Gregory Benford – Das Rennen zum Mars. SF-Roman

Im Mai 2018 soll die erste bemannte Marsmission nach aktuellen NASA-Plänen starten. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Benford ist recht skeptisch geworden gegenüber den Chancen für diese Mission. In seinem Roman zeigt er, dass trotz bescheidenster Mittel ein Lohn errungen werden kann, der alle Opfer und Mühsal wert ist. Aber wenn zwei sich streiten, freut sich vielleicht der Dritte.

Der Autor

Gregory Benford, Jahrgang 1941, ist nicht nur einer der besten Science-Fiction-Autoren, sondern auch renommierter Physikprofessor und einflussreicher Berater der US-Regierung in Sachen Raumfahrt und Energieversorgung. Diese Tätigkeit hat ihm sicherlich wertvolle Erkenntnisse vermittelt, die er in Romanen wie „Eater“ und „Das Rennen zum Mars“ verarbeitet hat.

Benford forscht und lehrt noch heute an der Uni von Kalifornien in Irvine bei L.A. Sein wichtigster früher Roman war „Zeitschaft„. Darin stellte er erstmals überzeugend die wissenschaftliche Arbeit in der Physik dar. Mit seinem sechsbändigen CONTACT-Zyklus, in dem eine Expedition die Tiefen des Alls erforscht, und dem in der nahen Zukunft angesiedelten Roman „Cosm“ hat er der naturwissenschaftlich ausgerichteten Science-Fiction einen höheren Stellenwert verschafft, als ihr in den 70er und frühen 80er Jahren zugestanden wurde.

Benford wurde für vier Hugo Awards (zwei Kurzgeschichten, zwei Romane) und 12 Nebula Awards (in allen Kategorien) nominiert. Er gewann den Nebula für seinen Roman „Timescape“ und die Erzählung „If the Stars Are Gods“ (mit Gordon Eklund).(aus der Wikipedia).

Handlung

Als die Regierung der Vereinigten Staaten die Ergebnisse einer Studie der NASA hinsichtlich der Kosten einer bemannten Mission zum Mars erfährt, stoppt sie alle Vorbereitungen für ein solches Projekt. Man greift vielmehr den Vorschlag „Mars Direkt“ des Raumfahrtingenieurs Robert Zubrin auf: Man setzt ein Preisgeld für denjenigen aus, dem es gelingt, die Oberfläche des roten Planeten zu erreichen und Bodenproben zur Erde mitzubringen. Das Preisgeld ist beachtlich: immerhin 30 Milliarden Dollar.

Damit ist jedoch, wie leicht abzusehen war, die Stunde der Abenteurer und Hasardeure gekommen. Sie kaufen gebrauchte Hardware auf, sichern sich Vorschüsse bei den Medien für exklusive Übertragungsrechte und nehmen arbeitslose Astronauten unter Vertrag.

So macht es auch der schwerreiche Unternehmer John Axelrod. Er lässt seine vielfältigen Beziehungen spielen, um beim nächsten Startfenster eine vierköpfige Mannschaft auf den Marstrip zu schicken. Obwohl die Missionsteilnehmer mit einer spartanisch eingerichteten Blechbüchse zurechtkommen müssen, gelingt ihnen die erfolgreiche Ankunft und Landung. Für die Rückkehr steht ein von der NASA zurückgelassenes Vehikel bereit, das ERV, das seinen Treibstof aus der dünnen Marsatmosphäre gewinnt.

Doch rund ein Jahr später startet ein europäisch-chinesisches Konsortium ebenfalls ein Schiff. Das ist aber wesentlich besser ausgerüstet und mit einem Atomantrieb versehen, der es in weitaus kürzerer Zeit zum roten Planeten bringt. Nun beginnt ein regelrechtes Wettrennen um den begehrten Preis.

Auf dem roten Planeten

Als die Erzählung beginnt, sind Axelrods Mannen bereits etliche Monate auf dem Mars zugange: der Russe Viktor ist der Kapitän, seine Gefährtin ist die Biologin und Psychologin Julia. Raoul repariert alles, und Marc, den Axelrod von den Chinesen abgeworben hatte, ist Geologe.

Axelrods Team erreicht das Ziel und macht sich auf die Suche nach Lebensformen. Julia vermutet tief unter der Oberfläche Mikroben in noch nicht vollends erkalteten vulkanischen Schloten. Diese Suche verläuft für sie höchst positiv, denn es handelt sich um Kolonien anaerober Mikroben, die nicht auf Sauerstoff angewiesen sind. Die Entdeckung dieser „Aliens“ ist für die Sensationspresse der Erde, an die Axelrod jedes Fitzelchen an Infos verscherbelt, ein gefundenes Fressen. Als Julia durch die Expansion der „Aliens“ in ihrer Versuchskammer einen Unfall erleidet und bei ihrer Flucht ins Freie im Vakuum ohnmächtig wird, heulen die Medien auf: „Erdenfrau auf dem Mars von Aliens angegriffen!“ Paranoia feiert fröhliche Urstände.

Rückschläge

Allerdings folgt schon nach kurzer Zeit ein weiterer Rückschlag. Bei einer Probezündung der Triebwerke des ERV-Rückkehrfahrzeugs wird dieses so schwer beschädigt, dass ein Rückflug zur Erde unmöglich geworden ist. Ein Ersatzfahrzeug von der Erde muss auf den Weg gebracht werden, um die Astronauten zu bergen.

Aber John Axelrod hat inzwischen seinen Bankrott erklärt und kann somit die erforderliche Rettungsmission nicht finanzieren. Müssen also seine Leute auf dem Mars jämmerlich verrecken? Aber dann landet endlich das zweite Team von der Erde. Allerdings hat es nur Platz für ein weiteres Besatzungsmitglied. Dessen Kapitän Chen ist so fies, Julia den Vorschlag zu machen, sie mitzunehmen, wenn sie ihm Proben der „Aliens“ überlässt. Als Julia sich weigert, herrscht dicke Luft. Und dann gibt es die ersten Toten …

Mein Eindruck

Ein Top-Autor wie Benford erbringt Höchstleistungen, was die Recherche seiner Romane anbelangt. „Das Rennen zum Mars“ ist keine Ausnahme. Die Bahnberechnungen für die verschiedenen Raumfahrzeuge sind ebenso professionell wie die Berge von Fakten, die Benford über den Mars vermittelt. Für den Leser bedeutet dies, dass er sich mit der Fülle wissenschaftlicher Informationen auseinandersetzen muss – er kommt nicht daran vorbei.

Ich habe dies nach beschwerlichen zwei Monaten Lesezeit endlich eingesehen. Da war ich ungefähr auf Seite 240 stecken geblieben. Denn schließlich passiert ja kaum etwas, außer dass Julia ein paar interessante Proben außerirdischen Lebens einsammelt und untersucht. Ansonsten beschreibt Benford im ersten 170 Seiten langen Teil, wie die Axelrod-Astronauten ausgewählt, trainiert und ausgetauscht wurden.

Außerdem erfahren wir, wie sie mit der äußerst lebensfeindlichen Umwelt des roten Planeten zurechtkommen: Raumstrahlung, giftiger Peroxid-Staub und -Sand usw. Außerdem sind da noch recht menschliche Probleme psychologischer Art. Dies dient dazu, die Besatzung besser kennen zu lernen.

In Schwung kommen die Dinge erst in der zweiten Hälfte, als Julia ihren Alien-Unfall hat, das ERV abstürzt und zu allem Überfluss auch noch das gegnerische Team landet. Nun hat auch die Sensationspresse gut was zu schreiben. Julia und ihr Gefährte Viktor, der Käptn, laufen zur Höchstform auf, um die diversen Krisen zu bewältigen. Das wird zunehmend spannender, bis man das Buch gegen Schluss überhaupt nicht mehr aus der Hand legen kann. (Genauso war auch „Zeitschaft“ aufgebaut.)

Wie man sieht, bringt der Autor neben beeindruckenden Diagrammen und Planetenbeschreibungen auch eine spannende Handlung mit Action zusammen. Ganz am Schluss kommt so etwas wie |sense of wonder| auf.

Die Titel der Buchabschnitte

… lauten (1) „Die Mars-Unternehmer“, (2) „Eine Mars-Odyssee“, (3) „Vorposten Mars“, (4) „Der Mars braucht Frauen“ und (5) „Mars City“. Titel Nr. 2 ist ein Zitat. So hieß eine der frühesten und besten Mars-Storys. Sie stammt von Stanley G. Weinbaum. – Titel Nr. 4 zitiert einen Filmtitel, der sogar im Buch vorkommt. Es handelt sich um einen jener billig gemachten B-Movies, die auf anderen Welten nur Monster vermuten. Natürlich stürzt ein solches Monster auf die Erde und ist hinter den Frauen her (als ob es keine appetitlichere oder ergiebigere Nahrung gäbe, etwa einen Wal).

Die Art, wie Benford diese und andere Machwerke zitiert, ironisiert die Sensationsgier und Naivität der Menschen. Gleichzeitig nimmt dies der Kritik an seinem eigenen Versuch, der geschilderten Marsexpedition zu einer gewissen Sensation zu verhelfen, die Spitze. No monsters here, thank you! Nur dumme, unvorsichtige Menschlein.

Die Übersetzung

Martin Gilbert macht seine Sache als Übersetzer erstaunlich gut. Inzwischen scheint man bei |Heyne| eingesehen zu haben, dass Leute, die im Original Umgangssprache benutzen, dies auch in der Übersetzung tun sollten. Das hat Gilbert umgesetzt; es verlangt natürlich ein erfahrenes Sprachgefühl, denn wer kennt schon jede Redewendung im US-amerikanischen Englisch? Gleichzeitig muss man sich auch in der Sprache der deutschen Jugend von heute zuhause fühlen, sonst kommt das nicht an.

Süddeutsche Leser müssen sich mit Gilberts norddeutschem Idiom abfinden, in dem schon mal Wörter wie „bräsig“ vorkommen.

Der Originaltitel

…“The Martian Race“ ist ein wunderbares englisches Wortspiel. Das englische Wort „race“ bedeutet sowohl ‚Rennen‘ als auch ‚Rasse‘. Und so kann sich Julia am Ende des Buches als Angehörige der marsianischen Rasse als auch Teilnehmerin des ‚Rennens zum Mars‘ mit den gleichen Worten von ihren zur Erde fliegenden Kameraden verabschieden. Merke: Benford verfügt über eine gehörige Portion Sprachgefühl. Er hat es wahrscheinlich in zahllosen Vorträgen ausbilden können.

Unterm Strich

Ein sauber geschriebener Wissenschafts- und Expeditionsthriller, der anfangs viel Geduld verlangt, aber in der zweiten Hälfte aber immer besser wird und an Fahrt aufnimmt.

Die Fortsetzung wurde 2005 unter dem Titel „The Sunborn“ veröffentlicht, aber bei uns nicht übersetzt.

Taschenbuch: 491 Seiten
Originaltitel: The Martian Race, 1999
Aus dem US-Englischen übertragen von Martin Gilbert.
ISBN-13: 978-3453196674

www.heyne.de

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