Pratchett, Terry (Autor) / Thalbach, Katharina (Sprecherin) – Ruhig Blut! (inszenierte Lesung von der Scheibenwelt)

„Die Scheibenwelt“ könnte man wohl guten Gewissens als Terry Pratchetts Opus Magnus bezeichnen. „Ruhig Blut!“ (oder „Carpe Jugulum“, wie der Roman im Original heißt) ist mitten aus dieser ausufernden Serie heraus gegriffen und doch verspricht der Autor auf seiner Webseite, man könne an jeder Stelle der Scheibenwelt einsteigen. Und so sollte es auch kein Problem darstellen, sich das von Katharina Thalbach meisterhaft eingelesene Hörbuch vorzunehmen und sich in diese bizarre Scheibenwelt entführen zu lassen, die trotz alle ihrer seltsamen Bewohner unserer eigenen Welt doch auf verwirrende Weise ähnelt.

_Worum geht es?_ Dem Königspaar von Lancre ist ein Töchterchen geboren worden. Zur bevorstehende Taufe lädt König Verence natürlich das unterschiedlichste Volk ein und weil er ein besonders offenherziger und moderner König sein will, verschickt er auch an die gräfliche Familie Elstyr eine Einladung … ein großer Fehler, wie sich bald herausstellt. Denn bei den Elstyrs handelt es sich um Vampire, äh, Vampyre, die sich das Königreich Verences unter den Nagel reißen wollen.

Und zunächst sieht es auch so aus, als hätten die Vier leichtes Spiel. Graf Elstyr ist ebenfalls ein moderner Mann und hat mit klassischer Konditionierung seine Vampirfamilie dazu gebracht, sich vor den traditionellen Vampirwaffen nicht mehr zu fürchten. So hat er seine Kinder mit Weihwasser bespritzt und mit Knoblauch bekocht, damit sie davon abkommen, sich vor diesen Dingen zu fürchten. Gleichzeitig besitzen die Vampyre die Fähigkeit, die Gedanken der umgebenden Menschen zu beeinflussen, sodass plötzlich alle auf der Tauffeier die Vampyre für sympathisch und ungefährlich halten.

Alle? Nicht alle, denn der tapsige Om-Priester Hilbert Himmelwärts und Agnes Nitt, die Hexe mit der gespaltenen Persönlichkeit (in der rundlichen Hexe steckt noch eine viel schlankere Person – und vorlauter ist sie auch) können der Massensuggestion auf seltsame Art widerstehen. So liegt es an ihnen, Lancre vor der vampirischen Übernahme zu beschützen. Mit Verstärkung von Königin Margrat und der schrulligen Oma Wetterwachs machen sie sich auf zum Vampirschloss, um die Vampyre auf eigenem Terrain zu schlagen.

_Terry Pratchett braucht_ eine Weile, bis sein Roman in Schwung kommt. Zunächst wird Lancre mit seinen urigen Gestalten beschrieben, um die Stimmung für die folgende Handlung aufzubauen. Dabei erwächst der besondere Witz zunächst daraus, dass wir es mit völlig abwegigen Charakteren zu tun haben – Zwerge, Vampire, Hexen, Phönixe -, die aber dennoch all den menschlichen Schwächen und Ticks unterworfen sind, die wir von uns selbst kennen. So hat selbst Hexe Agnes trotz ihrer Zauberkünste mit Übergewicht zu kämpfen und muss sich von ihrem schlankeren Selbst Perdita bissige Kommentare anhören.

Wenn dann endlich die Vampyre auftauchen, kann auch die Handlung richtig losgehen. Und obwohl alle Charaktere dieses Buches mit Ironie angelegt sind, so sind die Vampyre hier doch die Stars der Geschichte. Papa Graf entlarvt all die Vorstellungen, die man über Vampyre hat, als festgefahrene und überflüssige Traditionen, die es abzulegen gilt. Dies wirkt umso komischer, als die Familie einen Dienstboten mit sich führt (eine Art Erbstück), der schon dem Vampyr-Vorgänger gedient hat. Das war nämlich ein echter Vampyr! Spielte des nächstens auf seiner Orgel mit extraordinären Geräuschen (Quietschen, Schreie, Wolfsgeheul), um dann Jungfrauen zu jagen – aber nur, wenn sie auch im Negligée gut aussahen. Währenddessen pflegte Diener Igor im Keller die Spinnweben und hantierte so lange an der Eingangstür herum, bis der Quietschton perfekt war. Das waren noch Zeiten, findet Igor, nicht so wie der neue Herr mit seinen modernen Ansichten. Überhaupt gar kein richtiger Vampyr ist das!

Terry Pratchett macht sich gnadenlos über all die Vorstellungen lustig, die wir heute von Vampyren haben – und die hauptsächlich durch Filme (die von Hammer nämlich) geprägt sind. Da gibt es das Theatercape, die Tatsache, dass möglichst viele Requisiten herumhängen sollten, aus denen sich Kreuze basteln lassen, Pflöcke, Weihwasser, alte Schlösser und quietschende Türen. Prachett fährt also das durchschnittliche Inventar eines Vampirfilms auf und zeigt all die unlogischen Einzelheiten, über die sich der aufmerksame Zuschauer schon immer wunderte. All dies hat sich so festgefahren, dass es sogar den Vampyren zuwider ist.

„Ruhig Blut!“ macht Spaß – eigentlich. Katharina Thalbachs Leseleistung schwankt irgendwo zwischen grandios und absolut genial. Was diese Frau mit ihrer Stimme anstellen kann, lässt den Hörer nur sprachlos staunen. Jeder Charakter (und derer gibt es viele) bekommt bei ihr eine ganz eigene Stimme, eine eigene Intonation und in vielen Fällen sogar einen eigenen liebenswerten Sprachfehler. Dies allein macht das Hörbuch absolut lohnenswert.

Doch wo Licht ist, dort gibt es auch Schatten. Denn leider wurde der Roman gekürzt und zwar stellenweise relativ unelegant. So hat man als Hörer wiederholt das Gefühl, Dinge verpasst zu haben. Unter den Kürzungen leiden damit sowohl die Logik der Handlung als auch die beißende Satire gegenüber den fortschrittlichen Elementen des Romans – sowohl König Verence als auch Graf Elstyr. Da bietet der Roman definitiv mehr Witz und Ironie, beim Hörbuch sind große Teile leider der Schere zum Opfer gefallen.

_Für jene, die_ also einen ungefähren Eindruck von der Scheibenwelt erlangen wollen, ist „Ruhig Blut!“ vermutlich ein ebenso guter Einstieg wie jeder andere. Wer allerdings die volle Dosis Pratchett genießen möchte, der sollte sich weiterhin an das geschriebene Wort halten.