C. J. Cherryh – Das Unternehmen der Chanur (Chanur 2)


Auftaktband mit Cliffhanger

Kapitänin Pyanfar Chanur sieht auf der neutralen Treffpunkt-Station einen alten Bekannten wieder: Ismehanan Goldzahn, einen durchtriebenen Mahendo’sat-Kapitän. Sein Geschenk diesmal: Tully, der Mensch, ein Botschafter von einer neuen Rasse. Pyanfar hat Tully schon einmal (in Band 1) das Leben gerettet, nun nimmt sie ihn erneut an Bord der „Chanurs Stolz“. Er verheißt Handel, und Handel bedeutet Reichtum.

Doch auch andere Rassen sind hinter Tully her, besonders die gefürchteten, heimlichtuerischen Kif, denen er einst entwischt ist. Tully hat eine dringende Botschaft für seine Freundin Pyanfar: „Viele Menschen kommen – kämpfen Kif!“ Das kann ja heiter werden. Pyanfar startet so schnell wie möglich, um Tullys Botschaft an die richtige Adresse zu bringen…

Mit dem zweiten Band ihres Chanur-Zyklus, der direkt an den ersten anschließt, setzt Cherryh zu einer Trilogie an, die mit „Die Kif schlagen zurück“ fortgesetzt und mit „Die Heimkehr der Chanur“ abgeschlossen wird.

Die Autorin

Caroline Janice Cherryh, geboren 1942 in St. Louis, ist von Haus aus Historikerin und lebt in Oklahoma. Sie erhielt schon 1980 ihren ersten Science-Fiction-Preis für ihre umwerfende Novelle „Kassandra“***. 1983 folgte der erste HUGO Award für „Pells Stern“, später ein weiterer für „Cyteen“. Beide Romane gehören zu ihrem Allianz-Union- bzw. PELL-Zyklus, der eine Future History darstellt, wie sie schon von anderen Größen des Science-Fiction-Feldes geschaffen wurde, darunter Robert A. Heinlein oder Isaac Asimov.

***: Die Story ist jetzt im Sammelband „The short fiction of C.J. Cherryh“ (Januar 2004) zu finden.

Der CHANUR-Zyklus:

1) Das Schiff der Chanur
2) Das Unternehmen der Chanur
3) Die Kif schlagen zurück
4) Die Heimkehr der Chanur
5) Chanurs Legat

Hintergrund

Schon eine ganze Weile sind die tapferen Hani-Handelsfahrer vom Clan der Chanur in den Weiten des besiedelten Allianz-Union-Raums unterwegs, geführt von ihrer Kapitänin, der listenreichen Pyanfar Chanur. Die Chanur sind eine Händlerfamilie der Spezies der Hani vom Planeten Anuurn, aber in letzter Zeit sehr schlecht angesehen. Die Hani sind matriarchalisch organisiert, und Männer, wie Pyanfar einen mitführt, werden gemeinhin als potentiell wahnsinnig betrachtet.

Das Pakt-Universum grenzt an den Menschen-Raum, der vom Union-Allianz-Konflikt beherrscht wird. Im Union-Allianz-Universum spielen etliche der wichtigsten Science Fiction-Romane Cherryhs, darunter „Pells Stern“ (Downbelow Station) und „Cyteen“.

Wer mehr über dieses Pakt-Universum erfahren möchte, findet im vorliegenden Band 2 des ersten Chanur-Zyklus, „Das Unternehmen der Chanur“ (Heyne SF Nr. 06/4264) einen Anhang, in dem die Autorin alles Wissenswerte über die einzelnen Spezies des Pakt-Raumes und insbesondere die Hani zusammengetragen hat. Außerdem erzählt sie, wie es überhaupt zur Entstehung des Pakt-Raumes und der Beziehungen zwischen den Aliens kam. Menschen sind hier allerdings selten.

Die Spezies des Paktes

1. Hani: Löwengestaltige, tapfer, schlau, matriarchalisch, Heimatwelt Anuurn;

2. Kif: große krokodilgestaltige Ammoniakatmer, verschlagen, gierig, aggressiv, rivalisierend, besessen von Besitz und Ansehen, sehr sprachgewandt, Heimatwelt Akkht; ein Shogun-Fürst wird von ihnen „Hakikkt“ genannt, ein sehr gefährlicher Kif;

3. Mahendo’sat: schlanke Künstler und Wissenschaftler, Mystiker und neugierige Sammler, Heimatwelt Iji, Sprache Chiso;

4. Stsho: fragile Händler von der Heimatwelt Llyene, trisexuelle Hermaphroditen, heimlichtuerisch, deshalb sehr beunruhigt über die Entdeckung des Menschen-Raumes in ihrem Rücken;

5. T’ca: sehr geheimnisvolle schlangenartige Methanatmer, die durch Harmonien kommunizieren und in Matrizen denken, friedliebende Bergleute und Händler, alliiert mit Chi und Knnn;

6. Chi: neongelbe Stockähnliche, die häufig T’ca begleiten, Fortpflanzung durch Zellteilung, Geschlechter unklar;

7. Knnn: sehen aus wie Haarknoten mit Spinnenbeinen, Methanatmer, Bergleute und Händler wie die T’ca.

Vorgeschichte

Zwischen den Sektoren des PAKT-Raums liegt im Grenzbereich der Sektoren von Hani, Kif, T’ca, Mahendo’sat und Stsho die Treffpunkt-Station. Sie ist ein Schnittpunkt eifersüchtig bewachter Grenzen, wird aber von allen raumfahrenden Rassen angeflogen, ihre Neutralität, verwaltet von den Stsho, wird respektiert.

Doch kürzlich ist man auf eine weitere intelligente Spezies gestoßen, die sich „Menschen“ nennt. Eine neue Spezies bedeutet Handel, und Handel bedeutet Reichtum, Ansehen und Macht. Die Lage, schon von Anfang an gespannt, wurde in „Das Schiff der Chanur“ explosiv – und die Gaohn-Station im Gefecht zerstört.

Lady Pyanfar, eine edle Hani vom Clan der Chanur, Kapitänin der „Chanurs Stolz“, hat den Trumpf zu Handel und Macht in der Hand: Sie hat die Sympathie des von den Kif verschleppten und gefolterten Menschen Tully gewonnen, indem sie dem Flüchtigen unter Lebensgefahr Schutz gewährte.

Handlung

Auf der Treffpunkt-Station trifft Kapitänin Pyanfar wieder den durchtriebenen Mahendo’sat Ismehanan Goldzahn. Er möchte ihr ein großzügiges „Geschenk“ machen, wo sie doch so eine „gute Freundin“ sei: einen ganz bestimmten Container, der eine wertvolle Fracht birgt – Tully, den Menschen. Tully sei mit Vollmachten für Abmachungen und Handelsabkommen zurückgekommen, verspricht er.

Kurz darauf wird Pyanfar darüber informiert, dass im Vergnügungsviertel der riesigen Station eine Schlägerei ausgebrochen sei, mit ihrem Göttergatten Khym mittendrin. Vor Ort versucht sie einen Überblick zu bekommen und erkennt, dass ein Beobachter der Kif keinen Finger rührt. Dafür aber heulen die Sirenen des Sicherheitsdienstes der Stsho, die die Station verwalten. Die Schlägerei war eine abgekartete Sache, in der die Kif mit den Stsho unter einer Decke stecken. Und währenddessen hat sich Goldzahn natürlich aus dem Staub gemacht. Welch ein Zufall!

Nachdem sie vom Stationsdirektor eine Standpauke erhalten und zahllose Formulare unterzeichnet hat, darf Pyanfar wieder zurück zu ihrem Schiff. Aber wo sind die Frachtcontainer, zumal der mit Tully darin? Unter Begleitung von einigen schwarzen Kif lässt sie die Container holen. Der Kif-Kaufmann Sikkukut macht ihr ein Angebot und überreicht ihr als Zeichen seines guten Willens einen goldenen Reif. Diese Übergabe erregt sofort Misstrauen, Missgunst und Neid unter den anderen Spezies, zumal unter den Sippen von Hani, die mit den Chanur konkurrieren. Macht Pyanfar neuerdings linke Geschäfte mit dem Feind?

Sonderfracht

Im letzten Fracht-Container ist Tully versteckt, zwischen Fisch und Früchten. Er ist halb erstickt, übergibt seiner Freundin Pyanfar aber mit letzter Kraft ein Päckchen Dokumente. Pyanfar hat Dringenderes zu tun als zu lesen, nämlich andere Hani abzuwehren und den zudringlichen Sikkukut vom Leib zu halten. Außerdem gibt es da noch eine kleine Strafzahlung der Stsho zu begleichen – die lässt sie kurzerhand an Goldzahn weiterreichen. Soll doch die Mahen-Regierung dafür blechen.

Tully ist Pyanfars letzte Chance, um ihre Schulden zu begleichen sowie Ansehen und Ehre unter ihresgleichen auf der Heimatwelt Anuurn zu gewinnen. Sie behandelt ihn daher wie ein rohes Ei, kann mit ihm aber erst sprechen, nachdem sie den ersten Sprung nach Urtur bewältigt hat, einer Sonne im Mahen-Raum. Überrascht erhält sie hier von Goldzahn zwei Nachrichten: Sie solle keinesfalls nach Kita weiterfliegen, sondern sofort nach Kshshti – in den umstrittenen Raum. Feindliche Kif würden schon am Kita-Punkt auf sie lauern. Ach, und auf Kshshti etwa nicht?

Goldzahn hat die Urtur-Station bestochen, Pyanfars Schiff nicht zu registrieren. So kann die „Chanurs Stolz“ quasi undercover an Urtur vorbeischleichen, erleidet aber durch einen abrupten Kurswechsel einen Schaden am Antrieb. Sie muss nach Kshshti, um dort von den Stsho repariert zu werden.

Die 48 Stunden Vorbeiflugdauer verschaffen Pyanfar endlich genügend Zeit, um mit Tully zu plaudern. Er hat eine dringende Botschaft: „Viele Menschen kommen – kämpfen Kif!“

Götterverdammt! NIEMAND legt sich mit den Kif an! Es sei denn, man würde dazu gezwungen.

Als Pyanfar endlich die Kshshti-Station erreicht, warten einige Überraschungen auf sie, nicht alle davon sind positiv. Als die Kif zuschlagen, kommt jede Unterstützung für Tully und Pyanfars Nichte Hilfy zu spät…

Mein Eindruck

Man merkt es, dass dies der Auftakt zu einer weitgespannten trilogie ist. Der Spannungsbogen ist unfertig, und die Story endet mit einem Cliffhanger. Völlig klar, dass der Leser wissen will, wie es mit Tully und Hilfy weitergeht, denn die Kif bekanntlich nicht für ihre Menschenfreundlichkeit bekannt. Das Buch hat aber einen Hauptvorteil, der nicht zu verachten ist: Es ist der kürzeste Teil der Trilogie.

Pyanfar hat die meiste Zeit alle Hände voll damit zu tun, die Absichten ihrer Gegner zu durchkreuzen – und die angeblich guten Absichten ihrer „Freunde“ bei den Mahendo’sat zu durchschauen. Etwas ganz Großes ist im Gange, und es kommt aus dem Raumsektor der Menschen, der an den der rätselhaften Knnn angrenzt. Schon einmal haben die Kif beim Erstkontakt mit den Menschen den Kürzeren gezogen, nun wollen sie Rache, die Mahendo’sat, geführt von den Regierungsagenten Goldzahn und Jik, wollen die Menschen in den Pakt-Raum aufnehmen. Weil aber die Kif eines der beiden Menschen-Schiffe zerstört haben, wollen die Menschen Vergeltung – und planen einen Feldzug gegen die Kif. Völliger Wahnsinn, ganz klar.

Auch das Verhalten der Stationsverwalter auf Treffpunkt, Urtur und Kshshti bereitet Pyanfar Kopfzerbrechen: Treiben die Stsho etwa ein doppeltes Spiel? Sie zeigen sich großzügig, wenn es um die kulante Begleichung von Pyanfars Rechnungen (die an Goldzahn weitergeleitet wird) geht, lassen es aber zu, dass die Kif Pyanfars Schützlinge Tully und Hilfy kidnappen. Dafür macht ihnen die Kapitänin die Hölle heiß. Erst ein Geheimtreffen mit Jik und den beiden Hani-Kapitänen Ehrran und Ayhar bringt etwas Licht ins Dunkel. Fürwahr, große Dinge kündigen sich an. Sie werden den Pakt-Raum umkrempeln. Man sollte allerdings wissen, wie man aus dieser Umwälzuung wieder lebendig herauskommt…

Kommunikation

Permanent stößt Pyanfar auf Probleme der Kommunikation mit den anderen Rassen des Pakt-Raums. Wie soll man sich beispielsweise mit einem Methanatmer verständigen, der nur in Matrizen denkt und spricht? Seine nicht-lineare Ausdrucksweise assoziiert Wesen mit Attributen und endet mitunter mit der Warnung: „GEFAHR GEFAHR GEFAHR“. Das ist nicht sonderlich ermutigend und erklärt auch sonst nicht viel.

Das gleiche Spiel erlebt sie mit Tully. Er hat einen Übersetzungsautomaten vor der Brust – siehe Alexa, Cortana, Siri und Co. – hängen und muss ihn erst noch trainieren, damit Menschenbegriffe in Hani-Wörter übertragen werden können – und umgekehrt. Diese missliche Lage verdeutlicht das menschliche bzw. interrassische Drama, in dem Tully spielt: Er weiß zwar, wie man auf Hani „Freund“ sagt, aber Pyanfar kann ihm nicht sagen, was sie unternehmen muss, um die freundlschaftliche Qualität ihrer Beziehung zu schützen. Möglicherweise muss sie auch lügen und betrügen. Das Verhalten, das das Überleben im Pakt-Raum ermöglicht, ist nicht einach und erfordert größte Flexibilität in solchen moralischen Fragen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung durch Thomas Schichtel ist gespickt mit Fehlern. Wenigstens ist jetzt das unsägliche „huch“ ausgemerzt und durch „Hm!“ und „Huuhn!“ ersetzt worden, die wir Löwenknurren klingen sollen. Ha!

S. 22: „Haral ruchtschte…“ Zu viele Buchstaben!

S. 25: „Auf der S[t]elle…“ Das T fehlt.

S. 47: „Dieser Container liegt in einem roten Band beim Zoll.“ Das rote Band darf man nicht wörtlich nehmen, denn es handelt sich um eine Eins-zu-eins-Übersetzung von „red tape“. „Red tape“ bedeutet jedoch im übertragenen Sinn „Bürokratie/Papierkrieg“.

S. 76: „mir langweiliger Geduld gehalten“. Seit wann ist Geduld langweilig? Dessen ungeachtet sollte es „mit“ statt „mir“ heißen.

S. 202: „nicht mit besondere[r] Geschicklichkeit…“ Das R fehlt.

S. 204: „glitzterte“. Wieder mal zu viele Buchstaben…

Die Illustrationen

Wie fast alle Cherryh-Bücher bei Heyne wurde auch dieser Band mit schönen Illustrationen von John Stewart versehen. Diese sind allesamt Strichzeichnungen, ohne Farbe, versteht sich – Farbe auf Hochglanzpapier wäre viel zu teuer. Die detailreichen Zeichnungen zeigen etliche Aliens, ein paar Szenen im Raum und schließlich den Angriff eines männlichen Hani (S. 209)

Endlich gibt es hier die Sternenkarte mit den Sektoren des Pakt-Raumes! Wer sich in Band 1 orientieren will, braucht also unbedingt auch Band 2. Leider hat die Karte einen Schönheitsfehler: Die Station Mkks hat keinen Namen. Die Karte wird ergänzt durch die oben genannten Kurzbeschreibungen der Rassen des PAKT-Raums sowie durch die Vorgeschichte, die zum Beginn der Chanur-Geschichte führt.

Unterm Strich

„Das Unternehmen der Chanur“ ist der spannende Auftakt zu einer Trilogie – daher werden auch nicht alle offenen Probleme gelöst, der Showdown fehlt, dafür spannt ein Cliffhanger den Leser auf die Folter. Wieder mal bekommt Pyanfar, die eh schon zahlreiche Hani-Tabus verletzt hat und scheel angesehen wird, die einmalige Chance, durch Handel mit den Menschen zu Reichtum und Ansehen zu gelangen. Doch kaum hat sie den menschen Tully wieder in ihrer Obhut, wird er ihr auch schon wieder entführt, mitsamt ihrer Nichte Hilfy. Sie rechnet wohl nicht damit, dass ihre nun folgende Rettungsaktion die Verhältnisse im Pakt-Raum auf den Kopf stellen wird.

Hinweise

Der Titel der Fortsetzung lautet „Die Kif schlagen zurück“. Dieser dritte Band wird hier noch unter dem Titel „Die Rache der Chanur“ angekündigt, doch eine Vorbemerkung des Verlegers in „Die Kif schlagen zurück“ und eine entsprechende Nachbemerkung der Autorin erklären den Kurswechsel. Immer schön flexibel bleiben! Pyanfar hätte es bestimmt genauso gemacht.

Der vorliegende Band ist für Chanur-Fans unentbehrlich, denn er bringt endlich die Karte des Pakt-Raums und eine Art Enzyklopädie der Pakt-Rassen. Wer die komplexe Handlung von Chanur 1+2 nicht verstanden hat, kann alles genauestens am Anfang von Band 3 nachlesen – eine sehr hilfreiche Erklärung der Autorin.

Taschenbuch: 269 Seiten
Info: Chanur’s Venture, 1984;
Aus dem US-Englischen übertragen von Thomas Schichtel
www.heyne.de

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