Herbert Reinecker – Derrick – Ein eiskalter Hund (Hörspiel)

Die Frau von Jakob Lohbach (Klaus Löwitsch) ist mausetot – erwürgt. Doch anstatt nun anständig zu trauern, wird Lohbach zum lustigen Witwer, der noch am Todestag seine Geliebte Greta bittet, bei ihm einzuziehen. Na, Prost! Was steckt dahinter? Oberinspektor Derrick nimmt den untreuen Ehemann ins Visier.

Die TV-Serie


Kaum ertönt die Titelmusik von Les Humphries, die anfängt wie ein „Tatort“ und dann umkippt wie in eine Seifenoper, fühlt man sich schon in selige Zeiten versetzt, als mit „Derrick“ in den Achtzigern deutsche Krimis zum Exportschlager in alle Welt wurden. Der Oberinspektor ermittelt in 104 Ländern und hat kürzlich sogar als Zeichentrickparodie die Leinwand erobert.

Zwar quittierten Deutschlands beliebteste TV-Cops Stephan und Harry nach 24 Jahren (fast einem Vierteljahrhundert!) und 281 Folgen den Dienst. Doch nun kehren sie als Audioserienhelden zurück: Die ZDF-Filme ertönen als Hör-CDs mit den Originalstimmen von Horst Tappert, Fritz Wepper, dem fiesen Klaus Löwitsch und vielen anderen. Und natürlich mit der Originalmusik von Les Humphries *seufz*.

Die Sprecher

Horst Tappert: spricht Oberinspektor Stephan Derrick
Fritz Wepper: spricht Inspektor Harry Klein
Klaus Löwitsch: spricht Jakob Lohbach
In weiteren Rollen u. a. Axel Milberg, Christine Buchegger, Katharina de Bruyn. Genaue Angaben zu den Rollen und der Musik liefert das Booklet.

Handlung

Jakob Lohbach (Löwitsch) ist in der Tat ein eiskalter Hund. Seine Geliebte, die Kellnerin Greta, hat er in der Gaststätte seiner eigenen Frau Luise (Buchegger) aufgerissen und verabredet mit ihr vor Ort ein erneutes Stelldichein. Doch seine vernachlässigte Gattin, die das ganze Geld in die Ehe einbrachte, lässt er eiskalt auflaufen, wenn sie ihn zur Rede stellen will. Er gewährt ihr nicht einmal die Scheidung, was aber verständlich wird, wenn man bedenkt, was er danach besitzen würde: außer seinem Gschpusi Greta nämlich nichts. Das ist also keine Option.

Luise, eine gestandene Geschäftsführerin, weiß sich zu rächen: Sie verweigert ihm den Autoschlüssel zu seinem Wagen, so dass er den Schlüsseldienst kommen lassen muss. Doch sie weiß noch nicht, wer sein Betthäschen ist (damit sie der Schlampe kündigen kann) und folgt deshalb bereitwillig einem anonymen Tipp, dass Jakob zu einem bestimmten Zeitpunkt im Lohbachschen Wochenendhäuschen mit seinem Verhältnis sein werde. Derweil spielt Jakob mit seinem Kumpels eine Runde Skat. Offenbar hat der Mann nichts Besseres zu tun.

Bei seiner Rückkehr nach Hause wartet eine Überraschung auf Lohbach: Oberinspektor Derrick hätte ein paar Fragen an ihn. Seine Frau Luise sei erwürgt in ihrem Wochenendhäuschen aufgefunden worden. Von einem Forstarbeiter, dem die offene Tür aufgefallen war. Ob er etwas dazu sagen wolle? Nein, denn Lohbach hat ja ein hieb- und stichfestes Alibi für die Tatzeit.

Obwohl Luises Schwester Lisbeth gegen den Schweinehund wettert und ihn als einzig möglichen Täter denunziert, behält der „Schweinehund“ die Nerven und fordert Greta sogar auf, bei ihm einzuziehen: „Auf wen sollen wir denn Rücksicht nehmen?“ Lohbach erbt die Gaststätte und hat ausgesorgt.

Doch die Polizei ist ja auch nicht blöd. Derrick beginnt, Lohbachs Freundin Greta unangenehme Fragen zu stellen. Und stößt dabei auf ihren Bruder Rudolf Riemann. Der ehemalige Setzer ist seit längerem arbeitslos und hat seit einem halben Jahr null Einkommen. Wer unterstützt ihn? Etwa Lohbach?

Mein Eindruck

Mehr darf nun wirklich nicht verraten werden. Denn wie dieser Kasus ausgeht, kann sich der Hörer an zwei Fingern abzählen. Unglaublich, wie simpel im Jahre 1986 die Fernsehkrimis gestrickt waren! Der Autor Herbert Reinecker hatte aber schon zuvor etliche Folgen für „Der Kommissar“ mit Erik Ode und für „Der Alte“ mit Siegfried Lowitz in der jeweiligen Hauptrolle geschrieben. Mit „Derrick“ gelang ihm offenbar ein massenkompatibler Dauerbrenner, der den Intellekt des Zuschauers nicht überfordert – ideal für den Vorabend.

Die künstlerischen Qualitäten des „Hörspiels“ – es wurde ja nicht für Rundfunk, sondern Fernsehen produziert – halten sich dementsprechend ebenfalls in Grenzen. In einer knappen dreiviertel Stunde Sendezeit (plus Vor- und Abspann) ist nicht allzu viel Handlung unterzubringen. Die Psychologie ist eindimensional: Löwitsch ist der knallharte gefühlskalte Macho, den er schon immer spielen musste; Derrick bietet ihm Paroli, indem er alle möglichen Leute befragt, und Harry bleibt allzeit dezent im Hintergrund, es sei denn, er muss einmal das Offensichtliche erwähnen – dass beispielsweise eine Aussageverweigerung nicht besonders gut aussehen würde.

Der Schwachpunkt in Lohbachs Kalkül ist Gretas Bruder Rudolf, der Setzer. Eine derart hin und her schwankende, gebrochene Persönlichkeit, die sich von einer Aussage zur nächsten widerspricht, ist natürlich sofort am interessantesten. Und wer Tatort- und Derrick-Krimis kennt, ahnt schon, dass der Setzer für die Ermittler eine wahre Goldgrube sein wird …

Die Sprecher, die Inszenierung

Aber Schauspieler ist Schauspieler, selbst wenn die Dramaturgie noch so bescheiden ausfällt. Und daher passen die Stimmen der Sprecher ausgezeichnet zu den Figuren. Es gibt keine „Ausfälle“. Löwitschs Stimme ist eindeutig die des Schurken, da beißt die Maus keinen Faden ab. Seine Opfer: die arme, ältliche Luise, aber auch die verführte, naive Greta und deren Bruder. Dieser Bruder ist die Schwachstelle und sozusagen das Zwielicht zwischen dem dunklen Bösen und dem hellen Guten, moralisch und psychologisch gesehen also die interessanteste Figur des Ganzen.

Auftritt der Mächte des Guten: Oberinspektor Derrick ist zwar nicht Obi-wan Kenobi, aber sein scharfer Verstand, seine Hartnäckigkeit und schließlich seine Durchsetzungskraft verhelfen ihm auch ohne Laserschwert zum Sieg. Harry holt derweil schon mal den Wagen. (Wahrlich ein undankbare Rolle.)

Geräusche

Recht interessant sind die Hintergrundgeräusche. Normalerweise halten sich die Regisseure von Hörspielen mit Nebengeräuschen sehr zurück, weil sie die Aufmerksamkeit des Zuhörers vom Dialog ablenken. Hier aber kommt die originale Tonspur der TV-Episode zu Gehör, so dass wir auch Tassenklappern, Bestellungen der Restaurantgäste, Telefone und vieles mehr hören. Das trägt positiv zum realistischen Eindruck des Stücks bei, ohne zu stark vom Dialog abzulenken, wie ich finde.

Musik

Der Abspann ist mit der Originalmusik unterlegt, bei der diesmal die volle Länge des Stücks ausgespielt werden kann. Der Kommentator informiert über die Mitwirkenden. Erstaunlich, dass damals schon Axel Milberg mitgespielt hat, der heute doch eher für Charakterrollen bekannt ist.

Unterm Strich

Was wie „Derrick“ Kult ist, bleibt in jeder beliebigen medialen Form Kult. So auch die Hör-CD. Sie ist ein gefundenes Fressen für „Derrick“-Sammler, die sicherlich sämtliche 284 Folgen werden ihr Eigen nennen wollen. Zu einem Kultobjekt gehört alles dazu, was es dazu macht, um beim Rezipienten – dem Zuschauer, Hörer, was auch immer – die entsprechenden nostalgischen Gefühle auszulösen. Bei „Derrick“ sind es die charakteristischen Stimmen der Sprecher/Schauspieler, die simple Story und natürlich die Originalmusik.

Da Derrick in München stationiert ist, kommen ab und zu auch mal bayerische Zungenschläge zu Gehör, aber das hält sich im Vergleich zum echten Bayerisch auf Münchens Straßen doch sehr im Rahmen. Dort ist man ganz anderes gewöhnt, will heißen: „Derrick“ ist in Flensburg ebenso gut verständlich wie in Freilassing.

Auch für diese Hör-CD gilt das Gesetz der Serie: Sie ist nur so lange gut, wie sie in einer Serie gehört wird. Als Einzelstück verliert sie schnell ihren Reiz. Aber wer ein Sammler ist, weiß da sicher rasch Abhilfe zu schaffen.

Umfang: 57 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783898133678