wenn er sie anlüge, schreibt sie. Beim nächsten Mal schickt sie schon ein Foto von sich, und das wird für ihn zu seinem neuen Himmel. Ein Jahr später heiraten sie und ziehen zu ihr nach Pershing, wo sie einen Esoterik-für-Touristen-Laden betreibt.

|Das erste Buch|

Die Liebe mit Therese ist fantastisch und sie vögeln wie die Karnickel. Hier schreibt Wardlin seine bisherigen Fürbitten zusammen und schickt das Manuskript an einen Verlag. Ein Traum wird wahr: Man will es dort veröffentlichen, und tatsächlich entwickelt es sich insgeheim zu einem Kultbuch. Also muss schnellstens eine zweite Auflage her, die noch mehr Gebete enthält. Wardlin erbittet Zeit.

Nach den ersten Abtastversuchen kreuzt eines Tages der erste Vertreter der Wirtschaft von Pershing auf, ein Versicherungsmakler. Er hat ein ganz profanes Ziel: Er will im nächsten Quartal seinen Umsatz erhöhen. Ganz einfach. Aber er weigert sich, das Gebet, das Wardlin für ihn schreibt, selbst zu sprechen, das muss der Autor selbst tun. Gegen eine Beteiligung an der Umsatzsteigerung erklärt sich Wardlin auch dazu bereit. Nachdem es bei dem Versicherungsmakler so gut geklappt hat, kann er sich vor Anfragen aus dem 4000-Seelen-Kaff kaum noch retten. Religion, die funktioniert: cool!

|Die neue Religion|

Aber es gibt, wie nicht anders zu erwarten, erste Proteste von Seiten der etablierten Kirchenvertreter. Insbesondere nimmt man Anstoß an Wardlins offenherzigem Sprachgebrauch. Beispiel gefällig? Dieses Gedicht wendet sich an Cheerleader:

|“Ihr posiert, meine Damen,
Mit keck geneigten Cowboyhüten,
Beugt euch nach vorn und zeigt uns
Die Rundungen eurer zarten Brüste,
Kurze Miniröcke und Strapse mit Firmennamen,
Roziers Geländewagen sei Dank,
Über Haut in Netzstrümpfen …“| (usw.)

Erst bei der Lesetournee nach der Veröffentlichung der zweiten Auflage macht ihm ein schwarzer Collegeprofessor in Chicago deutlich, dass Wardlin eine neue Religion gegründet habe. Das hält unser Autor erst einmal für absurd, um dann aber doch eines Besseren belehrt zu werden. Außerdem kommen die Argumente nicht unerwartet, denn Therese hat schon öfters ihre Zweifel an Wardlins Texten und seiner Haltung dazu geäußert. Sie hatten sogar ihren ersten handfesten Streit darüber. Ihm liegt nichts ferner, als eine verdammte Religion zu gründen und sich an die Spitze einer Bewegung zu setzen. Man könnte sich genauso gut eine Zielscheibe auf die Stirn malen …

|Wandelt Gott auf Erden – oder der Teufel?|

Was ihm neuerdings mehr zu schaffen macht, ist die Vorstellung, dass sein Gott der Einsamkeit auf Erden wandeln könnte. Der Typ taucht zu Wardlins Verwunderung tatsächlich in einem seiner frühen Texte auf: ein Mann ganz in Schwarz, mit einem gekrümmten, schwarz lackierten Fingernagel. Und als er mit Therese seinen Streit hatte und nach draußen ging, stand da tatsächlich ein Typ ganz in Schwarz und mit schwarz lackierten Fingernägeln. Er ließ sich von ihm einen Witz erzählen, aber der war so lang und völlig ohne Pointe, dass er sich nur darüber ärgerte und den Erzähler wieder vergaß. Jedenfalls bis der College-Professor vom Herrn der Einsamkeit anfing. Da kommt Wardlin ein wenig ins Grübeln.

|Religionskrieg|

Es kann nicht ausbleiben, dass sich die etablierten Fernsehprediger, die sich von der wachsenden Anhängerschaft Wardlins, den Wardliniten, bedrängt fühlen, diesen neuen Konkurrenten kritisieren. Doch keiner tut es so aggressiv wie Monroe Treat aus Arizona. Live in der „Larry King Show“ erklärt er Wardlin Stuart den Krieg. Und genau das bekommt er auch.

Erst wirft jemand die Schaufensterscheibe von Thereses Laden ein, doch schließlich ist es eine Brandbombe, die dem Laden den Garaus macht. Eine Krise. Der Herr der Einsamkeit hat ihn ja gewarnt, damals in Chicago. Aber Wardlin wollte ja nicht hören, hoffte, der Trubel würde sich legen. Doch im Gegenteil ging der Trubel und Medienrummel erst richtig los: Reporterscharen überfielen Pershing ebenso wie verfeindete Jünger von Treat und Wardlin.

|Versuchung|

Wardlin und Therese sind nach Phoenix geflüchtet. Dort besuchen sie eine Handelsausstellung. Wieder taucht der Schwarzgekleidete auf. Er lässt sich jetzt Darren nennen. Er bietet ihm an, ihm zu zeigen, wie er Treat fertigmachen kann. Ein für alle Mal. Die Versuchung ist in der Tat groß, Treat in der Wüste zu beobachten. Da drückt ihm Darren einen Revolver in die Hand …

_Mein Eindruck_

Ist dies das Neue Testament nach Shepard? Da haben wir also einen überführten, verurteilten und möglicherweise sogar reuigen Sünder. Eine Art Maria Magdalena, die ihn liebt und ihm so etwas Ähnliches wie eine Erlösung ermöglicht. Der reuige Sünder gründet eine neue Religion, verkündet die Frohe Botschaft (= Evangelium), dass jeder sein eigener Weltverbesserer sein könne, wenn er oder sie es nur genügend stark wolle. Selbstredend scharen sich Jünger um ihn, die er gar nicht wollte, aber wenigstens erwählt er keine Apostel, die seine Botschaft in die Welt hinaustragen sollen. Das tut Sue Billick, seine Lektorin, schön völlig freiwillig.

Doch der Versuchungen und Widersacher sind viele. Monroe erklärt unseren Religionsgründer zum Antichristen, zum Obersatan. Doch nicht Treat führt ihn in Versuchung. In der Wüste, in der Jehoschua von Nazareth vierzig Tage und Nächte verbrachte, gesellt sich ein anderer Versucher zu Wardlin. Dieser Schwarzgekleidete, der der erflehte „Herr der Einsamkeit“ sein mag oder auch nicht, drückt Wardlin die Waffe der Vernichtung in die Hand. Soll Wardlin selbst abdrücken und diesen „Darren“ zum Zeugen seiner Bluttat machen – sich ihm somit ausliefern? Oder soll er die Existenz dieses Darren einfach leugnen und sich elegant aus der Affäre ziehen – und sich selbst als Idioten bezeichnen?

Danach wird es noch einen weiteren Versucher geben, doch auf welcher Seite steht dieser zwielichtige Mr. Brauer? Kann er helfen, den Krieg mit Treat zu beenden, damit Wardlin und Therese wieder ein friedliches Leben führen können? Als Wardlin dieser Versuchung nachgibt, gerät er in die Hölle. Er hat eine Grenzlinie (nicht nur die nach Mexiko) überschritten und muss eine Höllenfahrt erleben, die ihn leicht sein Leben, seine Seele oder zumindest seinen Verstand kosten könnte. Er fleht das erste Mal aus größter Not zum „Herrn der Einsamkeit“. Und wer weiß? Vielleicht hilft ihm dieser – wieder einmal – aus der Patsche. Doch um welchen Preis?

|Eine Satire|

„Ein Handbuch amerikanischer Gebete“ ist eine handfeste und sehr eindrucksvolle Satire auf das Mediengeschäft mit der Religion in den USA. Aber das hat man schon öfters gelesen, zuletzt in Monteleones Horrorschinken [„Das Blut des Lammes“. 1490 Shepards Beschreibung eines „Tinnef-Christus“, wie Darren seinen Jünger spöttisch nennt, geht weit darüber hinaus. Er gräbt psychologische und kulturelle Tiefenschichten auf, die man bei anderen Autoren, die nicht so viel Welt- und Menschen-Erfahrung haben wie Shepard, vermisst.

Im letzten Drittel, dem mit Abstand stärksten Teil des Buches, erinnert Wardlins Höllenfahrt an der Oberfläche an die schönsten Auswüchse des Cyberpunk der kokaingetränkten achtziger Jahre, doch in der Tiefe geht es etwas anderes vor sich. Der Höllentrip führt zu einer Selbsterkenntnis (das ist ja wohl das Mindeste), wie sie uns von den Figuren Joseph Conrads am ehesten vertraut ist, sagen wir mal: von Lord Jim oder dem „Verdammten der Inseln“.

|Joseph Conrad|

Denn auch Wardlin Stuart ist ein Verdammter. Er hat fast zehn Jahre Knast hinter sich und sich entsprechende Verhaltensweisen antrainiert, die ihn im Knastsystem überleben ließen. Unbewusst setzt er diese Verhaltensweise schon wieder um, um sich zu behaupten: gegen Treat, gegen die Medien und seine Anhängerschaft, vielleicht sogar gegen Therese, die nicht besonders zufrieden mit ihm ist. An den Rand seiner Möglichkeiten gedrängt, einer Revolvermündung ins Auge blickend, ist Wardlin auf seine innersten Mechanismen zurückgeworfen. Wieder mal hat er ein Gebet geschrieben, auf eine 100-Dollar-Note, und gefleht: „Töte ihn für mich!“ Das ist sein ultimativer Sündenfall, und von hier kann es keinen Weg zurück geben. Der Autor der „amerikanischen Gebete“ – es gibt ihn nicht mehr. Stattdessen wird es von nun an ironischerweise Therese sein, die schreibt und Geschichten zu erzählen hat.

|Gratwanderung|

Mir hat der Roman eminent gut gefallen, und ich habe ihn in drei Tagen ausgelesen. Besonders hat mir gefallen, dass sich Wardlin nie dem Wahnsinn des Ruhms und des Erfolgs hingibt. Es gibt eine köstliche Szene, in der Wardlin in der „Larry-King-Show“ mit der live zugeschalteten Sharon Stone redet, die ihm eine Teilnahme an ihrer Party anbietet. Doch da bekommt Wardlin plötzlich kalte Füße, denn er erkennt die Falle, die sie für ihn aufgestellt hat. Der Ruhm, sprich: das Medieninteresse, soll auch ein bisschen auf diejenigen abfärben, die er, Wardlin, trifft – sozusagen als Geben und Nehmen unter Promis: „Du bist okay, ich bin okay.“

Diesen schmalen Grat wandelt Wardlin die ganze Zeit in der zweiten Hälfte des Buches (ab der Lesereise, die ihn nach Chicago führt). Der Leser merkt, über welche Macht der Verführung Wardlin verfügt – nicht nur direkt in der Beziehung zu seinen Zuhörern, sondern auch indirekt zu den Promis, die ihn wie Sharon Stone umgarnen. Und so verwundert es nicht, dass auch Sue Billick, seine Lektorin, ein „Pfund Fleisch“ von Wardlins Körper haben will (vgl. Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“).

|Sex als Währung|

Wieder eine der zahllosen Versuchungen, die aufzuzeigen der Autor nicht müde wird. Sex spielt als Währung eine ganz bedeutende Rolle im Leben Wardlin Stuarts, aber genau da liegt die Gefahr: Wenn auch Sex mit Therese zu einer Ware und Währung wird, dann ist Wardlins Ehe am Ende. So weit darf er es nicht kommen lassen. Und als Sue Billick ihm eine geile Nacht anbietet, da steht nicht nur der Moment auf dem Spiel, sondern auch Wardlins Ehe, die Liebe zu Therese, seiner Maria Magdalena, und nicht zuletzt seine Erlösung. Falls es so etwas für ihn geben kann.

|Die Übersetzung|

… von Joachim Körber trägt sehr viel zum Lesevergnügen am Buch bei. Denn er überträgt nicht wortwörtlich, sondern, wie es richtig ist, sinngemäß. Auch die Ausdrücke des Jugendslangs – vielleicht nicht der allerneueste auf der Straße – ist Körber geläufig, und so gelingen ihm sehr realistische und ironische Dialoge, die vor Sprachwitz sprühen. Das ist besonders in den Kneipenszenen wichtig und in den Unterhaltungen mit „Darren“.

Leider unterlaufen Körber immer wieder Flüchtigkeitsfehler, die den unverhofft darauf stoßenden Leser verwirren können. Ich haben mir neun Stück davon notiert und bin überzeugt, nur die wichtigsten bemerkt zu haben. Ich will meinen Leser nicht damit langweilen, diese Fehler herunterzubeten. Wer will, kann die Liste anfragen.

Die Fehler sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass Bücher heute im Allgemeinen nicht mehr korrekturgelesen werden. Stattdessen lässt man nur noch die Rechtschreib- und Grammatikprüfung über den Text gehen. Allerdings werden dabei korrekt geschriebene, aber sinngemäß falsch eingesetzte Wörter nicht entdeckt. Ich muss das nicht zuletzt auch bei mir ab und zu feststellen.

_Unterm Strich_

Der Roman, der nur am Rande etwas mit Phantastik zu tun hat, verbindet zwei unterschiedliche Elemente zu einem beeindruckenden Ergebnis. Zum einen ist Wardlin Stuarts Weg zu Ruhm und Erfolg eine satirische Groteske, die dem Leser leider nur allzu bekannt vorkommt. Wieder einmal wird der amerikanische Drang nach ständiger Selbstverbesserung auf die Schippe genommen, der American Dream dem Spott preisgegeben.

Zum anderen ist es jedoch auch die Tragödie eines Mannes, der der Erlösung bedarf und ständig in Versuchung geführt wird. Was ist die richtige Erlösung für ihn? Ist es Sex, ist es Macht, ist es Liebe? Seine innere Psychologie, die er bis zum Schluss selbst nicht erkennt, obwohl er sich misstraut, stellt ihm immer wieder ein Bein. Es ist einer der großen Momente der Erzählung, in dem dies geschildert wird. Shepard setzt dafür eine Sprache ein, die man in der heutigen Literatur in ihrer Leuchtkraft und Treffsicherheit lange suchen muss, ganz besonders in der stark verarmten amerikanischen Phantastik (seltene Ausnahme: Ursula K. Le Guin).

Dies zu lesen, erfordert vom Leser sowohl Interesse als auch Sprachbegeisterung und Geduld. Diese Passagen sind sehr lang, meist mehrere Seiten, doch sie lohnen sich. Danach geben wieder Dialoge Gelegenheit zu einer geistigen Verschnaufpause. Nichts davon ist überflüssig, alles ist notwendig. Wer mal wieder so richtig in neuen Erfahrungsbereichen und sprachlichen Dimensionen schwelgen will, kommt bei diesem Shepard-Roman voll auf seine Kosten. Hier knüpft der Autor an seine frühen Meisterwerke wie „The Jaguar Hunter“ und „Life during Wartime“ an.

|Originaltitel: A Handbook of American Prayer, 2004
301 Seiten
Aus dem US-Englischen von Joachim Körber|
http://www.edition-phantasia.de