Parker, Robert B. – Stranger in Paradise (Jesse Stone 7)

Trouble im Paradies: Ein Apache auf dem Kriegspfad

Wilson Cromartie versetzte Paradise vor zehn Jahren in Aufregung, entkam aber nach einem Coup mit 20 Mio. Dollar Beute. Was treibt „Crow“ jetzt wieder hierher, fragt sich Chief Jesse Stone. Crow sucht für einen Florida-Gangster dessen geflohene Frau und Tochter. Als Crow die beiden findet, erteilt ihm der Gangster den Befehl, die Frau umzulegen und das Kind zu ihm zu bringen. Crow hat jedoch Prinzipien. Dazu gehört, niemals Frau zu töten oder zu verletzen. Seine Weigerung führt dazu, dass der Gangster eine Gang mit seiner Ermordung beauftragt und der Gangster persönlich nach Paradise kommt. Es kommt zum Krieg im Paradies …

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser„-Reihe, die derzeit 50 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

Handlung

Mittlerweile sind zehn Jahre in Paradise vergangen, seitdem die Stadt überfallen wurde (in „Trouble-“ oder „Death in Paradise“). Damals nahm eine Bande von Räubern brave Bürger als Geisel und erpresste 20 Mio. Dollar Lösegeld. Chief Jesse Stone konnte das Geiseldrama beenden, doch ein Mann entkam mit der Beute: Wilson Cromartie, der Apache. Ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.

„Crow“, wie er sich nennen lässt, taucht heute wieder in Paradise auf, genauer gesagt: in Stones Polizeistation. Er bittet den Polizeichef, ihm freie Hand bei seinem Auftrag zu lassen, den er in der Stadt ausführen möchte. Natürlich sagt er nichts darüber, worum es sich handelt. Stone kann ihn nicht auf der Stelle verhaften lassen, denn die Raubtat ist inzwischen gewissermaßen verjährt. Aber Stone verspricht, ihn sofort festzunehmen, sollte sich herausstellen, dass Crow an einer Gewalttat beteiligt gewesen. Dann gilt die Verjährungsfrist nämlich nicht.

Während sich Stone anderen Problemen zu widmen hat, stößt Crow, der Apache, schon bald auf eine erste Spur. Der Gangster, der ihn geschickt hat, informiert ihn, dass die gesuchte Amber Francisco, die 14-jährige Tochter des Gangsters, mit Kreditkarte gezahlt hat, als sie einen neuen Fernseher kaufte. Das war in Marshport, dem schäbigen, heruntergekommenen Nachbarort von Paradise. Dort spürt Crow die Adresse auf, an dieder Fernseher geliefert wurde: die Unterkunft einer Latino-Gang, deren Anführer Esteban Carty ist. Das Mädchen – sie nennt sich jetzt Alice – ist nicht da. Kein Problem. Nachdem Crow einen der Möchtegernbanditen erschossen hat, ist die Adresse von Alice ein Kinderspiel: Sie wohnt mit ihrer Mutter Fiona in Paradise.

Der Gangster gibt ihm den Befehl, die Alte umzulegen und ihm die Kleine nach Miami zu bringen. Das ist für Crow allerdings ein Problem: Er vergreift sich aus Prinzip nicht an Frauen. Doch Alice alias Amber wird schon bald von Esteban wissen, dass sie gesucht wird. Er stellt Fiona und Amber zur Rede. Die kleine Göre gibt nach einer deftigen Ohrfeige klein bei, die Alte ist zu fett und zu betrunken, um überhaupt ein Problem zu sein. Als der Gangster ankündigt, Crow umlegen zu lassen, wenn er ihm Amber nicht bringt, wendet sich Crow an Chief Stone. Der nimmt Amber bei sich auf, betreut von Jenn und Molly Crane.

Es sieht ganz so aus, als würde es einen kleinen Krieg geben in Paradise. Doch wenn er es richtig anstellt und er mit Crow zusammenarbeitet, dann könnte Chief Stone gleich vier Fliegen mit einer Klappe erwischen: Den Miami-Gangster, den Bandenführer Esteban, Freiheit für Amber und Crow – sowie noch ein oder zwei Kleinigkeiten, die sich im Laufe der Ermittlungen ergeben haben.

Es könnte aber auch alles in die Binsen gehen und Paradise sich in einen Trümmerhaufen verwandeln …

Mein Eindruck

Ich habe diesen exzellent geplotteten, superspannenden und doch humorvollen Krimi an nur einem Abend gelesen. Man kann ihn einfach nicht aus der Hand legen. Hiermit ist Parker nach dem etwas laschen „High Profile“ wieder ein Meisterwerk geglückt.

Der Apache

Schade, dass ich jenen Krimi „Trouble in Paradise“ noch nicht kenne, auf den sich Stone und Crow beziehen, als sie über die Vorgänge vor zehn Jahren sprechen. (Aber das kommt noch – versprochen!) Dennoch bin ich Parker dankbar, dass er eine so eigenwillige und originelle Figur wie den Apachenkrieger Crow wieder aus der Versenkung geholt hat. Crow ist in zweierlei Hinsicht besonders: Er betreibt die Gewalt nicht zum Broterwerb oder um sein Ego zu stärken, sondern zum Zeitvertreib – es ist ein Vergnügen, es mit dem Gegner aufzunehmen und so zu beweisen, dass er, Crow, ein echter Krieger ist. Und wenn es nicht Möglichkeit des Scheiterns gäbe, würde die ganze Sache gewiss keinen Spaß machen.

Zweitens vergreift sich Crow in keinster Weise an Frauen und Kinder. Sie sind Nichtkombattanten, die im Krieg der Männer nichts zu suchen haben. Vielmehr gehören sie aus der Schusslinie genommen, und genau das macht Crow auch mit Amber. Für deren Mutter Fiona kommt leider jede Hilfe zu spät: Esteban, der Fiona und seine Freundin Amber an den Gangster verraten hat, war schneller. Aber Crow bringt Amber bei Chief Stone unter, was diesen vor ein ganz besonderes und ungewohntes Problem stellt: ein Kind im Haus, noch dazu eine vierzehnjährige Punkgöre!

Crows positive Einstellung zu Frauen, die im Gegensatz zu der der meisten weißen Männer steht, äußert sich aber in noch einer aufregenden Hinsicht: Er fordert sie zum Sex auf und sie willigen ein, denn sie wollen sich eine ihrer Urphantasien erfüllen – Sex mit einem echten Kerl. Nur Sex, sonst nix, keine Verpflichtung. Es ist wahrhaft erstaunlich, welche und wie viele Frauen, die Stone kennt, auf dieses Angebot eingehen – und es nicht bereuen. Auch das gehört zur ganz speziellen Würze dieses Krimis.

Es kann der Frömmste nicht…

Auf zwei Aspekte weist die Story ebenfalls hin: Paradise wieder zunehmend in Mitleidenschaft gezogen, wenn in den Nachbarstädten (wie etwa Boston) Gewalt und Verbrechen zu wenig bekämpft werden. In Marshport, dem Nachbarort, treiben mehrere Latinogangs ihr Unwesen, und entsprechend dreckig und heruntergekommen sieht der Ort auch aus. Keine Wunder, dass sich in Paradise gewisse Bürger dagegen wehren, dass kleine Latinokinder in Paradise in die Vorschule gehen sollen. Doch wie Stone herausfindet, steckt hinter dem Widerstand handfestes Geldinteresse.

Auch dass eine Invasion von Gangstern aus Miami erfolgt, wirft ein Schlaglicht auf den Umstand, dass Paradise, dieses „Musterstädtchen“ keineswegs isoliert existieren kann, sondern von der Verbrechensentwicklung in den ganzen USA beeinflusst wird. Deshalb ergreift Chief Stone die Gelegenheit beim Schopf, zusammen mit der Staatspolizei von Massachusetts dem eingeflogenen Gangster und Esteban eine Falle zu stellen. Crow und Jenn beteiligen sich daran. Hoffentlich geht bei der Falle nichts schief, denn sonst wird das Paradies ein Opfer der Wölfe.

Sex, Humor und die Liebe

Neben dem Sex, den Crow hat, und den Liebesabenteuern, die Stones Mitarbeiter erleben, gibt es noch weiteren Humor. Dieser entsteht auch Stones Zusammenleben mit Jenn und der jungen Rotznase Amber Francisco. Während dies den Roman recht kurzweilig macht, liefern die Psychotherapiesitzungen mit Dr. Dix ein tiefsinniges Gegengewicht.

Jetzt endlich kapiert Jesse, worum es Jenn bei ihrem Fermdgehen im Grunde geht: Sie schläft sich hoch, um durch das Klettern auf der Karriereleiter – die ehemalige Wetterfee bertreibt jetzt investigativen Journalismus! – eine Position zu erreichen, die sie auf eine Stufe mit Jesse stellt. Sie will genauso viel Macht wie er haben und sich behaupten können. Hoffentlich geht das gut. Es wäre diesem seltsamsten Paar der Kriminalliteratur sicherlich zu wünschen.

Unterm Strich

Der „Fremde im Paradies“ wirkt zunächst reichlich zwielichtig. Er ist als Verbrecher bekannt, will sich aber dennoch mit dem Polizeichef auf guten Fuß stellen. Was soll man davon halten? Und dann haben es die Bürger von Paradise auch noch mit einer Latino-Invasion aus der Nachbarstadt zu tun. Zum Glück sind es nur fünfjährige Vorschüler. Also nichts im Vergleich zu der echten Fremdeninvasion, die aus Miami kommt, um das Paradies in ein Schlachthaus zu verwandeln. Wie so oft, gilt es auch hier, das rechte Augenmaß zu beweisen. Falls man dazu gewillt ist.

In einem spannenden, actionreichen Plot, der mich zur letzten Seite bestens unterhielt, behandelt der Autor das Thema Fremdheit und Integration auf allen denkbaren Ebenen, selbst noch im pivatesten und intimsten Bereich des menschlichen Lebens. Und mit der Figur des Apachenkriegers Crow hat Parker keineswegs eine anachronistische Figur geschaffen, sondern einen Archetypus: Der „tall dark stranger“, wie ihn jede Wahrsagerin bestens kennt und ihren Kundinnen verkauft. Sogar ein Film von Woody Allen trägt diesen Titel!

Das Fremde und das Eigene, das ist das aufregende und aufregend behandelte Generalthema dieses Krimis. Wobei der Fremde positiverweise als Katalysator gesehen wird. Unter dem Zeichen von Integrationsdiskussion versus Terrorismus ist uns Deutschen dieses Thema heutzutage näher denn je. Daher sollte dieses Buch dringendst übersetzt werden.

Taschenbuch: 295 Seiten
ISBN-13: 978-1847247315

http://www.quercusbooks.co.uk

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
Und viele mehr.

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