Die drei ??? – Angriff der Computerviren (Folge 56)

Schon immer stand die „drei ???“-Serie dafür, auch moderne Themen in ihren Geschichten aufzugreifen, seien es Umweltschutz, Aliens oder Drogenmissbrauch und dergleichen mehr. Hier befasst man sich mit Computerviren, obwohl: 1990 war es mit PCs noch nicht so weit her, Windows noch Spielerei ohne wirklichen Nutzwert. „Internet“ galt noch als ein Fremdwort, von dem allenfalls Freaks wussten und Gebrauch machten. Somit war auch die Virenproblematik in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Dennoch packte man bei den drei Fragezeichen die digitalen Plagegeister schon sehr früh am Schopfe und machte sie zum Aufhänger für Fall Nummer 56.

Zur Story

Panik bei Justus in der Zentrale der drei Fragezeichen! Er donnert mit Onkel Titus‘ Laster auf den heimischen Schrottplatz, spurtet wortlos an Bob und Peter vorbei und macht sich mit immer finsterere und verzweifelt werdender Mine am PC der drei Junior-Detektive zu schaffen. Seine beiden Kollegen staunen nicht schlecht, als er ihnen mitteilt, dass ihr Rechner von einem Virus heimgesucht wurde. Eine Menge Dateien sind beschädigt, andere wurden gar komplett gelöscht, doch das ist noch nicht alles: Neben einem höhnischen „Fatal Disk Error“ spuckt der Compi auch noch einen weiteren Text aus: „Das Chaos lässt grüßen – 5 Millionen Dollar, oder Sie werden mitsamt ihren Daten gelöscht!“.

Justus kommt als Erster darauf, dass sie eigentlich nicht die Adressaten dieses Virus-Angriffs sind, sondern wohl jemand anderer, und ihr PC ein zufälliges Opfer ist. Er kann sich auch schon denken, woher er den Virus eingefangen hat. Der Programmierer einer großen Multimedia-Firma hatte jüngst in Justs Computer-Club Nachhilfestunden in Spieleprogrammierung gegeben und dafür eine Diskette mitgebracht. Norton Rome – der Programmierer – muss sofort gewarnt werden, damit der Virus nicht in den Firmenrechner gelangt. Leider ist jener derzeit nicht auffindbar. Laut seiner Hausverwalterin ist er „im Urlaub“, zudem seien sie nicht die Einzigen, die ihn heute suchten. Logischerweise lassen sich die drei nicht so leicht abwimmeln.

Ein neugieriger Blick durchs Fenster in Romes Wohnung offenbart: Es ist eingebrochen worden. Ihnen bleibt nur, ein Auge auf die Firma, für die er arbeitet, zu werfen, und sich dort nach seinem Verbleib zu erkundigen und in Erfahrung zu bringen, ob der Virus auch dort schon gewütet hat. Kommen die Jungs auf das wie eine Festung bewachte Firmengelände? Was werden sie dort finden und was ist mit dem verschwundenen Programmierer? Ein ereignisreiches Abenteuer steht den drei ??? bevor, bei dem sie interessante Bekanntschaften machen und selbst nur knapp einem Mordanschlag entgehen, bis sie Licht in diese mysteriöse Erpressungsgeschichte bringen können.

Eindrücke

H. G. Francis zeichnete sich für diese Buchumsetzung noch verantwortlich, die Redaktion hatte hier aber schon André Minninger, der drei Folgen später – bis heute – das Zepter endgültig übernahm. Man muss voranschicken, dass diese Folge aus dem Jahre 1990 stammt, wo man unter „PC“ noch ein wenig etwas anderes verstand, das man mit heutigen Rechnern und Betriebssystemen nicht wirklich vergleichen kann. Löblich, dass man der meist jugendlichen Zielgruppe etwas über die Verbreitung von Computer-Viren pädagogisch mit auf den Weg geben wollte – ein hehres Unterfangen, das sich die |Europa|-Studios schon damals auf die Fahnen geschrieben haben.

Die Zeiten haben sich geändert und heute sind schon Kindergartenkinder mit dem PC so vertraut, als hätten sie den Umgang damit mit der Muttermilch aufgesogen. Anfang der 90er war das noch ein Thema, das nur ‚Freaks‘ wirklich interessiert hat. Man mag den Machern diese Naivität nachsehen, auch wenn sie pädagogisch und vom Realismus her – damals wie heute – manchmal etwas fraglich erscheint, denn das Hörspiel an sich ist recht spannend inszeniert und alles andere als misslungen. Trotzdem hört sich davon einiges (auch zu dieser Früh-Epoche des PCs) wie blanker und naiv-gefährlicher Schwachsinn an.

Der Plot dieser Kriminalgeschichte ist gradlinig. Man weiß zunächst nicht, wer der Täter ist, und erst gegen Ende kristallisiert sich der Schuldige heraus, womit die Gefahr aber nicht gebannt und der Schurke noch längst nicht dingfest gemacht ist. Die Sprecher und auch die Soundeffekte/Musik befinden sich auf dem gewohnt hohen Niveau, das fast ausschließlich den alten Folgen zueigen ist. So langsam hat sich gar der älteste Fan der ersten Stunde wohl an die „neue“ Titelmelodie gewöhnt. Apropos: Musikus Jan-Friedrich Conrad gibt sich höchst daselbst auch als Sprecher einer kleinen Gastrolle die Ehre. An der Atmosphäre gibt es nichts zu maulen; wenn auch die oben genannten Fehler bestehen, so flacht der Spannungsbogen doch nicht ab.

Des Weiteren kommen auch der Humor und kleine Anspielungen auf real existierende Dinge (wie so oft bei den drei ???) hinzu; so findet man hier „Cosmic Trek“ als Star-Trek-Klon und die Softwarefirma wird zuweilen „Oracle“ genannt. Diese hat zwar in Wirklichkeit nicht all zu viel mit der Herstellung von Computeranimationen und Tricks im TV-/Filmbereich zu tun, aber trotzdem: Ein netter Cameo-Auftritt mit Realitätsbezug. Zusätzlich werden die Freundinnen von Peter und Bob (Kelly und Liz) weiter ausgearbeitet und auch Justus lernt seine spätere Vertraute Lys deKerk bei diesem Fall kennen. Allein dadurch markiert dieses Hörspiel schon mal einen festen Meilenstein innerhalb der Serie.

*SPOILERWARNUNG*

1) Kardinalfehler: Auf Drängen Bobs schiebt Justus seine Diskette ins Laufwerk, um zu schauen, ob die Geschichtsarbeit auch betroffen ist. Nun, wenn sie es bis dahin nicht war, dann auf jeden Fall genau JETZT! Justus öffnet auch noch putzmunter weitere Dateien auf der Platte (und noch ein paar Disketten, weil’s so lustig ist), um sie zu überprüfen. Auf dass sich der Virus auch NOCH weiter verteilen kann. Prost Mahlzeit! Liebe Kiddies/Zielgruppe: Solche hirnrissigen Kunststücke sind besser zu unterlassen – so ist das nicht erst heute, so war es auch schon damals.

2) Logischer Fehler: Wenn Justus das gleiche Problem schon zwei Wochen vorher bei einem privaten PC eines Kumpels aus dem Computer-Club gesehen hat, warum reagiert er a) erst jetzt und b) so geschockt und erstaunt auf den Virustext? Laut seinen Angaben litt der Rechner des Kumpels an EXAKT den gleichen Symptomen, und daher dürfte ihm das alles (inklusive der ominösen Meldung) nicht unbekannt sein. Gerade Justus ist sonst so akribisch penibel, und es wäre verwunderlich, wenn er den betreffenden Rechner nicht auf den Kopf gestellt hätte. Ergo kann ihm der erpresserische Text eigentlich nicht entgangen sein.

3) Sachlicher Fehler: Es ist zwar korrekt, dass Viren auch unter Umständen Hardware schädigen können, doch implodierende Monitore sind aufgrund eines Virusinfekts doch etwas weit hergeholt. Die einzige Möglichkeit, einen Monitor dermaßen zu übertakten, wäre, wenn der Virus-Payload die Bildwiederholrate ins Unermessliche hochschrauben würde. Übrigens ist so etwas heute erst recht nicht mehr machbar. Monitore schalten sich zum Selbstschutz ab, wenn sie so hoch gepowert werden. Außerdem wundert es mich, dass nur die Monitore der fraglichen Softwarefirma hochgehen und weder der PC von Justs Kumpel noch der von den drei ??? selbst.

Die Hörspieldaten auf einen Blick:

Titel: „Die drei ??? – Angriff der Computer-Viren“ – Folge 56
Ersterscheinung: 1990
Label: EUROPA (Sony BMG)
Laufzeit: ca. 47 Minuten
Buch: H. G. Francis
Redaktion: André Minninger
Regie & Produktion: Heikedine Körting
Musik: Jan-Friedrich Conrad
Cover-Illustration: Aiga Rasch

Die Figuren und ihre Sprecher:

Erzähler – Alfred Hitchcock: Peter Pasetti
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrzceck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Peters Freundin – Kelly: Juliane Szalay
Bobs Freundin – Liz: Verena Großer
Produzent – Silas Ek: Hans Sievers
Programmierer – Branson Barr: Michael Harck
Programmierer – Norton Rome: Douglas Welbat
Harold: Willi Röbke
Sekretär: Eckart Dux
„Dose“: Jan-Friedrich Conrad
Yan deKerk: Stefan Brönneke
Lys deKerk: Kerstin Draeger

Fazit

Trotz der kleinen Macken, die zum Teil auf das beträchtliche Alter der Produktion zurückzuführen sind, sollte man sich nicht täuschen lassen, denn hörenswert ist Nummer 56 trotzdem. Eine recht spannende, spaßige und menschelnde Folge, obwohl der Titel von der Thematik her eher etwas anderes vermuten lässt. Einer genauen Überprüfung der Logik hält das Trara, das um diesen Virus (warum der Titel „Viren“, also Plural, verwendet, bleibt unklar) gemacht wird, nämlich nicht stand. Eine gute, handwerklich sauber produzierte Mittelklassefolge, die sich auch für Einsteiger in die Serie eignet, springt dennoch dabei heraus.

Spieldauer: 49 Min.
Altersempfehlung des Verlags: ab 8 Jahren
Erscheinungsjahr: 1992
www.natuerlichvoneuropa.de
www.dreifragezeichen.de
www.rocky-beach.com