Gunn, James (Hg.) – Von Huxley bis Heinlein – Wege zur Science Fiction 4 (HSFB 93)

Aufbruch zu fremden Welten

In seiner Serie „Wege zur Science Fiction“ versucht Herausgeber James Gunn sowohl die Entstehungswege der amerikanischen wie auch der britischen Sciencefiction nachzuzeichnen, die einzelnen Autoren zu charakterisieren und die Bedingungen zu erklären, unter denen die teils recht ausgefallenen Erzählungen entstanden. In der |Heyne Bibliothek der Science Fiction| ist dies Band Nummer 93.

Der Herausgeber

James Gunn, geboren 1923, hat ein paar interessante SF-Romane geschrieben, darunter „Die Freudenspender“ (1961) und „Die Unsterblichen“, aber besonders hat mich nur „Die Horcher“ beeindruckt, ein realistischer Roman über Astronomen, die nach fremdem Leben im Kosmos suchen und eines Tages fündig werden. Bei uns ist er am bekanntesten für seine Story-Anthologien in der Reihe „Wege zur Science Fiction“, die er in den siebziger Jahren begann und die fast vollständig bei |Heyne| in der |Bibliothek der Science Fiction| (HSFB) erschienen ist.

Die Erzählungen

1) Aldous Huxley: Schöne neue Welt (Brave New World, Romanauszug, 1928)

Die Kapitel 16 und 17 bildet diesen Romanauszug. Darin besuchen der Wilde, Mr. Helmholtz und Mr. Sigmund Marx den Weltaufsichtsrat für Mitteleuropa, Mr. Mustafa Mannesmann. Der Wilde stellt einige anklagende Fragen, die den ängstlichen Sigmund schließlich bis zur Panik treiben. Allein schon die Erwähnung eines Exils auf einer Insel lässt Marx kriecherisch um Gnade winseln. Man bringt ihn weg. Helmholtz ist aus anderem Holz geschnitzt. Er würde sich über einen Inselaufenthalt freuen, vorzugsweise mit wechselhaftem Wetter, denn das sei dem Schreiben förderlich. Die Falkland-Inseln wären genehm. Er geht von dannen.

Der Wilde und Mannesmann unterhalten sich über die moderne Gesellschaft. Der Wilde, der in einem Reservat aufgewachsen ist und seine Sprache ausschließlich aus Shakespeares Dramen gelernt hat, erfährt von dem WAR, dass mittlerweile nicht nur Kunst und Wissenschaft abgeschafft worden seien, sondern auch Unglück und Religion. Dass diese den gewünschten Staatszielen des Soma-Konsums, der Lustbefriedigung, der Beständigkeit zuwiderlaufen, versteht sich fast von selbst. Der Wilde besteht darauf, unglücklich sein zu dürfen. Der WAR meint nur lapidar: „Wohl bekomm’s.“ Schließlich ist er ja kein Unmensch.

Mein Eindruck

Schon in Thomas Morus‘ Beschreibung der Gesellschaft der Insel [Utopia 1841 (1517) war im Grunde eine „Wohlfahrtstyrannei“ angelegt, wie Aldous Huxley eine Gesellschaft nennt, in der sich der Einzelne den Zielen der Stabilität und Leistungsfähigkeit unterzuordnen hat. In seinem Roman „Schöne neue Welt“ von 1932 zeigte Huxley, wozu eine solche Gesellschaft nach ihrer militarisierten Technisierung imstande ist, wenn sie auf einen unverbildeten Fremden trifft.

Aldous Huxley (1894-1963) legt in „Brave New World“ allerdings keinen Wert auf natürliche biologische Entwicklung, sondern auf das gesellschaftliche Ergebnis des Genetic Engineering. Anders als bei Wells wird die Wissenschaft nicht zum Wohl des Einzelnen eingesetzt, sondern für dessen Missbrauch. Der Mensch ist lediglich ein Mittel zum Zweck, ein Ding, Werkzeug – und eine Ware. Er, sie oder es – es gibt auch Neutren – hat seinen Wert lediglich innerhalb seiner determinierten Kaste, für die es arbeitet. Da es keine Familien gibt, kann es auch keinen familiären Zusammenhalt geben, und eine Altersversorgung durch die Kinder erübrigt sich sowieso, denn mit sechzig Jahren wird jeder „euthanasiert“ und im Krematorium verbrannt.

Sex und Soma

Aber es kann auch keine Ehen geben, denn erstens sind Kinder kein Ziel für eine Ehe, da alle Kinder zentral produziert werden, und zweitens ist Sex nicht mit Emotionen und Bindungen verbunden, sondern allenfalls eine angenehme Freizeitbeschäftigung, an der sich keine Konflikte entwickeln können. Schon wenn man wie Lenina mehrere Wochen lang den gleichen Sexpartner hat, erregt dies Anstoß. Und ein Intellektueller wie Sigmund Marx erscheint als Nonkonformist, weil er sowohl Sex als auch Soma verweigert. Stattdessen hegt er idealistische Vorstellungen von romantischer Liebe. Leider wird sein Werdegang nur unzureichend dargestellt.

Paradies aus dem Reagenzglas

Dieses Utopia ist ein pharmakologisches Paradies. Schwangerschaften lassen sich chemisch ebenso simulieren wie Soma, die psychedelische Glücksdroge, Zufriedenheit simuliert. Das Wort Soma entlieh der Autor aus dem oben angeführten Roman „Utopia“ von Thomas Morus, denn das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Fleisch, Substanz, Körper“, im Gegensatz zu „psyche“, was „Seele, Geist“ bedeutet. (Daher der moderne Begriff „psychosomatische Krankheit“.) Soma dient ebenso der gesellschaftlichen Kontrolle wie die „feelies“: sinnlich-dümmliche Filme der Virtuellen Realität.

Die Kontrollgruppe

Sigmund Marx hat es schwer, seine Unzufriedenheit mit diesem System auszudrücken – Lenina begreift nicht, was er sagt – oder gar die Kritik zu belegen. Doch zum Glück gibt es die Reservate, wo die Wilden leben. Sie bilden sozusagen die erlaubte „Kontrollgruppe“ des sozialen Experiments. Uns jedoch erscheinen sie nicht als noble Ureinwohner, sondern als degenerierte Schwundstufe, die sich ein paar alte Traditionen erhalten hat. Viele ihrer Mitglieder sind dem Alkohol verfallen, so wie die geächtete Feline, die sich obendrein durch Prostitution über Wasser hält.

Die Rache des Rebellen

Für Marx bietet sich unerwartet die Gelegenheit, einer Säule des verhassten Weltstaates, seinem Brutdirektor, eins auszuwischen, indem er ihn bloßstellt: als Rabenvater, ja, als „Vater“ an sich. Bekanntlich ist dieses Wort eine Obszönität in den Augen der konditionierten Menschen. Marx tut noch mehr: Indem er den halbwilden Michel mit dem Weltstaat konfrontiert, führt er eine Auseinandersetzung mit dem Weltaufsichtsrat herbei (Kapitel 16 und 17, s. o.).

Doch dort endet die Rebellion: Mustafa Mannesmann weiß sich mit wohlgesetzten Worten zu verteidigen, während Michel lediglich Shakespeares humanistisches Menschenbild ins Feld führen kann. Mannesmann lässt Michel nicht in den Kerker oder sonstwas werfen, sondern lässt ihn gehen. Er weiß schon, dass es mit dem Halbwilden ein böses Ende nehmen wird …

2) Stanley G. Weinbaum: Die Mars-Odyssee (A Martian Odyssey, 1934)

An Bord der ersten Marsexpedition im 21. Jahrhundert erzählt der Chemiker Dick Jarvis seinen ungläubigen Kollegen – einem Ami, einem Franzosen und einem Deutschen – von seiner Begegnung mit einem freundlichen Marsianer …

Als Jarvis‘ Antrieb streikt, muss er auf der Marsoberfläche notlanden, die bekanntlich nicht gerade die einladendste Gegend des Sonnensystems darstellt. Sein Rückweg führt durch über 1000 Kilometer Marswüste. Auf dem Weg lernt er einige sehr seltsame Marsbewohner kennen. Als Erstes rettet er einem straußähnlichen Zweibeiner das Leben, indem er ihn aus den Fangarmen eines krakenartigen Erdbewohners befreit. Soweit Jarvis ihn verstehen kann, heißt der Gerettete Tweel, und nach einigen Kommunikationsversuchen zeigt sich, dass Tweel erheblich intelligenter ist als erwartet.

Als nächstes wird Jarvis um ein Haar ein Opfer jenes Bodenkraken, der seine Opfer durch realistische Illusionen dessen, was sie am meisten begehren, täuscht und anlockt. Tweel rettet Jarvis vor dieser tödlichen Falle. Sie bestaunen eine Lebensform, die völlig auf Silizium aufgebaut ist und seit etwa einer halben Million Jahren kleine Pyramiden aus Quarzziegeln baut. Schließlich verirren sich beide in einem unterirdischen Labyrinth von fassförmigen Vierbeinern und Vierarmern, die ständig Jarvis Worte nachäffen: „Wirr sinn Freund‘! Autsch!“ Das dynamische Duo kann fliehen, doch nur die Landung von Karl Putz‘ Rettungsboot verhilft Jarvis zum Entkommen. Wo Tweel abgeblieben ist, weiß Jarvis nicht zu sagen.

(Im Roman geht die Story dann weiter – mit ebenso haarsträubenden Abenteuern auf dem Roten Planeten.)

Mein Eindruck

„Eine Mars-Odyssee“ gehört innerhalb des SF-Genres zu den großen Durchbrüchen und ist deshalb in jeder SF-Enzyklopädie zu finden. Hier wurden erstmals Aliens auf anderen Welten als freundlich, intelligent und hilfreich dargestellt. Zuvor und in zahllosen Fällen danach dienten Aliens nur als bedrohlicher Popanz, der den jugendlichen Leser erschrecken sollte, damit die mensch- bzw. männlichen Helden umso heldenhafter dastanden.

Weinbaum zieht die ganze Sache eher wie eine dramatische Komödie auf. Motto: Wir werden alle Brüder, wenn wir uns gegenseitig aus der Patsche helfen. Denn Gefahren gibt es ringsum genügend, und die eine ist fremdartiger als die andere. Nur die Intelligenten werden überleben, und deshalb ist es wichtig und eine Pflicht, sich mit anderen intelligenten Wesen zusammenzutun, Wesen wie Tweel beispielsweise. Vielfach haben mich die skurrilen Beschreibungen – besonders die Fasswesen – an Stanislaw Lems [„Sterntagebücher“ 669 erinnert, und es sollte mich nicht wundert, wenn es zwischen dem viel zu früh verstorbenen Weinbaum und Lem eine inspirierende Verbindung gab.

3) John W. Campbell: Abenddämmerung (Twilight, 1934)

Jim Bendell ist „Realitätenhändler“, zu deutsch: Immobilienmakler. Er erzählt seinem Kumpel Bart, dem Ich-Erzähler, was für eine Art Wesen er am Straßenrand aufgesammelt hat: einen Menschen aus dem 31. Jahrhundert. Aber zu unserer Verwirrung geht es nicht um das, was Jim erlebt, sondern darum, was der Fremde aus der Zukunft erzählt. Und zwar nicht über das 31. Jahrhundert, sondern darüber, was er in der Zeit in sieben Millionen Jahren erlebt hat. Seine Zeitmaschine war halt falsch eingestellt.

In der Zeit, die sieben Millionen Jahre entfernt ist, gibt es kaum noch Menschen, und wenn, dann haben sie den Instinkt für Neugierde verloren. Vielmehr wird die Erde mitsamt dem Sonnensystem von den Maschinen beherrscht, die für alles sorgen, was die verbliebenen Menschen in den letzten Städten brauchen. Es ist alles todtraurig, was der stets namenlose Fremde vorfindet, doch kurz vor seiner Rückreise – ups, wieder daneben: ins 20. Jahrhundert – veranlasst er den Bau einer Maschine, die neugierig ist.

Mein Eindruck

Nur weil Amerikaner diesen Klassikerband der „Science Fiction Hall of Fame“ zusammengestellt haben, kann es diese schlecht geschriebene Erzählung in den Band geschafft haben, war doch Campbell der wichtigste Magazinherausgeber des so genannten Goldenen Zeitalters der SF. Campbell veröffentlichte sie 1934 unter dem Pseudonym Don A. Stuart – eine damals übliche Praxis.

Das Kernstück der Story ist die Beschreibung der Welt in sieben Millionen Jahren. Das erinnert eklatant an H. G. Wells‘ Endzeitvision im letzten Kapitel seines Romans [„Die Zeitmaschine“ 3578 (1895). Campbells Endzeitvision ist mindestens ebenso deprimierend, entbehrt aber der morbid-pittoresken Schönheit der Wells-Szenerie. Es ist die „Abenddämmerung“ der Menschheit, was nicht gerade die erbaulichste Thematik ist, die man sich vorstellen kann. Aber Campbell wollte wohl damit vor den Gefahren warnen, wenn man den Maschinen erlaubt, die Entwicklung der Menschen zu kontrollieren.

Wie es zu diesem fatalen Zustand kommen konnte, versucht er mit zahlreichen, heute völlig überholten Szenarien zu begründen, doch offensichtlich schlingert er in der Argumentation wackelig einen schmalen Grat entlang, weil ihm dafür das wissenschaftliche Rüstzeug fehlt. Diese Kernstory verfügt weder über eine Handlung noch über Dialoge, was sie ziemlich dröge macht.

Ob wir dem Fremden und seiner seltsamen Story glauben können oder sollten, ist völlig eine Sache des Glaubens und wird durch keinerlei objektive Tatsache untermauert, etwa einem Artefakt aus ferner Zukunft oder dergleichen. Nur zwei todtraurige Lieder über Sehnsucht und verlorene Erinnerungen können diesbezüglich Anstöße geben, aber die kann der Fremde genauso gut selbst komponiert haben.

Dies ist diejenige Story, die mir jede weitere Lektüre von Campbells Erzählungen endgültig vergällt hat.

4) Murray Leinster: Proxima Centauri (Proxima Centauri, 1935)

Das Raumschiff „Adastra“ (= Zu den Sternen) ist seit acht Jahren zur Sonne Proxima Centauri unterwegs, der, wie ihr lateinischer Name schon besagt, nächstgelegenen Sonne zur Erde. Man will dort natürlich Planeten erforschen, evtl. zwecks Besiedlung oder Ausbeutung. Die Besatzung fängt Signale fremder Lebewesen auf, die sich schließlich als fleischfressende, mobile und ungeheuerlich aussehende Pflanzenwesen herausstellen. Die Adastra wird von ihnen gekapert, der Großteil der Besatzung beißt buchstäblich ins Gras.

Die wenigen, die man am Leben gelassen hat, sollen den Aliens die Funktionsweise des Schiffes erklären, damit diese die Erde erreichen können. Die Monster sind scharf auf tierisches Protein, das für sie so wertvoll ist wie für uns Gold, weil auf ihrer Welt alles tierische Leben längst ausgerottet wurde. Aber der letzte Überlebende macht den Centauriern einen Strich durch die Rechnung, indem er das Schiff ebenso sprengt wie ihren Planeten. In letzter Sekunde ist die Menschheit wieder mal vor einer schrecklichen Invasion bewahrt worden.

Mein Eindruck

Diese Pionierstory wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht einige wichtige Neuerungen gäbe. Die Adastra ist das allererste interstellare Raumschiff, das selbstreproduzierende Systeme an Bord hat. Sie ist das erste Generationenraumschiff überhaupt, Jahre vor Heinleins „Universe“.

Nicht nur in physischer, sondern auch in psychologischer Hinsicht machte sich Leinster Gedanken. Langeweile ist ein übler Feind, und bald kommt es zu einer Meuterei. Sie führt zu Streit – wie weiland auf der „Bounty“ – zwischen Offizierskorps und Besatzung. Leider kommt dieser Zwist zu kurz, denn gegen die angreifenden Aliens muss man zusammenhalten.

5) Edmond Hamilton: Wie ist es dort draußen? (What’s it like out there?, 1933/52)

Sergeant Frank Haddon, Angehöriger der Zweiten Expedition zum Mars, wird in Los Angeles aus dem Krankenhaus entlassen. Seit seiner Rückkehr vom Roten Planeten hat er Briefe von Angehörigen seiner Kameraden erhalten, die während der Expedition starben. Er kann die Einladungen nicht ablehnen, und so absolviert er drei Stationen, bevor er sein Zuhause in Ohio erreicht.

Jedes Mal muss er den Angehörigen – Eltern, Verlobte, usw. – etwas vorlügen, denn erstens wollen alle wissen, „wie es dort draußen ist“ und zweitens, was mit ihren Jungs geschehen ist. Die Expedition bestand aus 14 Raketen und flog zum Mars, um dort Uran für die rohstoffhungrige Erde zu suchen. Joe Valinez erwischte es bereits beim Start, und auf dem langen Weg zum Ziel krepierte er elend an inneren Blutungen. Zwei der Raketen knallten sofort in den Boden, weitere machten Bruchlandungen, die übrigen mussten den Havarierten helfen.

Dann kam der Sandsturm. Der feinste Sand, den man sich vorstellen kann, drang überall ein. Schließlich kam die Marskrankheit, sei es ein Virus, sei es etwas wie der Höhenkoller. Sie warf Frank Haddon ausgerechnet an jenem Tag aufs Krankenlager, als die Meuterei von Walter Millis ausbrach. Die Dritte Expedition ließ auf sich warten und Walter bekam den Lagerkoller. Er wollte eine der startbereiten vier Raketen kapern. Die Militärpolizei knallte ihn und seine acht Kumpane ab wie tolle Hunde.

Soll Frank Haddon dies wirklich erzählen? Natürlich nicht. Man würde ihn für verrückt erklären und einsperren. Oder er würde einer Lady das Herz brechen, oder einer Mutter. Solch ein Charakterschwein ist Sgt. Haddon jedoch nicht. Und als er schließlich daheim in Ohio seine Rede beim öffentlichen Gemeindeempfang für den „Spaceman“ hält, bringt er es genauso wenig übers Herz, seinen Freunden, Bekannten und Eltern zu sagen, sie könnten sich ihr mit dem Blut junger Kameraden erkauftes Uran sonstwohin stecken. Natürlich nicht.

Mein Eindruck

Die Geschichte beraubt den begeisterten Science-Fiction-Leser all seiner Illusionen. Kein Wunder, dass sie 20 Jahre lang in der Schublade warten musste, bis Hamilton sie veröffentlichen konnte. Und zwar in einer Zeit, als mit Philip K. Dick und Philip José Farmer eine kritischere Sicht auf die Raumfahrt publizierbar wurde. Und zwar selbst dann, als Heinlein seine rechtskonservativen SF-Romane für Jugendliche mit wachsendem Erfolg veröffentlichte.

Die desillusionierende Botschaft ist auf raffinierte Weise so verpackt, dass das Aufeinanderprallen von froher Erwartung und böser Erfahrung zu einem tragischen Konflikt führt, der in dem Ich-Erzähler Frank Haddon immer wieder zu Albträumen führt. Einer der Gründe für ihn, dass er in psychologischer Therapie war.

So mancher Leser, der etwas nachdenklicher ist, fragt sich natürlich von Anfang an, warum die Erste Expedition nicht davor warnte, was auf die Zweite Expedition zukommen würde. Dem Autor wie auch dem Ich-Erzähler entgeht dieser Widerspruch keineswegs. Aber er wird erst am Schluss thematisiert. Der Grund ist natürlich a) die militärische Geheimhaltung, die auch bei der UN gilt; b) der Druck, unbedingt Rohstoffe zu finden; und c) der Widerwille, wie ein Jammerlappen zu erscheinen sowie d) es würde ihnen doch keiner glauben. Und genauso ergeht es Haddon.

6) Jack Williamson: Die Humanoiden (With folded hands, 1947)

Mr. Underhill ist ein intelligenter Unternehmer in seiner Kleinstadt Two Rivers. Er verkauft Androiden, also mechanische Diener, so, wie sie zu Millionen in aller Welt eingesetzt werden. Jedenfalls bis zu jenem Tag, als das Institut für Humanoide seine erste Agentur in Zwo Rivers eröffnet. Danach verkauft niemand mehr irgendwelche Automaten.

Er betritt die Agentur, und ein nackter schwarzer Humanoide stellt sich ihm vor, um ihn für seine Dienste zu gewinnen, und diese Dienste lauten: Dienen, gehorchen und den Menschen vor Schaden bewahren. So lautet die Primäre Direktive. Der schwarze künstliche Mensch ist Underhill unheimlich, und als er aus dem Gebäude tritt, ohne in etwas einzuwilligen, bemerkt er am Seiteneingang, wie zahlreiche weitere schwarze Humanoide aus Kisten ausgeladen werden. Diese tragen die Herkunftsbezeichnung „Institut für Humanoide, Wing IV“. Scheint eine ferne Welt zu sein. Aber Welten gibt es mittlerweile wie Sand am Meer.

Grübelnd geht Underhill nach Hause. Der Humanoide hat ihm angeboten, seine Firma zu übernehmen und damit auch die hohen Schulden, die darauf lasten. Doch Underhill ist stur und stolz auf seine Selbständigkeit. Zu Hause klagt seine Frau Aurora darüber, dass ihr Androide die Suppe immer noch nicht schöpfen kann, ohne zu spritzen. Und sie stellt ihm ihren neuen Untermieter Mr. Sledge vor. Von ihren Untermietern hat Underhill keine hohe Meinung und mit Skepsis betrachtet er den alten Knacker, der ihm für einen Zehner dankt.

Zweifelnd fühlt er Mr. Sledge auf den Zahn, der vorgibt, ein Erfinder zu sein und von einer Welt Welt namens Wing IV zu stammen. Bei diesem Namen horcht Underhill auf. Schließlich stammen von dort die Humanoiden, die sein Geschäft bedrohen. Sledge behauptet, den Rhodomagnetismus erfunden zu haben, der die Humanoiden antreibt. Selbst eingehende Erklärungen können Underhills Zweifel nicht vertreiben. Als er andeutet, dass die Humanoiden in Zwo Rivers aufgetaucht seien, erleidet Sledge einen Erstickungsanfall. Er hat große Angst vor diesen Kreaturen. Könnte Sledge etwa ein Verbündeter sein?

Die Humanoiden übernehmen die Stadt, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Androiden werden zurückgegeben, Kredite und Darlehen gekündigt, Underhill muss Konkurs anmelden, seine Firma wird total plattgemacht. Aber er übereignet sie nicht. Noch nicht. Vielmehr hört er zunehmend fasziniert Mr. Sledge zu, wie dieser erzählt, er wolle die Humanoiden stoppen. Denn er selbst habe sie geschaffen!

Mein Eindruck

„Die Humanoiden“ bzw. „Wing IV“ gehört neben Asimovs Roboter-Geschichten zu den Klassikern der Auseinandersetzung von Mensch und Maschinenintelligenz. Anders als „der gute Doktor“ ist aber Williamson weniger oberflächlich-optimistisch im Hinblick auf das grundlegende Problem der Willensfreiheit. Dieses stellt sich aber unweigerlich ein, wenn eine Gesellschaft ihr Heil in besseren Maschinen sucht. Leider findet auch Williamson keine endgültige Antwort – oder zum Glück: Denn nun hat der Leser die Willensfreiheit, selbst zu wählen, was besser ist: Fürsorge oder Freiheit.

Die „Humanoiden“ des Originaltitels sind Williamsons negative Version der Asimovschen Roboter, also ebenfalls mechanischen menschenähnliche Wesen mit künstlicher Intelligenz. Sie wurden geschaffen, um für immer Kriege zu verhindern und jedes Unheil von Menschen abzuwenden, also eine Art Kindermädchen. Wie eine heimlich steigende Flut nehmen die Wesen vom Planeten Wing IV, einer gigantischen Roboterschmiede, mit sanfter Gewalt eine Welt nach der anderen in Besitz – offiziell nur, um über das Wohlergehen der Menschen zu wachen, wie es ihnen ihre Primäre Direktive befiehlt. Nur dass die Menschen dabei nutzlos werden.

Doch die „fürsorgliche Belagerung“ zeugt auch Aufstand. In der zweiten Hälfte des Romans „Wing IV“ geht es den Humanoiden an den Kragen. Eine Rebellengruppe entzieht sich mit telepathischen Kräften dieser unerbittlichen Fürsorglichkeit. Sie nimmt Kontakt mit dem Wissenschaftler Forester auf, der auf einem Planeten lebt, der noch frei von Humanoiden ist. Zusammen setzen sie alles daran, den freien Willen der Menschen der obersten Direktive der Humanoiden einzubauen, um dem Menschen die Ausübung desselben wiederzugeben. Aber wäre dies nicht ein Schritt zurück?

Die Romanfassung war eines der allerersten SF-Bücher, die nach dem Zweiten Weltkrieg ins Deutsche übersetzt wurden (bei |Rauchs Weltraumbücher|). Sehr interessant für SF-Kenner ist das in der Ausgabe der |Heyne SF-Bibliothek| enthaltene Nachwort des damaligen Herausgebers des Rauch-Verlages.

7) Lyon Sprague de Camp: Hyperpelositus (Hyperpilosity, 1938)

Sprague de Camp, geboren 1907, war ein großer Spaßvogel und einer der wichtigsten Autoren humorvoller SF und Fantasy. Diese Story bildet keine Ausnahme.

Drei amerikanische Forscher sitzen gerade bei einem Bierchen zusammen, Carl, Pat und Hannibal. Pat Weiss erzählt, was seinem Freund, dem mexikanischen Virologen J. Roman Oliveira zustieß, als die Große Veränderung über das Land kam. Ein neues Grippevirus bewirkte, dass einem Infizierten im Übermaß Haare wuchsen, und zwar nicht nur auf dem Kopf, sondern am ganzen Körper. Es dauerte nur einige Monate, und die Menschen auf der ganzen infizierten Welt liefen herum wie ihre fellbedeckten Vettern, die Menschenaffen.

Nur die Baumwollpflanzer fanden das nicht witzig, weil nämlich niemand mehr Kleider aus ihrer Baumwolle herstellen wollte, und verlangtem vom US-Kongress, er solle gefälligst dafür sorgen, dass das aufhört. Das Einzige, was dem Kongress vor seiner Sommerpause dazu einfiel, bestand im Aussetzen einer Belohnung für das Finden eines Gegenmittels. Belohnung: immerhin eine Million Dollar. Die wollte sich Oliveira mit Pat verdienen und brüderlich teilen.

Er stieß auf ein uraltes Eiweißmolekül, das die Nacktheit der modernen Menschen verursachte, und auf zwei andere, die für Fellbedeckung sorgten. Er brauchte sich bloß durch eine spezielle Virusinjektion immun gegen das bewusste Protein zu machen, und schon fiel ihm das Haar büschelweise aus. Nun wollte er die Belohnung kassieren, doch ein Schlaukopf im Kongress hatte eine Frist gesetzt, und die hatte er um drei Wochen verpasst. Aber wollte irgendjemand trotzdem sein Fell verlieren? Absolut niemand!

Der einzige Wirtschaftszweig, der an der Großen Veränderung verdiente, waren die Hersteller von Striegeln und Bürsten. Zeit für das nächste Bier und ein Spielchen.

Mein Eindruck

Der Autor verwandelt die Menschen also kurzerhand zu Affen, und diese finden das auch noch angenehm. Das ist der Witz. Gleichzeitig führt er uns vor Augen, wie weit wir von unseren äffischen Vettern entfernt sind: nämlich nur eine Haaresbreite. Erstaunlich ist die virologische Sachkenntnis, die der Autor an den Tag legt. Worüber Pat Weiss und Oliveira hier dozieren, ist elementare Eiweißkunde und die chemische Grundlage von Krankheiten und Genen. Ob es sich allerdings wirklich so verhält, vermag ich nicht nachzuprüfen, denn dazu müsste ich Genforscher sein. Es soll genügen, dass der Autor sich den Spaß erlaubt, einen Affen aus uns zu machen.

8) Lester del Rey: Die Gläubigen (The faithful, 1938)

Die Geschichte wird von einem alten Hund-Menschen erzählt. Sie beginnt mit Richard Stren, der es unternimmt, seinem Hund Hungor das Sprechen beizubringen. Durch verschiedene Veränderungen schafft es Stren, Hungors Rasse so weit zu vervollkommnen, dass die sprechenden Hunde, die zudem einfache Griffe leisten können, gefragte Begleiter von Menschen werden. Aus sechs Hunden wird ein ganzes Institut und aus den vielen intelligenten Hund entsteht eine Parallelgesellschaft mit eigenen Rechten. Doch die Hunde, seit Jahrtausenden sein treuer Freund und Begleiter, bleiben dem Menschen gegenüber weiterhin loyal.

Der Atomkrieg und die nachfolgende Seuche tilgen den Menschen vom Antlitz der Erde. Erst siebzig Jahre danach traut sich der schon alte und weise Hungor wieder in das vom grünen Tod heimgesuchte Chicago. Sein Stamm übernimmt die Stadt und setzt die wichtigsten Maschinen und Systeme wieder in Gang. Doch etwas fehlt. Da taucht Paul Kenyon auf, der letzte Mensch auf Erden. Er hat vor Jahrzehnten erst sich selbst und dann Hungor Beowulf XIV, den Erzähler, genetisch modifiziert, so dass die Seuche ihn nicht umbrachte. Doch immer wieder wirft ihn ein Anfall der Seuche aufs Krankenlager. Dennoch ist Hungor froh, ihn hierzuhaben, und gemeinsam bauen sie die Stadt wieder auf.

Da hat Paul Kenyon eine Idee. In Afrika gestalteten die Menschen vor dem Atomkrieg eine Rasse von Affen-Menschen. Man könnte sie nach Chicago holen und aus ihnen eine Art menschlicher Nachfolger formen, sobald er tot sein würde. Gesagt, getan. Nach Monaten der Vorbereitung düst eine Luftflotte nach Kapstadt, um nach den letzten intelligenten Affen-Menschen zu suchen. Wird die Mission gelingen?

Mein Eindruck

Eigentlich müsste der Titel der Erzählung „Die Getreuen“ lauten. Der Autor demonstriert, dass die Menschheit ein Erbe geschaffen hat, das einen immensen Wert besitzt – für Gott, aber auch für fremde Rassen wie Hunde und Primaten. Werden diese Rassen im Sinne von David Brin durch Genmanipulation uplifted (vgl. „The Uplift War“), also auf eine höhere Stufe der Intelligenz gehoben, dann können sie dieses Erbe bewahren. Tragischerweise ist dies überhaupt erst dadurch nötig geworden, weil der Mensch wie stets sein eigener größter Feind ist. Der Atomkrieg, die Bio-Bombe usw. haben ganze Arbeit geleistet.

Eines ist jedoch nicht ganz logisch, aber das konnte der Autor nicht wissen. Auf den Atomkrieg folgt unweigerlich der Nukleare Winter, weil die brennenden Städte ebenso wie die Atompilze einen Schleier von Rausch, Asche und Dunst über die ganze Erde legen – so wie es 1883 nach dem Ausbruch des Vulkans Krakatau erfolgte. Trotz dieses Winters ziehen die überlebenden Menschen und Hunde-Menschen in den NORDEN Chicagos, in die Wildnis Kanadas, statt nach SÜDEN, wo das Klima milder wäre. Im Norden wäre sie im Nuklearen Winter unweigerlich verhungert und erfroren.

9) A. E. van Vogt: Der schwarze Zerstörer (1939)

„Diese Story traf die Leser von |Astounding| wie ein Hammerschlag“, meint Asimov. Recht hat er. Sie ist einfach unvergesslich. –

Coeurl ist ein intelligentes tigerartiges Raubtier, das auf seiner Welt bereits sämtliche Beutetiere ausgerottet hat – Beutetiere, die Coeurl das kostbare „Id“ liefern. Wie sich später herausstellt, handelt es bei Id um Phosphor. Coeurl lebt auf einer abgelegenen Welt, wo vor Äonen ein Krieg sämtliche Städte zerstört und die Bevölkerung getötet hat.

Deshalb ist die Landung eines Forschungsschiffes von der Erde gleichsam ein Geschenk des Himmels für den Räuber: hundert ahnungslose Wesen mit ungeheuren Mengen an Id! Es sind zumeist harmlose Wissenschaftler und unter ihnen ist nur der misstrauische Chemiker Kent bewaffnet. Die Biologen sind hingerissen von der fremdartigen Anatomie – ein Tiger mit Tentakeln – und Körperchemie Coeurls und bringen ihn an Bord ihres Schiffes.

Doch als in den Ruinen der Stadt ein Besatzungsmitglied tot aufgefunden wird, kommt ein böser Verdacht auf. Der Kollege wurde regelrecht zerfetzt, sein Fleisch jedoch nicht angerührt. Alles, was fehlt, ist Phosphor. Es kommt zu einem heftigen Streit, wie man sich gegenüber einer solchen Bedrohung zu verhalten hat. Der Archäologe Korita hat eine seltsame Theorie, auf welcher Zivilisationsstufe sich Coeurl befinden könnte.

Commander Morton lässt den schwarzen Tiger mit den erstaunlichen Fähigkeiten nun doch lieber in einen Käfig einsperren und verlässt den Planeten. Doch die Gefahr durch Coeurl ist keineswegs gebannt. Ganz im Gegenteil …

Mein Eindruck

Die Story funktioniert auf mehreren Ebenen und ist deshalb immer noch interessant. Obwohl die Erdenmenschen über fortschrittliche Atomtechnik verfügen, gelingt es ihnen nicht, Coeurl zu besiegen. Denn der schwarze Tiger beherrscht etwas, was sie nicht können: Energiemanipulation. Er ist ein lebender Energieumwandler, der auf diese Weise auch die Kräfte zerstören kann, die härtesten Stahl zusammenhalten. Natürlich ist er auch rasend schnell. Hinzu kommt, dass Coeurl Frequenzen wahrnimmt, zu denen Menschen nicht fähig sind, wohl aber Maschinen. Daher kann er auch Maschinen manipulieren. Zum Glück gibt es wenigstens eine Technik, die Coeurl nicht kennt: Antibeschleunigung …

Wie erwähnt, hat der Archäologe hat eine Theorie, auf welcher Zivilisationsstufe sich Coeurl befinden könnte. Es ist die des Barbaren, der eine hochentwickelte Zivilisation wie Rom, Ägypten oder China angreift und dabei unweigerlich scheitert – es sei denn, diese Zivilisation wäre wie das alte Rom des 5. Jahrhunderts bereits so dekadent und marode, dass es nur noch eines kleinen Stupsers bedarf, um sie zu Fall zu bringen. Als Verkörperung der Hochkultur müssen die Forscher nun zeigen, dass sie dieser Stellung würdig sind. Gelingt ihnen dies nicht, so wird Coeurl seine Artgenossen zusammenrufen und sie gegen die Erde führen, deren Position er nun kennt.

Die dritte Frage ist natürlich: Lässt sich ein Coeurl mit H. R. Gigers Alien-Kreatur vergleichen? Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass es nur sehr geringe Gemeinsamkeiten gib: die Eroberung eines fremden Menschenschiffes, die Auslöschung fast aller seiner Insassen, ein unersättlicher Hunger, ein ebenso tiefer Hass und eine gewisse Intelligenz, die das Wesen so gefährlich macht. Der wichtigste Unterschied ist der, dass Gigers Aliens eine staatenbildende Quasi-Insektenrasse sind, die von einer Königin geführt und verbreitet wird. Demgegenüber ist Coeurl ein Einzelgänger, der von Staaten – zumindest in seiner aktuellen Entwicklungsstufe – keine Ahnung hat.

10) Isaac Asimov: Einbruch der Nacht (1941)

Auf der Welt Lagash steht nahe der Stadt Saro City ein Observatorium, in dem der Reporter Theremon Zeuge eines ungeheuerlichen Vorgangs werden will. Eines Vorgangs, von dem nur im obskuren „Buch der Offenbarungen“ der Kultisten die Rede ist. Darin werden mysteriöse „Sterne“ erwähnt.

Er befragt den Astronomen Aton, den Direktor der Saro-Universität, denn der hat ja den kommenden Weltuntergang vorausgesagt. Aton weist an den Himmel. Von den sechs Sonnen, die Lagash abwechselnd bescheinen, steht nur noch die rötliche Beta schwach leuchtend am Firmament. Na und? Aton verliert die Geduld mit diesem respektlosen Hornochsen Theremon, deshalb übernimmt der Psychologe Sheerin die Erklärungen.

Nach einem Exkurs über Himmelskörper, Gravitation und Dunkelheit schwirrt Theremon zwar der Kopf, aber er das Problem immer noch nicht. Na, schön, es wird dunkel werden. Was soll denn daran so schlimm sein? Eine einfache Demonstration durch zugezogene Vorhänge erklärt ihm, was Sheerin meint: Klaustrophobie, die durch den ungewohnten Mangel an Licht hervorgerufen wird. Ja, aber wie einmal gezeigt wurde, kann die Klaustrophobie eine dauerhafte Schädigung sein.

Aber das ist noch gar nichts gegen das, was nach der Dunkelheit kommt: die Sterne. Aber was diese Objekte sein könnte, vermag auch Sheerin nicht zu sagen, denn kein Lebender hat Sterne bislang gesehen. Von jenem Ereignis, das vor 2049 Jahren stattfand und das sich heute wiederholt, berichtet nur das „Buch der Offenbarung“. Und der Grund dafür, dass es keine historischen Berichte gibt, liegt darin, dass jedes Mal die Zivilisation unterging. Denn was wollen die Menschen am dringendsten, wenn es völlig dunkel ist? Licht! Und womit macht man Licht? Mit allem, was greifbar ist, und zwar egal wie …

Die Scheibe von Beta wird von etwas angeknabbert, das wie ein schwarzer Fingernagel aussieht: Es ist der Mond, der sonst unsichtbar ist. Theremon wird beklommen ums Herz. Er hört kaum den von den Kultisten angestachelten Mob, der aus Saro City kommt, um das Observatorium zu stürmen und die Frevler zu töten. Die Dunkelheit beginnt zu fallen. Als sie vollkommen ist und kein Licht mehr scheint, beginnt der Wahnsinn. Denn das Licht der Sterne ist völlig anders als alles, was je ein Mensch auf Lagash gesehen hat…

Mein Eindruck

Noch heute verursachen mir die letzten Szenen und Sätze dieser Erzählung eine Gänsehaut. Niemand kann sich der Wirkung dieses Bildes entziehen, das zugleich schrecklich und schön ist. Statt der auf der Erde durchschnittlich sichtbaren 3600 Sterne sehen die Lagasher rund 30.000 Sterne auf sich herniederstarren wie Millionen kalter Augen! Satt der erwarteten sechs Sonnen sehen sie sich einem ganzen Universum gegenüber, dem sie sich nackt und schutzlos ausgesetzt fühlen. Dunkelheit, Angst und Klaustrophobie lassen selbst die vorbereiteten Kultisten komplett den Verstand verlieren. Wenn jemand von diesem Ereignis kündet (es werden Fotos und Filme gemacht), dann nur von den Überlebenden aus den abgeschotteten und verriegelten Schutzräumen. Nicht einmal der wahnsinnige Mob kann sie dort erreichen.

Aber es gibt auch jede Menge Humor in dieser Erzählung, die viele Male zur besten SF-Story aller Zeiten gewählt wurde. So erzählt der Astronom und Fotograf Beenay von zwei verwegenen Ideen, die ihn eher an Sciencefiction gemahnen. Dass es nämlich a) woanders weitere Sonnen mit Planeten geben könnte und b) dass es sogar – verrückter Gedanke, schon klar – eine Sonne geben könnte, die nur einen einzigen Planeten hat. Natürlich könne sich darauf niemals Leben entwickeln, versteht sich von selbst, denn da auf dieser Welt den halben Tag Dunkelheit herrschen würde, fehle einfach die nötige Wärme und Energie, die für die Entstehung von Leben einfach unerlässlich sind. War nur so ein spinnerter Einfall, Leute.

Was die Story aber eigentlich zu tragischer Größe erhebt, ist jene bemerkenswerte Diskrepanz zwischen dem Wissen, dass etwas geschehen wird, das es so bereits einmal vor 2049 Jahren gegeben hat, und der Befürchtung, dass dieses Etwas absolut unausweichlich sein wird. Der Leser fühlt sich in die Lage der Seherin Kassandra versetzt, deren sicheren Prophezeiungen niemand Glauben schenkte. Die Katastrophe kommt, aber es gibt nichts, was man dagegen tun kann (außer in die Schutzbunker zu gehen, aber jemand muss ja die Fotos anfertigen).

Noch ein weiterer Aspekt macht diese Geschichte unsterblich. Aufgehend von einer vorangestellten Bemerkung des amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Ralph Waldo Emerson zeigt Asimov, was passieren könnte, wenn der Mensch in der Lage wäre, eines Tages das Antlitz Gottes zu sehen. Die Menschen Lagashs haben noch nie die Nacht gesehen (jedenfalls nicht gemäß historischen Aufzeichnungen) und sehen auf einmal die Sterne. Nicht bloß sechs ihrer Sonnen, sondern 30.000 Sonnen! Diesen Anblick interpretiert Emerson als „die Stadt Gottes“, und Asimov zeigt sie uns.

Die „Stadt Gottes“, Gottes Antlitz ist ebenso schön wie schrecklich. Gemäß Shaftesburys Definition aus dem 18. Jahrhundert sind dies die Merkmale, welche die Empfindung des Erhabenen kennzeichnen. Wenn Gott also erhaben ist, dann ist sein Anblick, kommt er unvorbereitet, unerträglich und zeitigt Vernichtung. Vielleicht ist doch besser, ein Erdenwurm zu bleiben …

Robert Silverberg hat aus dieser Story einen kompletten Roman gestrickt. Dreimal darf man raten, wie dessen Titel lautet: natürlich „Einbruch der Nacht“ (Heyne 01/10090). In diesem Roman kommt dann auch mal eine Frau vor …

11) Robert A. Heinlein: Requiem (Requiem, 1939)

Delos D. Harriman ist „Der Mann, der den Mond verkaufte“, denn so heißt ein Kurzroman Heinleins (ca. 130 Seiten in der „Future History“). Er begründete die Raumfahrt und erschloss den erdnahen Raum für regelmäßige Flüge von der Erde nach Luna City. Nun ist Harriman ein alter Mann, war aber selbst noch nie auf dem Erdtrabanten. Ihm gilt daher seine größte ungestillte Sehnsucht.

Als er in Missouri auf einem Jahrmarkt eine Mondrakete als Attraktion ausgestellt sieht, engagiert er die beiden Männer, denen sie gehört, vom Fleck weg: den Piloten McIntyre und seinen Techniker Charlie. Sie stecken laufend in Geldschwierigkeiten und sind froh über den Auftrag, Harriman – sie haben natürlich von ihm gehört – helfen zu können. Nachdem sie eine gebrauchte Rakete zurechtgebastelt und als Stratosphärenyacht getarnt transportiert haben, stellen sie diese im Südwesten der USA zum Start bereit. Aber als der Hilfssheriff des Marshals mit Haftbefehlen und Pfändungssiegel auftaucht, wissen sie, dass es Zeit ist abzudüsen.

Für den alten Mann ist der Start eine Riesenbelastung, die ihm zwei Rippen bricht und Herzrasen verursacht. Aber die Landung auf dem Mond klappt, wenn auch etwas holprig. Doch hier wiegt Harriman nur zehn Kilo – ein Klacks. Er darf sich im Sand ausstrecken und die Erdsichel bewundern. Sie ist wunderschön. Rundum zufrieden schläft er ein. Für immer.

Mein Eindruck

Ursprünglich erschien „Requiem“ als Nachspiel zum oben erwähnten Kurzroman „Der Mann, der den Mond verkaufte“. Und das ist auch sehr passend, schildert die Story doch die letzten Tage des berühmten D. D. Harriman. Die Geschichte beginnt mit einer Grabinschrift über die letzte Ruhestätte eines Seemanns. Die Story ist die Grabinschrift für den Pionier der Raumfahrt.

Klar, dass sie daher sein Leben ein wenig nachskizziert, seine Kämpfe und Opfer streift, aber auch seine Errungenschaft aufzählt. Dann endet das Requiem, was sinngemäß „Lied für die Grablegung“ bedeutet. Es ist keine Totenklage, sondern die Entsprechung zum Spruch „Er ruhe in Frieden“. Der Autor macht keine große großen Worte, sondern stellt dar, worauf es ankommt, statt dies zu behaupten. Das war schon immer Heinleins früher Stil, jedenfalls bis 1959, als er [„Starship Troopers“ 495 veröffentlichte (und prompt den |HUGO Award| dafür bekam). Danach begann er zu predigen.

Unterm Strich

Der vorliegende Band enthält eine ganze Reihe absolut klassischer Erzählungen, so etwa „Einbruch der Nacht“ von Asimov und „Der schwarze Zerstörer“ von A. E. van Vogt. Diese Storys wie auch die Erzählung „Die Humanoiden“ von Williamson wurden später zu Romanen verarbeitet – eine klassische Methode der Wiederverwertung unter den schlecht bezahlten Groschenheft-Autoren. Heinlein fasste etliche seiner Storys wie etwa „Requiem“ zu einer „Future History“, einer Geschichte der Zukunft zusammen, die schon 1941 von John W. Campbell veröffentlichte wurde.

Diese und viele andere interessante Details erfährt man aus James Gunns kenntnisreichen Anmerkungen. Zu jedem der vorgestellten Autoren weiß Gunn fundierte Informationen zu liefern und versäumt nicht, wertende Meinungen zum jeweiligen Autor beizufügen, nicht zuletzt von den Kollegen des Autors. Am Ende jeder Story sind bibliografische Angaben zu den ursprünglichen und deutschen Veröffentlichungsdaten zu finden – ein besonderer Service des |Heyne|-Verlags. Vor 1979 wurde so etwas nur selten praktiziert, wie man an den frühen „Titan“-Auswahlbänden ablesen kann.

Zusammen mit der Historie „Der Milliarden-Jahre-Traum“ von Brian W. Aldiss kann der SF-Neuling mit der Reihe „Wege zur Science Fiction“ einen Überblick über die Entwicklung seines Lieblings-Genres von den Anfängen (Gilgamesch-Epos) bis in die siebziger und achtziger Jahre des 20. Jahrhundert erwerben. Die zwei abschließenden Bände, die sich mit der europäischen Phantastik befassen, sind leider bis heute nicht erschienen.

Frauenmangel

Was in Zeiten politischer Korrektheit auffällt, ist der eklatante Mangel an weiblichen Autoren. Dazu ist anzumerken, dass wirklich gute Autorinnen einerseits in den vierziger Jahren (C. L. Moore und Leigh Brackett) oder erst ab der zweiten Hälfte der sechziger Jahren publizierten, so etwa Ursula K. Le Guin und Joanna Russ. Dieser Band deckt also eine Zeit genau dazwischen ab. Wer eine Anthologie mit Frauen-SF-Storys sucht, der greife zu Pamela Sargents ausgezeichneter Reihe „Women of Wonder“ (USA).

Taschenbuch: 479 Seiten
Originaltitel:The road to science fiction 2 (2. Teil)
Aus dem Englischen von diversen Übersetzern.
ISBN-13: 978-3453009646

www.heyne.de

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