Brian Freeman – Robert Ludlum’s The Bourne Treachery (Jason Bourne 16)

Strawberry Fields Forever: Wiedergänger und Gespenster

Jason Bourne – Deckname Cain – ist immer noch mit dem CIA-Programm Treadstone verbunden. Diesmal rekrutiert ihn Nash Rollins im Auftrag der stellvertretenden CIA-Direktorin Holly Shultz, um in London einen Terroristen mit dem Decknamen „Lennon/Lenin“ zu fangen. In London findet ein Gipfel der Welthandelsorganisation WTO statt, auf der ein wichtiger Investor der ökologischen Bewegung sowie ein ausgesprochener Feind der Russen eine Rede halten soll – das ideale Ziel für Lennon/Lenin. Aber das ist schon in drei Tagen, und jemand hat sich bereits an Bournes Fersen geheftet…(Verlagsinfo)

Die Autoren

1) Robert Ludlum wurde 1927 in New York City geboren. Nach dem II. Weltkrieg begann er eine Karriere als Schauspieler, die er verfolgte, bis er vierzig wurde, also bis 1967. Er studierte Kunstgeschichte und fing mit dem Schreiben an. 1971 schießt sein erster Thriller „Das Scarlatti-Erbe“, an dem er 18 Monate schrieb, an die Spitze der Bestsellerlisten. Als ähnlich erfolgreich erwiesen sich auch alle weiteren Romane, so etwa „Das Osterman-Wochenende“ (verfilmt), „Die Scorpio-Illusion“ oder „Der Ikarus-Plan“.

Seine Erfahrung als Schauspieler kam ihm zugute: „Man lernt, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums behält.“ Seine Bücher wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 280 Millionen Exemplaren (Verlagsangabe Heyne). Zuletzt wurden die drei legendären Bourne-Thriller mit Matt Damon höchst erfolgreich (aber sehr eigenwillig) verfilmt. Ludlum lebte bis zu seinem Tod am 12. März 2001 mit seiner Frau Mary und seinen Kinder in Florida und Connecticut.

Mehrere Autoren schreiben an den Serien, die Ludlum schuf, weiter. Derzeit befinden sich die Verfilmungen zu „The Matarese Circle“/“Der Matarese-Bund“ (mit Denzel Washington) und „The Chancellor Manuscript“/“Das Kastler-Manuskript“ (mit Leonardo DiCaprio) in der Produktion. Außerdem gibt es seit 2008 das Videospiel „Robert Ludlum’s: Das Bourne-Komplott“ für PlayStation 3 und Xbox360.

2) Brian N. Freeman ist ein US-Autor von psychologischen Thrillern. Zu seinen Serienhelden gehören Jonathan Stride und Frost Easton. Nach Angaben seiner Webseite werden seine Bücher in 46 Ländern und 22 Sprachen verkauft. Sein Markenzeichen sind offenbar genau recherchierte Schauplätze, seine komplexen, sympathischen Figuren und seine wendungsreichen Handlungsverläufe. Er ist ausgewählt worden, die Jason-Bourne-Serie fortzusetzen, nachdem Eric Van Lustbader aus Autor ausgestiegen war, um seine eigene Thriller-Serie zu starten.

Romane:

1) In the Dark (Jonathan Stride Serie)
2) The Deep Deep Snow
3) Thief River Falls
4) Spilled Blood
Und viele mehr.

Info: https://bfreemanbooks.com

Die Jason-Bourne-Reihe

1) Die Bourne-Identität (The Bourne Identity, von Ludlum, 1980)=

2) Das Bourne-Imperium (The Bourne Supremacy, von Ludlum, 1986)

3) Das Bourne-Ultimatum (The Bourne Ultimatum, von Ludlum, 1990)

4) The Bourne Legacy / Das Bourne-Vermächtnis (von Eric Lustbader, 2004)

5) The Bourne Betrayal / Der Bourne-Betrug (von Eric Lustbader, 2007)

6) The Bourne Sanction / Das Bourne Attentat (von Eric Lustbader, 2008)

7) The Bourne Deception / Die Bourne-Intrige (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2009)

8) The Bourne Objective / Das Bourne-Duell (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2010)

9) The Bourne Dominion / Der Bourne-Befehl (von Eric Lustbader, 2011)

10) The Bourne Imperative / Der Bourne-Verrat (von Eric Lustbader, 2012, dt. 2014)

11) The Bourne Retribution / Die Bourne-Vergeltung (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2013, dt. 2015)

12) The Bourne Ascendancy / Die Bourne-Herrschaft (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 5/2014, dt. 2017)

13) The Bourne Enigma / Das Bourne Enigma (2016/ 2018)

14) The Bourne Initiative (2017)

15) The Bourne Evolution (2020)

Handlung

Tallinn

Vor drei Jahren haben Jason Bourne, seine Frau Nova und ein CIA-Team unter der Leitung der blinden Vizedirektorin Holly Schultz in der estländischen Hauptstadt Tallinn einen russischen Überläufer namens Grigori Kotov erfolgreich in Empfang genommen. Als ehemaliger Minister und Mitglied von Putins innerstem Zirkel, den „siloviki“, ist er äußerst wertvoll.

Den russischen Agenten des FSB, die ihn verfolgten, haben die CIA-Agenten mit knapper Not das Handwerk legen können, doch es war ein Fehler, Kotov in die Fähre nach Helsinki zu setzen. Eine Bombe zerfetzt das Schiff, tötet 50 Passagiere, darunter Kotov. Die Wucht der Explosion ist so gewaltig, dass sie Bourne und Nova in ihrem Hotelzimmer von den Füßen reißt und sie bewusstlos werden lässt.

Drei Jahre später: Paris

Nova ist vor zwei Jahren in Las Vegas erschossen worden, und Treadstone hatte sie nicht retten können. Und nun will Holly Schultz, deren Geheimdienst CIA offenbar so durchlässig ist wie ein Sieb, Bourne wieder rekrutieren, obwohl sie ihm nach Tallinn die Schuld gegeben hat – eine Zumutung. Nash Rollins, der Leiter von Treadstone, den Holly geschickt hat, kontaktiert Bourne in Paris auf die übliche Weise an einem öffentlichen Ort nahe des Louvre.

Erneut sei es ein geheimnisvoller Agent oder Terrorist, den sie „Lennon bzw. Lenin“ nennt, von dem Unheil drohe. Lennon wird so genannt, weil man ihn immer aus der Ferne hört, wie sein Walkman oder iPod einen Song der Beatles spielt. In Tallinn war es „Nowhere Man“, was wird es diesmal sein, wenn in London der Gipfel der Welthandelsorganisation WTO stattfindet? Wüsste Nash Rollins davon, könnte es ihm Lennons aktuelles Opfer verraten: „Revolution“.

Die aktuelle Zielperson ist ein reicher, einflussreicher Öko-Investor und Präsidentenberater namens Clark Cafferty. Bourne beschließt, sehr vorsichtig vorzugehen, denn, wie gesagt: In Hollys Reihen gibt es Maulwürfe. Schon sein erster Eindruck trügt ihn nicht: Rollins hat ihm höchstens die Hälfte erzählt. Aber er hat ihn auch vor den Geistern der Vergangenheit gewarnt.

Stockholm

Schon bei der nächsten Reise, die ihn nach Stockholm führt, bemerkt Bourne, dass er beschattet wird. Die junge Agentin ist nicht zu übersehen, denn Bourne merkt sich Nasen. Und es ist die gleiche Knubbelnase, die in Stockholm auftaucht. Sie abzuschütteln, ist einfach. Als nächstes geht er ins Vasa Museum, wo das gleichnamige Schlachtschiff aus dem 17. Jahrhundert restauriert worden ist. Gunnar Eriksson ist nicht nur Restaurator, sondern auch freischaffender Profiler. Niemand kann wissen, wie Lennon/Lenin aussehe, aber sicher ist, dass er kein Handy bei sich hat: Er lässt sich weder aufspüren noch überwachen. Um ihn zu finden, braucht man bloß der Spur seiner Leichen zu folgen.

London

Vadik Reznikov gehört der russischen Widerstandsbewegung an, die Putin und seinen inneren Zirkel aus Oligarchen hasst und loswerden will. Aus diesem Grund hat Vadik vor einem Jahr seine Frau Tati, eine Klimaforscherin, geheiratet: Sie hat Zugang zu diesem inneren Zirkel. Ihre neueste vertrauliche Nachricht besagt, dass ein Oligarch namens Gennady Sorokin nach London zum WTO-Gipfel kommen will.

Doch warum sollten die britischen Behörden ihn ins Land lassen, wenn die Amerikaner Sorokin wegen Geldwäsche anklagen wollen? Jeder weiß, dass Briten und Amis stets zusammenarbeiten, etwa beim Abhören anderer Staatsoberhäupter. Aber Cafferty dürfte dafür sorgen, dass man Sorokin ins Land lässt – er muss die Geheimdienste nur entsprechend manipulieren: Was, wenn man Sorokin umdrehen könnte?

Vadiks Information lautet, er solle sich pünktlich um zehn Uhr im Pub „The Lonely Shepherd“ mit anderen Aktivisten von „Gaia Crusade“ treffen. Ein Bartender mit Dreadlocks lässt ihn ein, nachdem er die Parole genannt hat. Vadik fügt sich in den wartenden Zirkel ein und erhält eine Pistole, eine Glock. Er gewinnt sie für seinen geplanten Anschlag auf Sorokin während des WTO-Gipfels. Die Fahrtroute Sorokins zwischen Hotel und der Marineakademie in Greenwich ist offensichtlich. Sie wollen auf der Waterloo Bridge zuschlagen.

Auf einmal spielt die Lautsprecheranlage den John-Lennon-Song „Nobody Told Me“ und Vadik fährt zusammen. Der Bartender entschuldigt sich. Vadik hat ein mieses Gefühl, dass der Typ sein Gesicht gesehen hat. Er geht zurück, um ihn zu erschießen, doch keiner öffnet. Vadiks Misstrauen hat ihn nicht getrogen…

London

Der WTO-Gipfel soll in der alten Marineakademie der Briten in Greenwich stattfinden. Beim Einchecken in sein Hotel hat Bourne die CIA-Unterlagen erhalten. Darunter befindet sich der Reiseplan und Tagesablauf von Clark Cafferty. Der Schwachpunkt ist sofort klar: die Rede im Hauptsaal. Alle anderen Meetings sind hermetisch abgeschottet. Als Bourne diesen Hauptsaal mit seinen Deckenmalereien auskundschaftet, stößt er auf Knubbelnase. Die Agentin sieht zwar schon wieder anders aus, aber ihre Nase ist unverkennbar. Also dürfte auch Lennon in der Nähe sein.

Als er sie ans Ufer der Themse verfolgt, gelangt er in einem Tunnel. Dort warten schon zwei Helfer, um ihn aufzuhalten. Er kann einen ausschalten, aber der andere kann auf ihn zielen. Ein Schuss fällt, und der Schütze fällt selbst auf die Nase. Bourne kann es kaum fassen: Es ist die totgeglaubte Nova, die geschossen hat., um ihm das Leben zu retten Dennoch fragt er sie, warum er ihr trauen soll, nachdem sie zwei Jahre lang untergetaucht war. Inzwischen hat sie, wie er, Treadstone verlassen, und arbeitet nun für Interpol. Nur eines verbindet sie: die Jagd auf Lennon.

Bourne lacht beinahe, als sie ihm den Decknamen von Knubbelnase verrät: Yoko [Ono]. Natürlich ist sie austauschbar wie alle Helfer, die Lennon verwendet, all die Seans, Ringos, Petes und Stuarts – ja, es gab sogar einen Elton. Die Beatles hatten ja auch eine wechselnde Besetzung, vor allem in den ersten Jahren. Lennon ist konsequent: Sobald ein Helfer entbehrlich geworden ist, erhält er oder sie eine Kugel in den Kopf. Und wenn die Agenten von Interpol einen schnappen, weiß der- oder diejenige zu wenig, um Lennon finden zu können. Aber wenn „Yoko“ hier in London ist, dann wahrscheinlich auch der Mann, den sie „Lennon“ nennen.

Washington, D.C.

Clark Cafferty bespricht sich ein letztes Mal mit der blinden Vize-Direktorin Holly Schultz und ihrem Adlatus Dixon Lewis. Dixon hat die Organisation dieser seit drei Jahren geplanten Reise auf die Beine gestellt, deshalb kann es jetzt endlich losgehen. Sinn und Zweck der drei Tage in London ist es, Putins Vertrauten Gennady Sorokin zum Überlaufen zu veranlassen. Die Schlüsselfigur bei diesem ultrageheimen Manöver ist Tati, die Frau von Vadik Reznikov. Und dann ist da noch Lennon irgendwo, der versuchen wird, im Auftrag Putins Clark Cafferty zu töten – wenn ihm nicht Bourne und Nova zuvorkommen…

Mein Eindruck

Nichts ist, wie es scheint, nicht einmal Jason Bourne selbst. Er selbst ist unter dem Decknamen „Cain“ (seit Band 1 der Serie) bekannt, doch er trägt mit „Jason Bourne“ den Namen eines Toten, den ihm die Treadstone-Verantwortlichen verliehen haben. Ob er in Wahrheit „David Webb“ heißt – wer kann es sagen? Nova, der Name seiner Geliebten, scheint ebenfalls ein Deckname zu sein, doch er entpuppt sich als das einzig Echte in diesem Roman. Leider stellt sie sich als tickende Zeitbombe heraus. Die Handlung steckt erfreulicherweise voller Überraschungen bis zum Schluss. Ich habe selten einen Bourne-Thriller so schnell gelesen.

Öko-Terror

Zunächst scheint es um ein sehr aktuelles Thema zu gehen, nämlich Klimaschutz. Der Champion der Klimaschützer ist Clark Cafferty. Er möchte dem Klimaschutz einen richtigen Kick geben, indem er die Öl- und Gasmilliardäre, die Putins Oligarchenzirkel bilden, für seine ökologischen Ideen gewinnt. Dazu muss er den Ölmilliardär Sorokin umdrehen. Die Szene, in der Cafferty dies versucht, ist höchst spannend, denn Cafferty steht nicht nur unter Zeitdruck, sondern will auch gerade Namen jenes Mannes verraten, der Wladimir Putin ablösen soll.

Da greifen die Ökoterroristen der Gaia Crusade an, denn sie haben herausgefunden, wo das geheime Treffen in Wahrheit stattfinden soll. Vadik und Tati sind daher ebenfalls vor Ort. Als auch Bourne und Nova eintreffen, wird die Luft zunehmend bleihaltig und jede und jede muss um sein und ihr Leben kämpfen. Es kommt zum Bruch zwischen Vadik und Tati. Sie wendet sich von ihm ab und beginnt, eigene Pläne zu verfolgen. Diese führen sie zu einem alten Begleiter aus ihrer Kindheit: Onkel Maxim ist ein geflohener Exspion, der in Whitby, Yorkshire, seine letzte Zuflucht gefunden hat. tati war die einzige, die ihm im Schachspiel ein Remis abringen konnte, denn sie ist sehr klug.

Lennon (SPOILER)

Nach dem Tod von Sorokin und Cafferty konzentriert sich das Interesse des Topagenten Lennon auf Tati. Nicht weil sie selbst besonders wertvoll wäre, sondern weil sie die Tochter von Grigori Kotov ist, den die Amerikaner irgendwo in Kalifornien seit drei Jahren versteckt halten. Tati ist der Schlüssel zu Kotov. Diesen Überläufer will Lennon entführen, um ihn in Russland für seinen Verrat büßen zu lassen.

Doch es gibt ein Problem. Bourne hat Schultz versprochen, Tati zu beschützen. Aber gilt das auch für Nova? Lennon gelingt es, Nova gefangenzunehmen und mit Psychofolter zu brechen. Diese Folterszene ist völlig gewaltlos und doch extrem gruselig und beklemmend. Während ständig der Beatles-Song „Strawberry Fields Forever“ abgespielt wird („Nothing is real…“), muss sich Nova Bilder aus ihrer glücklichen Kindheit in Griechenland ansehen, von ihrer Mutter, deren Anhänger sie stets trägt, von ihrem Vater, einem Öl- und Gashändler. Die Bilderserie endet abrupt mit jener Szene, als Piraten Novas Eltern auf ihrer Jacht ermorden. Die siebenjährige Nova musste sich drei Tage lang unter einer Koje verstecken und hat überlebt. Sie spricht sechs Monate lang kein einziges Wort. Natürlich will sie Gerechtigkeit für den Tod ihrer Eltern, sie will Vergeltung. Das ist ihre Achillesferse, denn Lennon weiß, wer ihre Eltern getötet hat. Jetzt muss Nova nur noch Bourne austricksen. Nun, Liebe öffnet viele herzen, hoffentlich auch seins.

Wiederauferstehung en gros (SPOILER)

Dieses Bourne-Abenteuer verbreitet einen Charme des Grusels, der dem leser Gänsehaut verursacht. Whitby ist ein deutlicher Verweis auf „Dracula“, jenen Vampirroman, der das Thema der Wiederauferstehung und Langlebigkeit ins moderne Bewusstsein gerückt hat. In Whitby geht Graf Dracula mit seiner grausigen Fracht an Land, um neue Opfer zu suchen. Sein erstes Domizil ist genau jene verfallene Abtei, die im vorliegenden Thriller eine wichtige Rolle spielt.

Nova gehört zwar nicht zu Draculas Gefolgschaft, aber sie ist ebenso von den Toten „auferstanden“ wie Grigori Kotov. Beide haben ihr Schicksal zu Ende zu führen. Kotov kann entweder der neue Führer Russlands werden – oder in den Folterkellern der Lubjanka enden, der KGB-Zentrale in Moskau. Oder als Fischfutter. Was Novas Schicksal angeht, darf hier nichts verraten werden.

Auch Jason Bourne hat ein Rendezvous mit Nemesis, der Göttin der Vergeltung. Ihre Gestalt gewordene Rache ist Lennon. Wie Lennon zu Putins Topagent werden konnte, wird zwar nicht verraten, aber dass Treadstone seine Finger im Spiel hatte, dürfte auf der Hand liegen. Lennon ist eine Figur aus jener Zeit vor seiner Treadstone-Ausbildung, an die sich Jason nicht erinnern kann. Immer, wenn er das versucht, erlebt er Panikattacken und Kopfschmerzen.

Aber die Annahme ist nicht verwegen, dass auch Lennon ein Wiederauferstandener aus Jasons Vergangenheit ist. Mehr darf nicht verraten werden, denn die Enthüllung erfolgt erst im finalen Showdown. Dass Lennon ständig Lennon-Songs abspielt, ist offensichtlich: Sie sind seine persönliche Signatur und persönliche Herausforderung an seine Verfolger von der CIA und dem MI-5.

Textschwächen

S. 139: „thirty-two degrees“ – Fahrenheit, versteht sich.

S. 139: „dusty old antiquarian bookshops in Charing Cross [Road]: Es muss schon Jahre her sein, dass Sorokin diese Erfahrung machte konnte, denn diese Buchhandlungen wie etwa „Foyle’s“ sind schon längst verschwunden. Nur Universitätsbuchläden wie „Dillon’s“, die abseits des Zentrums Richtung Tottenham Court Road im Uni-Viertel liegen, können den rasant steigenden Bodenpreisen und Mietforderungen trotzen. Alle anderen Buchläden wie etwa „Forbidden Planet“ haben das alte Stadtzentrum – das neue Zentrum liegt eher Richtung Canary Wharf (siehe „Jason Bourne 5“) – schon längst verlassen müssen.

Unterm Strich

Das Generalthema dieses sechzehnten Bourne-Bandes ist recht ungewöhnlich. Zunächst scheint es um das Überleben des Planeten zu gehen, dessen Klimawandel aufgehalten werden soll. Doch Öko-Aktivisten werden unversehens zu Öko-Terroristen, und der Leser stellt sich die Frage: Ist das Leben des Planeten das Leben einzelner Menschen wert?

Allmählich zeigt sich, dass es um Überläufer geht. Russen, die die Seite gewechselt haben (Vadik, Kotov) oder noch wechseln sollen (Sorokin). Doch jeder Wechsel der Seite wird von Russen unweigerlich als unverzeihlicher Verrat betrachtet und mit dem Tod bestraft. Kotov hat es schon früh seiner Tochter gesagt, was das Schicksal jedes Russen ist: Irgendwann wird ihn jemand denunzieren und er wird als Verräter dastehen. Dann wird er seine Familie verlassen müssen, um sie zu beschützen, so wie es Kotov in Tallinn getan hat.

Die Handlung bewegt sich in einem Kreis. Was in Tallinn mit Kotovs Überlaufen und vermeintlichem Tod begonnen hat, endet drei Jahre später in Kalifornien. Wieder sind die alten Gegner und Begleiter dabei, doch diesmal hat Nova die Seiten gewechselt – und Lennon ist dabei, die Gleichung zu ihrem logischen Ende zu führen. Dass es dabei nicht bleibt, sorgt für einige Überraschungen.

Lennon lebt

Lennon lebt und war nie lebendiger! Manche mögen zwar behaupten, dass sein Körper anno 1980 sein irdisches Ende gefunden habe, doch sein Geist besteht fort. Das ist nirgendwo deutlicher sehen wie in der Folterszene, die für Nova so tiefgreifende Veränderungen mit sich bringt. Der Leser muss unbedingt sein eigenes Wissen über den Song „Strawberry Fields Forever“ mitbringen und den Text verstehen. Das ist sicher nicht leicht, denn der Text steckt voller Widersprüche. Die wichtigste Zeile ist sicherlich: „Nothing is real.“ Der wirbelnde, unendlich oft wiederholte Song zeiht Novas verstand weit in die Vergangenheit, um den Sinn ihrer Existenz infragezustellen.

Wiedergänger

Das Gleiche passiert mit Cain, der sich „Jason Bourne“ nennen lässt. Er kann sich zwar an alles erinnern, aber nicht hinter eine mentale Barriere blicken, die seine frühe Vergangenheit vor ihm verbirgt. Von dort kommt nun sein jüngster Widersacher: Lennon. Es ist, als wären die sechziger Jahre der Beatles-Herrschaft nie vergangen, sondern hätten nur geschlafen, um nun als Wiedergänger zurückzukehren – genau wie bei Nova.

Die Wirkung ist emotional zutiefst verunsichernd, genau wie der Rest dieses genial konstruierten Thrillers. So werden Nova und Bourne leicht durch Lennon zu manipulieren, einen Russen, der jedes seiner Opfer genauestens studiert, um wie ihr Schauspieler auftreten zu können. Vier Worte, vor aller Augen beiläufig an Nova gerichtet, genügen, um sie in eine entschlossene Killermaschine zu verwandeln. Als hätte Lennon ihr einen posthypnotischen Befehl gegeben.

Letzten Endes ist die Geschichte also ein Appell an den Leser, sich seiner selbst zu vergewissern, um nicht wie eine Marionette der russischen Puppenspieler zu enden. So gesehen, könnte der Thriller zu keiner geeigneteren Zeit kommen als nach dem Kriegsbeginn Russlands gegen den Wesen. (Putin hat von Anfang gesagt, dass sein Gegner nicht die Ukraine ist, sondern die USA und die EU.) Nun muss der Westen herausfinden, wofür er steht und mit welchen Mitteln er diese Werte durchsetzen will. Und welchen Preis er dafür zu zahlen bereit ist.

Ausblick

Es gibt Anlass, sich am Schluss des Buches auf ein Wiedersehen zu freuen: mit Lennon, mit Nova, ja, sogar mit Tati (sorry, Vadik hat es nicht geschafft). All diese Figuren überleben das äußerst gewaltsame Finale am Strand des wilden Pazifik. Und es gibt Aussicht auf ein Wiedersehen mit Abbey Laurent, jener kanadischen Journalistin, in die sich „Jason Bourne“ in Quebec (in „The Bourne Evolution“) verliebt hatte. Die Fortsetzung trägt den Titel „The Bourne Sacrifice“, und Lennon hat erneut einen wirkungsvollen Auftritt.

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