C. J. Cherryh – Der Baum der Schwerter und Juwelen (Ealdwood 2)

Bewegende Elben-Fantasy Teil 2: Kampf gegen den Dunkelelf

Es geschah zu jener Zeit, da die Wälder zum ersten Mal vom Klang eiserner Waffen widerhallten und die Rauchfahnen menschlicher Lagerfeuer zum Himmel stiegen. Als die Menschheit ihr Haupt erhob und das Imperium der Magie dem Niedergang entgegenschritt, da blieb ein einziger Ort unberührt von jeglicher Veränderung; der Eldwald. Dort lebte Arafel, die Königin der Magie, und brachte den Sterblichen mehr Geduld, Achtung und Liebe entgegen, als ihre Seele ertrug. Dies ist die Fabel von der entscheidenden Schlacht zwischen den Mächten der Magie und menschlicher Schwertergewalt, zwischen den Unsterblichen, deren Tag sich neigte, und den Sterblichen, deren Zukunft gerade begonnen hatte. (Verlagsinfo)

Arafel, die mächtige Zauberin, herrscht über den uralten Wald von Eald. Mit prophetischem Blick sieht sie drohende Gefahr für Lrod Ciaran von Cear Wiell und die Seinen voraus. Sie warnt ihn vor dem königlichen Bruder Donnchad, den der Höllengeist Duibath aus Arafels eigenem Geschlicht der Sidhe beherrscht. Es kommt zum Gefecht zwischen Arafel und Duilbath, und Arafel flieht verwundet zurück in den Wald. Und dann bricht das Jüngste Gericht über die Welt herein. Auch Lord Ciaran unterliegt gegen das Böse und kehrt sterbend zu seiner Familie zurück. Allein seine unmündigen Kinder überleben und sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.

Dies ist der zweite Teil der elegischen Fantasy-Duologie „Ealdwood“, der mit „Stein der Träume“ begann. Lest bitte zuvor meine [Rezension 1539 zu jenem Roman.

Handlung

Der zweite Ealdwood-Roman schildert Arafels Kampf gegen ein böses Wesen, das alles bedroht, was sie zu erhalten versucht und was der Mensch aufgebaut hat: den Höllengeist Duilliath und seine Kreatur, einen Drachen.

Arafel sieht mit prophetischem Blick die drohende Gefahr für den menschlichen Lord Ciaran, seine Frau Branwyn und seine Kinder Kelly und Maeve voraus. Sie warnt ihn vor dem betrügerischen königlichen Bruder Donnchad von Caer Donn, der vom Höllengeist Duilliath aus Arafels eigenem Geschlecht der Sidhe beherrscht wird. Als Schutz gibt sie ihm – wie schon im ersten Teil – einen Traumstein als, mit dem er die Elben zu Hilfe rufen kann, wenn es an der Zeit ist. Denn Ciaran ist selbst zur Hälfte elbischer Abkunft. Er wuchs in der Burg Caer Donn auf, einer alten Festung der nun entschwundenen Elben.

In diesem Band stehen besonders die beiden Geschwister Kelly und Maeve im Mittelpunkt des aus ihrer Perspektive erzählten Geschehens. So erscheint beispielsweise Arafel in einer wunderbar erzählten Szene im Speisesaal von Ciarans Familie. Zahlreiche Ängste und Befürchtungen brodeln unter der Oberfläche: Wird die Elbin einen Zauberbann entfesseln? Aber nein. Arafel ist viel zu freundlich für so etwas. Sie gibt den beiden Kindern lediglich zwei Blätter vom wichtigsten Baum im Zauberwald. Dann verschwindet sie. Durch diese beiden unscheinbaren Blätter verändert sich die Wahrnehmung der beiden Geschwister unmerklich: Sie erhalten Einblick auf die höhere Ebene der Welt, auf der die Elben und ihre Widersacher zu erkennen sind. Der Grugi beschützt sie vor mancher Gefahr, die an den Rändern Ealdwoods lauert.

Der Dunkelelf

Als ihr Vater Ciaran gemäß den Warnungen Arafels gen Caer Donn reitet, gerät er in eine unheimliche Gegend. Im Bergtal schimmert ein trügerisch still daliegender See, unter dem sich etwas Furchtbares verbirgt. Bald wird er herausfinden, um was sich dabei handelt. Ciaran begibt sich nicht selbst in die Burg, denn das wäre zu riskant – wer weiß, was ihn dort erwartet. Er tut gut daran, nur seine Vettern vorzuschicken. Sie geraten nachts in einen Hinterhalt, denn Caer Donns Burgherr, Ciarans Bruder, gehorcht nicht mehr dem König, sondern einem bösen Dunkelelf: Duilliath. Sein Name bedeutet „Schattenblatt“.

Als Ciarans Mannen aus der Burg fliehen, kommt es zum Gefecht zwischen Duilliath und Arafel, die dazwischentritt. Doch Arafel muss verwundet zurück in den Eald-Wald fliehen, während Ciaran rasch den Rückzug antritt und seine Burg Caer Wiell alarmieren lässt.

Der Drache

Und dann bricht eine Katastrophe über die Welt herein, als die Männer von Caer Donn in die Täler ziehen, um Krieg zu führen. Aus dem unheimlichen See bricht Duilliaths Kreatur hervor: ein Drache, genannt Nathair Sgiathach (ausgesprochen „neijer skeijak“). Der Name bedeutet „geflügelte Schlange“ und verbreitet Angst und Schrecken unter den Feinden Duilliaths. Eine Schlacht entbrennt um Caer Wiell. Fällt die Burg mit ihre elbenfreundlichen Bewohnern, hat auch der Eald-Wald keine Zukunft mehr.

Was können Arafel und Lord Ciaran gegen das Böse unternehmen? Sie rufen die Hilfe der entschwundenen Elbenkrieger herbei. Denn der Jäger Tod wittert bereits reiche Beute. Werden die elbischen Krieger es mit Duilliath und dem Drachen aufnehmen können?

Mein Eindruck

Es gibt nur wenige Fantasy-Bücher, die derartig bewegend wie die Ealdwood-Duologie sind. Cherryh erzeugt eine tiefe elegische Stimmung, wenn sie vom Kampf der letzten Unsterblichen in der Menschenwelt erzählt, mit glaubwürdigen Charakteren und einer spannenden Handlung. Dabei stehen aber stets auch die jungen Menschen – so etwa Kelly und Maeve – im Vordergrund, denn trotz der Thematik ist „The Dreaming Tree“ vor allem ein Jugendroman.

Deshalb soll man nicht meinen, die Autorin schwelge in melancholischen Stimmungsbildern. Ganz im Gegenteil treibt sie die Handlung ständig voran, in der ersten Hälfte noch mehr als in der zweiten. Stets steht das Schicksal eines Mannes (Cearbhalain, Evald, Ciaran) auf dem Spiel, und mit ihm verbunden sind das Schicksal seiner Familie und des Königreiches. Das Königreich steht stellvertretend für eine Welt der Ordnung. Doch der König selbst erscheint stets im Zwielicht zwischen Eigeninteresse und als Spielball seiner Berater. Das Königreich ist stets ein Terrain der Unsicherheit, und ihm stehen zwei Welten der Sicherheit gegenüber, die beide in ihrer Existenz bedroht sind: Ealdwood und Caer Wiell.

Während in der „Dreamstone“-Episode „Der Gruagach“ die Elbenfürstin Arafel noch als rettender Schutzgeist auftritt, greift sie in der zweiten Episode „Die Sidhe“ als mentale Gewalt direkt in das Geschehen ein. Dabei springt sie zwischen der Weltebene der Menschen und dem „Anderswo“ der Elben hin und her, so dass sie unangreifbar und unverletzbar ist.

Der Einzige, der sie herauszufordern vermag, ist der Jäger Lord Tod mit seinen Schattenhunden. Ständig muss sie mit ihm einen Kuhhandel abschließen, um ihre Ziele realisieren zu können. Und selbst der Sieg über die feindlichen An Beag und ihre magischen Schattenkreaturen ist teuer erkauft, denn nun hat Arafel die bösen Geister der Tiefen geweckt.

Das rächt sich in der zweiten Romanhälfte „The Tree of Swords and Jewels“. Hier erweisen sich die Elben nicht als reines Lichtvolk, wie Tolkien sie hinstellt, sondern sie haben wie bei den Kelten auch eine finstere Seite. Diese verkörpert der Dunkelelf Duilliath, der den Herr von Caer Donn in seiner Gewalt hat und über einen Drachen gebietet.

Die Legenden und Mythen, die in die Geschichte eingebettet sind, fand ich ebenso faszinierend, wie ich die Handlung spannend fand. Die zwei Bände wurden in den deutschen Ausgaben „Stein der Träume“ und „Der Baum der Schwerter und Juwelen“ von John Stewart hervorragend illustriert.

Von schwierigen Namen

Der Doppelroman könnte sich als ein wenig sperrig erweisen, denn die keltischen, walisischen und altenglischen Namen sind etwas schwierig auszusprechen. Die Namen werden jedoch im Anhang ebenso erklärt wie ihre Aussprache. Zahlreiche keltische Namen wie etwa Lesley (von Liosliath) oder Duncan (von Donnchad) sind in der englischsprachigen Welt weit verbreitet.

Unterm Strich

Wer stimmungsvolle Elben-Fantasy sucht, die auf düstere Action nicht verzichtet, ist hier genau richtig. Auch junge Leser um zwölf Jahre werden davon angesprochen, denn sie können sich mit Kelly und Maeve identifizieren, aus deren Blickwinkel der zweite Teil zu einem großen Teil erzählt wird.

Alle Figuren entwickeln sich bei Cherryh weiter, und zwar manchmal in unvorhergesehene Richtungen. Aber wo Menschen mit Elben interagieren, können Folgen für beide Seiten nicht ausbleiben. Das ist auch in Tolkiens „Herr der Ringe“ nicht anders. Sowohl Arwen als auch Arafel sehen sich der Gefahr der Sterblichkeit gegenüber und müssen wählen.

Würde man jedoch Lord Ciaran, den Träger eines mächtigen Traumsteins, mit König Aragorn, den Träger von Barahirs Rring und Arwens Juwel, vergleichen, so würde man verblüffende Ähnlichkeiten feststellen. Beide sind zeitweise verfolgte Führer ihres Volkes und sehen sich in Albträumen harten Anfechtungen gegenüber.

Dabei verändert sich Ciarans Bewusstsein stärker als das Aragorns, denn er gleitet – zum Leidwesen seiner Angehörigen – zunehmend in das Anderswo der Elbenwelt hinüber, wohingegen Aragorn an weltlicher Macht zugewinnt. Dank des Elbenschwerts Andúril gebietet er sogar den Toten. Es verändert aber nicht sein Bewusstsein, sondern ist ein Symbol der Herrschaft des rechtmäßigen Herrschers über die abtrünnigen Verräter. (Das Buch ist in dieser Hinsicht viel komplexer als der verdichtende Film von Peter Jackson.)

Die Autorin hat den Schluss des überarbeiteten Doppelromans „The Dreaming Tree“ verändert, so dass nun ein positives Ende den Leser erfreut. In meiner Bibliothek hat „The Dreaming Tree“ einen Ehrenplatz.

Taschenbuch: 412 Seiten
Originaltitel: The Tree of Swords and Jewels, 1983
Aus dem US-Englischen übertragen von Thomas Schichtel, illustriert von John Stewart
www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)