Nachdem ein Wasserdämon fast ihren kleinen Bruder Willwoll entführt hat, wendet sich das Milchmädchen Tiffany Weh an eine professionelle Hexe. Miss Tick gibt ihr nach vielen neugierigen Fragen einen wertvollen Ratgeber: eine Kröte. Als ihr Bruder aber wirklich entführt wird, braucht Tiffany mächtigere Verbündete.
Da trifft es sich gut, dass die Wir-sind-die-Größten, kleine blauhäutige, saufende, stehlende und kämpfende Gnomen, eine Hexe suchen. Durch ihre Heldentat gegenüber dem Wasserunhold hat sich Tiffany eindeutig als solche qualifiziert und kriegt den Job. Zusammen nehmen sie es mit der grausamen Feenkönigin auf, deren Welt dabei ist, in unsere einzudringen, um Träume zu stehlen.
Father Christmas ist auf der Scheibenwelt verschwunden. Als Ersatz springt Gevatter Tod ein. Rotgewandet fährt er mit seinen vier fliegenden Schweinen durch die Lande und bringt den Menschenkindern alles, was sie sich wünschen (auch wenn sie es selber nicht genau wissen). Die Bräuche zu befolgen, fällt Tod manchmal etwas schwer, doch das mit dem fröhlichen (?) „Ho-ho-ho“ hat er schon raus. Vielleicht übertreibt er es damit ein bisschen.
Father Christmas ist einem Anschlag der Assassinengilde zum Opfer gefallen. Einer ihrer übelsten Vertreter ist in Fathers Schlossturm eingebrochen und versucht nun mit Hilfe eines angeheuerten Magiers, dem zwölften mit dieser Aufgabe, den Tresorraum von Father Christmas zu öffnen. (Das klingt sehr nach „Stirb langsam 1“.)
Unterdessen in der Unsichtbaren Universität: Die Abwesenheit des echten Father Christmas hat ein (wissenschaftlich natürlich begründbares) Glaubens-Vakuum entstehen lassen. Dadurch glauben die Menschen nun an alles Mögliche, zum Beispiel an die Zahnfee. Selbst die Professores der Uni brauchen es nur laut auszusprechen, an was sie glauben könnten, und schon – ist es da: Gnome, Wichte, Aufmunterungsfeen. Der Erzkanzler Ridcull rauft sich die Haare. Auch die neue Rechenmaschine, die von Ameisen (= Bits & Bytes) und Käse (= Speicher) angetrieben wird, hilft da nicht viel weiter.
Susanne, die Tochter TODs, wollte eigentlich ein ganz normales Leben führen. Doch seit er verschwunden ist, macht sie sich Sorgen. Auf der Suche nach ihm begegnet sie nicht nur dem Gott des Katzenjammers. Sie trifft auch auf die Assassinen im Turm von Father Christmas. Es wird spannend, doch das Ende soll hier nicht verraten werden.
Unterm Strich
In einer kompliziert verflochtenen Handlung führt uns der „Douglas Adams der Fantasy“ vor Augen, was es mit dem Kinderglauben an den Nikolaus und die Zahnfee so alles auf sich hat – und das ist eine ganze Menge. In todernstem Ton bringt Pratchett wie so oft die unglaublichsten Sätze und Szenen (p.s.: … und Fußnoten), so etwa die Sache mit dem Ameisencomputer. (Das erinnert mich an den Termitencomputer von Jeff Noon in „Automated Alice“, mit seinem „beanary system“. Beide Bücher entstanden 1996…)
Pratchetts Humor und Erzählstil mag nicht jedermanns Sache sein, aber „Schweinsgalopp“ könnte selbst solche Skeptiker von den Qualitäten dieses Autors überzeugen: Es ist einer seiner gelungensten Romane und wurde inzwischen erfolgreich verfilmt.
Tiffany Weh ist eine Hexe in Ausbildung und im besten Teenageralter. Da sie sich ungern etwas verbieten lässt, schon gar nicht das Tanzen, kann sie sich auch bei der Feier, die den Übergang vom Sommer zum Winter markiert, nicht zurückhalten. Und so passiert das Unvermeidliche – der Winterschmied selbst, Herr über Eis und Schnee, wird auf Tiffany aufmerksam und verliebt sich in sie.
Von Stund‘ an überschüttet er sie mit Schneeflocken, und Tiffany muss sich schnell etwas einfallen lassen, wenn es jemals wieder Frühling werden soll auf der Scheibenwelt … (Verlagsinfo)
Der Rattenfänger von Hameln einmal ganz anders: Diese Show leitet ein intelligenter Kater namens Wunder-Maurice. Und die Ratten tanzen auf den Tischen: intelligente Ratten, philosophische Ratten, militärisch organisierte Ratten. Wehe Bad Blintz, dem auserkorenen letzten Auftrittsort!
Vor langer, langer Zeit landete ein Raumschiff auf der Erde. An Bord: die Nomen. Knapp zehn Zentimeter groß und ebenso neugierig wie eigensinnig, leben sie Jahrtausende später in einzelnen Gruppen, die nichts voneinander wissen. Eines Tages muss eine Gruppe, die am Rand einer Autobahn lebt, auswandern. In einem Kaufhaus treffen sie auf völlig andere Mitglieder ihres Volkes. Das Kaufhaus ist deren Universum. Doch dann geschieht etwas wahrhaft Schreckliches. Die Welt geht unter. Und der Untergang hat einen Namen: „Räumungsverkauf“!
In harter Arbeit und unter Überwindung unglaublicher Hindernisse gelingt den Nomen der rechtzeitige Exodus in einen Steinbruch. Zu allem Überfluss kehren auch noch Menschen in den Steinbruch zurück. Die Lage eskaliert …
Im Jahr 2001, als diese Fantasy-Anthologie entstand, erschien Tolkien in Sachen Fantasy als das Maß aller Dinge. Kein Wunder: Die Verfilmung durch Peter Jackson brach alle Kassenrekorde und löste einen erneuten Fantasy-Boom aus. (Der letzte lag schon 20 Jahre zurück.) Jeder Verlag, der etwas auf sich hielt, hängte sich an den mit Volldampf fahrenden Fantasy-Zug. Die vorliegende Sammlung unterscheidet sich von den meisten ihrer Art durch ihre Sachkenntnis und die Respektlosigkeit der neueren Autoren gegenüber den Vorvätern des Genres. Zudem bietet sie Gelegenheit, zwei Wegbereiter Tolkiens kennen zu lernen: E. R. Eddison und Lord Dunsany. Friedel Wahren / Erik Simon (Hg.) – Tolkiens Erbe – Elfen, Trolle, Weltenschöpfer weiterlesen →
2070-71: Jahrzehnte nach der Entdeckung des Wechslers, der erstmals das Pendeln zwischen Parallelwelten ermöglichte, floriert auf der Langen Erde eine neue posthumane Gesellschaft. Doch gerät diese in Aufruhr, als eine geheimnisvolle Botschaft aus der Mitte der Galaxie eingeht. Die superintelligenten Next entdecken darin die Baupläne für eine künstliche Intelligenz von gewaltigen Ausmaßen. Einmal gebaut, könnte der Computer nicht nur die Position der Langen Erde im Kosmos für immer verändern, sondern auch die Frage nach dem Sinn des Lebens beantworten. Doch niemand kennt den Sender der Botschaft, und niemand weiß, ob seine Absichten friedlich sind. (Verlagsinfo)
Satire mit Witz: Weltuntergang aus der Froschperspektive
Vor langer, langer Zeit landete ein Raumschiff auf der Erde. An Bord: die Nomen. Knapp zehn Zentimeter groß und ebenso neugierig wie eigensinnig, leben sie Jahrtausende später in einzelnen Gruppen, die nichts voneinander wissen. Eines Tages muss eine Gruppe, die am Rand einer Autobahn lebt, auswandern. In einem Kaufhaus treffen sie auf völlig andere Mitglieder ihres Volkes. Das Kaufhaus ist deren Universum. Ein „Draußen“ gibt es nicht. Die Jahreszeiten heißen „Frühjahrsmode“, „Sommerschlussverkauf“, „Winterschlussverkauf“ und „Weihnachten“, im Keller des Universums vermuten sie ein fürchterliches Monster mit dem Namen „Bombenpreise“. Doch dann geschieht etwas wahrhaft Schreckliches. Die Welt geht unter. Und der Untergang hat einen Namen: „Räumungsverkauf“!
An ihrer ersten Lehrstelle lernt die Nachwuchshexe Tiffany Aching in Miss Level eine interessante, aber auch ein wenig enttäuschende Lehrmeisterin kennen. Auch die anderen Junghexen in Tiffanys Gegend sind mit ihrem Los unzufrieden. Tiffanys Leben und das aller in ihrer Umgebung erlebt eine drastische Wendung, als ein unsichtbares Ungeheuer ihr Bewusstsein übernimmt und sie zu einer der mächtigsten Hexen der Region macht, gefürchtet, aber gut gekleidet.
Können die Nach Mac Feegle und Oma Wetterwachs der besessenen Tiffany Einhalt gebieten, bevor sie die Welt zu ihrem Spielball macht?
_Der Autor_
Terry Pratchett und seine Frau Lynn sind wahrscheinlich die produktivsten Schreiber humoristischer Romane in der englischen Sprache – und das ist mittlerweile ein großer, weltweiter Markt. Obwohl sie bereits Ende der siebziger Jahre Romane schrieben, die noch Science Fiction-Motive verwendeten, gelang ihnen erst mit der Erfindung der Scheibenwelt (Disc World) allmählich der Durchbruch. Davon sind mittlerweile etwa drei Dutzend Bücher erschienen.
Nachdem diese für Erwachsene – ha! – konzipiert wurden, erscheinen seit 2001 auch Discworld-Romane für Kinder. Den Anfang machte das wundervolle Buch [„The amazing Maurice and his educated rodents“, 219 worauf „The Wee Free Men“ folgte. Die Fortsetzung von „Wee Free Men“ trägt den Titel „A Hatful of Sky“.
Doch auch andere Welten wurden besucht: ein Kaufhaus, in dem die Wühler und Trucker lebten, und eine Welt, in der „Die Teppichvölker“ leben konnten. Die Wühler-Trilogie „The Bromeliad“ soll zu einem Zeichentrickfilm gemacht werden.
_Vorgeschichte: „The Wee Free Men“ / „Die kleinen freien Männer”_
Tiffany Aching ist im Alter von neun Jahren eigentlich ein einfaches Milchmädchen, das auf der Farm seiner Eltern für die Herstellung von allerlei Milchprodukten wie etwa Käse oder Butter zuständig ist. Aber Tiffany hat zwei Vorteile im Überlebenskampf: ein ausgeprägtes Denkvermögen und eine Großmutter, die wohl so etwas wie eine Hexe war.
Tiffany erinnert sich so häufig an die Granny Aching, dass diese zu einer weiteren Hauptfigur wird. Und obwohl Granny nur eine einfache Schäferin war, die in der Region mit dem Namen The Chalk (die Kreide), wo Tiffany lebt, Schafe hütete, war sie wohl auch so etwas wie eine göttliche Instanz: Sie war die Verkörperung des Landes. „The land is in my bones“, pflegte die Omi zu sagen. Und davor hatte selbst der Baron des Landes Respekt.
Tiffanys besondere Freunde sind die Nac Mac Feegle, die titelgebenden Wee Free Men. Sie haben blaue, tätowierte Haut, knallrote Bärte, tragen Kilt und Schwert, reden seltsames Schottisch – und sind ungefähr zehn Zentimeter groß. Als sie gerade eine Hexe suchten, hatten sie sich Tiffany ausgesucht. Warum gerade Tiffany Aching? Sie hatten ihre Heldentat gegen einen Wassergeist beobachtet und sich gedacht: „She’s a hag alright!“ (Schotten sagen offenbar „hag“ statt „witch“.)
Ihr Anführer stellt sich ihr als Rob Anybody Feegle vor und sein Volk als die Nac Mac Feegle. Sie haben keinen König, keine Königin, keinen Herrn – daher sind sie die Wee FREE Men. Sie haben, wie sich später herausstellen soll, nur vor zwei Dingen Angst: vor ihrer früheren Chefin, der grausamen Königin von Feenland, und vor – Anwälten. Tiffany erledigte dann die Königin – und regelte auch das kleine Problem mit ihren Anwälten.
|Die Königin der Nac Mac Feegle|
Die Freundschaft der Nac Mac Feegle erkauft man nicht so einfach, findet Tiffany bald heraus. Geschenke erhalten zwar die Freundschaft, doch wenn es um die Verknüpfung von Schicksalen geht, müssen engere Bande geknüpft werden. Die Nac Mac Feegle haben in ihrem unteridischen Bau eine Art Schwarmkönigin plus Schamanin: die „kelda“. Diese uralte Gnomen-Oma macht Tiffany zu aller Erstaunen zu ihrer zeitweiligen Nachfolgerin, bevor sie in „das letzte Land“ geht. Sie erklärt Tiffany auch ihren keltischen Namen: „Land unter Wasser“ (das wird beim Finale noch wichtig).
Was Tiffany als neue „kelda“ nicht weiß: Sie muss als erste Tat einen Mann heiraten. Natürlich keinen „Bigjob“ (Menschen), sondern einen der Nac Mac Feegles. Doch Bräuche sind dazu da, sie zu befolgen, ganz besonders gilt das für Anführer. Und so wählt Tiffany den wichtigsten Nac Mac Feegle: Rob Anybody. Und weil Tiffany eine Meisterin des Denkens ist, fällt ihr auch ein, wie sie die peinlichen Implikationen der Vermählung umgehen kann (wovon der Polterabend vermutlich die harmloseste ist).
Tiffany ist nur für eine Übergangsphase Königin. Die Feegle finden eine Königin von ihrem eigenen Volk, aus einem anderen Stamm: Jeannie. Zunächst hat die Lady zwar etwas gegen die Vorgängerin und mögliche Nebenbuhlerin, doch sie sieht schließlich ein, dass Tiffany weit mehr ist als nur eine Frau …
_Handlung_
Damals war Tiffany neun Jahre alt, mittlerweile ist sie elf. Miss Tick, die junge Wanderhexe, bringt Tiffany zu ihrer ersten Lehrstelle. Sie soll bei Miss Level, einer vertrauenswürdigen Hexe, in die Lehre und natürlich im Haushalt zur Hand gehen. Leider wird der Lohn gering sein, aber wäre das etwas Neues?
|Das Ungeheuer|
Auf der Reise dorthin fällt Miss Tick ein seltsames Geräusch auf, so als ob ein Schwarm unsichtbarer Bienen hinter ihnen her wäre. Prompt fabriziert Miss Tick aus Bindfäden, Federn und einem frischen Ei eine Art Geisterfalle oder Traumfänger. Oh, das Ei zerplatzt regelmäßig. Sehr merkwürdig. Was sie und Tiffany nicht ahnen, was aber die Nac Mac Feegle zu ihrem Entsetzen entdecken: Ein unsichtbares Ungeheuer, das die Feegle einen „hiver“ nennen (von „hive“: Bienenstock), hat sich Tiffany als seinen nächsten Wirt auserkoren. Warum ausgerechnet sie? Nun ja, sie war wohl auf dem Chalk das einzige intelligente Lebewesen. Schafe können in Sachen Intelligenz sehr frustrierend sein. Wie interessant dieses Wesen namens Hiver ist, wird sich noch zeigen.
|Die Lehrherrin|
Miss Level ist ebenfalls interessant. Sie ist zwei. Nein, nicht zwei Jahre alt, sondern zwei Körper, die sich einen Verstand teilen. Daher irritiert es Tiffany zunächst, wenn sie ein und dieselbe Person an zwei verschiedenen Orten antrifft. Es gibt noch einen Hausbewohner: Oswald ist unsichtbar, räumt aber alles wieder weg. Alles in allem ein höchst interessanter Arbeitsplatz.
Das trifft jedoch nicht auf die Arbeit zu. Tiffany hatte gehofft, ein paar Zaubertricks aufzuschnappen, aber bei Miss Level stellt sich die Stellenbeschreibung „Zauberlehrling“ als so etwas wie eine Kombination aus Sozialhelferin, Hebamme und Krankenschwester heraus, die sie in den Weilern und Dörfern der Umgegend zu erledigen hat. Viele alte Knacker freuen sich über ihren Besuch, doch Tiffany ist eher frustriert.
|Der Hexenkreis|
Es gibt zwar viel zu tun, aber ist dies das Richtige für eine junge Hexe? In der Tat nicht, finden die anderen jungen Hexen, deren Treffen Tiffany im Wald besucht. Sie alle sind reichlich unzufrieden mit ihren Lehrherrinnen und sinnen auf Abhilfe. Vor allem die junge Annagramma ist eine penetrante Nörglerin, die es im Handumdrehen schafft, dass alle anderen sich mies und unzulänglich vorkommen. Die arme Petulia: Jeden Satz beginnt sie mit einem zaudernden „um“ im Sinne von „äh, öhm“. Und was hat die liebe Tiffany als Hexentrick vorzuweisen? Ein unsichtbaren Hexenhut, soso. Die anderen lachen sich schlapp. Tiffany beschließt, die Treffen künftig zu meiden. Sie sind irgendwie nicht konstruktiv.
|Tiffanys Übernahme|
Da die Nac Mac Feegle zwar bereits unterwegs sind, um sie vor der Gefahr des Hivers zu schützen, aber es Tiffany unheimlich langweilig ist, hat der Hiver Gelegenheit zur Attacke. Als sie ihren gewohnten Trick ausführt und für eine Sekunde oder zwei aus ihrem Körper schlüpft, um sich von hinten zu betrachten (ein sehr nützlicher Trick, nicht wahr?), bemächtigt sich das Wesen ihres Kopfes und übernimmt ihren Verstand. Jedenfalls 99 Prozent davon, und dem Rest bleibt nur übrig, unauffällig um Hilfe zu flehen.
|Chaos und Vernichtung|
Von dem Hiver gesteuert, verschafft sich Tiffany erst einmal Respekt. Oswald verschwindet, um sich in Sicherheit zu bringen, doch Miss Level ist nett, naiv und ahnungslos: Ihr zweiter Körper muss dran glauben. (Wie sie mit der neuen Lage der Dinge zurechtkommt, werde ich nicht verraten.) Aber sie hat ja noch einen Reservekörper. Sodann besorgt sich Tiffany standesgemäße Klamotten: einen nachtschwarzen Umhang, einen megaspitzen Hut und einen Zauberstab.
Annagramma, die ebenfalls gerade beim Einkaufen ist, staunt nicht schlecht: Diese Seite von Tiffany Aching hat sie noch nicht kennen gelernt. Doch als es ans Bezahlen geht, wundert sie sich ordentlich. Tiffany verlangt nämlich 90 Prozent Rabatt! Mit wem hat es der Ladenbesitzer, Mister Zakzak Stronginthearm, ein braver Zwerg, denn hier zu tun? Mit einer Betrügerin etwa?
Zakzak ruft seinen Hauszauberer Brian zu Hilfe. Brian hat auf der Unsichtbaren Uni studiert und kann sicherlich für Ruhe sorgen. Leider ist Brian der Aufgabe ebensowenig gewachsen wie Annagramma: Er wird von Tiffany in einen Frosch verwandelt. Die überschüssige Menschenmasse, die nicht in einen Frosch passt, stopft Tiffany in einen Ballon aus Menschenhaut. Er ist schön rosa und schwebt unter der Decke.
Annagramma zieht es vor, bei diesem Anblick in Ohnmacht zu fallen, Zakzak zieht es vor, auf alle Waren, die diese Hexe haben will (und zwar jede Menge Waren) großzügig Rabatt zu gewähren. Vielleicht lässt sie ihn sogar am Leben. Tiffany zieht es vor, sofort zu verschwinden und zu Hause ihre neuen Klamotten anzuprobieren.
|Spielverderber|
Tiffany findet, endlich sei das Leben lebenswert. Doch man kann darauf wetten, dass genau dann, wenn es am schönsten ist, garantiert ein Spielverderber auftaucht. In diesem Fall sogar zwei: die Nac Mac Feegle und – Granny Weatherwax.
_Mein Eindruck_
Wird das weitere Schicksal von Tiffany Aching in späteren Bänden weitererzählt werden? Wir wissen es noch nicht, der Autor verrät es noch nicht, aber wir wollen es sehr hoffen. Denn Tiffany ist weit mehr als nur eine junge Hexe, die gar nicht wie eine aussieht. Sie ist ein Gegenentwurf zu Harry Potter, zu der Zauberschule Hogwarts und überhaupt zu der Aufspaltung der Welt zwischen der der Zauberer und der der Muggel.
Tiffanys Welt ist ein Kontinuum, und wenn man nach Westengland wandern würde, sagen wir: nach Wiltshire oder Shropshire, könnte man vielleicht sogar Leute finden, die so oder so ähnlich auf ihren Weilern leben wie die Leute im Buch. (Ein Beispiel: Der durch Peter Jacksons „Herr der Ringe“-Film bekannt gewordene Art Designer und Illustrator Alan Lee lebte vor dem ganzen Rummel um den Film sehr abgeschieden irgendwo in Südwestengland, und das Jackson-Team musste ihn erst einmal per GPS lokalisieren.) Der Autor lebt selbst in Westengland und beschreibt diese Gegend in seinem Interview (siehe „Anhänge“).
„Witchcraft“ wird von Pratchett völlig anders dargestellt als von J. K. Rowling. Es dreht sich nicht um Macht, Kontrolle und Dinge, auch nicht um Fabeltiere und anderen Kinderkram, sondern um Menschen. Tiffany kann nicht nur ausgezeichneten Käse herstellen und das Wörterbuch rückwärts und vorwärts zitieren, sie lernt auch, wie man sich als Hexe um andere Menschen kümmert und so seinen Lohn erhält, nicht als Obolus in harter Währung, sondern auf dem Wege von Tauschgeschäften. Offensichtlich benötigen Hexen kein Geld.
Wem die junge Hexe nun zu langweilig erscheint, dem sei gesagt, dass sie über mehrere bemerkenswerte Qualitäten verfügt. Zum einen ist da schon das erwähnte Verlassen des eigenen Körpers. Miss Level ist sehr erstaunt darüber – seit Generationen habe keine Hexe mehr über diese Fähigkeit verfügt. Zweitens kann Tiffany ausgezeichnet denken: Sie hat erste, zweite und dritte Gedanken. Das hilft, zur richtigen Entscheidung zu gelangen, sollte man meinen. Tut es meistens auch. Außerdem kann sie ihre Augen zweimal öffnen: einmal für die physische Welt und einmal für die Welt dahinter.
Zudem hat sie keine Angst vor dem Tod. Als sie mit dem Hiver ins Land jenseits des Landes der Lebenden einen kleinen Ausflug unternimmt, begegnet sie dem Sensenmann, der immer in GROSSBUCHSTABEN redet. Sie sagen hallo bzw. HALLO zueinander und gehen ihrer Wege, wobei gesagt werden muss, dass es eher so ist, dass Tod sich vor dem zudringlichen Nac Mac Feegle an Tiffanys Seite in Sicherheit bringt. Schrecken geht bei Pratchett häufig einher mit Komik. Es ist seine Methode, Kindern mit den tieferen, ernsteren Wahrheiten des Lebens vertraut zu machen. Er hat sicherlich nicht vor, Horrorromane unters Volk zu bringen.
|Die Sache mit dem Hut|
Ständig geht es in dem Buch um spitze Hexenhüte. Ja, der Buchtitel selbst dreht sich um einen solchen Hut. In der Art und Weise, wie sich Pratchett des Themas annimmt, wird seine radikale Abkehr von der Harry-Potter-Welt deutlich. Annagramma und ihre Kolleginnen finden spitze Hüte einfach modisch, passend zu einem bodenlangen Kleid aus nachtschwarzer Seide. Beide Accessoires müssen unbedingt auch mit Monden und Sternen bestickt sein, je mehr Silber, desto besser. Die Hexe Mrs. Earwig ist die Inkarnation dieses New-Age-Esoterik-Modetrips.
Sehen wir uns dagegen mal Tiffany an, so könnte man sich glatt schlapplachen. Sie hat – im Normalzustand – lediglich einen unsichtbaren Hut auf, den ihr Granny Weatherwax am Ende von „Wee Free Men“ geschenkt hat. Doch was man nicht mit den ersten Augen sieht, das existiert offenbar nicht. Diese Oberflächlichkeit ist in Pratchetts, äh, Augen ein schwerer Fehler. Er verhindert zum Beispiel die richtige Auseinandersetzung mit Wesen wie dem Hiver.
|Das Ungeheuer|
Als der Hiver die junge Hexe übernimmt, erschließt sich dieser unfreiwillig eine weitere Dimension. Im Hiver – nomen est omen – ist ein ganzer Schwarm von Seelen eingeschlossen. Nicht nur von Menschen, sondern auch von Tieren, die vor Jahrmillionen lebten, beispielsweise von Säbelzahntigern. Auch ein vorwitziger Magier ist hier ein Stammgast: Sensibility Bustle. Der Namen bedeutet so viel wie „Empfindsamkeit Geschäftig sein“, was ja ein seltsamer Widerspruch zu sein scheint. Aber viele von Pratchetts Namen bilden Widersprüche. Das macht sie so interessant.
Tiffany findet heraus, dass das Ungeheuer eigentlich gar nicht böse ist. Es meint nur, es müsse sich wie ein Kontroll-Freak verhalten, weil dies alle übernommenen Wesen so wünschten: Machtausübung durch Angsterzeugung. Doch Tiffany ist die große Ausnahme von der Regel. Sie braucht eine Weile, um dem Hiver das beizubringen. Dann muss sie ihm noch eine Alternative zu diesem falschen Weg zeigen. Deshalb gehen sie zusammen ins Geheime Land, wo sie auf TOD stoßen.
|Mein Leseerlebnis|
Diese Folge von Tiffanys Abenteuern fand ich schwieriger zu lesen als den ersten Band. Erstens ist weniger los, und zweitens tauchen die Feegle nur selten auf – dann aber in so umwerfend komischen Szenen, dass man sich das Lachen nicht verkneifen kann. Leider erfordern ihre Szenen im Original fortgeschrittene Englisch- und Schottischkenntnisse. Man muss auf das Glossar zurückgreifen, um sie zu verstehen und ein wenig die Aussprache berücksichtigen, dann kommt man zurecht.
Darüber hinaus gibt es nur weniges, das wirklich originell genannt zu werden verdient. Dass Hexen nicht wie Hexen aussehen oder handeln müssen – das kannten wir schon aus „Wee Free Men“ und eigentlich, wenn man’s recht bedenkt, schon aus dem allerersten Scheibenwelt-Roman mit Oma Wetterwachs. Und auch jetzt noch bewegen sich Hexen auf Besen als ihrem bevorzugten Vehikel fort.
Originell könnte die Figur des Hiver erscheinen, doch mich erinnerte das Ding immer fatal an gewisse Folgen von „Raumschiff Enterprise“, in denen es Pille, Kirk, Scotty und Spock mit allerlei seltsamen Wesen und Konstrukten zu tun bekamen – das muss in den sechziger Jahren gewesen sein. Deswegen haute mich das „Ungeheuer“ nicht sonderlich um.
|Story vom Pferd|
Bleibt als Einziges noch das Weiße Pferd von Uffington übrig. So heißt es natürlich nicht im Roman, aber man kann diese in die Seite eines Hügels eingelassene urzeitliche – hm, wie soll man’s nennen – Landschaftsskulptur (?) mit der Darstellung eines weißen, rennenden Pferdes im englischen Uffington besichtigen. Das Bemerkenswerte an dieser künstlerischen Darstellung ist, dass es sich keineswegs um eine realistische Wiedergabe des Abbilds eines Pferdes handelt, sondern sozusagen um die künstlerische Interpretation dessen, was ein rennendes Pferd ausmacht – sozusagen seine Essenz oder „horsiness“.
Tiffany erhält zu Beginn ihrer Reise in die Fremde ein silbernes Amulett vom Sohn des Barons geschenkt. Roland hatte sie im Feenland das Leben gerettet. Seitdem ist er nicht bloß ein wenig in sie verschossen. Das Amulett zeigt exakt das laufende Pferd von Uffington (siehe die Abbildung im Anhang des Buches). Im Finale taucht ein weißes Pferd auf – ich hatte es irgendwie erwartet.
Wer will, kann aus diesen Zusammenhängen eine Kunsttheorie à la Terry Pratchett herauslesen. Aber in Wahrheit existiert sie bereits: Es handelt sich um die Übertragung des Prinzips der Höhlenmalerien auf die Welt der magischen Amulette. Diese beschwörenden Amulette sind offenbar von weitaus größerem Wert für magische Handlungen als der ganze Klimbim, mit dem sich beispielsweise Junghexe Petulia zu behängen pflegt, nur um dem Modeideal von Mrs. Earwig zu genügen. Petulia macht sich darin nur lächerlich, weil sie sich regelmäßig in den Ketten verheddert und sich nur mit fremder Hilfe aus dem Wirrwarr (dem Gefängnis der falschen Vorstellungen und Ideale) befreien kann.
Wie man sieht, gibt es jede Menge Ironie, Komik und Horror – eine interessante Mischung, die jugendliche Leser hier vorgesetzt bekommen. Andererseits sind die Gewaltszenen sehr dünn gesät und derart surreal, dass sie keiner ernst nehmen kann. Eltern können beruhigt sein, während ihre Kleinen nach etwas Aufregung in diesem Buch lechzen. Mir war es auch zu brav.
|Die Anhänge etc.|
Die amerikanische Taschenbuchausgabe wartet mit mehreren Goodies auf, die das Buch beträchtlich aufwerten, wie ich finde. Neben der Autorenbiografie und der obligaten Discworld-Bibliografie findet sich hier ein aufschlussreiches Interview – getarnt als „Fragen & Antworten“ – sowie am Anfang ein Glossar. Dieses Wörterverzeichnis übersetzt dem Laien oder Einsteiger die alten schottischen Begriffe, die die Nac Mac Feegle verwenden, in modernes Englisch. Dieses Glossar hätte ich auch in „The Wee Free Men“ sehr nützlich gefunden, als ich dieses Buch gelesen habe.
_Unterm Strich_
Mit Fortsetzungen zu erfolgreichen Romanen ist es ja immer so eine Sache. Wird sie genauso gut sein wie der tolle Erstling? „A Hat Full of Sky“ ist nicht so gut wie „Wee Free Men“, aber das war im Grunde zu erwarten. Es ist anders: tiefgründiger, weiser, noch verdrehter in seiner Denke, als es „Wee Free Men“ schon war. Dass dabei die Action ein wenig auf der Strecke bleibt, muss man billigend in Kauf nehmen. Der Höhepunkt ist sicherlich der Showdown zwischen Tiffany und Hiver im Geheimen Land. Leider kommen danach noch etliche hundert Seiten, die man lediglich als Ausklang qualifizieren kann. Ein sehr langer Ausklang.
Wer aber „Wee Free Men“ oder die Übersetzung „Kleine freie Männer“ genossen hat, der wird auch diese Fortsetzung nicht verpassen wollen.
|Hinweis|
Inzwischen hat Pratchett schon wieder einen neuen Scheibenwelt-Roman für Erwachsene veröffentlicht. „Thud!“ dreht sich um kriegerische Auseinandersetzungen und spielt auf den Irakkrieg bzw. den „Krieg gegen den Terror“ an.
Prinz Teppic von Djelibebi hat den erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung zum Assassinen in Ankh-Morpork gerade mit einem grandiosen Besäufnis begossen, als ihn der Ruf in die heimatliche Wüste ereilt. Er muss nach dem Tod seines Vaters Teppicymon XXVII. dessen Nachfolge antreten. Allerdings bekommt er es in der Heimat, einem engen Flusstal von 150 Meilen Länge, mit dem Hohepriester und Premierminister Dios zu tun, der seine eigenen Vorstellungen von einem funktionierenden Staatswesen hat. Nun soll Teppic zu Ehren seines Vaters die größte Pyramide errichten, die Djelibebi je gesehen hat – und damit den Staatshaushalt zugrunde richten …
Der Autor
Sir Terence David John Pratchett, OBE (* 28. April 1948 in Beaconsfield, Buckinghamshire; † 12. März 2015 in Broad Chalke, Wiltshire) war ein britischer Fantasy-Schriftsteller. Seine bekanntesten Werke sind seine Scheibenwelt-Romane, die in 37 Sprachen übersetzt wurden. Weltweit wurden rund 85 Millionen seiner Bücher verkauft (Quelle: Wikipedia.de).
Terry Pratchett und seine Frau Lynn sind wahrscheinlich die produktivsten Schreiber humoristischer Romane in der englischen Sprache – und das ist mittlerweile ein großer, weltweiter Markt. Obwohl sie bereits Ende der siebziger Jahre Romane schrieben, die noch Science-Fiction-Motive verwendeten, gelang ihnen erst mit der Erfindung der Scheibenwelt (Disc World) allmählich der Durchbruch. Davon sind mittlerweile etwa drei Dutzend Bücher erschienen. Nachdem diese für Erwachsene – ha! – konzipiert wurden, erscheinen seit 2001 auch Discworld-Romane für Kinder. Den Anfang machte das wundervolle Buch “ The amazing Maurice and his educated rodents“, worauf „The Wee Free Men“ folgte.
Doch auch andere Welten wurden besucht: ein Kaufhaus, in dem die Wühler und Trucker lebten, und eine Welt, in der „Die Teppichvölker“ leben konnten. Die Wühler-Trilogie „The Bromeliad“ soll zu einem Zeichentrickfilm gemacht werden.
|Terry Pratchett bei Buchwurm.info| (Auswahl):
[„Gefährliche Possen und andere Erzählungen“ 3406 (Audio)
[„Lords und Ladies“ 3160 (Audio)
[„Trucker“ 2998 (Nomen 1, Audio)
[„Kleine Freie Männer“ 2310 (Audio)
[„Ab die Post“ 2122
[„A Hat full of Sky“ 1842
[„Wachen! Wachen!“ 787 (Audio)
[„Maurice, der Kater“ 219
Die Sprecher / Die Inszenierung
Die Rollen und ihre Sprecher:
Erzähler: Ludwig Schütze
Teppic: Matthias Albold
Dios: Helmut Schüschner
Ptraci: Sylvia Garatti
Teppicymon XXVII.: Klaus Knuth
Schelter: Pascal Holzer
Arthur, Alfons: Martin Ostermeier
Du Mistvieh; größtes Mathegenie der Scheibenwelt: Markus Signer
Sechster Priester: Marcel Reif (Sportkommentator)
Und viele andere.
Die Regie führte wie bei den Terry-Pratchett-Vertonungen Raphael Burri, der auch den Text bearbeitet hat. Aufnahmeleitung und Regieassistenz übernahm Ralf Grunwald. Booklet- und CD-Illustrationen stammen wie stets von Josh Kirby. Für den guten Ton sorgten Olifr Maurmann, Gavin Maitland und andere vom |StarTrack|-Tonstudio Schaffhausen. Das Hörspiel entstand im Jahr 2005.
Mehr Infos und Hörproben gibt es unter http://www.bookonear.com. (geprüft)
Die Musik
Zitat aus dem Booklet:
»Warnung! Auch in diesem Bookonear-Hörspiel wird Musik der Gruppe Tritonus verwendet! Wenn auch nicht in jenem Ausmaß wie in dem Hörspiel „Wachen! Wachen!“ und dann auch nur im Umfeld jener Szenen, welche in Ankh-Morpork spielen, also im ersten Viertel.
Das Königreich Djelibebi verlangt natürlich nach Musik, die zur Anlehnung ans alte Ägypten passt. Ali Jihad Racy ist Außerordentlicher Professor für Musikethnologie und hat altägyptische Musik rekonstruiert, die er selbst auf traditionellen Instrumenten spielt. Die Macher des Hörspiels haben sich „schamlos“, wie sie sagen, aus seiner CD „Ancient Egypt“ bedient – weil es eben passt.«
Handlung
Morgengrauen in Djelibebi. Wieder einmal entladen die großen Pyramiden, für die das Land am Djel berühmt ist, ihr blaues Feuer in die Nachtluft. Es heißt, die Pyramiden akkumulierten aufgrund ihrer besonderen Bauweise Zeit. Wer weiß, wozu das noch führen kann … Der Hohepriester Dios, der gerade erwacht, macht sich jedenfalls kein Kopfzerbrechen wegen der Pharaonengrabmäler, sondern vielmehr darüber, ob Pharao Teppicymon XXVII wie jeden Morgen die Sonnenkugel aufgehen lassen wird, wie es seine Pflicht ist.
Unterdessen ist es im mittewärts gelegenen Ankh-Morpork noch Mitternacht. Der Sohn des Pharaos, Prinz Teppic, hat etwas Vernünftiges gelernt und bereit sich nun auf seine Abschlussprüfung als ausgebildeter Assassine vor. Als er endlich alle seine Ausrüstungsgegenstände verstaut hat, kippt er um. Sie sind einfach zu schwer. Nachdem er sich wieder aufgerappelt hat, begibt er sich zu seinem Prüfer Meriset, der ihm eine Menge Fragen stellt, die Teppic, bis auf die letzte, einwandfrei beantworten kann. Dann geht’s auf zur praktischen Prüfung. Dabei stürzt Teppic ab.
Aber nicht weit. Mit den Fingerspitzen hängt er an einer Dachrinne. Wenig später dringt er vom Dach her in ein Haus ein. Es ist ihm völlig klar, dass dies eine Todesfalle ist. Nach dem Beseitigen der ersten Hindernisse zieht Teppic eiserne Überschuhe an und schreitet rasch ins Zimmer. Meriset, sein Prüfer, grüßt ihn fröhlich und fordert ihn auf, den im Bett Liegenden zu inhumieren. Damit hat Teppic wider Erwarten ein Problem.
Denn erstens bedeutet „inhumieren“ so viel wie „töten“ und zweitens könnte es sich bei dem Unbekannten, der im Bett liegt, um einen Klassenkameraden handeln, vielleicht um Schelter oder Käseweis oder Arthur, den Orniten. Sie alle sind ihm im Verlauf seiner jahrelangen Ausbildung in Ankh-Morpork gewissermaßen ans Herz gewachsen. Dennoch hebt er die Armbrust …
Unterdessen in Djelibebi
Während Teppic noch zögert, stellt sich sein Vater in Djelibebi auf die Terrasse seines Hauses, um die Sonne aufgehen zu lassen. Sie erscheint nicht, und der Pharao, entsetzt über diesen Anfall von Impotenz, erleidet eine Herzattacke. Das ist natürlich NICHT sein Ende, versteht sich. Die Seele unseres braven Teppicymon XXVII. begegnet dem TOD, der ihr einige tröstende Worte spendet, bevor er auf Binkie wieder davonreitet, dem nächsten Auftrag entgegen. Der Pharao hat viele Ideen, erlebt aber auch viele Desillusionen. So etwa jene, als zwei Einbalsamierer ihm die Gedärme und das Hirn herausreißen …
Durch die mystische Übertragung der göttlichen Kraft des Pharao gerät Teppic in Ankh-Morpork – er hat natürlich bestanden – bald in eine peinliche Lage: Gras sprießt unter seinen Füßen, Brotlaibe schwellen an und platzen auf, sogar der Fluss schwillt an und droht, über die Ufer zu treten. Die Anzeichen sind überdeutlich. Sein Vater ist tot und es ist höchste Zeit, seinen Platz einzunehmen.
Hohepriester und Premierminister Dios empfiehlt Teppic als Erstes, seine Tante zu heiraten, denn Schwestern habe er ja schließlich nicht. Als sich Teppic von diesem Schrecken wieder erholt hat, bekommt er eine goldene Maske verpasst, aus der seine Stimme nur noch hohl klingt. Dios, der vorgibt, seinen göttlichen Willen zu verkünden, befiehlt stets genau das Gegenteil dessen, was Teppic will. So behauptet er, der verstorbene Pharao habe befohlen, die größte jemals in Djelibebi gebaute Pyramide zu bauen. Teppic ist überzeugt, dass dieses Monstrum sein Reich zugrunde richten werde, von seinen unberechenbaren physikalischen Eigenschaften ganz zu schweigen.
Als Dios schließlich auch noch die Lieblingskonkubine seines Vaters, Ptraci, zum Tode verurteilt, läuft für Teppic das Fass über. Er beschließt zu rebellieren. Seine Taten haben jedoch unabsehbare Konsequenzen, die er sich nicht im mindesten hätte träumen lassen. Djelibebi verschwindet in einer Zeitspalte …
Mein Eindruck
Dieses Abenteuer auf der Scheibenwelt lässt sich losgelöst von den meisten anderen Episoden genießen. Der Autor ist nie wieder in die Welt der Pyramiden zurückgekehrt, das tun dafür andere, so etwa den fränkische Autor Georg Herm in [„Der Nomadengott“. 2638 Das Land am Nil bzw. Djel ist so vielbesucht, dass sich ein Autor schon eine Menge ungewöhnliche Dinge einfallen lassen muss, um das Aufsehen des Publikums zu wecken und aufrechtzuerhalten.
Die üblichen altägyptischen Bizarrerien wie etwa Mumifizierung, Pharaonengräber, Inzest und so weiter mal beiseite gelassen, entwickelt die Geschichte von „Pyramiden“ ihren eigenen Charme. Allerdings muss man den verschiedenen Handlungssträngen aufmerksam folgen, um durch die eigene Kombinationsgabe so etwas wie faszinierte Spannung zu erspüren.
Dios und der frühere Pharao sind Nebenfiguren im Spiel von Prinz Teppic, das sich nun entfaltet. Leider ist der Autor in der Mitte des Buches auf die Idee verfallen, Teppic mit Ptraci desertieren zu lassen und ihn nach Palästina und zu den Griechen zu schicken. Das ist nicht sonderlich originell. Unterdessen geht es in Djelibebi in der Zeitspalte mehr oder weniger drunter und drüber, als die Götter durch den Unfug, den Dios und die neue Riesenpyramide anrichten, auf die Erde geholt werden. In diesen Szenen gerät die Geschichte zur herrlichen Satire auf die Religion, nach dem Motto: Hüte dich davor, was du dir wünschst, denn es könnte Wirklichkeit werden!
Nette Einfälle
Wunderbar gefielen mir die drei Pyramidenbauer, Taklusp und seine beiden Söhne 2A und 2B. Sie müssen nicht nur den Bau der größten Pyramide aller Zeiten in knapp drei Monaten planen, organisieren und fertigstellen, sondern haben auch noch mit den Anomalien zu kämpfen, die durch die Zeitverschiebungen an der Riesenpyramide entstehen. So existieren plötzlich 38.000 Doppelgänger ihrer Arbeiter. Das klingt zwar billig bei der Lohnzahlung, aber es ist eher verwirrend bei der Arbeitszuweisung.
Ebenso nett fand ich den Einfall mit den beiden Einbalsamierern Gern und Dill, denen die Seele des toten Pharao so ungern bei der Arbeit zusieht. Allerdings spielen sie nur eine Nebenrolle, ebenso wie Ptraci, die sich ohne ihre klirrenden Armreife ganz nackt vorkommt – was sie in der Tat auch fast ist. Aber der Humor kann mitunter auch in Klamauk abrutschen, so etwa wenn ketzerische Priester ruckzuck im Rachen der Krokodile landen. Die Armeen der Nachbarländer Djelibebis stehen sich nun unvermittelt direkt gegenüber, nachdem der Pyramidenstaat verschwunden ist. Flugs verstecken sich alle Soldaten in Trojanischen Pferden, was ja auch nicht superintelligent ist.
Hintersinnig ist der Einfall, das Kamel „Du Mistvieh!“ zum größten mathematischen Genie der Scheibenwelt zu machen. Hoffentlich ist dies keine versteckte Anspielung auf Stephen Hawking oder gar eine Beleidigung der Kamele.
Die Sprecher / Die Inszenierung
Von dem Schweizer Studio „Bookonear“ habe ich bislang schon „Wachen! Wachen!“ und „Lords und Ladies“ gehört. Die Produktion, die es mit „Pyramiden“ vorgelegt hat, ist ebenfalls in vielerlei Hinsicht professionell zu nennen. Die Sprecher, die bei uns fast alle – bis auf Sportkommentator Marcel Reif – unbekannt sind, legen eine bühnenreife Darbietung hin. Ich könnte jedoch keinen besonders hervorheben, noch nicht einmal Du Mistvieh! Auf jeden Fall sind alle Sprecher kompetent und manche sogar als Könner ihres Faches zu bezeichnen. Besonders die Szene des griechischen Symposions ist mir im Gedächtnis geblieben, vermutlich deshalb, weil sie die witzigste Szene der gesamte Handlung ist.
Geräusche und Musik
Zur Musik sei noch einmal das Booklet zitiert: „Das Königreich Djelibebi verlangt natürlich nach Musik, die zur Anlehnung ans alte Ägypten passt. Ali Jihad Racy ist Außerordentlicher Professor für Musikethnologie und hat altägyptische Musik rekonstruiert, die er selbst auf traditionellen Instrumenten spielt. Die Macher des Hörspiels haben sich ’schamlos‘, wie sie sagen, aus seiner CD ‚Ancient Egypt‘ bedient.“
Die Musik ist also durchaus passend zu nennen und verleiht der Handlung die entsprechende Stimmung. Sie wird ausschließlich in den Pausen zwischen den Szenen sowie als In- und Outro eingesetzt. An keiner Stelle überlagert sie auf störende Weise den Dialog.
Die Geräusche sind für das Verständnis einer Szene wider Erwarten von höchster Wichtigkeit. Da der Humor des Autors auf Andeutungen setzt, wird keineswegs alles ausgesprochen, was witzig und außergewöhnlich sein könnte. So genügt beispielsweise, einfach nur ein klirrendes Scheppern ertönen zu lassen, um dem Hörer zu verstehen zu geben, dass Teppic wegen seiner schweren Ausrüstung umgefallen ist. Es ist nicht nötig, dies auch noch zu sagen.
In praktisch allen Szenen muss der Hörer daher auch auf die Geräusche achten. Wenn Teppic plötzlich hohl klingt, dann deswegen, weil Dios ihm eine Maske aufgesetzt hat – die trägt schließlich jeder Gottkönig. Ich glaube, das Prinzip ist hiermit deutlich geworden. Um alle Feinheiten mitzubekommen, bietet es sich an – will heißen: es ist ratsam, sich das Hörspiel zweimal anzuhören. Da steckt noch eine Menge Musik bzw. Überraschungen drin.
Geräusche tragen nicht nur Pointen bei, sie charakterisieren auch, wie es sich eben für eine realistische Darstellung gehört. Nur, dass dieses Hörspiel keinen Realismus will, sondern eine dramatische Überspitzung darstellt. Wie lässt man zum Beispiel einen Gott ertönen? Sagen wir mal, einen schakalköpfigen Anubis oder einen mit Krokodilskopf? Das ist etwas kniffliger als einen Detektivroman akustisch auszustatten und verlangt einen gewissen Einfallsreichtum. Langer Rede kurzer Sinn: Ich halte die Charakterisierungen durchaus für gelungen, aber ich erwarte auch keinen Realismus von einer Fantasy wie dieser. Hauptsache, die Geräusche klingen nicht abstrus und überzogen.
Das Booklet
Das Beiheft ist liebevoll gestaltet und einer so von Liebhabern der Scheibenwelt gestalteten Produktion angemessen. Da findet sich ein Lebenslauf des Autors ebenso wie Hintergrundinfos über die Musik, die Gestalter und sämtliche Sprecher. Am schönsten aber sind zwei weitere Elemente: die detaillierte Tracklist für jede einzelne CD, von denen jede einen eigenen Titel trägt. Und natürlich die knuddeligen Zeichnungen Josh Kirby, die allesamt der doppelseitigen Titelillustration entnommen sind. Auch die Cover der einzelnen CDs wie auch die Einsteckplätze der CDs im Karton sind damit geschmückt.
Abspann
Am Schluss der letzten CD werden alle Sprechrollen noch einmal mit Zitaten bzw. Klangproben vorgestellt und ihrem Sprecher oder ihrer Sprecherin zugewiesen. Von der Crew sind lediglich die Techniker und der Regisseur genannt.
Unterm Strich
„Pyramiden“ ist einer der wenigen Romane Pratchetts, die sich eigenständig lesen lassen, ohne dass der Leser irgendwelches Wissen über die phantastische Scheibenwelt mitbringen muss. Daher eignet sich das Buch ideal als Einstieg und Zugang zu Pratchetts Universum und seiner ganz speziellen Art des Humors. In literarischer Hinsicht ist das Buch sicherlich kein Glanzpunkt in der Karriere des Autors, aber herrje, wer mehr als 100 Millionen Exemplare seiner Bücher verkauft hat, ist eh schon jenseits von Gut und Böse.
Das Hörspiel setzt die Vorgabe nach seinen eigenen Gesetzen um. Das bedeutet, dass hier Szenen umgestellt und eventuell Personal gekürzt wurden. Das wird aber durch eine dramatisch geglücktere Präsentation ausgeglichen: Sprecher, Geräusche und Musik bilden eine harmonische Einheit, um den Hörer bestmöglich zu unterhalten. Sicher hätte die Geschichte noch straffer, spannender und actionreicher sein können, aber wenn die Vorlage nicht mehr hergibt, kann man nicht einfach etwas hinzuerfinden – das könnte sich Hollywood erlauben, aber nicht ein Tonstudio.
Man sollte also nicht den Fehler machen, das Hörspiel schon für das Buch zu halten. Aber es kann eine Menge Appetit auf den Roman, die Scheibenwelt und Pratchetts sonstiges Werk machen. Insbesondere haben mir die Jugendromane um Tiffany Weh und Kater Maurice gefallen.
Originaltitel: Pyramids, 1989
Aus dem Englischen übertragen von Andreas Brandhorst 1991
Mit von Josh Kirby illustriertem Booklet
307 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3785731314 http://www.bookonear.com http://www.luebbe-audio.de
Schon lange leben die kleinen Nomen friedlich im Kaufhaus »Arnold Bros«. Die Jahreszeiten Winterschlussverkauf, Frühjahrsmode, Sommerschlussverkauf und Weihnachten kommen und gehen – bis plötzlich andere Nomen auftauchen und von einem »Draußen« erzählen. Und als die Parole »Räumungsverkauf« ausgerufen wird, muss schleunigst ein Plan her, um in dieses »Draußen« zu gelangen. Ein Lastwagen scheint die Rettung zu sein – und mit vereinten Kräften schaffen es doch auch Winzlinge, ein solches Gefährt zu steuern, oder?! Aber auch ihr neues Zuhause »Steinbruch« wird bald bedroht. Da hilft nur noch die Rückkehr in ihre wahre Heimat. Doch dafür müssen die Nomen erst das Raumschiff »Schwan« finden, das sie zurück ins All bringt, von wo sie einst herkamen. (Verlagsinfo)
Mit Cohen dem Barbaren begegnet der Pratchett-Fan einem alten Bekannten aus den frühen Rincewind-Romanen. Unser verehrter Unfähiger taucht natürlich ebenfalls auf, dito seine Truhe und einige Mentoren von der Unsichtbaren Uni. Diesmal betätigt sich Rincewind als „Space Cowboy“! Houston, bitte… – pardon: Ankh-Morpork, bitte kommen!
Es gibt unendlich viele Welten zu entdecken. Sie sind nur einen kleinen Schritt entfernt … Ein kleiner, angekokelter Plastikkasten, ein paar Drähte, ein Schalter, eine Kartoffel … Als die Polizistin Monica im Jahr 2015 in den verkohlten Ruinen eines Hauses auf diese eher zweifelhafte Apparatur stößt, ahnt sie nicht, dass der Prototyp einer bahnbrechenden Erfindung vor ihr steht.
Denn der kleine Kasten ist ein Wechsler, mit dem es von nun an möglich sein wird, in die ,,Lange Erde“ hinauszutreten: eine unendliche Abfolge von parallelen Welten, von Menschen unbewohnt. Schon bald setzt auf der alten Erde ein wilder Goldrausch ein. Denn die Lange Erde birgt unendliche Möglichkeiten – und unendliche Gefahren … (Verlagsinfo)
Terry Pratchett, geboren 1948, und seine Frau Lynda haben mit dem Scheibenwelt-Zyklus einen phänomenalen Erfolg gehabt, der dazu führte, dass bereits 1996 mindestens ein Prozent aller im Vereinigten Königreich verkauften Bücher von ihnen stammten! Inzwischen gibt es nach zahlreichen Romanen auch PC-Spiele sowie Comics, die auf der Discworld basieren.
„Mort“ ist der erste der TOD-Romane: Danach folgten „Reaper Man“ (1991, „Alles Sense!“), „Soul Music“ (1994, „Rollende Steine“) und „Hogfather“ (1997, „Schweinsgalopp“).
Dies ist die Geschichte von der Scheibenwelt, die von einer riesigen Schildkröte durchs Universum getragen wird. Der junge Mort findet keine Lehrstelle. Bis ihn Gevatter Tod als Azubi in seine Dienste nimmt. Fortan begleitet Mort die Seelen Verstorbener ins Jenseits. Als Prinzessin Keli hinterrücks gemeuchelt werden soll, fällt Mort dem Attentäter in den Arm und tötet ihn sogar – völlig gegen alle Vorschriften.
Das Universum reagiert höchst ungnädig auf die Geschichtsverfälschung: Es ignoriert Kelis Existenz und quetscht sie an den Rand der Realität. Im verzweifelten Kampf um das Leben der Angebeteten wird Mort seinem Meister immer ähnlicher, bis er eines Tages sogar IN GROSSBUCHSTABEN REDET…
Der TOD ist wunderbar. Humorlos, stets grimmig, mit einem Pokergesicht und doch mit einer gewissen Sympathie für das Menschengeschlecht. Sein Pathos rührt von seiner Unfähigkeit her, solche Launen wie menschliche Gefühle zu begreifen. In „Gevatter Tod“, dem ersten Scheibenwelt-Roman mit einer vollständig in sich geschlossenen Handlung, geht er auf Urlaub. Doch während die Katze fort ist, tanzen bekanntlich die Mäuse auf dem Tisch – bis die Katastrophe nicht mehr ausbleibt.
Shakespeare auf der Scheibenwelt – da ist natürlich so einiges anders als beim alten englischen Barden. Die Hauptpersonen, wie kann es auch anders sein: drei Hexen, ein Dolch, ein gemeuchelter König (siehe Dolch), ein Thronräuber (siehe König), ein schüchterner Monolith, ein ernster Narr, ein dichtender Zwerg und ein Kronprinz im Schauspielerexil – kommt einem das nicht irgendwie bekannt vor? Lachen oder nicht lachen, das ist hier die Frage.
König Verence wird hinterrücks erdolcht, der kronprinzliche Säugling zusammen mit der Reichskrone von Getreuen gerettet und den drei Hexen (den „Wyrd Sisters“ des Originaltitels) anvertraut. Die bereits aus [„Equal Rites“]http://www.powermetal.de/book/anzeigen.php?id__book=218 (ein Wortspiel mit „equal rights“ – Gleichberechtigung, das hier aber „gleiche Riten“ bedeutet) bekannte Oma Wetterwachs, die alte, allem Weltlichen aufgeschlossene Nanny Ogg (die mit dem berühmt-berüchtigten Kochbuch) und die junge, etwas flippige Magrat Garlick wissen zunächst nicht, wohin mit dem Wickelkind.
Ihnen fällt nichts Besseres ein, als den Kronprinzen einer fahrenden Schauspielertruppe inkognito anzuvertrauen – schließlich mischen sich Hexen grundsätzlich nicht in weltliche Angelegenheiten ein. Doch auch sie müssen feststellen, dass erstens alles meist anders kommt, und zweitens, als man es sich vorgestellt hat. Vorhang auf also für den großen Dornröschenschlafzauber der Hexen für das gesamte Reich. Zumindest so lange, bis Kleinprinzlein erwachsen geworden ist und als Held den Thronräuber verjagt – allerdings ist Prinz Tomjon mit Leib und Seele Schauspieler und denkt überhaupt nicht daran, das verantwortungsvolle Amt eines hochoffiziellen Helden außerhalb der Bühne anzustreben. Guter Rat ist da selbst für so gewiefte Hexen wie unser infernalisches Trio teuer…
In der sechsten deutschen Auflage der Scheibenwelt beweist Pratchett seinen enormen Einfallsreichtum und hintergründigen Humor. Wie kaum ein anderer – vielleicht mit Ausnahme von Tom Holt – versteht es Pratchetts Fantasyvariante, Anspruch und intelligenten Humor miteinander zu verknüpfen.
Im Gegensatz zu seinen Autorenkollegen klebt er nicht an einer Hauptperson (etwa in Aprins „Myth“-Serie oder in Gordons „Drachenritter“-Zyklus) oder einem längst ausgelutschten Schauplatz (etwa Anthonys „Xanth“), sondern sucht sich immer wieder neue Freiräume, neue für ihn und seine Leser interessante Figuren und Konstellationen und sorgt auf diese Weise für scheinbar immerwährende Frische und Pepp in seinen Scheibenweltromanen.
Nicht etwa, dass er hierbei darauf verzichtet, altbekannte Figuren (u.a. der Literatur) bei Gelegenheit wieder auftreten zu lassen: Der Primaten-Bibliothekar der Unsichtbaren Universität erscheint in fast jedem der ersten Bände, und das Hexentrio mischt sogar noch den zwölften Band („Witches abroad“) auf. Aber dabei kommt nie Langeweile auf, wirken die Protagonisten nie abgegriffen und und altbekannt. Wieder einmal ist für prächtige Unterhaltung gesorgt.
Terry Pratchett, geboren 1948, und seine Frau Lynda haben mit dem Scheibenwelt-Zyklus einen phänomenalen Erfolg gehabt, der dazu führte, dass bereits 1996 mindestens ein Prozent aller im Vereinigten Königreich verkauften Bücher von ihnen stammten! Inzwischen gibt es nach zahlreichen Romanen auch PC-Spiele sowie Comics, die auf der Discworld basieren.
„Equal Rites“ ist Pratchetts dritter Scheibenwelt-Roman, insgesamt sein sechster nach „Die Teppichvölker“ (1971/1992), „Die dunkle Seite der Sonne“ und „Strata“ (1981).
Dies ist die Geschichte der Scheibenwelt, die von einer riesigen Schildkröte durchs Universum getragen wird. Ein alter Magier fühlt das Ende nahen und übergibt seinen machtvollen Zauberstab dem ungeborenen achten Sohn eines achten Sohnes (Acht ist die Glückszahl auf der Scheibenwelt). Doch als das Kind das Licht der Welt erblickt, stellt man erschrocken fest, dass es ein Mädchen ist – und Mädchen dürfen die Zauberkunst nicht ausüben.
Als die magischen Talente der kleinen Eskarina bedrohliche Ausmaße annehmen, reist die resolute Dorfhexe mit ihr zur Unsichtbaren Universität, um der Kleinen mit allen Mitteln einen Studienplatz zu verschaffen und sie zur ersten staatlich geprüften Zauberin der Scheibenwelt zu machen.
Als sie sich mit dem Erzmagier und seinem ebenso genialen wie pickligen Zauberlehrling zusammentut, ahnt keiner, dass die Kräfte der jungen Leute eine hochbrisante Mischung ergeben, die die Scheibenwelt zum Einsturz bringen könnte.
Granny Wetterwachs, die resolute Hexe mit dem eisernen Willen, fürchtet nichts – nicht einmal die Aufnahmestelle der Unsichtbaren Universität. Hier bekämpft und überwindet sie die geschlechtsspezifischen Vorurteile ihrer männlichen, organisierten Zunftkollegen. Granny ist unwiderstehlich, auch für den Leser!
Terry Pratchett, geboren 1948, und seine Frau Lynda haben mit dem Scheibenwelt-Zyklus einen phänomenalen Erfolg gehabt, der dazu führte, dass bereits 1996 mindestens ein Prozent aller im Vereinigten Königreich verkauften Bücher von ihnen stammten! Inzwischen gibt es nach zahlreichen Romanen auch PC-Spiele sowie Comics, die auf der Discworld basieren.
„Das Licht der Phantasie“ ist Pratchetts zweiter Scheibenwelt-Roman. Der erste war „Die Farben der Magie“ (The Colour of Magic, 1983) und erschien auf Deutsch zuerst bei Goldmann.
Dies ist die Geschichte der Scheibenwelt, die von einer riesigen Schildkröte durchs Universum getragen wird und die sich auf Kollisionskurs befindet: einem Roten Stern entgegen. Die Sprüche des Zauberbuchs „Octavo“ (octo = Acht ist die Glückszahl auf der Scheibenwelt!) könnten die Katastrophe verhindern; doch ausgerechnet der schusselige Zauberer Rincewind hat den wichtigsten Spruch im Kopf. Während die Kollegen von der Unsichtbaren Universität ihn auszuspüren versuchen, macht sich Rincewind in Begleitung des Touristen Zweiblum und dessen laufender Reisetruhe aus dem Staub.
Da stiehlt ein verrückt gewordener Magier das Buch „Octavo“ und ist drauf und dran, die Scheibenwelt dem Untergang preiszugeben. Rincewind muss sich entscheiden…
Rincewind ist ein lächerlicher Charakter, der Pratchett dazu dient, das Genre der Schwerter-und-Zauberei von Fritz Leiber über H.P. Lovecraft bis zu Anne Caffrey auf die Schippe zu nehmen. Rincewind, feige und völlig inkompetent, flieht vor der Zauberei. Widerwillig begleitet er den ersten Touristen auf der Scheibenwelt und dessen psychopathisches Gepäckstück. In diesem Band treten erstmals auf: Ankh-Morpork, die übel riechende Metropole, und ihre Unsichtbare Universität.
Die Zielscheibe von Pratchetts Parodie sind Astrologie, Druiden, Zwerge, Heroische Fantasy (durch den neunzigjährigen Barbaren Cohen), magische Läden, Zaubersprüche, Trolle und anderes Genre-Inventar.
Nachdem ein Wasserdämon um ein Haar fast seinen kleinen Bruder Willwoll entführt hat, wendet sich das Milchmädchen Tiffany Weh an eine professionelle Hexe. Miss Tick gibt ihr nach vielen neugierigen Fragen einen wertvollen Ratgeber: eine sprechende Kröte. Als ihr Bruder aber wirklich von der Feenkönigin entführt wird, braucht Tiffany mächtigere Verbündete.
Da trifft es sich gut, dass die Wir-sind-die-Größten, kleine blauhäutige, saufende, stehlende und kämpfende Gnomen, eine Hexe suchen. Durch ihre Heldentat gegenüber dem Wasserunhold hat sich Tiffany eindeutig als solche qualifiziert und kriegt den Job. Zusammen nehmen sie es mit der grausamen Feenkönigin auf, deren Welt dabei ist, in unsere einzudringen, um Träume zu stehlen.
Doch die Rettungsaktion erweist sich als schwieriger als gedacht: Das Reich der Märchen ist längst nicht so schön, wie es uns die Geschichten immer weisgemacht haben, sondern kalt und voller Gefahren. Tiffany und ihre Truppe „kleiner freier Männer“ geraten von einer heiklen Situation in die nächste.
_Der Autor_
Terry Pratchett, geboren 1948, und seine Frau Lynn sind wahrscheinlich die produktivsten Schreiber humoristischer Romane in der englischen Sprache – und das ist mittlerweile ein großer, weltweiter Markt. Obwohl sie bereits Ende der siebziger Jahre Romane schrieben, die noch Science-Fiction-Motive verwendeten, gelang ihnen erst mit der Erfindung der Scheibenwelt (Disc World) allmählich der Durchbruch. Davon sind mittlerweile etwa drei Dutzend Bücher erschienen, auf Deutsch zuletzt „Weiberregiment“.
Nachdem diese für Erwachsene – ha! – konzipiert wurden, erscheinen seit 2001 auch Discworld-Romane für Kinder. Den Anfang machte das wundervolle Buch [„Maurice, der Kater“ 219 („The Amazing Maurice and His Educated Rodents“), worauf „Kleine freie Männer“ folgte.
Die Fortsetzung von „Kleine freie Männer“ trägt den Titel [„A Hatful of Sky“. 1842 („Ein Hut voller Sterne“; Buch & Audio auf Deutsch im Februar & März 2006 erschienen).
Doch auch andere Welten wurden besucht: ein Kaufhaus, in dem die Wühler und Trucker lebten, und eine Welt, in der „Die Teppichvölker“ leben konnten. Die Wühler-Trilogie „The Bromeliad“ soll zu einem Zeichentrickfilm gemacht werden. Mehr Infos unter www.lspace.org (ohne Gewähr).
_Der Sprecher_
Der in Berlin Charlottenburg geborene Schauspieler Boris Aljinovic wollte ursprünglich Comic-Zeichner werden. Er absolvierte aber von 1991 bis 1994 die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Danach folgten Engagements am Theater der Stadt Cottbus, am Staatstheater Schwerin und am Berliner Renaissance-Theater. Seit 2001 ist er der neue Berliner „Tatort“-Ermittler Felix Stark an der Seite von Dominic Raacke. Daneben hat er sich mit zahlreichen anderen Fernseh- und Filmproduktionen sowie als Hörbuchsprecher einen Namen gemacht.
Regie führte Produzent Oliver Versch. Das „Sound-Design“ stammt von David Braun, und die Aufnahmeleitung oblag Michael Hübbeker.
Boris Aljinovic liest die gekürzte Fassung, die Karin Weingart anfertigte.
_Handlung_
Die neunjährige Tiffany Weh ist eigentlich ein einfaches Milchmädchen, das auf der Farm seiner Eltern für die Herstellung von allerlei Milchprodukten wie etwa Käse oder Butter zuständig ist. Aber Tiffany hat zwei Vorteile im Überlebenskampf: ein ausgeprägtes Denkvermögen und eine Großmutter, die wohl so etwas wie eine Hexe war.
Tiffany erinnert sich so häufig an die Granny Weh, dass diese zu einer weiteren Hauptfigur wird. Und obwohl Granny nur eine einfache Schäferin war, die in der Region mit dem Namen Die Kreide, wo Tiffany lebt, Schafe hütete, war sie wohl auch so etwas wie eine göttliche Instanz: Sie war die Verkörperung des Landes. „Das Land ist in meinen Knochen“, pflegte die Omi Weh zu sagen. Und davor hatte selbst der Baron Respekt. Besonders dann, wenn Granny drohte: „Es wird eine Abrrrechnung geben.“ Und ihre zwei Schäferhunde Donner und Blitz knurrten dazu.
Nun liegt Tiffany am Forellenbach und kitzelt Forellen. Eigentlich sollte sie auf ihren kleinen Bruder Willwoll aufpassen, der in der Nähe spielt, aber die Forellen lachen so schön. Bis ein grüner Wasserdämon auftaucht, der ein allzu lebhaftes Interesse an kleinen Babybrüdern zeigt. Tiffany zieht Jenny Grünzahn mit der Bratpfanne eins über, bis der Dämon das Weite sucht.
Diese Heldentat bleibt keineswegs unbeachtet.
|Die Hexe|
Aber was haben Ungeheuer hier zu suchen? Wenige Tage später wandert Tiffany in das nächste Dorf, um zur Schule zu gehen und die Antwort auf diese Frage herauszufinden. Sie hat Glück. Mehrere Wanderlehrer haben am Rande des Marktplatzes ihr Zelt aufgeschlagen, in dem sie Unterricht geben. Bezahlt wird in Naturalien. Doch Tiffany ist weder an „Geokrafie“ noch an Rechtschreibung („Spaß mit Klammern!“) interessiert, sondern sucht eine Hexe. Das winzige Schild an dem Zelt, auf dem steht „Ich kann dich eine Lektion lehren, die du so schnell nicht vergisst“ erscheint ihr vielversprechend.
Sie fragt die Hexe, die sich „Miss Tick“ nennt (wie in „Mystik“), wie sie ebenfalls eine Hexe werden könne. Sie wolle nämlich solche Wasserdämonen, die es nur in Märchenbüchern gibt, loswerden. Wie interessant, denkt Miss Perspicazia Tick. Sie war eine der Personen, die bei Tiffanys Heldentat zugegen waren. Bei ihrer Erforschung des Universums war sie auf eine drohende Gefahr gestoßen: Eine andere Welt kollidierte mit ihrer eigenen und drang in sie ein. Das könnte unangenehm werden. Bemerkenswert, dass ausgerechnet jetzt Tiffany auftauchte.
Ohne allzu viel erfahren zu haben, geht Tiffany nach Hause. Doch sie hat von Miss Tick einen Schatz mitbekommen, der sich noch als sehr wertvoll erweisen soll: eine sprechende Kröte. Eine verwunschene Kröte. Eine Kröte, die alle möglichen Dinge weiß und sogar fremde Sprachen übersetzt. Sozusagen ein organischer PDA mit Spracheingabe. Von der Kröte erfährt Tiffany von der bevorstehenden Kollision der Welten.
|Die „Wir-sind-die-Größten“|
Um die Dinge ins Rollen zu bringen, ist aber noch etwas nötig: die titelgebenden Kleinen freien Männer. Sie haben blaue, weil tätowierte Haut (wie die historischen Pikten), knallrote Bärte, tragen Schottenrock und Schwert, reden seltsames Schottisch (nicht in der Übersetzung, logo) – und sind ungefähr fünfzehn Zentimeter groß. Und da sie gerade eine Hexe suchen, haben sie sich in Tiffanys Molkerei eingefunden. Warum gerade Tiffany Weh? Sie haben ihre Heldentat am Bach beobachtet und sich gedacht: Wir haben unsere Hexe gefunden!
Ihr Anführer stellt sich ihr als Rob Irgendwer Größter (= Rob Anybody Feegle) vor und sein Volk als die Wir-sind-die-Größten. Sie haben keinen König, keine Königin, keinen Herrn – daher sind sie die Kleinen Freien Männer. Sie haben, wie sich später herausstellt, nur vor zwei Dingen Angst: vor ihrer früheren Chefin, der grausamen Königin von Feenland, und vor — Anwälten.
|Das Feenland|
Als Tiffanys Bruder Willwoll wenig später spurlos verschwindet, weiß sie, an wen sie sich um Hilfe wenden kann: die Größten. Rob Irgendwer berichtet ihr, dass es höchstwahrscheinlich die Königin des Feenlandes war, die Willwoll entführt hat. Und es gibt nur einen Weg, in das Feenland zu gelangen: Nur eine echte Hexe kennt die Türen in die andere Dimension, wo die Zeit ein wenig verschoben ist.
Auf der Landschaft namens Die Kreide stehen Megalithen in rauen Mengen herum. Ob sie nun einen König oder einen Schatz beherbergen oder nur zur Beobachtung der Sterne dienten, das ist Tiffany wurscht. Solch ein Megalithentor fällt ihr schon bald auf: Erstens haut es mit dem Verlauf der Zeit nicht richtig hin, als sie es beobachtet. Und zweitens liegt hinter dem Tordurchgang auffällig viel Schnee, während auf dem Kreideland selbst noch Gras grünt. Ist im Feenland immer Winter?
Bewaffnet mit ihrer treuen Bratpfanne und begleitet von den ebenso treuen Größten, macht die Juniorhexe Tiffany Weh den ersten todesmutigen Schritt ins Land der Feenkönigin, um ihren entführten Bruder zurückzuholen.
_Mein Eindruck_
Die Wir-sind-die-Größten sind eine der genialsten Erfindungen des schreibenden Ehepaars Pratchett. Zwar treten auch schon früher in „Die Teppichvölker“ und in der Wühler-Trilogie, der „Bromeliade“, kleine, gnomenähnliche Wesen auf, doch die Wir-sind-die-Größten (im Original die „Nac Mac Feegle“) verleihen diesen Wesen einen unverwechselbaren Charakter. „They’re small. They’re blue. And NOBODY messes with them“, tönt das Titelbild der Originalausgabe anschaulich und prägnant.
Dass sie klein sind, ist schon klar. Dass sie blau sind, ergibt sich aus ihren blauen Tätowierungen, die mit Waid eingefärbt sind. Schon die ollen Römer wussten, um wen es sich handelt: Um die wilden Völker des schottischen Hochlandes, die ständig ihre Wälle und Festungen angriffen. Die „Bemalten“ nannten sie daher Picti, und unter dem Namen Pikten waren sie noch bis ins frühe Mittelalter bekannt, als ihr aktueller König dem König der Schotten, statt ihm eins auf die Rübe zu geben, die Hand schüttelte, um Frieden zu schließen.
Ob die Pikten reines Hochlandschottisch sprachen wie die Nac Mac Feegle, ist leider nicht überliefert. Das ist in der deutschen Übersetzung aber auch bedeutunglos. Die Größten sprechen Umgangs- und Gaunersprache. Zum Glück hat Tiffany ihren eigenen Dolmetscher dabei: die Kröte, die ihr (und uns!) aus der Verlegenheit hilft. Dass auch Whisky vorkommen muss, dürfte ebenfalls klar sein, doch wird er hier als Granny Wehs „Spezielles Schaf-Einreibemittel“ bezeichnet. Zur inneren Anwendung …
Selbstredend spielen die Größten auch den Dudelsack. Dies ist die Aufgabe des Schlachtenpoeten William, der immer so herrrrlich das R rrrollt. Und so alt er auch sein mag, so hat er doch ein paar Tricks auf Lager, um die „Jagdhunde“ der Feenkönigin in die Flucht zu schlagen.
|Die Königin der „Wir sind die Größten“|
Die Freundschaft der kleinen Riesen erkauft man nicht so einfach, findet Tiffany bald heraus. Geschenke erhalten zwar die Freundschaft, doch wenn es um die Verknüpfung von Schicksalen geht, müssen engere Bande geknüpft werden. Die Kobolde haben in ihrem unteridischen Bau eine Art Schwarmkönigin plus Schamanin: die „kelda“. Diese uralte Gnomen-Oma macht Tiffany zu aller Erstaunen zu ihrer Nachfolgerin, bevor sie in „das letzte Land“ geht. Sie erklärt Tiffany auch ihren keltischen Namen: „Land unter Wasser“ (das wird beim Finale noch wichtig).
Was Tiffany als neue „kelda“ nicht weiß: Sie muss als erste Tat einen Mann heiraten. Natürlich keinen von den „großen Leuten“, sondern einen der kleinen Riesen. Doch Bräuche sind dazu da, sie zu befolgen, ganz besonders gilt das für Anführer. Und so wählt Tiffany den wichtigsten Kobold: Rob Irgendwer. Und weil Tiffany eine Meisterin des Denkens ist, fällt ihr auch ein, wie sie die peinlichen Implikationen der Vermählung umgehen kann (wovon der Polterabend vermutlich die harmloseste ist) …
|Hexensabbat|
Keine Heldentat einer Hexe bleibt unbeachtet, und das gilt umso mehr für die einer Juniorhexe. Am Schluss taucht daher Miss Tick, die Wanderhexe, erneut bei Tiffany auf. Ihre Beifahrer auf dem Hexenbesen sind zwei alte Bekannte: Granny …, pardon: Mistress Weatherwax, und Nanny Ogg. Sie begucken sich die neue Heldin in ihren Reihen und halten mehr oder weniger Gericht über sie.
Sie sind reichlich erstaunt, dass Tiffanys Art der Magie auf dem Kreideland funktioniert, denn die gängige Theorie besagt, dass Hexenkraft harten Stein erfordert, und das Kreideland ist ja aus Kreide gemacht, dem weichsten Stein. Tiffany weist dezent darauf hin, dass in der Kreide etliche Stücke Flint, also Feuerstein, stecken, und das sei ja bekanntlich der härteste Stein. Die Hexen starren sie an, als wäre Tiffany die Verkörperung des Feuersteins, zufällig gefunden in einer weichen Gegend. Und in dieser Eigenschaft kommt Tiffany ihrer Granny gleich, die ja bekanntlich das Land in ihren Knochen hatte.
|Die Wanderschule|
Die Pratchetts haben wieder einige Lehren in ihrer Geschichte untergebracht. Die Kinder, die sie lesen, sollen schließlich aus dem Buch etwas lernen. Herkömmliche Wanderlehrer taugen offensichtlich wenig, die beste Schule scheint das Leben zu sein. Um dessen Schwierigkeiten zu bewältigen, sind aber nicht Träume, Wünsche und Illusionen hilfreich, sondern ein Sinn für die Realität und vor allem Denken.
Tiffany ist eine Meisterin des Denkens, doch selbst sie ist nicht gegen die Macht der Feenkönigin gefeit. Ich möchte nur so viel verraten: Deren Macht liegt in der Anwendung von Träumen und Illusionen als Waffen, um die Kinder, die sie entführt hat, zu versklaven. Darin gleicht sie der Schneekönigin in Andersens Märchen und in C. S. Lewis‘ erstem Narnia-Roman „The lion, the witch and the wardrobe“. Der fiesen Behauptung der Feenkönigin, die Menschen könnten es in ihrem Leben ohne Träume und Wünsche gar nicht aushalten, hat auch Tiffany nichts entgegenzusetzen. Der Krieg der Träume scheint für sie verloren, als sie sich an etwas erinnert, das ganz tief unten in ihrem Sein verborgen ist: Sie ist, wie ihre Granny, auch das Land, und das Land träumt Träume, die mit Menschen nichts zu tun haben …
_Der Sprecher_
Boris Aljinovics Stimme klingt zunächst ganz normal, eben männlich tiefer gelegt. Doch schon in den ersten Szenen mit Miss Perspicacia Tick, der Wanderhexe, erleben wir eine Überraschung. Fräulein Tick selbst verfügt eine höhere, sanfte Stimme, aber ihre Kröte – die leider durchweg namenlos bleibt, obwohl sie in einem früheren Leben ein Anwalt war – erstaunt immer wieder mit einer knarzigen, gequetscht klingenden und leicht näselnden Stimme, die einem solchen Amphibienviech gut ansteht. Und zu einem nervenden Besserwisser.
Am meisten gespannt war ich natürlich auf die Stimmen der Kobolde, der Königin und natürlich der Hauptfigur: Tiffany Weh. Wie bei jedem Stamm mit vielen Mitgliedern gibt es auch unter den „Größten“ ziemlich viele unterschiedliche Charaktere. Das macht ja gerade den Reiz der Geschichte und hörbar auch den des Hörbuchs aus. Ihr Anführer ist Rob Irgendwer, der mit seinem Kampfgeschrei jeden Angriff einleitet. Man kann sich seine Stimme, wenn sie erhoben wird, als gedämpften Schrei eines kauzigen Käptns vorstellen; wenn sie leise wird, als die eines sanften Helden. Mit Rob Roy hat er dennoch nix am Hut. Er hat das Herz auf dem rechten Fleck. Und denken kann er auch (!).
Sein komplettes Gegenteil sind „der doowe Wullie“ mit seiner langsamen, tiefen Stimme und der Schlachtendudler William, der ein derart martialisch rrrollendes R aus der Kehle aufsteigen lässt, dass wir ihm seinen Mut durchaus abnehmen. Die Größten haben auch einen Flieger: Hamish. Er fliegt mit den Bussarden und landet per Fallschirm, wenn auch meist mit dem Kopf im Boden. Er ist an seinem eigenen Akzent einigermaßen gut von den anderen Durchschnittskobolden zu unterscheiden.
Daneben gibt es noch zwei Kategorien von Wesen: Kinder und Erwachsene. Während die neunjährige Tiffany ähnlich sanft wie Fräulein Tick spricht, aber immerhin mit ihren „dritten Gedanken“ sehr scharfsinnig wirkt, ist ihr kleiner Bruder Willwoll eher das Gegenteil: Er will bloß Süßigkeiten, und kriegt er keine, plärrt er. Als er aber die Kobolde sieht, fängt er an zu kichern und fröhlich „kleine Männer“ zu lallen. Der Baronssohn Roland ist nicht viel besser erzogen, aber mit seinen zwölf Jahren doch schon halbwegs vernünftig.
Bevor die Heldin auf ihre Widersacherin, die Königin der Elfen, trifft, muss sie erst eine Menge Bekanntschaften mit den Erwachsenen hinter sich bringen, sozusagen als Vorbereitung auf den äußerst langgezogenen Showdown mit ihrer Widersacherin, die ihren Bruder entführt hat. Hochnäsig und besserwisserisch klingen die Lehrer, die drei auftauchenden Anwälte, ihre Mutter, der Baron sowieso, aber keinesfalls ihre Oma Weh. Die sagt zwar ohnehin nur das Allernötigste, aber was sie sagt, ist nie hochnäsig. Auch nicht gegenüber dem Baron, mit dem sie einen Streit wegen seines wildernden Hundes hatte, der ihre Schafe riss.
Die Königin zu bezwingen, stellt sich auch akustisch als recht schwierig dar. Zunächst ist die Elfin nur arrogant und verschlagen, aber langmütig, so wie man es gegenüber einem dummen Kind ist, das nicht weiß, was es tut. Als aber Tiffany immer mehr Fähigkeiten an den Tag legt, verliert die Königin allmählich ihre Geduld. Alle ihre Trome, die Traumerzeuger, hat Tiffany ausgetrickst. Sogar das ihr eingetrichterte Schuldgefühl wegen des im Stich gelassenen Bruders überwindet die kleine Heldin. Als auch der Versuch fehlschlägt, sie mit den Anwälten von ihren Gefährten, den Kobolden, zu trennen, wird die Königin ernsthaft wütend. Sie lässt sowohl die Anwälte als auch die Größten mit einer Handbewegung verschwinden. Was jetzt? Doch Tiffany findet die Kraft, der Königin ein blaues Auge zu verpassen.
Alle diese Verwandlungen bewältigt der Sprecher bravourös und erinnert an die Leistungen von Rufus Beck und Philipp Schepmann. Allerdings kann ich mich nicht mit seiner Aussprache des Namens Oma Weh anfreunden. Was im Original „Granny Aching“ heißt, sollte das auch in der Übersetzung ausdrücken: nämlich Weh. Das tut Aljinovic aber nicht. Er sagt vielmehr „Oma Wieh“, und entsprechend auch „Tiffany Wieh“. Was das nun soll? Vielleicht soll es weniger |Weh|-leidig klingen als die Übersetzung, die Andreas Brandhorst geliefert hat.
_Musik und Geräusche_
Um die Qualität der Geräusche und der Musik zu beschreiben, könnte eigentlich ein Wort genügen: filmreif. Die Geräusche stelle man sich einfach so passend wie möglich vor: Wenn es regnet, rauscht es. Im Sommer zwitschern die Vögel, am Meer schreien die Möwen und BOING! macht Tiffanys Bratpfanne am Schädel des Wasserkobolds.
Man muss schon lange suchen, bis man auf ein ungewöhnliches Geräusch stößt. Gilt ein erstaunt „Mäh!“ machendes Schaf, das gerade von den Kobolden rückwärts weggetragen wird, als Geräusch? Gilt das Knurren von Todeshunden als außergewöhnlich? Immerhin insofern, als dieses Knurren keinem lebenden und natürlichen Hund gleicht – es ist elektronisch verzerrt worden. Ein Lob an den Sound-Designer.
Die Musik ist sehr vielfältig, und ich konnte feststellen, dass sich die Produktionsgesellschaft „the spotting image“ ziemlich ins Zeug gelegt hat, um einen ansprechenden Score zu erstellen. Von heiteren Weisen reicht die Palette über eine Art fröhlicher Zirkusmusik bis zu „Schlachtengemälden“, Dramatik und Melancholie. Ein richtiges Requiem ist allein Oma Wehs Begräbnis gewidmet. Wer sich auf die Musik einlässt, hat viel mehr vom Hörbuch, denn es wird dadurch fast zu einem Film für die Ohren. Kinder werden sich wie in einem Disneyfilm vorkommen.
_Unterm Strich_
Auch wenn das Buch „Kleine Freie Männer“ offensichtlich für Kinder ab neun oder zwölf Jahren geschrieben wurde (die Heldin ist neun), so kommen dabei doch Themen zur Sprache, die alle Menschen ansprechen. Da wäre zum einen die Macht der Träume, Wünsche und besonders der Geschichten. Beispielsweise solche aus Büchern.
|Die Macht von Träumen und Geschichten|
Tiffany kennt exakt drei Bücher, nämlich ein Wörterbuch, ein Märchenbuch und das Erbstück ihrer Oma, in dem die Behandlung von Schafkrankheiten beschrieben ist. Alle drei Bücher werden verwendet, erprobt und für gut oder schlecht befunden. Der Prüfstein dafür ist a) die Realität, b) das Abenteuer im Feenland und c) Tiffanys Denken. Ob ihr Denken allerdings logisch ist, sei einmal dahingestellt. Dies ist zumindest, äh, interessant. Ihr beim Denken zu folgen, ist teils faszinierend, teils amüsant. Die meisten Bücher, besonders die mit den Lügen darin, kommen schlecht weg.
|Identität|
Ein weiteres wichtiges Thema ist Identität. Tiffany denkt zunächst, sie wüsste, wer sie ist: Tochter Nummer 3 der Weh-Familie, ein gewöhnliches Milchmädchen. Je mehr sie sich aber in die Abenteuer mit den Kobolden und der Feenkönigin verstrickt, desto weniger sicher wird sie sich ihrer selbst. Ist die Begegnung mit saufenden, kämpfenden und vor allem stehlenden Gnomen noch relativ lustig, so hört der Spaß spätestens beim Showdown mit der Feenkönigin auf. Erst spät, fast zu spät fällt Tiffany die richtige Antwort ein. Das verändert nicht nur sie, sondern alles um sie herum.
|Das Hörbuch|
Wie schon gesagt, sind Geräusche und Musik-Score praktisch filmreif – wenn damit ein Disney-Film gemeint ist. Der Sprecher Boris Aljinovic erweist sich als sehr wandlungsfähig. Ich frage mich immer noch, wie er wohl die Stimme der Kröte hingekriegt hat.
Alles in allem macht das Hörbuch richtig Spaß, besonders dann, wenn man sich die Mühe macht, etwas genauer hinzuhören – es sind lauter kleine Weisheiten darin versteckt, die man in ähnlichen Kinderbüchern lange suchen kann. Ob wohl Tiffany Weh eines Tages Harry Schotter Konkurrenz machen wird? Sie tut es ja bereits, und statt eines Besenstiels braucht sie nur eine Bratpfanne.
|Originaltitel: The wee free men, 2003
Aus dem Englischen übersetzt von Andreas Brandhorst
280 Minuten auf 4 CDs|
»Es war keine dunkle und stürmische Nacht. Eigentlich sollte es eine dunkle und stürmische Nacht sein, aber auf das Wetter ist eben kein Verlass.« Die Geburt des Antichristen steht unter keinem guten Stern. Eigentlich soll der junge Warlock von den finsteren Engeln Erziraphael und Crowley zum gefürchteten Höllenfürsten erzogen werden. Doch statt für die Apokalypse interessiert sich der Junge viel mehr für Baseball, seine Briefmarkensammlung und Kaugummi mit Bananengeschmack. Es stellt sich heraus, dass das Kind im Krankenhaus vertauscht wurde. Nun gilt es, den wahren Antichristen aufzuspüren. Und der Termin für den Weltuntergang rückt unaufhaltsam näher … (Verlagsinfo)
Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: Good Omens
Piper
2040–45: Das Universum der Langen Erde, dieser unendlichen Abfolge paralleler Welten, ist in Aufruhr: Nach einem gewaltigen Vulkanausbruch auf der ursprünglichen, der Datum-Erde, suchen Flüchtlingswellen die Siedlungen auf den neuen Erden heim. Während die erfahrenen Pioniere Joshua und Sally helfen, wo sie können, meldet sich Sallys Vater Willis Linsay zurück, Erfinder des »Wechslers«, mit dem das Pendeln zwischen den Welten erst möglich wurde. Einst verschwand Willis unter mysteriösen Umständen, jetzt will er seine Tochter mitnehmen auf eine Expedition in die geheimnisvollen Welten des Langen Mars … (Verlagsinfo)
Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: The Long Mars
Goldmann
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