E. B. S. Raupach / Marc Gruppe – Die Blutbaronin (Gruselkabinett Folge 14)

Vampirgrusel: Die Baronin saugt – die Damen seufzen

Burg Csejte um 1600: Baron Ferenc Nádasdy trauert, obwohl er mittlerweile ein zweites Mal verheiratet ist, noch immer seiner toten ersten Frau Elisabeth Báthory nach. Nacht für Nacht sucht er ihr Mausoleum auf und hadert mit seinem Schicksal. Ein Zauber könnte ihm die Geliebte ins Leben zurückbringen. Die weise Magierin warnt jedoch inständig vor diesem unheiligen Werk, denn es könnte Tod und Verderben über die Seinen bringen. Schließlich ist Elisabeth Báthory nicht irgendeine Gräfin. Sie ist als Blutbaronin in die Geschichte eingegangen.

Der Autor

Ernst Benjamin Salomo Raupachs (1784-1854) dramatische Blutsaugergeschichte wurde 1823 unter dem Titel „Lasst die Todten ruhen“ veröffentlicht. Erstmals wird dieses Werk aus dem Schatzkästchen der schwarzen Romantik nun in einer Hörspielbearbeitung präsentiert. (Verlagsinfo)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher

Elisabeth Báthory: Viola Sauer (u. a. dt. Stimme von Charlotte Rampling)
Janos, der Erzähler: Hartmut Neugebauer (Gene Hackman)
Ferenc Nádasdy: Uwe Büschken (Hugh Grant & Matthew Broderick)
Katharina Nádasdy: Arianne Borbach (Catherine Zeta-Jones)
Weise Frau: Inken Sommer (Majel Barrett/“Lwaxana Troi“ in „Star Trek“)
Amme: Ingeborg Lapsien („Miss Drycunt“ in „Der Wixxer“ & „Dorothy Halligan“ in „Alf“)
Kanzler: Jürg Löw
Maria: Tanja Geke (Judy Greer & „Aiden Burn“ in „CSI: New York“)
Jaroslav: Kammerschauspieler Heinz Ostermann

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Studio AudioCue, Rotor Musikproduktion, Scenario Studio und bei Kazuya statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

Hörprobe: http://www.titania-medien.de/

Handlung

Trommeln und Posaunen künden von schicksalhaften Vorgängen, die Turmuhr schlägt die Stunde. Jemand rückt eine Grabplatte beiseite und ruft flehend „Elisabeth!“ Klagende Chöre künden vom nahenden Verhängnis …

Man schreibt das Jahr 1600, als die ungarische Gräfin Katharina Nádasdy zum Patenonkel ihres Gatten Ferenc eilt. Janos, der Ich-Erzähler, sieht eine besorgte Mutter von zwei Kindern vor sich, die ihm von einem Schatten erzählt, der sich zwischen sie und ihren Gatten geschoben habe. Der habe auch einen Namen: Elisabeth Báthory. Ferenc‘ erste Frau sei zwar schon lange tot, doch Nacht für Nacht schleiche er sich auf den Friedhof zu ihrer Gruft. Was ist zu tun?

Janos erinnert sich: Elisabeth war eine bezaubernde junge Frau, als Ferenc sie kennenlernte und sich sofort in sie verliebte. Sie heirateten, und die Liebesnächte vergingen wie ein schöner Traum. Als der Traum schwand und sie starb, hielt seine Liebe nicht an, sondern er wandte sich einer neuen Frau zu: Katharina, die Mutter seiner Kinder.

In einer geisterhaften Nacht redet Janos seinem Patensohn ins Gewissen, doch alle Vorhaltungen und Warnungen fruchten nichts. Ferenc will seine Elisabeth zurück. Zu seiner Verwunderung sieht Janos, dass Elisabeths Gesicht in keiner Weise verwest, sondern so schön wie eh und je ist. Auch die weise Alte, an die sich Ferenc wendet, warnt ihn: Die Toten wollen gar nicht zurückkehren! Und er, Ferenc, sei ja auch nicht mehr ganz taufrisch …

Doch Ferenc besteht darauf, seine Elisabeth aus dem Todesschlaf zu erwecken, und droht der Alten sogar mit Kerker, sollte sie ihm nicht seinen Willen tun. Sie sammelt die nötigen Kräuter und vollzieht das Ritual. Eine letzte Warnung: Die Erweckte werde erst wieder mit Ferenc’‘ eigenem Tod ins Grab zurückkehren. Die Magierin träufelt Ferenc‘ Blut auf Elisabeths Mund, die es einsaugt und erschauert. Janos ist angeekelt und geht, deshalb sieht er nicht, wie sich Elisabeth erhebt. Ferenc bringt sie in sein Jagdschloss, das er wieder herrichten lässt. Alle Fenster sind verhangen, denn sie scheut das Licht des Tages.

Der Baron rückt dem Ziel seiner verruchten Träume immer näher. Doch als Elisabeth erfährt, dass er verheiratet ist, fordert sie seine Scheidung von Katharina. Ferenc gehorcht und veranlasst die Scheidung, während er die Kinder behält. Doch Katharina besucht vor ihrer Abreise die Rivalin im Jagdschloss. Sie ist nicht vorbereitet auf Elisabeths neue Kräfte. Die Erweckte bannt sie mit ihrem hypnotischen Blick und zwingt ihr ihren Willen auf. Dann beißt sie in Katharinas Hals, um sich an ihrem Lebenssaft zu laben. Denn nur mit Blut ist die Schönheit zu erhalten, in die sich ihr Geliebter so vernarrt hat.

Mit dem triumphalen Einzug Elisabeths bei Ferenc, der sie als neue Frau vorstellt, beginnt der Anfang vom Ende der Dynastie Nádasdy. Doch da Elisabeth erst mit Ferenc‘ Tod sterben kann, gibt es nichts, was die Zerstörung, die sie im ganzen Land verursacht, aufhalten könnte. Oder doch?

Mein Eindruck

Die blutrote Farbe des Titelbildes deutet bereits an, worum es in der Gruselerzählung geht: um Blut, Leidenschaft und natürlich um die Blutsaugerin, die beides verbindet. Die Bezeichnung „Vampyr“ fällt kein einziges Mal, obwohl Lord Byron und John Polidori den Begriff erfunden hatten, als Raupach die Erzählung „Lasst die Todten ruhen“ schrieb – lange vor Bram Stokers Klassiker [„Dracula“ 2957 (1897). Dass Raupach sich auf die volkstümlichen Legenden um die historisch verbürgte Elisabeth/Erzsébet Báthory stützte, nehme ich an und verweise auf die erstklassige Verfilmung dieses Stoffes durch den Polen Walerian Borowczyk (in „Unmoralische Geschichten“, 1973) in dem erstaunlicherweise Paloma Picasso als Elisabeth auftritt.

„Die Blutbaronin“ fasst die Motive des weiblichen Vampirs, der antiken Lamia und der wiederauferstandenen Geliebten zusammen und verschmilzt sie zu einer eindrucksvollen Geschichte über Begierde, die den Tod missachtet und dafür den Preis bezahlen muss. Zunächst ist es nur die Begierde des Barons, sich wieder mit der Ex der Fleischeslust hingeben zu können. Doch schon bald muss er sich ihrer Gier unterwerfen, die nach dem roten Lebenselixier verlangt. Perfiderweise will sie genau mit dieser Sünde schön genug bleiben, um sein Interesse zu erhalten. Folglich sind ihre Opfer auch seine.

Der Haken bei der Sache: Als ihr die Beute ausgeht, bleibt nur noch eine Nahrungsquelle übrig: Ferenc selbst. Damit muss Elisabeth natürlich haushalten, aber wie lange kann das gut gehen? Für ihn jedenfalls gibt es nur einen Ausweg: Die Blutsaugerin, die er wegen ihre hypnotischen Kräfte gar nicht als solche wahrgenommen hat, muss sterben. Aber wie? Die Alte, die Elisabeth aufweckte, muss ihm helfen, sie auch wieder zu bannen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Es soll genügen zu sagen, dass sich ein spannender und höchst dramatischer Zweikampf Mensch gegen Monster entspinnt.

Das unterschwellige Motiv der übergroßen sexuellen Begierde als Sünde wider die Natur inszeniert das Hörspiel in einigen recht drastischen Begegnungen zwischen der Blutbaronin und ihren weiblichen Bediensteten. Katharina, ihre Vorgängerin, bleibt nicht ihr letztes Opfer, sondern es folgen mindestens zwei weitere. Wie in den Vampirfilmen ist bei diesen „bissigen“ Begegnungen die erotische Komponente nicht zu unterdrücken, und das verleiht der Erzählung einen höchst eigenen Charme, der keinen Zuhörer unbeeindruckt lassen dürfte.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Zu diesem Charme trägt in hohem Maße auch die Sprecherin bei. Viola Sauer ist u. a. als die deutsche Stimme von Charlotte Rampling bekannt, und das sollte dem Filmkenner schon einiges sagen. Rampling hat in den letzten Jahren in Mainstream-Psycho-Stücken mitgespielt, aber in den siebziger und achtziger Jahren spielte sie erotische Rollen auf der Femme-fatale-Seite, z. B. in „Der Nachtportier“ von 1973 (Regie: Liliana Cavani).

Man kann es nicht anders sagen: Viola Sauer lässt die Sau raus, wenn sie die Blutbaronin darstellt. Sie ist Verführerin und betörender Vamp: Eine romantische Geige illustriert ihre Wirkung auf Ferenc. Sie ist die herrische Baronin von Burg Csejte und noch viel mehr: ein unirdisches Wesen mit übermenschlichen Kräften und Gelüsten. „Teufelin!“, wettert ihr armer Tropf von einem Gatten (mit der Stimme von Frauenschwarm Hugh Grant), und Trommeln und Posaunen künden Unheil an. Doch die Lady hat ein gutes Gegenargument: „Mörder!“ Denn schließlich hat er ihr seine Kinder ausgeliefert, oder nicht?

Das Finale ist noch spektakulärer. Das liegt nicht nur an ihrem Lachen, Jammern, Flehen, sondern noch viel mehr an seinem eigenen Kampf gegen die Schwäche und Liebe, die er weiterhin für sie hegt. Selbstüberwindung ist für ihn noch härter als die Verdammung der Geliebten in die Hölle. Elisabeth behält das letzte Wort: „Ferenc, lass mich raus!“, klagt sie und lacht ihn gleich wieder aus. Wieder klagt die romantische Geige Elisabeths Leitmotiv. Diese Umsetzung hat wirklich emotionale Wucht.

„Die Blutbaronin“ ist nicht nur Kino für die Ohren, sondern auch noch Hollywoodkino. Denn hier sprechen nicht irgendwelche Sprecher, sondern die deutschen Stimmen bekannter Stars aus der amerikanischen, englischen und französischen Filmgeschichte – siehe oben. Dass diese Profis eine solide Performance abliefern, versteht sich fast von selbst, und ich war entsprechend zufrieden.

Solche geübten und prestigeträchtigen Sprecher und Sprecherinnen einzusetzen, gehört zum Marketing von Marc Gruppe bzw. |Titania Medien|. Hinzu kommen jeweils traditionsreiche Schauergeschichten, die den nötigen emotionalen Rahmen für die Entfaltung solcher Stimmtalente liefern. Zu Anfang waren es eher unbekannte Geschichten wie etwa Launs [„Totenbraut“, 1854 doch mittlerweile wagt sich Marc Gruppe an die Klassiker heran.

Nach den Weihnachtsstandards von Charles Dickens’ „Frohe Weihnachten, Mr. Scrooge“ und Burnetts „kleinem Lord“ nimmt sich der Produzent zentraler Stoffe an. [„Frankenstein“ 2960 macht den Anfang, dann folgt im April 2007 „Dracula“. Wer weiß, wozu Marc Gruppe und sein Team noch fähig sind. Ich bin bereits gespannt.

Musik und Geräusche

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen sehr dicht und realistisch aufgebaut. Wenn das Käuzchen ruft und die Turmuhr Mitternacht schlägt, weiß der Zuhörer, dass er einem Schauerstück lauscht. Hinzukommt die passende Musik von Chören, Posaunen und Trommeln – fertig ist die Gruselnacht. Doch um die Szene richtig mit Zauber und verbotener Magie zu erfüllen, sind die Götter der Natur anzurufen: Sie machen sich als Sturmwild im Nachtwald lautstark und unheimlich bemerkbar. Diese Geräuschkulisse fällt erst in den Innenszenen und im Finale weg, wenn die Dialoge im Vordergrund stehen.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt, weder von Geräuschen noch von Musik.

Unterm Strich

„Die Blutbaronin“ ist eine der gelungensten Produktionen in der inzwischen fest etablierten und angesehenen Reihe „Gruselkabinett“. Dass sie einen bleibenden Eindruck beim Hörer hinterlässt, liegt nicht nur an der starken Vorstellung von Viola Sauer als Titelheldin, sondern auch dem Drehbuch, das auf eine feine Zeichnung der psychologischen Konflikte bei den Opfern der Blutsaugerin setzt und nicht vordergründigen Splatter. Die homo-erotischen Momente, wenn die Baronin ihre hypnotisierten weiblichen Opfer zur Ader lässt, verleihen dem Hörspiel eine spezielle Würze, die man in vielen anderen Hörspielen vergeblich sucht. Am ehesten kommt dafür noch die Genre-Hörspiel-Serie [„Vampira“ 2441 in Frage, allerdings auf weniger kunstvollem Niveau.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Kunstliebhaber mögen von solchen melodramatischen Darstellungen abgestoßen sein, aber die feine Linie zwischen Kunst und Unterhaltung verläuft bekanntlich in einem fließenden Kontinuum, und ich ziehe allemal die Unterhaltung der Kunst vor.

Jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem nach allen Regeln der Kunst gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen. Die Hörbücher der [„Necroscope“-Reihe 779 von Brian Lumley dürften eine ausreichend starke Dosis verabreichen.

74 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783785732533

http://www.titania-medien.de

Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ (Gruselkabinett 27)