Brust, Steven – Yendi. Fantasyroman

_Action-Fantasy mit Witz und Erotik_

Jemand will Vlad Taltos ans Leder. Aber das ist ja nichts Neues. Vlad lebt als Mitglied der Unterwelt stets gefährlich. Und wenn er doch mal getötet wird, besteht in Adrilankha die Möglichkeit der magischen Wiederbelebung. Leider hat er es diesmal mit einem Konkurrenten zu tun, der Leute auf seiner Seite hat, die auch dies verhindern können …

Dies ist der dritte Roman mit Abenteuern des Jhereg-Gangsters Vlad Taltos.

_Hintergrund_

Auf der Welt Dragaera geht in der Stadt Adrilankha unser Held Vlad Taltos (sprich: taltosch) seinem Beruf nach: Er ist ein erstklassiger Auftragskiller. Adrilankha ist eine Art ernsthafte Version von Terry Pratchetts Ankh-Morpork: komplett mit Diebes- und Mördergilden, Kaufleuten, Schenken und Bordellen. Vlad hat sein Büro in der Altstadt, von wo er seinen eigenen Bezirk verwaltet, Schutzgelder abkassieren lässt und Konkurrenz aus dem Weg räumt.

Als hilfreich hat sich sein Vertrauter erwiesen: Loiosh ist ein drachenähnliches Wesen aus der Spezies Jhereg. Ähnlich wie Anne McCaffreys Feuerechsen auf dem Planeten Pern kann Loiosh Gedanken übertragen und giftige Bisse austeilen.

Auf der uralten Welt Dragaera stellen die Menschen („Ostländer“) wie Vlad Taltos eine Minderheit dar; angeblich kamen sie aus dem Ostreich in das Reich der Nichtmenschen, die so etwas wie kriegerische Elfen sind. Die Dragaeraner sind in exakt 17 Häuser oder Clans aufgespalten, so etwa Dragons und Hawks. Der Jhereg-Clan, der Vlad aufgenommen hat, ist ein Bastard-Clan und steht außerhalb der Clan-Hierarchie.

Die Dragons bilden die Spitze, sie gehorchen nur der Imperatorin. Hochnäsig schauen sie auf die Jhereg-Mitglieder herab, mit einer Ausnahme: Seit seinen Heldentaten in „Jhereg“ hat Vladimir Taltos einen großen Stein im Brett des Dragon-Clans e’Kieron, namentlich bei der zauberischen Aliera und ihrem Verwandten, Morrolan, der über das furchterregendste Schwert auf ganz Dragaera verfügt: „Schwarzstab“ frisst Seelen. Wiederbelebung ausgeschlossen.

_Handlung_

Eine schwere Zeit ist für den rechtschaffenen Attentäter Vlad angebrochen: Es herrscht Krieg. Nicht so einer mit Soldaten, sondern Krieg zwischen konkurrierenden Unterweltfirmen im Zentrum Adrilankhas. Da hat doch tatsächlich ein gewisser Laris seinem Untergebenen erlaubt, eines von Vlads Lokalen zu überfallen und zu übernehmen. Vlad ist auf Verhandlung bedacht – man muss sich ja nicht gleich umbringen – und trifft sich mit diesem Laris. Man trifft eine nette Vereinbarung, doch danach ist für Vlad der Fall klar: Es gibt Krieg.

Der tödliche Schlagabtausch geht eine Zeit lang hin und her. Nach einer Weile gehen Vlad die Mittel aus, und er erbittet von Dragon Morrolan (vgl. „Hintergrund“) eine erkleckliche Summe, die er auch erhält. Sofort eskaliert der Kampf in die nächsthöhere Stufe: Einsatz von Magie. Schutzzauber, Vernichtungszauber – es geht wieder einmal wild zu.

Leider hat Vlad Pech. Schon wähnt er sich als Sieger eines erfolgreichen Tages, als er kurz vor seinem Hauptquartier kalt erwischt wird: Zwei seiner Leibwächter haben ihn verraten, doch das merkt er zu spät. Auch Morrolan und Aliera teleportieren um Sekundenbruchteile zu spät an den Ort des Desasters. Zwei fremde Kämpferinnen machen Vlad und seinen verbliebenen Leibwächtern nieder. Vlad gibt den Löffel ab.

Nun sieht es gar nicht gut aus: weder für den Helden dieser Geschichte noch für den Fortgang dieser Geschichte überhaupt. Doch um herauszubekommen, wer es Laris ermöglicht hat, Vlads Truppe ratzfatz auszuschalten und welche fiese Absicht dahintersteckt, ist es dringend nötig, Vlad wiederzubeleben.

Ob und wie das gelingt und ob er Folgenschäden davonträgt, darf ich euch nicht verraten.

_Mein Eindruck_

In „Jhereg“ war Steven Brust ein furioser Start auf dem deutschen Buchmarkt gelungen. Er stellte seinen Helden als eine Art James Bond der Unterwelt vor. Zumindest hatte Vlad Stil. In „Taltos“ entführte er den Leser allerdings ins Reich des Todes, und das war denn doch reichlich metaphysisch.

Mit „Yendi“, benannt nach einem weiteren Dragaera-Clan, der für Intrigen berüchtigt ist, gewinnt Brust den leser zurück. Die Action geht ab wie eine Rakete, und Ironie und trockenster Humor machen das Lesen der abstrusen Abenteuer Vlads zu einem Vergnügen.

Relativ bizarr sind wie immer die Auswirkungen von dragaeranischen Eigenheiten wie psionische Kommunikation (= abhörsicheres Gedankentelefon ohne Vermittlung), Wiederbelebung gegen harte Währung (meistens rechtzeitig), Teleportation (gaaanz wichtig, führt aber zu massiven Magenbeschwerden) und magische Waffen. Morganti-Schwerter wie „Schwarzstab“ verhindern die Wiederbelebung.

Als wäre es noch nicht genung, dass sich Vlad mit unfähigen Dösköppen von Leibwächtern herumschlagen muss, verliebt er sich auch noch in eine fetzige Ostländerin namens Cawti, die ihm eigentlich ans Leben wollte. Nun ja, wo die Liebe hinfällt, da wächst kein Gras mehr. Vlad ergibt sich widerstandslos.

Leider ist die zweite Hälfte des Romans kein ungetrübtes Vergnügen. Nachdem alle Möglichkeiten durchgefochten wurden, bleibt Vlad nur noch das scharfe Nachdenken, um herauszubekommen, was hinter dem Bandenkrieg und den Anschlägen auf sein Leben und Unternehmen steckt. Dieses Nachdenken dauert leider übermäßig lange, nämlich mehrere Dutzend Seiten. Immerhin führt es dann zu einem überraschenden Finale.

_Unterm Strich_

Freunde von Action-Fantasy kommen hier durchaus auf ihre Kosten, dürfen aber keine Einheitskost à la Conan erwarten. Allenfalls eine so witzige Fantasyreihe wie die um Fafhrd und den Grauen Mauser, geschrieben von Fritz Leiber Mitte des 20. Jahrhunderts, könnte Brusts Romanen das Wasser reichen – was Witz, Action und Ironie anbelangt.

Allerdings ist Brust fiktionale Welt vielschichtiger, besser ausgetüftelt und viel enger unserer eigenen Welt verwandt als die des Grauen Mausers. Zudem spielen hier aktive Frauen eine sehr bedeutende Rolle und tragen wesentlich zur Unvorhersehbarkeit ders Handlungsverlaufs bei. Ganz abgesehen von den romantisch-sinnlichen Aspekten, die ihre Präsenz mit sich bringt. Cawti beispielsweise hat nicht nur einen spitzen Dolch im Gewande, sondern auch noch einiges in der Bluse.

|Titelbild|

Die Cover-Art der Klett-Cotta-Reihe mit Steven-Brust-Romanen weist einen eigenen Stil auf. „Yendi“ etwa zeigt eine verträumt dreinblickende Groschenromanheldin an der starken Brust ihres Helden: Stil der 40er Jahre. Von der Seite ragt ein knallrot geschminktes Lippenpaar herein, von dem Blut zu tropfen scheint. Offensichtlich wird hier mit Genreklischees gespielt. Genau wie in den Geschichten selbst (siehe die Angaben zum Autor und seiner Schreibschule).

_Der Autor_

1955 in Minneapolis geboren, ist Steven Karl Zoltán Brust schon Programmierer, Drummer in einer Reggae-Band, Schauspieler und Gitarrist in verschiedenen Bands gewesen. Er liebt vor allem zwei Dinge: die Küche seiner ungarischen Vorfahren und den Kampfsport – zumindest Letzteres merkt man seinem Buch an.

Er ist ein Mitglied der wichtigen Schriftstellergemeinschaft der „Scribblies“, die 1980 in Minneapolis gegründet wurde. Ihr gehören bekannte AutoInnen wie Emma Pull, Patricia Wrede und vor allem Kara Dalkey (die bei |Knaur| veröffentlicht wurde) an. Sie schreiben, was sie gerne selbst lesen würde. Dazu gehört besonders zeitgenössische und urbane Fantasy. Bull und Shetterly edierten die Romane, die auf der Shared-World Liavek spielen. Viele Scribblies-Mitglieder gehören der Bewegung der Pre-Joycean Fellowship (PJF) an. Sie unterstützen Literatur, wie sie vor James Joyce geschrieben wurde. Sie sind somit anti-modernistisch (aber modern) und anti-elitär, außerdem meist humorvoll.

In den USA ist Brust bisher durch neunzehn Romane und eine Soloplatte bekannt geworden. Seine Bücher werden immer wieder neu aufgelegt. Mit „Jhereg“ erschien 1983 der Startband eines ganzen Zyklus um den Antihelden Vlad Taltos. Zu diesem gehören folgende Werke:

Jhereg (1983), Yendi (1984), Teckla (1986) – zusammengefasst als „Taltos the Assassin“ (1991);

Taltos (1988; auch „Taltos and the Paths of the Dead“, 1991), Phoenix (1988) und Athyra (1991).

Verwandt ist die „Khaavren“-Sequenz, die sozusagen historische Romane à la A. Dumas umfasst, die auf Dragaera spielen: The Phoenix Guard (1991), Five Hundred Years After (1994) und The Viscount of Adrilankha (ca. 1996). „Brokedown Palace“ (1986) enthält ebenfalls verwandtes Material.

Bei |Klett-Cotta| erschienen die Bücher in folgender Reihenfolge: „Jhereg“ (2002), „Taltos“ (2002), „Yendi“ (2003), „Teckla“ (2003), „Phönix“ (2004), „Athyra“ (2005).

Homepage des Autors: http://www.dreamcafe.com/