Die drei ???-Kids – Im Bann des Zauberers (Band 24)

Die drei Fragezeichen sind seit über 25 Jahren aus der (Jugend-)Literatur nicht mehr weg zu denken. Zur beliebten Serie gesellte sich vor einiger Zeit mit „Die ???®-Kids“ ein Spin-off hinzu, das sich an eine jüngere Leserschaft richtet. Die Protagonisten sind die gleichen, nämlich Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews – allerdings im zarten Alter von zehn Jahren und noch ohne ihre berühmte Detektei offiziell eröffnet zu haben. Bei den Kids befinden sich die Drei also in genau dem Altersrahmen, in dem auch die Zielgruppe angesiedelt ist: 8 bis 10 Jahre. „Im Bann des Zauberers“ erschien im August 2005 bei Franckh-Kosmos.

Der Seitenarm umfasst bislang 25 Bände à ca. 128 Seiten, wobei bis einschließlich Nummer 24 alle von Ulf Blanck geschrieben wurden. Aus der Reihe tanzt Band 25, der ist nicht nur dicker ist (188 Seiten), sondern auch von Boris Pfeiffer verfasst wurde. Die Illustrationen (Cover und Innen) steuern Stefanie Wegner und Kim Schmidt bei. Die Gestaltung ist stark an das große Vorbild von Aiga Rasch angelehnt. Stellt man alle Bände hübsch in Reihenfolge ins Regal, ergeben die einzelnen Buchrücken zusammen ein Gesamtmotiv mit den Hauptfiguren. Das sind neben dem Trio natürlich auch Tante Mathilda, Onkel Titus, Kommissar Reynolds und andere.

Das Geheimversteck der Drei ist noch nicht der alte Campinganhänger auf Onkel Titus‘ Schrottplatz, sondern ein leerer Wasser-Silo für Dampfloks, der verlassen an einer nicht mehr benutzen Bahnlinie Rocky Beachs steht. Aufgrund seiner auffälligen Form wird er „Die Kaffeekanne“ genannt. Überhaupt sind die Jungs sich noch gar nicht schlüssig, was aus ihnen einmal werden wird – sie schwanken stets zwischen „Reporter“ und „Detektiv“. Bei Bedarf schalten sie zwischen diesen Modi hin und her. Einen Teil ihrer späteren Ausrüstung haben sie aber bereits jetzt schon in der „Kaffeekanne“ deponiert.

Während man bei der Mutterserie Jugendliche mit 10 bis 13 Jahren und aufwärts im Blick hat, zielt KIDS auf Kinder im Grundschulalter, die das Lesen (und die Serie) ja grade erst für sich entdecken sollen. Dementsprechend sind diese (Kurz-)Geschichten verdaulicher gestaltet und die Figuren selbstredend weniger komplex. KIDS ist zudem irgendwie stärker auf Jungen ausgerichtet als auf Mädels – ein weiterer Unterschied zur Mutterserie, denn diese ist bekanntermaßen geschlechterübergreifend beliebt.

Zur Story

Bei der Einweihung einer neuen Wasserrutsche am Strand von Rocky Beach verdingen sich Justus, Peter und Bob als Reporter und Tester der Attraktion. Ermöglicht hat ihnen den Lokaltemin Mr. Andrews – Bobs Vater, seines Zeichens Redakteur für die „Los Angeles Post“. Begeistert vom Reporterleben, träumen die Drei von der großen Karriere und dem ultimativen Seite-eins-Kracher. Doch was soll in einem relativ verträumten Nest wie Rocky Beach schon Aufregendes passieren? Wo hier schon die Eröffnung einer Wasserrutsche als gesellschaftliches Event gefeiert wird. Vielleicht erbringt der höchst verdächtige Typ, der mit seinem auffälligen Wohnwagen an der Tanke nach dem Weg fragt, ja eine solche Top-Story? Komisch genug benimmt er sich ja.

Doch bevor die Jungs sich auf Pulitzer-Kurs begeben können, vermasselt ihnen ein Truck die Tour. Der zermalmt beim Zurücksetzen nämlich Justs Fahrrad. Die Fahrerin ist zerknirscht und lobt als Wiedergutmachung Freikarten für ihre rollende Stunt-Show aus, die sie mit ihrem Bruder betreibt. Es kommt noch besser: Auch der seltsame Wohnwagenfahrer ist ihr bekannt. Es handelt sich um den Zauberer Zampani, man hat sich zu einer Zweckgemeinschaft zusammengetan und tritt gemeinsam auf. Nächste Station für die Schausteller ist – na klar – Rocky Beach. Am Vorstellungsabend holt sich Zampani ausgerechnet die Drei auf die Bühne und lässt sie unter Hypnose einige hochnotpeinliche Mätzchen machen. Sie erinnern sich an nichts, doch Onkel Titus‘ Videomitschnitt der Show ruft heiligen Zorn in ihnen hervor. Der Zauberer hätte es bleiben lassen sollen …

Meinung

Die meisten Fans, die den drei Detektiven bis heute die Treue hielten, haben damals als acht- oder neunjährige mit der Serie angefangen. Somit habe ich mir schon eingangs die Frage gestellt, ob der Seitenableger eigentlich sein muss, so generell betrachtet. Sind heutige Kinder so viel anders, was das das Verständnis auch komplexer Zusammenhänge angeht? Bestimmt nicht, wohl aber sind die Interessen und die Umgangssprache anders, die haben sich in jedem Fall geändert. Den Anforderungen an das kindgerechte Lesen trägt die Serie Rechnung, indem sie einen recht überschaubaren Plot darbietet, der in einer – auch für bereits ergrauende Rezensenten – verständlichen Sprache verfasst ist.

Die zum Teil arg dick aufgetragene Story ist gegenüber solchen aus der Mutterserie wesentlich einfacher gestrickt, was im Prinzip nicht sein müsste. Die ersten Bände der guten, alten ???-Geschichten sind mindestens genauso verdaulich, dabei schlüssiger und haben naturgegeben nicht mit dem Kontinuitätsproblemen wie bei den KIDS zu kämpfen. Ein Faktor, der die beiden Fragezeichen-Linien kaum unterscheidet, ist der Einsatz moderner Technik. Im ???-Kids-Universum verwendet man ganz selbstverständlich neuzeitliche Gimmicks wie Camcorder, Computer und Handy.

Nur: Die Classic-Serie, die ja bereits in den Sechzigerjahren erfunden wurde, kennt solche Dinge natürlich nicht. Damals waren eben Tonbandgerät und Walkie-Talkie hypermodern, heute kann man selbst Grundschüler damit wohl weder locken, noch rechnet man offensichtlich damit, wenig mehr als verständnislos-mitleidige Blicke zu ernten. Da die eigentliche Serie im Prinzip später stattfindet, als die Jungs schon älter sind, ist der Ableger ein Paradoxon. Ein kleiner Kulturschock, vom Standpunkt eines altgedienten Fans betrachtet, jedenfalls.

128 Seiten hört sich per se nach sehr viel an, besonders im Hinblick auf die angepeilte Altersgruppe. Das große, serifenlose Schriftbild ist jedoch weit auseinander gezogen. Neun Zeilen Text sind auf jeder Seite anzutreffen und die werden noch zusätzlich von zahlreichen, meist passenden Illustrationen (Tante Mathilda ist arg dünn, und wo ist Titus‘ ausladender Schnurrbart?) im Comic-Stil alle paar Seiten aufgelockert. Damit ist die groß erscheinende Seitenzahl rasch relativiert, zum Vergleich: Als Erwachsener und geübter Leser huscht man in ca. 45 – 60 Minuten bequem durch den gesamten Text. Maximal. Wie lange ein Kind dafür braucht, war mangels eines geeigneten Versuchskaninchens nicht zu ermitteln.

Fazit

Ganz nett. Trotz der – aus Erwachsenensicht – kleinen Unzulänglichkeiten in Kontinuität und Glaubwürdigkeit ist das Buch ein kurzweiliges Vergnügen und handwerklich keineswegs zu beanstanden. Ulf Blanck legt eine flotte und zeitgemäße Schreibe an den Tag. Nicht übertrieben und gezwungen cool, aber auch nicht so dröge, dass Leseanfänger ihr nicht mehr folgen könnten oder wollten. Die Geschichte ist recht spannend aufbereitet und erfährt durch die Zeichnungen Auflockerung. Ich plädiere jedoch dafür, dem/der Filius/Filia doch erstmal versuchen die Classic-Serie schmackhaft zu machen, bevor man einen Gang zurückschaltet und es mit der KIDS-Schonkost probiert. Bei uns Mittdreißigern hat das damals ja auch ganz hervorragend funktioniert – quid ad est demonstrandum – bis heute.

128 Seiten Hardcover,
Erzählt von Ulf Blanck
Illustrationen von Stefanie Wegner und Kim Schmidt
Franckh-Kosmos, Stuttgart 08/2005
ISBN: 3-4401-0201-7